Urteil des LG Köln vom 25.04.2007

LG Köln (treu und glauben, vertrag, abschluss des vertrages, rücknahme der klage, beendigung des dienstverhältnisses, höhe, eigenes interesse, kündigung, wichtiger grund, lex specialis)

Landgericht Köln, 7 O 489/05
Datum:
25.04.2007
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
7. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 O 489/05
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.660,00 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.880,00 € seit
dem 01.10.2005 sowie aus 3.780,00 € seit dem 01.04.2006 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten um den Bestand und den Umfang des zwischen ihnen
geschlossenen Studienvertrages.
2
Die Klägerin betreibt eine staatlich anerkannte Fachhochschule mit Sitz in Brühl. Sie
bietet dort vier Studiengänge an, darunter den Studiengang Handelsmanagement. Die
Regelstudienzeit dieses Studiengangs beträgt etwa 3 ½ Jahre, der Abschluss lautet
Diplom-Kaufmann/-Kauffrau (FH). Aufgrund des dualen Studienmodells setzt sich das
Studium dabei aus theoretischen Teilen an der Fachhochschule und einem praktischen
Teil (Ausbildung oder Praktikum) zusammen. In dem Werbeprospekt der Klägerin findet
sich auf Seite 10/11 Folgendes (Bl. 94 d.A.):
3
"Die mit der EUFH kooperierenden Unternehmen stellen Praktikums- und
Ausbildungsplätze zur Verfügung und gewähren dadurch den Studierenden
Einblicke in betriebliche Strukturen und Abläufe. Dies hilft ihnen zu lernen, was sie
in der Praxis wirklich brauchen. Zusätzlich erarbeiten die Unternehmen zusammen
mit den Studierenden Themen für Projekte und Diplomarbeiten. Die Unternehmen
erarbeiten auch Vorschläge für eine praxisnahe Gestaltung der Studieninhalte."
4
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Werbeprospekt der Klägerin
verwiesen (Bl. 90 ff. d.A.).
5
Nachdem der Beklagte anlässlich eines Besuches auf der Ausbildungsmesse in Leipzig
6
im November 2004 auf die Klägerin aufmerksam wurde, bald darauf den
Einstellungstest bestand und ein Bewerbertraining absolvierte, schlossen die Parteien
am 21.01.2005 einen "Studienvertrag" (Bl. 6 d.A.). Hiernach sollte der Beklagte bei der
Klägerin von Oktober 2005 bis zum voraussichtlichen Studienende im März 2009 den
Studiengang Handelsmanagement belegen.
Laut dem Vertrag setzte sich das zu zahlende Studienentgelt aus einer einmaligen
Einschreibegebühr in Höhe von 100,00 € sowie aus monatlich fälligen Studiengebühren
in Höhe von jeweils 630,00 € zusammen.
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In Ziffer 6.1 des Studienvertrages heißt es:
8
"Die Studiengebühr für ein Fachsemester ist jeweils vor deren Beginn, spätestens
bis zum 30. des Vormonats auf das Konto …… zu zahlen."
9
Ziffer 7.4 des Studienvertrages lautet:
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"Die/der Studierende kann den Studiengang erstmals ordentlich zum Ende des
ersten Studienjahres mit einer Kündigungsfrist von 6 Wochen mit
Einschreiben/Rückschein kündigen. Nachfolgend ist eine Kündigungsfrist von 6
Wochen zum Ende des jeweiligen Fachsemesters vereinbart. Das Recht zur
Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt."
11
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag (Bl. 6 d.A.) Bezug
genommen.
12
In der Folgezeit nach dem Vertragsabschluss gab es mehrere Telefonate zwischen der
bei der Klägerin beschäftigten Zeugin X und dem Vater des Klägers, dem Zeugen L2.
13
Bei einem durch die Klägerin vermittelten Bewerbungsgespräch im April 2005 erschien
der Beklagte nicht. Nach einem weiteren Bewerbungsgespräch bei einem anderen
Unternehmen – ebenfalls im April 2005 – stellte dieses dem Beklagten keinen Platz für
die praktische Ausbildung zur Verfügung.
14
Am 11.05.2005 erhielt der Beklagte einen Einberufungsbefehl des
Kreiswehrersatzamtes Leipzig (Bl. 136 d.A.). Die Einberufung sollte zum 01.07.2005 mit
erstmaligem Dienstantritt am 04.07.2005 erfolgen. Der vom Beklagten hiergegen
eingelegte Widerspruch wurde von der Wehrbereichsverwaltung Ost mit Bescheid vom
31.05.2005 als unbegründet zurückgewiesen (Bl. 137 d.A.).
15
Mit Schreiben vom 23.07.2005 kündigte der Beklagte den Studienvertrag aus wichtigem
Grund mit Hinweis auf seinen Einberufungsbescheid (Bl. 7 d.A.). Mit Schreiben vom
05.09.2005 widersprach die Klägerin der Kündigung des Beklagten und schlug dem
Beklagten eine Anpassung des Studienvertrages vor (Bl. 8 d.A.). Danach sollte sich der
Studienbeginn um ein Jahr verschieben, so dass der Beklagte zunächst seinen
Wehrdienst hätte ableisten können. Eine solche Vertragsanpassung lehnte der Beklagte
mit Schreiben vom 11.09.2005 ab (Bl. 10 d.A.).
16
Einen Ausbildungsplatz für den praktischen Teil des Studiums fand der Beklagte nicht.
17
Ende des Jahres 2005 besuchte der Beklagte die Ausbildungsmesse nochmals und
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führte Gespräche mit den an dem Ausbildungsstand der Klägerin beschäftigten
Mitarbeitern. Der Inhalt dieser Gespräche ist zwischen den Parteien streitig.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Studienvertrag sei nicht wirksam außerordentlich
gekündigt worden. Ein wichtiger Grund für eine Kündigung liege nicht vor. Die
Einberufung stamme darüber hinaus aus der Risikosphäre des Beklagten. Deshalb
habe der Beklagte lediglich ordentlich kündigen können. Ferner behauptet die Klägerin,
der Beklagte habe keinen Anfechtungsgrund. Dem Beklagten sei nicht zugesichert
worden, dass der Vertrag hinfällig sei, falls dieser keinen Platz für den praktischen Teil
des Studiums bekomme.
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Nachdem die Klägerin ursprünglich beantragt hat,
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1. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Studienvertrag für den Studiengang
"Handelsmanagement" gemäß dem Vertragsformular vom 21.01.2005 besteht,
wobei der Studienbeginn Oktober 2006 (und nicht Oktober 2005) und
voraussichtliches Studienende 03/2010 (und nicht 03/2009) ist,
2. den Beklagten zu verurteilen 100,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2005 an die Klägerin zu zahlen,
3. hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, an sie 3.880,00 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2005 und am
31.03.2006 weitere 3.780,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2006 zu zahlen,
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22
hat sie ihren Antrag mit Schriftsatz vom 03.04.2006 geändert (Bl. 69 d.A.). Nach
Rücknahme der Klage im Übrigen beantragt sie nunmehr,
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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 7.660,00 € nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.880,00 € seit dem 01.10.2005
sowie aus 3.780,00 € seit dem 01.04.2006 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte ist der Ansicht, das Landgericht Köln sei nicht örtlich zuständig. Zudem
behauptet er, er habe den Vertrag wirksam angefochten. Die Klägerin habe ihm
zugesichert, dass sie ihm ein Praxisunternehmen vermitteln werde, bei dem er seine
praktische Studienzeit absolvieren könne. Diese Aussage sei auch bei einer
telefonischen Rückfrage nochmals bestätigt worden. Ferner habe die Klägerin
zugesichert, dass der Vertrag hinfällig sei, wenn er kein Praxisunternehmen finden
sollte. Der Beklagte behauptet weiter, dass für den Fall, dass die Klägerin ihre Zusage
eingehalten hätte, sein Widerspruch gegen die Einberufung erfolgreich gewesen wäre.
Zudem habe ein Mitarbeiter des Kreiswehrersatzamtes ihm gegenüber zugesagt, dass
er von der Einberufung und Ableistung des Wehrdienstes freigestellt werde, wenn er
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noch ein Praxisunternehmen finden sollte. Ferner ist der Beklagte der Ansicht, er habe
den Vertrag wirksam außerordentlich kündigen können, hilfsweise aber zumindest
ordentlich. Er ist zudem der Ansicht, die Regelung der Ziffer 7 des Studienvertrages sei
unwirksam, es sei lediglich eine sechsmonatige Kündigungsfrist zulässig.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen, soweit diese
Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
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Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 31.10.2006 (Bl. 147
d.A.) durch Vernehmung der Zeugen I, Frank L2 und Yvonne X. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 21.02.2007 (Bl.
170 d.A.) verwiesen.
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E n t s c he i d u n g s g r ü n d e :
30
I.
31
Die Klage ist in ihrer jetzigen Fassung zulässig und begründet.
32
1.
33
Die Klageänderung war zulässig. Geht der Kläger von einer Feststellungs- in eine
Leistungsklage über, handelt es sich um eine Klageänderung nach § 263 ZPO.
Zulässigkeitsvoraussetzung für dieses Vorgehen ist entweder eine Zustimmung des
Beklagten oder die Sachdienlichkeit der Änderung. Da der Beklagte sich, ohne der
Änderung zu widersprechen, in der mündlichen Verhandlung am 21.02.2007 auf die
abgeänderte Klage eingelassen hat, wird seine Einwilligung in die Klageänderung nach
§ 267 ZPO vermutet. Zudem ist die Klageänderung nach Ansicht des Gerichts
sachdienlich.
34
2.
35
Die Klage ist zulässig. Das Landgericht Köln ist gemäß § 29 Abs. 1 ZPO örtlich
zuständig. Bei einem Ausbildungsvertrag wird von einem einheitlichen Erfüllungsort
ausgegangen, der am Kursort liegt (OLG Karlsruhe, NJW-RR 1986, S. 351; Zöller-
Vollkommer, Zivilprozessordnung, 26. Aufl. 2007, § 29, Rn. 25 unter
"Ausbildungsvertrag"). Kursort ist hier Brühl.
36
3.
37
Die Klage ist auch begründet.
38
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 7.660,00 €
gemäß § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Studienvertrag vom 21.01.2005.
39
a.
40
Ein Zahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 7.560,00 € ergibt sich aus § 611 Abs. 1
BGB in Verbindung mit dem Studienvertrag vom 21.01.2005.
41
Der Beklagte ist zur Zahlung von jeweils 630,00 € Studiengebühren für die Monate
Oktober 2005 bis September 2006 verpflichtet. Der Beklagte hat den Studienvertrag zum
Ablauf des ersten Studienjahres gekündigt. Der Studienvertrag ist seitens des Beklagten
nicht wirksam angefochten. Die ausgesprochene außerordentliche Kündigung ist
ebenfalls nicht wirksam.
42
aa.
43
Die Parteien haben mit der Vereinbarung vom 21.01.2005 einen Studienvertrag
geschlossen, bei dem es sich um einen Dienstvertrag im Sinne des § 611 BGB handelt.
Die Klägerin kann auch aus diesem ursprünglichen Vertrag vorgehen, da eine
Vertragsanpassung auf einen Studienvertrag mit Studienbeginn 10/2005 mangels
Zustimmung des Beklagten nicht erfolgt ist und auch keine sonstigen Gründe für eine
Vertragsanpassung ersichtlich sind.
44
bb.
45
Der Vertrag ist auch nicht gemäß § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig
anzusehen. Der Beklagte konnte den Vertrag nicht wirksam anfechten. Es kann
dahingestellt bleiben, ob eine wirksame Anfechtungserklärung vorliegt, da es zumindest
am Anfechtungsgrund mangelt. Der Beklagte hat keinen Anfechtungsgrund gemäß §
123 Abs. 1 BGB. Die Klägerin hat den Beklagten nicht arglistig getäuscht. Der Beklagte
ist bei Abschluss des Studienvertrages nicht darüber getäuscht worden, dass der
Vertrag hinfällig sei, wenn er keinen Praxispartner für die praktische Studienzeit findet.
Es ist dem Beklagten seitens des Klägers auch nicht zugesichert worden, dass sich
diese auf jeden Fall um den Praktikumplatz kümmere und der Beklagte sicher einen
Praktikumplatz erhalten würde.
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Eine derartige Zusicherung ergibt sich nicht aus den Werbeaussagen der Klägerin.
Insbesondere die Aussage, die mit der Klägerin kooperierenden Unternehmen würden
Praktikums- und Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, stellt keine rechtsverbindliche
Zusicherung dar, dass der Studierende mit dem Beginn des Studiums automatisch und
ohne Eigeninitiative einen Praktikumplatz erhält. Eine derartige Aussage ist aus dem
Werbetext der Klägerin nicht erkennbar. Vielmehr weisen die Werbetexte der Klägerin
darauf hin, dass den Studierenden durch die enge Verknüpfung und Zusammenarbeit
mit den Kooperationsunternehmen die Kontaktaufnahme zu diesen erleichtert werden
soll und die Klägerin den Studierenden bei der geeigneten Wahl eines
Praxisunternehmens beratend zur Seite steht und Kontakte und Adressen zwecks eines
Vorstellungstermins vermittelt. Die Tatsache, dass bei dem Beklagten durch die
Aussage in dem Werbetext der Eindruck der verbindlichen Zusicherung eines
Praktikumplatzes entstanden ist, vermag an der objektiven Aussage des Textes nichts
zu verändern.
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Die Klägerin hat dem Beklagten gegenüber zudem nicht erklärt, dass der Studienvertrag
hinfällig sei, wenn dieser keine Praktikumstelle bekomme. Dem Beklagten ist es nach
der Ansicht des Gerichts nicht gelungen, eine derartige getätigte Aussage zu beweisen.
Die diesbezüglich durchgeführte Beweisaufnahme war unergiebig. Die Zeugen konnten
eine derartige Äußerung vor Vertragsschluss nicht bestätigen. Dies geht nach den
allgemeinen Regeln der Beweislastverteilung zu Lasten des insoweit beweisbelasteten
Beklagten.
48
Zwar hat der Zeuge I ausgesagt, es sei ihm und dem Beklagten im Rahmen der
Auszubildenden-Tage im November 2004 in Leipzig von einer Mitarbeiterin der Klägerin
gesagt worden, die Kooperationsunternehmen würden von der Klägerin gestellt. Diese
Aussage sei ein Jahr später an gleicher Stelle dahingehend präzisiert worden, dass der
Vertrag hinfällig sei, wenn für einen Studenten kein Praxispartner gefunden werden
könne. Auch sei von der Klägerin immer der Eindruck vermittelt worden, jeder Student
würde ohne Probleme einen Praxispartner bekommen, so dass insbesondere die
Finanzierung des Studiums in jedem Fall sichergestellt sei. Diese Aussage ist
unergiebig. Nach der Aussage des Zeugen I, dessen Richtigkeit ebenfalls durch den
Beklagten in der Sitzung vom 21.02.2007 (Bl. 181 d.A.) bekräftigt wurde, steht zur
Überzeugung des Gerichts gerade nicht fest, dass eine Äußerung dahingehend, dass
der Vertrag hinfällig sei, wenn der Studierende kein Praxisunternehmen findet, vor dem
Abschluss des Vertrages getätigt wurde. Der Zeuge schilderte anlässlich seiner
Vernehmung vielmehr seine auch schon durch den Beklagten zum Ausdruck
gebrachten gewonnenen persönlichen Eindrücke. Demgegenüber hat der Zeuge I
glaubhaft ausgesagt, die in diesem Kontext relevante Äußerung sei erst ein Jahr später
bei dem Messebesuch im November 2005, also nach Vertragsschluss gefallen. Aus
dem durch den Zeugen geschilderten Gesprächsinhalt auf der Messe im Jahr 2004 – vor
Vertragsschluss – ergibt sich ebenfalls keine Zusicherung der Klägerin dahingehend,
dass die Klägerin zusichere, dass jeder Studierende einen Praktikumplatz erhalte. Der
Gesprächsinhalt auf der Messe im Jahr 2004 beschränkte sich nach der Aussage des
Zeugen I auf die Äußerung der Klägerin, diese stelle Kooperationsunternehmen.
Hieraus lässt sich aber nach dem bereits Ausgeführten nicht der Schluss ziehen, ein
Praktikumplatz sei mit der Unterschrift auf dem Studienvertrag ohne Eigeninitiative
gesichert und würde seitens der Klägerin gewährleistet.
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Auch die Aussage des Vaters des Beklagten, des Zeugen L2, ist für die hier relevante
Frage, ob der Beklagte bei dem Zustandekommen des Studienvertrages über die
äußeren Umstände in Hinblick auf die Beschaffung eines Praktikumplatzes arglistig
getäuscht wurde, unergiebig. Dieser konnte eine Aussage der seitens des Beklagten
behaupteten Art nicht bestätigen. Der Zeuge L2 schilderte vielmehr aufgrund von den
Telefonaten gewonnene persönliche Eindrücke. Soweit er ausführt, bei einem Telefonat
sei ihm von einer Mitarbeiterin der Klägerin gesagt worden, sein Sohn bekomme auf
jeden Fall ein Kooperationsunternehmen, ist diese Aussage ebenfalls unergiebig. Der
Zeuge L2 konnte sich nicht mehr daran erinnern, ob dieser Satz in einem Telefonat vor
oder nach Vertragsschluss gefallen ist.
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Zudem steht die Behauptung des Beklagten im Widerspruch zu der Aussage der Zeugin
X. Diese hat ausgesagt, dass die Klägerin bei den Bewerbungsverfahren unterstützend
und beratend tätig wird, indem sie Kontakte vermittelt und die Bewerbungsunterlagen
der Studenten überprüft. Auf die Bewerbungsgespräche der Studierenden bei den
Unternehmen habe sie aber keinen Einfluss, weshalb die Klägerin auch keine
Versprechungen oder Garantien hinsichtlich der Praktikumplätze abgeben könne. Diese
Aussage ist glaubhaft. Sie ist in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Das Gericht sieht
auch keine Veranlassung, die Glaubwürdigkeit der Zeugin X in Zweifel zu ziehen. Dabei
verkennt das Gericht nicht, dass die Zeugin X aufgrund ihrer Anstellung bei der Klägerin
ein eigenes Interesse an dem Ausgang des Verfahrens hat. Das Gericht sieht aber keine
Anhaltspunkte, dass die Zeugin X falsch ausgesagt hat. Insgesamt verkennt das Gericht
zudem nicht, dass sich die Zeugin X an die konkreten Inhalte der Telefonate mit dem
Zeugen L2 nicht mehr erinnern konnte. Letztlich kommt es hierauf aber nicht an. Schon
die Aussagen der Zeugen I und L2 waren unergiebig und konnten die Behauptung des
51
Beklagten nicht bestätigen.
cc.
52
Der Dienstvertrag ist auch nicht durch die seitens des Beklagten erklärte fristlose
Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB beendet worden. § 626 BGB ist lex
specialis zu § 314 BGB (Palandt-Weidenkaff, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl. 2007,
§ 626, Rn. 3). Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil
aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn
Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller
Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die
Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der
vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Der
Beklagte hat indessen keinen eine außerordentliche Kündigung rechtfertigenden
wichtigen Grund.
53
Der Einberufungsbefehl des Kreiswehrersatzamtes Leipzig (Bl. 136 d.A.) stellt keinen
außerordentlichen Kündigungsgrund dar. Unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile war dem Beklagten
die Fortsetzung des Studienvertrages zumutbar. Die Klägerin hat dem Beklagten eine
Anpassung des Studienvertrages angeboten. Im Falle der Vertragsanpassung
dahingehend, dass der Studienbeginn ein Jahr bis zum Ende des Wehrdienstes
verschoben worden wäre, bestünde für den Beklagten weder ein finanzieller, noch ein
rechtlicher Nachteil. Lehnt der Beklagte aber die für ihn günstige Vertragsanpassung ab,
so kann er den Vertrag nicht aus demselben Grund außerordentlich kündigen.
54
Auch die seitens des Beklagten behauptete Nichteinhaltung einer Zusicherung der
Klägerin, verbindlich einen Praktikumplatz zu verschaffen, begründet keinen
außerordentlichen Kündigungsgrund. Wie bereits erörtert, steht nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme nicht zu der Überzeugung des Gerichts fest, dass derartige
rechtsverbindliche Zusicherungen seitens der Klägerin getätigt wurden. Vielmehr ist der
persönliche Eindruck einer solchen Zusicherung bei dem Beklagten und den Zeugen I
und L2 aufgrund der objektiven und wertneutralen Aussage, die Klägerin stelle
Kooperationsunternehmen für Praktikumplätze zur Verfügung, entstanden.
55
dd.
56
Der Dienstvertrag ist allerdings durch die seitens des Beklagten hilfsweise erklärten
ordentlichen Kündigung mit Wirkung zum 30.09.2006 beendet worden. Die
Kündigungsfristen des § 621 BGB sind hier durch Ziffer 7.4 des zwischen den Parteien
geschlossenen Studienvertrages abbedungen worden. Dies ist möglich. Die in § 621
BGB festgesetzten Kündigungsfristen sind disponibel (Palandt-Weidenkaff, a.a.O., §
621, Rn. 2). Nach Ziffer 7.4 des Studienvertrages kann eine Kündigung erstmals zum
Ende der ersten Studienjahres erfolgen. Diese Regelung ist wirksam. Sie hält einer
Inhaltskontrolle anhand der §§ 305 ff. BGB stand. Bei der Regelung handelt es sich um
eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Sie ist für eine Vielzahl von Verträgen
vorformuliert und wirksam in den Vertrag einbezogen worden (§ 305 Abs. 1 BGB).
57
§ 309 Nr. 9 BGB steht hier einer Wirksamkeit der Klausel nicht entgegen. Ziffer 7.4 des
Studienvertrages betrifft keine der in § 309 Nr. 9 a) bis c) BGB genannten Fallgruppen.
Insbesondere ist die nach § 309 Nr. 9 a) BGB höchstens zulässige bindende Laufzeit
58
nicht überschritten worden. Für die Berechnung der Laufzeit der vertraglichen Bindung
ist auf den Vertragsabschluss – hier am 21.01.2005 – abzustellen und nicht auf den
vertraglich festgelegten Leistungsbeginn – hier am 01.10.2005 (BGHZ 122, S. 63 = NJW
1993, S. 1651; Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 309 Rn. 84). Aber auch unter
Berücksichtigung des Vertragsabschlusses am 21.01.2005 ist der Beklagte durch die
Kündigungsmöglichkeit zum 30.06.2006 nicht länger als zwei Jahre gebunden.
Die hier vereinbarte Mindestdauer des Studiums von einem Jahr hält auch einer
Überprüfung anhand des § 307 BGB stand. Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen
in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des
Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen
benachteiligen. Eine derartige unangemessene Benachteiligung des Beklagten durch
die Klausel besteht nach der Ansicht des Gerichts indessen hier nicht.
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Ein Indiz für die Unangemessenheit kann die Abweichung von gesetzlichen
Bestimmungen sein, wenn diese ein allgemeines Gerechtigkeitsgebot ausdrücken
(BGHZ 74, S. 383). Als derartige gesetzliche Vorschriften kommen hier § 5 FernUSG
und § 15 BBiG in Betracht. Diese unabdinbaren Kündigungsvorschriften können aber
vorliegend für den Fall des Direktunterrichtsvertrages nicht als Wertungsmaßstab
herangezogen werden, weil sie Sachverhalte mit wesentlich anderer Interessenlage, als
bei dem Direktunterrichtsvertrag betreffen. Sie sind daher auf Studienverträge wie den
Vorliegenden weder direkt noch analog anwendbar (BGHZ 120, S. 108 = NJW 1993, S.
326; BGHZ 90, S. 280 = NJW 1984, S. 1531; OLG Köln, OLGR Köln 1998, S. 5 = MDR
1998, S. 1212).
60
Nach einer durchgeführten Interessenabwägung kommt das Gericht zu dem Ergebnis,
dass vorliegend die Interessen der Studierenden nicht derart gegenüber dem Interesse
der Klägerin überwiegen, als dass sich die Klausel nach den Grundsätzen von Treu und
Glauben unangemessen darstellt. Die Studierenden können den Studienvertrag erst
unterschreiben, wenn sie einen Eignungstest durchgeführt und bestanden haben und
nachdem sie an einem Bewerbungstag bei der Klägerin teilgenommen haben. Daraus
folgt, dass sich die Studierenden über den Umfang und den Inhalt des Studiums
informiert haben und die Entscheidung für ein Studium bei der Klägerin nicht etwa
überstürzt erfolgen kann. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Studierenden volljährig
sind und dementsprechend erwartet werden kann, dass sie sich dem Umfang ihrer
Entscheidung bewusst sind. Dem steht aber das Interesse der Klägerin an der
Ausschöpfung ihrer Kapazitäten und an einer durch die mit der im ersten Studienjahr
gesicherten Zahlung der Studiengebühren ermöglichten wirtschaftlichen Disposition in
Hinblick auf die Stellung der sachlichen und personellen Mittel gegenüber. Bei
Abwägung dieser Interessen überwiegt nach der Ansicht des Gerichts das Interesse der
Klägerin.
61
Nach alledem konnte der Beklagte den Studienvertrag lediglich ordentlich mit Wirkung
zum 30.09.2006 kündigen, so dass er zur Zahlung der auf diesen Zeitraum
entstandenen Studiengebühren verpflichtet ist.
62
b.
63
Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Zahlung weiterer 100,00 € ergibt
sich als Einschreibegebühr unmittelbar aus dem am 21.05.2005 zwischen der Klägerin
und dem Beklagten geschlossenen Studienvertrag (Bl. 6 d.A.).
64
c.
65
Die Klägerin hat zudem einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung der Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 BGB.
Der Zinsbeginn ergibt sich aus Ziffer 6.1 des Studienvertrages. Danach ist die
Studiengebühr jeweils bis spätestens zum 30. des Vormonats vor Beginn des neuen
Fachsemesters zu überweisen. Die Einschreibegebühr ist zu Beginn des ersten
Fachsemesters ebenfalls am 30. des Vormonats fällig. Der Zinsfuß folgt aus dem
Gesetz.
66
II.
67
Die Nebenentscheidungen folgen hinsichtlich der Kosten aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Durch die erfolgte Klageänderung sind keine Mehrkosten entstanden. Der Ausspruch
zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
68
Streitwert: einheitlich 7.660,00 €
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