Urteil des LG Köln vom 29.07.2008
LG Köln: unerlaubte handlung, örtliche zuständigkeit, geschäftstätigkeit, geschäftsführer, datum, anleger, vermögensschaden, täuschung, erwerb, gesellschafterversammlung
Landgericht Köln, 37 O 1029/07
Datum:
29.07.2008
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
37. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
37 O 1029/07
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahren trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Rückerstattung von Einlageleistungen wegen unerlaubter
Handlung.
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Der Kläger ist an der J AG & Co KG (K) beteiligt. Der Beklagte seinerseits ist
Geschäftsführer der W GmbH (H). Alleingesellschafter der H ist die Z Treuhand
Vermögensverwaltung GmbH, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer ebenfalls
der Beklagte ist.
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Die Vermittlung der Treuhandverträge an anlagewillige Kunden für die K wurde von der
P Deutsche Vertriebsmarketing AG (P) übernommen. Die Mittelverwendungskontrolle
wurde von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorgenommen.
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Die K erhielt ein Schreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin)
vom 26.10.2004 in dem ihr mitgeteilt wurde, dass ihre Geschäfte als
genehmigungspflichtiges Finanzkommissionsgeschäft eingestuft werden und mangels
entsprechender Genehmigung eine Untersagung in Betracht komme. In den folgenden
Wochen und Monaten verhandelten die BAFin und die K über mögliche Veränderungen
in der Anlage- und Gesellschaftsstruktur, um zu erreichen, dass die BAFin die
Geschäftstätigkeit der K nicht mehr als genehmigungspflichtiges
Finanzkommissionsgeschäft einstufte, was sie nach Ansicht der K selbst ohnehin nicht
war. Bis in den Mai 2005 hinein teilte die BAFin der K mit, dass die Tätigkeit unter
bestimmten Umständen als erlaubnisfreie GbR oder KG Lösung fortgeführt werden
könnte.
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Am 27.10.2004 fand eine Gesellschafterversammlung der K statt, an der der Beklagte für
die H teilnahm. Dort wurde ausführlich erörtert, dass eine Einbeziehung der F Bank AG
in die Geschäftstätigkeit der K erwogen werde, um den Bedenken der BAFin zu
begegnen.
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Ebenfalls mit Schreiben vom 26.10.2004, zugegangen am 28.10.2004, wandte sich die
BAFin auch an die H. Darin hieß es unter anderem:
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"Es ist die Annahme gerechtfertigt, dass das Beteiligungsangebot der J AG & Co KG
das unerlaubte Betreiben des Finanzkommissionsgeschäfts gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4
des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) beinhaltet. Sie wären als
Treuhandkommanditistin gemäß § 37 Abs. 1 KWG in die Abwicklung der unerlaubten
Bankgeschäfte mit einbezogen:
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(...)
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Gemäß § 44c Abs. 1 und 6 KWG sind Sie zur Auskunftserteilung und zur Vorlage von
Unterlagen verpflichtet. Ich bitte um Beantwortung folgender Fragen und Einreichung
folgender Unterlagen: (...)
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Der Kläger gab am 16.03.2005 in seiner Wohnung in Bergheim ein Angebot auf
Abschluss eines Treuhandvertrages mit der H ab. Dieses Angebot wurde am
22.03.2005 angenommen. Der Kläger verpflichtete sich damit zur Zahlung einer
Einmaleinlage in Höhe von 6.300,00 €. Er erhielt in der Folgezeit Ausschüttungen in
Höhe von 35,00 €.
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Am 15.06.2005 untersagte die BAFin schließlich die weitere Geschäftstätigkeit der K.
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Sowohl die K als auch die H meldeten mittlerweile Insolvenz an.
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Der Kläger behauptet, der Beklagte habe jedenfalls seit Ende Oktober 2004 gewusst,
dass das gesamte Anlagekonzept der K und der eingebundenen H zum Scheitern
verurteilt gewesen sei. Er ist der Ansicht, der Beklagte hätte den Vertragabschluss mit
dem Kläger verhindern müssen oder zumindest dessen Einlage nicht weiterleiten
dürfen. Der Beklagte sei insoweit zur Aufklärung verpflichtet gewesen.
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Der Kläger hat seinen ursprünglichen Klageantrag wegen der erfolgten Ausschüttungen
in Höhe von 35,00 € zurückgenommen.
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Der Kläger beantragt nunmehr,
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1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 6.265,00 € nebst 5% Zinsen über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Abtretung
sämtlicher Ansprüche, die dem Kläger gegen den Insolvenzverwalter über das
Vermögen der H Beteiligungstreuhand GmbH und die J AG & Co KG , Herrn RA
O, wegen Forderungsanmeldungen und aus dem Treuhandvertrag Nr. ###
zustehen;
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Abtretungserklärung
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gemäß Ziffer 1. in Annahmeverzug befindet.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln. Der Beklagte behauptet, von
der Untersagung durch die BAFin erst im Juni 2005 Kenntnis gehabt zu haben. Vorher
sei er davon ausgegangen, dass sich die Differenzen aufklären und beheben lassen
würden. Die Einzahlung der Einlage bestreitet der Beklagte mit Nichtwissen. Ferner
erhebt er die Einrede der Verjährung.
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Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes wird zudem Bezug auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll vom
08.07.2008 genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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I.
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Das Landgericht Köln ist jedenfalls gemäß § 32 ZPO örtlich zuständig. Der Kläger
behauptet einen durch unerlaubte Handlung des Beklagten eingetretenen
Vermögensschaden, welcher an seinem Wohnort, mithin in Bergheim, entstanden sei.
Zwar ist der Schadensort als solcher ohne Belang, da grundsätzlich der Begehungs-
und nicht der Schadensort für Klagen aus unerlaubter Handlung ausschlaggebend ist
(Zöller-Vollkommer, 26. Auflage 2007, § 32 ZPO, Rn. 16). Anderes gilt aber dann, wenn
der Schadenseintritt selbst zum Tatbestand der Rechtsverletzung gehört. Der vorliegend
behauptete Betrug wirkt sich damit am Belegenheitsort des Klägervermögens in
Bergheim und damit im Landgerichtsbezirk Köln aus. Damit kann dahinstehen, ob
zudem auch der Gerichtsstand des § 29c ZPO gegeben ist.
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II.
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Die Klage ist unbegründet, da dem Kläger kein Anspruch auf Schadensersatz gegen
den Beklagten aus Vertrag oder §§ 823 Abs. 2 in Verbindung mit § 263 StGB bzw. § 32
KWG bzw. § 826 BGB zusteht.
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1.
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Vertragliche Ansprüche gegen den Beklagten kommen mangels vertraglicher
Beziehung zwischen den Parteien nicht in Betracht. Der Kläger hat lediglich einen
schuldrechtlichen Vertrag mit der H als Treuhänderin abgeschlossen, nicht hingegen mit
dem Beklagten persönlich.
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2.
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Der Beklagte hat den Kläger nicht sittenwidrig vorsätzlich im Sinne des § 826 BGB
geschädigt.
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Der Beklagte selbst hat kein Anlagemodell vermittelt, da der Vertrieb der P Deutsche
Vertriebsmarketing AG (P) übertragen war. Daher kommt eine Haftung ohnehin nur
wegen des Umstandes in Betracht, dass er die Vermittlung des Treuhandvertrages
bewusst nicht verhindert hat.
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Dabei verkennt das Gericht nicht, dass der Geschäftsführer einer GmbH nach der
Rechtsprechung des BGH vorsätzlich sittenwidrig handelt, wenn er einem Anleger
hochspekulative Warenterminsgeschäfte ohne die erforderliche Risikoaufklärung
vermittelt, vermitteln lässt oder deren Vermittlung bewusst nicht verhindert (vgl. BGH,
NJW 2002, 2777; NJW-RR 2003, 923; 2004, 203). Eine durchgreifende Haftung auf den
Geschäftsführer persönlich wird in diesen Fällen zu Recht angenommen, weil der
betroffene Anleger bei Terminsoptionsgeschäften aller Wahrscheinlichkeit nach
chancenlos ist, wenn er mehrere verschiedene Optionen erwirbt und die Anlage
deswegen wirtschaftlich aussichts- und sinnlos ist. Der BGH hat diese Rechtssprechung
aber nur auf Warentermingeschäft erstreckt, nicht hingegen auf andere Anlagemodelle.
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Die Geschäftstätigkeit der K umfasst keine Terminsoptionsgeschäfte. Eine
entsprechende Anwendung der oben ausgeführten Grundsätze auf das Anlagemodell
der K ist nicht gerechtfertigt. Die Anlage bei der K war weder hochspekulativ, noch
wirtschaftlich aussichtslos oder unsinnig. Daran ändert auch das Schreiben der BAFin
vom 26.10.2004 nichts. Dort wird zunächst nur darauf hingewiesen, dass eine
Schließung wegen fehlender Genehmigung in Betracht kommt und es werden
Unterlagen angefordert, um den Sachverhalt und die Beteiligung der verschiedenen
Gesellschaften näher aufzuklären. Wäre eine Untersagung der Geschäftstätigkeit zu
diesem Zeitpunkt bereits sicher gewesen, hätte es der Einholung weiterer Informationen
gerade nicht mehr bedurft. Zudem hat die BAFin noch bis Mai 2005 Gespräche mit der K
geführt, um eine Untersagungsverfügung zu verhindern. Es wurde nach
genehmigungsfreien Lösungen gesucht, demnach bestand auch nach Ansicht der
BAFin die Möglichkeit, den Fonds umzustrukturieren und weiter zu vertreiben.
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Aus diesem Grund kann dem Beklagten auch kein Vorsatz zu Schädigung des Klägers
unterstellt werden. Er musste jedenfalls bis zum Vertragschluss mit dem Kläger im März
2005 nicht davon ausgehen, dass das Modell gescheitert war. Als der Beklagte am
28.10.2004 das Schreiben der BAFin erhielt, stand er bereits unter dem Eindruck der K
Gesellschafterversammlung vom Vortag. Dort wurde von den Bedenken der
Bundesanstalt berichtet und es wurden bereits erste Lösungsansätze - wie die
Einschaltung der F Bank AG - vorgestellt. Damit durfte der Beklagte darauf vertrauen,
dass die Geschäftstätigkeit der K aufrechterhalten werden und die Anlegerbeiträge nicht
gefährdet würden.
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Dass der Beklagte die vom Kläger gezahlten Einlagebeträge an die K weitergeleitet hat,
kann wegen der vorstehenden Ausführungen ebenfalls keinen Anspruch aus § 826 BGB
begründen. Hinzu kommt, dass der Beklagte für die H verpflichtet war, die Einlagen
weiterzuleiten.
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2.
38
Der Kläger hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Schadensersatz aus §
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823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB.
Da § 263 Abs.1 StGB nicht die Dispositionsfreiheit des Getäuschten schützt, sondern
als Vermögensstraftat nur die vermögensschädigende Täuschung sanktioniert (BGH
NStZ-RR 2001, 41f.; BGH NStZ-RR 2000, 331f.; Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl. 2007,
§ 263 Rn. 72 und 74 jeweils m.w.N.), liegt eine strafrechtlich relevante
Vermögensbeschädigung nicht schon dann vor, wenn jemand infolge eines durch
Täuschung hervorgerufenen Irrtums eine Vermögensverfügung getroffen hat, die er bei
Kenntnis der tatsächlichen Umstände nicht getroffen hätte (vgl. BGH NJW 2006, 1679,
1681 Rdnr.18 – für den Erwerb von Fondsanlagen; Tröndle/Fischer, aaO.).
Entscheidend ist vielmehr der objektive Vergleich der Vermögenslage des Getäuschten
vor und nach der Vermögensverfügung. Wird die von diesem im Falle des
Erfüllungsbetruges erbrachte Leistung durch den wirtschaftlichen Wert des Erlangten
ausgeglichen, so fehlt es an einem Vermögensschaden des Getäuschten im Sinne von
§ 263 Abs.1 StGB (vgl. auch BGH NJW 2006, 1679, 1681; BGH NJW 1982, 1165 – für
den Erwerb von Warenterminoptionen; Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB, 27.
Aufl. 2006, § 263 Rd.114a und Rn. 125 ff.; Tröndle/Fischer, aaO., § 263 Rn. 74 sowie
Rn. 78 a und 78 b – jeweils zu Risiko- und Anlagegeschäften).
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Konkrete und einer näheren Überprüfung zugängliche Anhaltspunkte dafür, dass das
Vermögen der Klägerseite zum Datum des Abschlusses des Beteiligungsvertrages
und/oder bei Übergabe der Beteiligungssumme wirtschaftlich um diesen Betrag im
Sinne der vorstehenden Grundsätze verringert worden ist, sind nicht ersichtlich.
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Zudem fehlt es aufgrund der unter 1. dargetanen Gründen an dem erforderlichen Vorsatz
des Beklagten.
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3.
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Eine Haftung des Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Gesetz über
das Kreditwesen (KWG) kommt ebenfalls nicht in Betracht. Es kann dahinstehen, ob die
Vorschriften des KWG Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB darstellen oder
ob das KWG nur die Aufgaben der Bundesanstalt im öffentlichen Interesse definiert.
Jedenfalls ist nicht der Beklagte, sondern die K als handelnde Gesellschaft für einen
etwaigen Verstoß gegen das KWG verantwortlich.
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Aufgrund der im Anschluss an die mündliche Verhandlung eingegangenen Schriftsätze
ist eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht geboten. Der dortige
Parteivortrag erschöpft sich in bloßen Rechtsausführungen. Insbesondere besteht keine
Veranlassung, die Entscheidung des OLG München abzuwarten.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
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Streitwert: bis 7.000 €
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