Urteil des LG Köln vom 18.07.2007

LG Köln: geschäftsführung ohne auftrag, örtliche zuständigkeit, abmahnung, einseitiges rechtsgeschäft, unternehmen, urheberrechtsverletzung, inhaber, abgabe, unverzüglich, wettbewerbsrecht

Landgericht Köln, 28 O 480/06
Datum:
18.07.2007
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
28. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
28 O 480/06
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.813,60 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem gesetzlichen Basiszinssatz seit
dem 07.06.2006 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 10 % und der
Beklagte zu 90 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrags. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d:
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Die Parteien streiten über die Erstattung von Anwaltskosten aufgrund einer Abmahnung.
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Die Mandantschaft des Klägers (F GmbH und N GmbH) gehört zu den führenden
deutschen Tonträgerherstellern. Am 31.08.2005 um 13:59:00 Uhr (MESZ) wurden unter
der IP-Nummer: "80.136.241.161" und dem Usernamen "Sensibelchen1985_####1"
mittels einer Filesharing-Software, die auf dem WinMX-Protokoll basiert, die folgenden
380 Audiodateien zum Herunterladen verfügbar gemacht:
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FOTOKOPIE
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Ein bei der Staatsanwaltschaft Bonn unter dem Az. 400 Js 1849/05 geführtes und
mittlerweile gem. § 153 StPO eingestelltes Ermittlungsverfahren wegen
Urheberrechtsverletzung ergab, dass die oben genannte IP-Nummer zum
streitgegenständlichen Zeitpunkt dem Beklagten zugeordnet war. Im Rahmen der am
22.11.2005 von der Kreispolizeibehörde Euskirchen durchgeführten
Beschuldigtenvernehmung gab der Beklagte an, über die Tauschbörse WinMX "(...) hin
und wieder Musik gesucht und die heruntergeladen (...)" zu haben.
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Die Auswertungsrechte für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bezüglich der
oben genannten Aufnahmen liegen exklusiv bei der Mandantschaft des Klägers.
Verwertungsrechte zur öffentlichen Zugänglichmachung dieser Aufnahmen gem. § 19a
UrhG hatte der Beklagte bei diesen nicht eingeholt.
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Mit Schreiben vom 19.01.2006 machte der Kläger namens und in Vollmacht seiner
Mandantschaft urheberrechtliche Unterlassungs- und Auskunftsansprüche gegen den
Beklagten geltend und gab ihm unter Fristsetzung bis zum 06.02.2006 die Möglichkeit,
mit Zahlung einer Vergleichssumme in Höhe von 4.000 € sämtliche Schadensersatz-
sowie Kostenerstattungsansprüche abzugelten.
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Mit Schreiben vom 27.01.2006 gab der Beklagte die geforderte strafbewehrte
Unterlassungserklärung ab, verweigerte jedoch die Zahlung der angebotenen
Vergleichssumme. Weitere Vergleichsbemühungen des Klägers im Anschluss hieran
scheiterten.
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Mit Schreiben vom 22.06.2006 spezifizierte der Kläger namens und in Vollmacht seiner
Mandantschaft die angefallenen Kosten und machte auf Grundlage jeweils eines
pauschalen Gegenstandswerts von 250.000 € unter Fristsetzung bis zum 06.07.2006
Kostenerstattungsansprüche von insgesamt 5.375,20 € geltend.
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Der Kläger behauptet, dass ihm die Kostenerstattungsansprüche seiner Mandantschaft
abgetreten worden seien.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn 5.375,20 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem gesetzlichen Basiszinssatz seit dem
07.06.2006 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln. Er ist der
Auffassung, die Einschaltung des Klägers sei nicht erforderlich gewesen, da die
Tonträgerunternehmen die Abmahnungen durchaus auch in ihren Rechtsabteilungen
hätten anfertigen können. Die Sachverhalte seien gleich gelagert, es handele sich daher
um eine Serienabmahnung, die auch mit einem Musterbrief erledigt werden könne.
Zudem sei die Klageforderung übersetzt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den
vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Das
Gericht hat gem. Beschluss vom 28.03.2007 Beweis erhoben durch die Vernehmung
der Zeugen L und J. I. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug
genommen auf die schriftliche Beantwortung der Beweisfrage vom 24.04.2007 und
25.04.2007. Mit Beschluss vom 08.06.2007 ist angeordnet worden, dass eine
Entscheidung im schriftlichen Verfahren am 18.07.2007 getroffen werden soll.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
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Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln ist gegeben. Die Gebührenforderung
resultiert aus einer Urheberrechtsverletzung, weshalb die Geltendmachung der
Gebührenforderung ebenfalls eine Urheberrechtsstreitigkeit darstellt. Gem. § 105 UrhG
ist das Landgericht Köln für den gesamten Bezirk des OLG Köln zuständig, mithin auch
für den Bereich des LG Bonn.
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Die Klage ist zudem im tenorierten Umfang begründet gem. §§ 97 UrhG, 683 S. 1, 670,
398 BGB.
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Der Mandantschaft des Klägers stand dem Grunde nach ein entsprechender
Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten zu.
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Die Abmahnkosten sind über das Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag zu
ersetzen. Denn derjenige, der vom Störer die Beseitigung einer Störung bzw.
Unterlassung verlangen kann, hat nach ständiger Rechtsprechung im Urheberrecht
grundsätzlich über dieses Institut einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen gem.
§§ 683 S. 1, 670 BGB, soweit er bei der Störungsbeseitigung hilft und im Interesse und
im Einklang mit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Störers tätig wird (BGH,
NJW 1970, 243; 2002, 1494). Die gesetzliche Sonderregelung in § 12 Abs. 1 S. 2 UWG
schließt außerhalb des Wettbewerbsrechts den Ersatz von Abmahnkosten über den
vorgenannten Weg nicht aus. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit § 12 UWG nur die
Grundsätze nochmals ausdrücklich anerkannt, die zuvor die Rechtsprechung zum
Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten im Rahmen der Geltendmachung von
Unterlassungsansprüchen bereits entwickelt hatte (vgl. Bornkamm , in:
Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl. 2004 § 12 Rn 1.77 f. 1.85 ff.) Es
entspricht dem mutmaßlichen Willen des Störers, die durch die Verletzungshandlung
entstehenden Kosten, auch die der Abmahnung selbst, möglichst gering zu halten.
Insbesondere die durch Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts veranlassten Kosten
sind daher zu ersetzen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung
notwendig sind.
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Das unter dem 19.01.2006 an den Beklagten gerichtete Abmahnschreiben war
veranlasst und erfolgte ordnungsgemäß.
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Zunächst lag eine Verletzung der ausschließlichen Nutzungsrechte der Mandantschaft
des Klägers an den streitgegenständlichen Musikstücken durch das rechtswidrige
Angebot der Tonaufnahmen in dem Filesharing-System gem. §§ 19a, 97 UrhG vor.
Zudem war zum Zeitpunkt der Abmahnung eine Wiederholungsgefahr gegeben. Diese
ist für den Unterlassungsanspruch materielle Anspruchsvoraussetzung (vgl. BVerfG
NJW 2000, 1209; BGH NJW 1995, 132). Sie wird nach einhelliger Ansicht in der
Rechtsprechung und Literatur durch die festgestellte Rechtsverletzung vermutet und
kann nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung
ausgeräumt werden (vgl. statt aller LG Hamburg ZUM 2006, 661).
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Letztlich ohne Belang ist, ob dem Abmahnschreiben Original-Vollmachten beigefügt
waren. Zwar ist die Anwendbarkeit von § 174 BGB auf eine anwaltliche Abmahnung in
Rechtsprechung Literatur umstritten (vgl. einerseits OLG Köln, WRP 1985, 360 f.;
andererseits OLG Düsseldorf, WRP 2001, 52 f.; zum Ganzen: Busch, GRUR 2006, 477
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ff. m. w. N.). Sollte § 174 BGB auf die Abmahnung direkt oder entsprechend anwendbar
sein, so könnte der Abgemahnte die Abmahnung gegenüber dem Anwalt unverzüglich
zurückweisen, falls dieser bei Übersendung des Abmahnschreibens keine
Originalvollmachtsurkunde beifügt. Ein unwirksames Rechtsgeschäft läge hier jedoch
auch bei grundsätzlicher Anwendbarkeit des § 174 BGB nicht vor. Das
Abmahnschreiben vom 19.01.2006 enthielt nämlich zugleich die Aufforderung zur
Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung. In dieser
Aufforderung ist ein Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrages bzw. eine
Aufforderung zur Abgabe eines entsprechenden Angebots zu sehen. Insoweit handelt
es sich jedoch nicht um ein "einseitiges Rechtsgeschäft", auf das § 174 BGB
Anwendung finden könnte (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.7.2000 – Az. 6 W
18/00).
Darüber hinaus wurde die Abmahnung seitens des Beklagten nicht unverzüglich, d. h.
ohne schuldhaftes Zögern gem. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB, zurückgewiesen. Vielmehr
wurde die geforderte Unterlassungserklärung unter dem 27.01.2006 seitens des
Beklagten unterschrieben und – wenn auch mit Streichung der
Kostenübernahmeverpflichtung – zurückgesandt.
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Die Einschaltung eines Rechtsanwalts war auch grundsätzlich erforderlich im Sinne von
§ 670 BGB. Für Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag ist insoweit von
Bedeutung, dass der Abmahnende nicht selbst über hinreichende eigene Sachkunde
und Möglichkeiten zur zweckentsprechenden Verfolgung eines unschwer zu
erkennenden Verstoßes verfügen darf, da die Einschaltung eines Rechtsanwalts dann
ggf. nicht "erforderlich" im Sinne des § 670 BGB sein kann (BGH, NJW 2004, 2448).
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Greifen kann dieser Aspekt freilich in Ausnahmefällen, in denen standardmäßig immer
nur ein und derselbe Verstoß ganz routinemäßig für den einzigen Berechtigten mittels
"Textbausteinen" abgemahnt wurde (vgl. bspw. für die routinemäßige Abmahnung des
Vertriebs des "ftp-Explorers" in Serienabmahnungen OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.2.2001 -
20 U 194/00, NJW-RR 2002, 122). Vorliegend greift dieser Aspekt nach Auffassung der
Kammer schon deshalb nicht, als es sich gerade nicht nur um einen einfach gelagerten
Streitfall handelt.
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Die Kammer verkennt nicht, dass den Entscheidungsgründen der – selbst nur zu dem
ganz engen Ausnahmefall einer Selbstbeauftragung eines Rechtsanwalts zur
Verfolgung (ausgerechnet) eines Verstoßes gegen die Berufsordnung der
Rechtsanwälte ergangenen – Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 06.05.2004
(NJW 2004, 2448) vielfach der allgemeine Grundsatz entnommen wird, dass bei
Unternehmen mit einer eigenen Rechtsabteilung, die damit (theoretisch) in der Lage
sind, typische Verstöße ohne anwaltlichen Rat zu erkennen, ein Ersatz von
Abmahnkosten ausscheiden soll (vgl. etwa Köhler, in: Baumbach/Hefermehl,
Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 9 Rn. 1.29). Die Entscheidung des BGH liegt indes nach
Auffassung der Kammer (vgl. insoweit bereits die Urteile vom 20.07.2005 – 28 S 2/05
und 23.11.2005 – 28 S 6/05 m.w.N) nur auf der Linie der zu Recht zurückhaltenden
Rechtsprechung zu Fachverbänden mit eigener und gerade zur satzungsgemäß
gebotenen Verfolgung von Wettbewerbsverstößen im Kern bereits bestimmter
Rechtsabteilung (vgl. BGH, Urt. v. 12.04.1984 - l ZR 45/82, GRUR1984, 691 m. Anm.
Jacobs). Sie ist ferner aus Billigkeitsgründen speziell bei einer Abmahnung durch selbst
sachkundige Anwälte nach einer Selbstbeauftragung in Berufsrechtsfragen zutreffend
und überzeugend.
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Indes lässt sich diese restriktivere Rechtsprechung nicht ohne weiteres auf das durch
das Marktverhalten unmittelbar betroffene kaufmännische Unternehmen – und damit
auch auf die Mandantschaft des Klägers – übertragen. Richtig ist, dass sich ein
Fachverband, der sich die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zur Aufgabe gesetzt
hat, mit den zur Erfüllung seines Verbandszwecks erforderlichen Mitteln versehen muss.
Überzeugend ist auch, dass ein sachkundiger Anwalt selbst Verstöße gegen seine
eigene Berufsordnung selbst und ohne Anfall von Gebühren abmahnen kann. Für ein
am Wettbewerb teilnehmendes Unternehmen gehört dagegen die Beurteilung des
Verhaltens eines anderen und die Verfolgung von Wettbewerbs- und/oder
Schutzrechtsverstößen keineswegs zu seinen ureigenen unternehmerischen Aufgaben.
Auch wenn ein solches Unternehmen über einen oder mehrere als Volljuristen
ausgewiesene Mitarbeiter verfügt, ist damit keineswegs gesagt, dass es diese
Mitarbeiter auch mit der – möglicherweise äußerst zeitaufwendigen – Bearbeitung von
urheberrechtlichen Streitigkeiten beauftragt. Denn durch den Einsatz eines –
möglicherweise für andere Aufgaben im Unternehmen benötigten – Mitarbeiters wird der
eigene wirtschaftliche Erfolg, den ein kaufmännisch tätiges Unternehmen bei allen
betrieblichen Entscheidungen – anders als ein Verband zur Verfolgung von
Wettbewerbsverstößen – im Auge behalten muss, nicht unmittelbar gefördert. Daraus,
dass ein Unternehmen über eine eigene Rechtsabteilung verfügt, kann daher gerade
nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden, die Einschaltung eines
Rechtsanwaltes sei nicht erforderlich. Auch unter Berücksichtigung von § 254 Abs. 2
S. 1 BGB besteht keine Pflicht, eine entsprechend geschulte Arbeitskraft vorzuhalten,
nur um dem Verletzer die Kosten der Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts zu
ersparen. Grundsatz bleiben muss daher nach Auffassung der Kammer gerade auch bei
Vorhandensein einer eigenen Rechtsabteilung die Ersatzfähigkeit von
Anwaltsabmahnkosten.
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Etwas anderes mag gelten, wenn es sich um einen ganz einfach gelagerten Sachverhalt
handelt, in dem für die Bearbeitung auf frühere Vorgänge zurückgegriffen werden kann
und in dem zudem personelle Kapazitäten der eigenen Rechtsabteilung für solche
eigene Abmahntätigkeiten ohne weiteres vorhanden sind. Für die effektive Verfolgung
des vorliegenden Urheberrechtsverstoßes war jedoch die Einschaltung eines
Rechtsanwaltes erforderlich. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass das
Urheberrecht Rechtsfragen mit einem Schwierigkeitsgrad aufwirft, die auch ein Volljurist
in einer Tonträgerfirma nicht sicher beherrschen wird und nach Auffassung der Kammer
auch nicht beherrschen muss. Dies belegt im Übrigen auch der Umstand, dass
urheberrechtliche Streitigkeiten gem. §§ 104 f. UrhG bestimmten spezialisierten
Spruchkörpern zur Entscheidung zugewiesen sind (zum Sinn und Zweck dieser
Zuständigkeitskonzentration vgl. Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 104 Rn. 1 und § 105
Rn. 1).
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Insoweit kann die zwischen den Parteien streitige Frage offen bleiben, ob der Kläger
bereits im Ermittlungsverfahren mandatiert gewesen ist. Insoweit wäre die Einschaltung
schon aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 475 StPO zwingend gewesen.
Hiernach ist das Akteneinsichtsrecht im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens einem
Rechtsanwalt vorbehalten. Die Einsichtnahme in die Ermittlungsakten der
Staatsanwaltschaft Bonn war jedoch notwendig, da die Identität des Beklagten erst im
Strafverfahren ermittelt werden konnte. Ohne die Kenntnis der persönlichen Daten des
Beklagten wäre eine sachgerechte Verfolgung der Ansprüche der Mandantschaft des
Klägers jedoch nicht möglich gewesen.
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Etwas anderes folgt auch nicht aus der beklagtenseits vertretenen Auffassung, wonach
die Rechtsverfolgung durch die Mandantschaft des Klägers rechtsmissbräuchlich gem.
§ 242 BGB gewesen sei. Die illegale öffentliche Zugänglichmachung urheberrechtlich
geschützter Musikwerke hat in den letzten Jahren ein enormes Ausmaß angenommen.
Das Unrechtsbewusstsein der Mehrzahl der Rechtsverletzer ist dabei erschreckend
wenig ausgebildet. Durch das öffentliche Zugänglichmachen von Musiktiteln im Internet
über Filesharing-Systeme wird die Musikindustrie jedes Jahr in einem ganz erheblichen
Umfang geschädigt, was durch verstärkte Berichterstattung in den Medien auch seit
einigen Jahren eindringlich in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht wird. Dieser
Umstand hat auch den Gesetzgeber inzwischen bewogen, tätig zu werden und die
einschlägigen Gesetze zu verschärfen, um derartigen Rechtsverletzungen wirksam
entgegen zu wirken und die Rechtsstellung der Urheber und der Inhaber von
Nutzungsrechten zu stärken (vgl. hierzu auch OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 342). Vor
diesem Hintergrund sind die verstärkten Bemühungen der Musikindustrie, gegen
Urheberrechtsverletzungen vorzugehen und diese zu unterbinden, zu sehen, die sich in
der erhöhten Anzahl an Abmahnungen niederschlägt. Ein Rechtsmissbrauch kann darin
nicht erblickt werden. Diese Bemühungen stellen sich vielmehr als legitime
Wahrnehmung von berechtigten Rechten und Ansprüchen von Unternehmen wie dem
der Verfügungsklägerin dar und darüber hinaus als einziges Mittel, um den
Rechtsverletzungen wirksam und effektiv entgegen zu wirken.
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Der Höhe nach ist der Klage zum überwiegenden Teil begründet.
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Der Kläger macht Gebühren ausgehend von einem Streitwert von jeweils 250.000 € für
jede seiner Mandantinnen geltend. Dieser Gegenstandswert ist nicht zu beanstanden.
Wertbestimmend ist beim Unterlassungsanspruch die gemäß § 3 ZPO zu schätzende
Beeinträchtigung, die für die Antragstellerin von dem beanstandeten Verhalten
verständigerweise zu besorgen ist und die mit der begehrten Unterlassung beseitigt
werden soll (vgl. Herget, in: Zöller, ZPO, § 3 Rn. 16 "Unterlassung"). Die Kammer geht
in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass pro Musiktitel ein Gegenstandswert von
10.000 € angesetzt werden kann. Von der F GmbH wurden 58 Titel genutzt, von der N
GmbH 68 Titel. Die Pauschalierung zu einem Gegenstandswert von 250.000 € für jede
der Mandantinnen erscheint insoweit als angemessen.
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Allerdings ist für die Gebührenberechnung keine getrennte Abrechnung vorzunehmen
gewesen. Bei der Abmahnung des Beklagten namens und in Vollmacht der
Mandantschaft des Klägers handelt es sich um "dieselbe Angelegenheit" für mehrere
Auftraggeber im Sinne von § 7 Abs. 1 RVG. Der gebührenrechtliche Begriff "dieselbe
Angelegenheit" dient zur Abgrenzung desjenigen anwaltlichen zusammengehörenden
Tätigkeitsbereich, den eine Pauschgebühr abgelten soll, wobei es auf die Art und den
Umfang des Auftrags des Anwalts im konkreten Einzelfall ankommt (vgl. BGH, NJW
1995, 1431; Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., § 15 Rn. 11 m.w.N.). Die Verfolgung
der Urheberrechtsverstöße des Beklagten erforderte jedoch für beide Mandantinnen ein
gleichwertiges Tätigwerden nach Art und Umfang. Dies belegt letztlich auch der
Umstand, dass die Abmahnung des Beklagten in einem einheitlichen Schreiben
erfolgte. Entgegen der Berechnung des Klägers ist wegen des zusätzlichen
Auftraggebers daher eine um 0,3 erhöhte Geschäftsgebühr aus einem Streitwert von
500.000 € zu nehmen. Eine 1,3 Gebühr nach Nr. 2400 VV RVG ist für eine Abmahnung
angemessen. Es handelt sich nicht um eine Serienabmahnung in einer einfachen
Angelegenheit, sondern um eine Urheberrechtsverletzung und damit eine schwere
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Materie. Bei mehreren Auftraggebern in derselben Angelegenheit ist ein Erhöhung um
0,3 gem. Nr. 1008 VV RVG vorzunehmen.
Somit ergibt sich folgende Berechnung: 2.996 € x 1,6 zzgl. Auslagenpauschale iHv 20 €
= 4.813,60 €.
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Zur Überzeugung des Gerichts steht zudem fest, dass diese Ansprüche dem Kläger
gem. § 398 BGB abgetreten worden sind.
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Dass in den vorgelegten Abtretungserklärungen die "Rechtsanwaltskanzlei S als
Zessionar angegeben wird, steht der Aktivlegitimation des Klägers nicht entgegen. Die
Zeugen I und L beantworten die ihnen gestellte Beweisfrage positiv dahingehend, dass
die Ansprüche auf Erstattung der außergerichtlichen Kosten aufgrund der Abmahnung
vom 19.01.2006 an den Kläger als Inhaber der Kanzlei Rasch abgetreten worden sind.
Anlass zu Zweifeln hieran sieht die Kammer nicht. Insbesondere steht der Umstand,
dass in der Kanzlei des Klägers mehrere Rechtsanwälte tätig sind, einer Abtretung
allein an ihn nicht entgegen. Der Vortrag des Klägers, wonach er allein Inhaber der
Kanzlei sei, wird durch die Zeugen betätigt. Die Kammer hält es entgegen der
Auffassung des Beklagten nicht für ungewöhnlich, dass auf Seiten der Mandanten des
Klägers eine entsprechende Kenntnis vorhanden ist. Vielmehr ist es durchaus
vorstellbar, dass eine entsprechende Kenntnis im Rahmen einer langjährigen
Zusammenarbeit begründet wird. Auch die Ausgestaltung des Briefkopfes der Kanzlei
des Klägers steht der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen nicht entgegen. Insoweit ist
gerichtsbekannt, dass die Aufführung der in einer Kanzlei tätigen Rechtsanwälte nichts
über die Rechtsverhältnisse der dort tätigen Personen untereinander aussagt. Ob auch
lediglich angestellte Rechtsanwälte mit oder ohne Hinweis auf ein entsprechendes
Anstellungsverhältnis auf einem Briefkopf aufgeführt werden, hängt letztlich vom Willen
der jeweiligen Kanzleiinhaber ab und wird in der Praxis unterschiedlich gehandhabt.
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Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 286, 288 BGB.
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Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
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Streitwert: 5.375,20 €
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