Urteil des LG Köln vom 30.09.2005

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Landgericht Köln, 81 O (Kart) 46/05
Datum:
30.09.2005
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
1. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
81 O (Kart) 46/05
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt,
an die Klägerin € 1.136.045,32 zuzüglich Zinsen in Höhe von 8
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (das ist
der 17.März 2005) zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen eine Sicherheitsleistung in
Höhe von 120% desjenigen Betrages, dessentwegen vollstreckt wird.
T A T B E S T A N D:
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Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin des ehemaligen Monopolunternehmens F und
verfügt auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der Bereitstellung
von Teilnehmernetzanschlüssen über einen Marktanteil von rund 98%; sie betreibt auch
einen Auskunftsdienst.
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Die Klägerin bietet ebenfalls einen Auskunftsdienst an und bezieht die dafür
erforderlichen Daten von der Beklagten. Gegenstand des Verfahrens ist der Streit
zwischen den Parteien über die Höhe des Entgeltes, welches die Beklagte hierfür zu
verlangen berechtigt ist.
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Im Zusammenhang mit den Teilnehmerdaten, die für den Betrieb eines
Auskunftsdienstes erforderlich sind, betreibt die Beklagte verschiedene Datenbanken.
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Zunächst einmal gibt es die Anmeldedatenbank (Kundendatenbank) B, in die sie die ihr
als Teilnehmernetzbetreiberin bekannt werdenden Daten der Telefonanschlussinhaber
einfügt. Diese Daten sind – so macht die Beklagte geltend – zur Pflege, Durchführung
und Abwicklung des Kundenverhältnisses bestimmt und in der dort vorhandenen Form
schon deshalb (noch) nicht als Grundlage für eine Auskunft geeignet, weil sie auch
Datensätze von Teilnehmern enthalten, die von den Inhabern nicht zur Veröffentlichung
freigegeben worden sind.
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Des Weiteren besteht die speziell als Grundlage für die Veröffentlichung von
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Teilnehmerdatensätzen geschaffene Teilnehmerdatenbank C (Datenredaktion), in die
(u.a.) die Rohdaten aus B und darüber hinaus auch Teilnehmerdaten dritter
Teilnehmernetzbetreiber (D) eingepflegt werden in einer Form, die die Beklagte als
"kundengerecht" im Sinne des Gesetzes bezeichnet.
Schließlich betreibt sie die Auskunftsdatenbank E (E), bei der es sich um ein Online-
Suchsystem handelt, welches Daten (z.B. aus C) verarbeitet und als fertige Auskunft
ausgibt. Mit Hilfe von E betreibt die Beklagte ihre eigene Telefonauskunft.
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Unter dem 30.8./4.9./8.9.2000 schlossen die Parteien einen Vertrag über die
Überlassung von Teilnehmerdaten aus der C-Datenbank an die Klägerin. Nach ihrer
Behauptung hat die Klägerin für die reinen Daten (also ohne die Kosten für Datenträger
und Versand) seit dem Jahr 2000 bis zum Abschluss des Vertragsjahres 2003
einschließlich Mehrwertsteuer einen Betrag von € 1.247.733,95 an die Beklagte gezahlt;
daraus ergibt sich nach Abzug eines Teilbetrages von € 111.688,63, den sie an einen
Dritten abgetreten habe, die Klageforderung.
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Sie ist nämlich der Auffassung, der Beklagten stünden mehr als diese
Übermittlungskosten bzw. als die für die Speicherung der Daten anfallenden Kosten
nicht zu. Sie beruft sich hierzu auf ein Urteil des EuGH vom 25.11.2004 in der
Rechtssache OPTA (C-109/03), in dem der EuGH die einschlägige Richtlinie 98/10/EG
(ONP-Richtlinie) verbindlich dahingehend ausgelegt habe, dass Unternehmen wie die
Beklagte sog. "Basisdaten", d.h. Daten, "die ausreichen, um den Nutzern eines
Verzeichnisses die Identifizierung der Teilnehmer zu ermöglichen, die sie suchen.
Diese Daten umfassen grundsätzlich den Namen und die Anschrift der Teilnehmer,
einschließlich der Postleitzahl, sowie die Telefonnummer oder die Telefonnummern, die
die betreffende Organisation an sie vergeben hat. ..." (EuGH-Urteil, a.a.O., Rdn.36) an
Dritte wie die Klägerin "kostenlos" (im eingangs dargestellten Sinne) herausgegeben
werden müssten.
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Hierzu habe nämlich der EuGH (a.a.O., Rdn. 37 ff) festgestellt:
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37. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen
wissen, welche mit der Erhebung, der Aktualisierung und dem
Zurverfügungstellen der entsprechenden Informationen über die Teilnehmer
verbundenen Kosten in den Preis für das Zurverfügungstellen der Daten im
Sinne des Artikels 6 Absatz 3 der Richtlinie einbezogen werden können.
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38. In dieser Hinsicht genügt die Feststellung, dass, wie die OPTA und Denda
zu Recht geltend machen, der Erhalt der Basisdaten über die Teilnehmer, d. h.
deren Name, Anschrift und Telefonnummer, untrennbar mit dem Telefondienst
verbunden ist und keinen besonderen Aufwand seitens des
Universaldienstanbieters erfordert.
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39. Wie der Generalanwalt in Nummer 49 seiner Schlussanträge ausgeführt hat,
sind nämlich die mit dem Erhalt oder der Zuordnung dieser Daten verbundenen
Kosten, anders als die Kosten, die berechnet werden, um diese Daten Dritten
zur Verfügung zu stellen, jedenfalls vom Anbieter eines Sprachtelefondienstes
zu tragen und bereits in den Kosten und Einnahmen eines solchen Dienstes
enthalten. Die mit dem Erhalt oder der Zuordnung der Daten verbundenen
Kosten an die Personen weiterzugeben, die Zugang zu diesen Daten erbitten,
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würde zu einem ungerechtfertigten Mehrfachausgleich dieser Kosten führen.
40. Daher können, wenn diese Daten Unternehmen zur Verfügung gestellt
werden, die auf dem Markt für die Bereitstellung von Verzeichnissen
miteinander konkurrieren, nur die zusätzlichen mit diesem Zurverfügungstellen
verbundenen Kosten, nicht aber die mit dem Erhalt dieser Daten verbundenen
Kosten vom Universaldienstanbieter in Rechnung gestellt werden.
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41. Etwas anderes würde jedoch gelten, wenn es um zusätzliche Daten ginge,
für deren Erhalt der Universaldienstanbieter selbst zusätzliche Kosten
aufwenden musste. Wenn dieser in einem solchen Fall beschließt, diese Daten
Dritten zur Verfügung zu stellen, ohne durch die Richtlinie dazu verpflichtet zu
sein, ist es ihm durch keine ihrer Vorschriften verwehrt, den Dritten diese
zusätzlichen Kosten in Rechnung zu stellen, sofern deren nichtdiskriminierende
Behandlung gewährleistet ist.
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42. Auf die zweite Frage ist somit zu antworten, dass Artikel 6 Absatz 3 der
Richtlinie, soweit er vorsieht, dass die entsprechenden Informationen Dritten zu
gerechten, kostenorientierten und nichtdiskriminierenden Bedingungen zur
Verfügung gestellt werden, dahin auszulegen ist, dass
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der Universaldienstanbieter für Daten wie den Namen und die Anschrift der
Personen sowie die Telefonnummer, die an sie vergeben wurde, nur die Kosten
für das tatsächliche Zurverfügungstellen dieser Daten an Dritte in Rechnung
stellen kann;
- ein solcher Anbieter berechtigt ist, für zusätzliche Daten, die er Dritten nicht zur
Verfügung stellen muss, die zusätzlichen Kosten, die er selbst für den Erhalt
dieser Daten aufwenden musste, nicht aber die Kosten für dieses
Zurverfügungstellen, in Rechnung zu stellen, sofern eine nichtdiskriminierende
Behandlung der Dritten gewährleistet ist.
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Nachdem sie und die Fa.F die Übermittlungskosten ohnehin getragen hätten, seien
sämtliche anderen Beträge zurück zu erstatten.
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Soweit tatsächlich Mehrwertdaten (= Daten, die nicht mehr nur als Basisdaten
bezeichnet werden könnten, weil sie über diejenigen Daten hinausgingen, zu deren
Pflege die Beklagte gegenüber den Endkunden ohnehin verpflichtet sei) geliefert
worden seien, sei dies nicht verhindern zu verhindern gewesen: die Beklagte habe
nämlich zu keiner Zeit angeboten, Basisdaten "kostenlos" zu liefern; sie habe vielmehr
lediglich den Abschluss von ihr vorformulierter Verträge ermöglicht. Seit Juni 2003
würden diese Mehrwertdaten nicht mehr geliefert, sondern die Beklagte filtere sie vor
der Lieferung heraus. Unerheblich sei auch, dass die Fa.F bzw. sie selbst zeitweise
Zugang zu E gehabt hätten, denn das beruhe darauf, dass der C-Zugang zur damaligen
Zeit zu kostenträchtig und damit unrentabel gewesen sei.
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Die Beklagte habe ihre Marktmacht missbraucht. Sie habe sie dazu genutzt, von der
Klägerin entgegen der Regelung in § 12 TKG (in der für den Streitfall maßgeblichen
Fassung von 1996) Zahlungen auch für den Erhalt und die Pflege der Teilnehmerdaten
zu verlangen.
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§ 12 TKG, der wie folgt lautet:
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(1) Ein Lizenznehmer, der Sprachkommunikationsdienstleistungen für die
Öffentlichkeit anbietet, ist verpflichtet, auf Anforderung Teilnehmerdaten unter
Beachtung der anzuwendenden datenschutzrechtlichen Regelungen anderen
Lizenznehmern, die Sprachkommunikationsdienstleistungen für die
Öffentlichkeit anbieten, zum Zwecke der Aufnahme eines Auskunftsdienstes
oder der Herausgabe eines Verzeichnisses der Rufnummern der Teilnehmer in
kundengerechter Form zugänglich zu machen. Hierfür kann
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ein Entgelt erhoben werden, das sich an den Kosten der effizienten
Bereitstellung orientiert.
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(2) Ein Lizenznehmer, der Sprachkommunikationsdienstleistungen für die
Öffentlichkeit anbietet, ist darüber hinaus verpflichtet, auf Anforderung
Teilnehmerdaten unter Beachtung der anzuwendenden datenschutzrechtlichen
Regelungen jedem Dritten zum Zwecke der Aufnahme eines Auskunftsdienstes
oder der Herausgabe eines Verzeichnisses der Rufnummern der Teilnehmer in
kundengerechter Form gegen ein angemessenes Entgelt zugänglich zu
machen.
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müsse nicht nur dahingehend gelesen werden, dass in Absatz 1 lediglich gemeint seien
diejenigen (Mehr-)Kosten, die durch die Anforderung der Daten entstanden seien (und
damit außer Betracht zu bleiben hätten alle Kosten, die auch entstehen, wenn kein
Dritter die Daten wünscht); das Ob und gegebenenfalls Warum der
Zwischenübertragung (zwischen B und C) sei unerheblich. Ebenso mache es entgegen
dem Wortlaut des Absatzes 2 keinen Unterschied, ob der Anspruchsteller Lizenznehmer
sei oder – wie die Klägerin – ein "Dritter".
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Die Beklagte schulde der Klägerin Rückzahlung, weil sie in Höhe der Zahlung
ungerechtfertigt bereichert sei; der zwischen den Parteien bestehende Vertrag sei – wie
sich aus dem vorher Ausgeführten ergebe - insoweit nichtig, als er ein Entgelt vorsehe
für die Überlassung der reinen Daten. Verjährt sei der Rückzahlungsanspruch nicht,
weil der Klageweg erst seit dem EuGH-Urteil mit ausreichender Sicherheit habe
beschritten werden können und deshalb der Lauf der Frist erst am 1.1.2005 begonnen
habe.
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Sie beantragt,
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wie erkannt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hält die Ansprüche der Klägerin insgesamt für unbegründet.
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Die Klägerin könne sich gar nicht erst auf den "Selbstkostenpreis" berufen, weil sie
keine "Lizenznehmerin" im Sinne von § 12 Abs. 1 TKG, sondern "Dritte" im Sinne des
§ 12 Abs. 2 TKG sei, von der ein "angemessenes Entgelt" verlangt werden könne; die
Unterscheidung zwischen Lizenznehmern und sonstigen Dritten habe – dies führt sie
näher aus – ihre innere Berechtigung. Im übrigen gelte § 12 TKG ohnehin nicht für E-
Leistungen.
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Durch ein Preismissbrauchskontrollverfahren des BkartA sei ihr – der Beklagten – im
Einzelnen vorgeschrieben worden, welchen Betrag sie verlangen dürfe und hieran habe
sie sich gehalten; es sei ihr nicht zuzumuten, durch Unterschreiten des Betrages eine
Untersagungsverfügung zu riskieren, gegen die sie sich – mangels Beschwer – noch
nicht einmal wehren könne. Auch das Zivilgericht müsse diesen Verwaltungsakt
beachten.
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Mit der Sprachtelefonie unmittelbar zusammen hingen lediglich die Kosten zur
Erstellung der Datenbank B, die aber unmittelbar nicht herausgegeben werden könnten,
u.a. weil noch der Datenschutz beachtet werden müsse und darüber hinaus auch die
Herausgabe nur in "kundengerechter" Form erfolgen dürfe. Der Gesetzgeber habe über
den harmonisierten Bereich hinausgehend weitere Anforderungen an die Daten gestellt,
sodass sich die Klägerin ohnehin nicht auf das Urteil des EuGH berufen könne. Die
Kosten für B und auch die Kosten für die Überführung der Daten aus B zu C seien nicht
in den von der Klägerin gezahlten Preis eingeflossen, dagegen seien die Kosten der
Teilnehmerdatenbank C keine Kosten, die ohnehin mit der Sprachtelefonie
zusammenhingen und deshalb von der Klägerin zu tragen seien: alles, was über
Name/Anschrift/Rufnummer hinausgehe, sei "Mehrwert". Ein weiterer Unterschied zum
EuGH-Urteil liege darin, dass dort offenbar die Kosten für Daten in die Kosten für den
Teilnehmeranschluss eingerechnet gewesen seien; dies sei vorliegend nicht der Fall,
und schließlich erlange die Klägerin mit ihren Datenzugangsverträgen sowohl über E
als auch über C nicht nur die Daten der Kunden der Beklagten, sondern auch die Daten
von Kunden anderer D. Es sei nämlich so, dass diese ihre Daten der Klägerin
anlieferten, damit sie sie für das Teilnehmerverzeichnis im Sinne des § 21 TKV
verarbeite; dies geschehe nicht kostenlos, sondern im Kompensationsgeschäft
dergestalt, dass sie – die Beklagte – den Dn ihre – der Beklagten – Dienstleistung nicht
in Rechnung stelle und dafür dann die Daten ebenfalls ohne Berechnung erhalte. Die
Klägerin habe dann auf die in diesem Sinne dann wirklich vollständige und auch
vollständig aufbereitete Teilnehmerdatenbank zugreifen können; dies seien zusätzliche
Leistungen, die von der Klägerin dann auch bezahlt werden müssten.
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Für einen Schadensersatzanspruch fehle es an einem Verschulden der Beklagten und
ungerechtfertigt bereichert sei die Klägerin auch nicht, denn sie – die Beklagte - habe
gegenüber der Klägerin eine angemessene Gegenleistung erbracht: sie habe ihr ihre
– der Beklagten – urheberrechtsschutzfähigen Leistungen aus C erbracht, die frei zu
verwerten zu den grundgesetzlich geschützten Rechten der Beklagten gehöre.
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Im übrigen erhebt sie die Einrede der Verjährung, denn die vermeintlichen rechtlichen
Unklarheiten haben keineswegs bestanden; die Klägerin habe alle Umstände
einschließlich der Abmahnung seitens des Bundeskartellamtes gekannt und habe in
Kenntnis der Richtlinie 98/10/EG einen Vertrag mit der Beklagten geschlossen, ohne
irgendwelche Vorbehalte zu erklären. Vor diesem Hintergrund stehe einem angeblichen
Rückforderungsanspruch schon § 814 BGB entgegen.
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Beide Parteien haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den
Vorsitzenden einverstanden erklärt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt
verwiesen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
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Die Klage ist begründet.
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Die Klägerin kann von der Beklagten Zahlung nach Maßgabe des Tenors verlangen,
weil der Vertrag zwischen den Parteien teilnichtig ist, soweit die Verpflichtung der
Klägerin zur Zahlung von Entgelt die Kosten der Zurverfügungstellung der Daten
übersteigt, und die Beklagte um diesen Betrag ungerechtfertigt bereichert ist, § 812
BGB.
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Ausgangspunkt der Entscheidung ist zum einen der Umstand, dass die Beklagte durch
ihre besonders starke Marktstellung als Teilnehmernetzbetreiberin zugleich auch über
eine große Marktmacht verfügt auf dem Gebiet der Teilnehmerdaten, die durch die
Anlieferung der sozusagen noch fehlenden Daten durch andere
Teilnehmernetzbetreiber noch verstärkt wird; sie ist damit Normadressatin des GWB.
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Zum anderen ist die Beklagte lediglich berechtigt, für die Teilnehmerdaten von der
Klägerin nur die Kosten der tatsächlichen Zurverfügungstellung zu verlangen; hieran hat
sie sich nicht gehalten, sodass sie dem Klageantrag entsprechend zu verurteilen
gewesen ist.
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Im Einzelnen:
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Grundlage für die Beurteilung ist § 12 TKG in der im Tatbestand wiedergegebenen
Fassung und in der europarechtskonformen Auslegung, die sich unter der Geltung der
ONP-Richtlinie ergibt und mit dem Verständnis, auf das der EuGH in seiner oben
zitierten Entscheidung erkannt hat.
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Artikel 6 der ONP-Richtlinie lautet, soweit vorliegend von Interesse:
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1. ...
2. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass
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a. ...;
b. Verzeichnisse aller Teilnehmer, ... , mit Nummern von ortsfesten Anschlüssen,
Mobiltelefonanschlüssen und personenbezogenen Nummern den Nutzern in einer
von der nationalen Regulierungsbehörde gebilligten Form gedruckt und/oder
elektronisch zur Verfügung gestellt und regelmäßig aktualisiert werden;
c. mindestens ein Telefonauskunftsdienst, der sämtliche aufgeführten
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Teilnehmernummern abdeckt, allen Nutzern, einschließlich der Nutzer von
öffentlichen Telefonen, zur Verfügung steht.
Um die Bereitstellung der in Absatz 2 Buchstaben b) und c) genannten Dienste zu
gewährleisten, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass alle Organisationen, die
Telefonnummern an Teilnehmer vergeben, jedem vertretbaren Antrag stattgeben, die
entsprechenden Informationen in einer vereinbarten Form zu gerechten,
kostenorientierten und nichtdiskriminierenden Bedingungen zur Verfügung zu stellen.
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Daraus folgt zum Einen, dass es eine Unterscheidung zwischen Lizenznehmern für die
Sprachtelefonie einerseits und "Dritten" andererseits nicht gibt; folgerichtig hat der
EuGH bei seinen Ausführungen auch nur von Unternehmen gesprochen, "die auf dem
Markt für die Bereitstellung von Verzeichnissen miteinander konkurrieren" (Rdn.40). Es
ist letztlich unerheblich, wenn §§ 21, 22 TKV und nicht § 12 TKG die ONP-Richtlinie
haben umsetzen sollen, denn nachdem § 12 TKG nach Ablauf der Umsetzungsfrist
unverändert geblieben ist, ist die Vorschrift richtlinienkonform auszulegen.
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Zum anderen folgt daraus, dass die "entsprechenden Informationen ... zu ...
kostenorientierten ... Bedingungen zur Verfügung stehen" müssen, was nach den
Feststellungen des EuGH bedeutet, dass wirklich nur die Kosten der tatsächlichen
Zurverfügungstellung berechnet werden dürfen; dies sind die Kosten, die nur deshalb
entstehen, weil sich der Erwerber für die Daten interessiert und er deshalb die
Verfügungsgewalt darüber erlangen soll. Es handelt sich mithin um Kosten, die
angesichts der in Prozessen der vorliegenden üblicherweise in Rede stehenden
Beträge als äußerst geringfügig zu bezeichnen sind und bei der Übermittlung der Daten
entstehen: im Folgenden wird zur Vereinfachung von der "kostenlosen" Überlassung
der Daten gesprochen, wobei aber immer die vorstehende Modifizierung gemeint ist.
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Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Rdn.40 des Urteils eine aus den
Feststellungen der Rdn.39 schlussfolgernde Aussage ist und darauf aufbaut, dass die
mit dem Erhalt und/oder der Zuordnung zusammenhängenden Kosten bereits in den
Kosten und Einnahmen des Sprachtelefoniedienstes enthalten sind.
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Dies ist – entgegen den Darlegungen der Beklagten – auch vorliegend der Fall, denn
die Beklagte macht ja nicht ernsthaft geltend, ihr Unternehmen arbeite als
Teilnehmernetzbetreiberin defizitär. Auch der EuGH hat nicht zur Voraussetzung
gemacht, dass dem Anbieter bei Genehmigung seiner Preise eine gesonderte Position
"Erhalt und Zuordnung von Teilnehmerdaten" zugestanden wird, sondern nur
festgehalten, dass diese Kosten "jedenfalls vom Anbieter ... zu tragen" sind.
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Möglicherweise zu Recht – dies bleibt aber als entscheidungsunerheblich offen - weist
die Beklagte darauf hin, dass in C, die nach ihrer eigenen Darstellung nur zum Zwecke
der Herausgabe der einschlägigen Daten an gewerbliche Nachfrager geschaffen
worden ist, in womöglich verschiedenen Hinsichten "höherwertige" Daten vorhanden
sind als der nur in Rohform vorhandene Satz, bestehend aus Name, Adresse und
Rufnummer; auch kann es sein, dass C – und erst recht E – als urheberrechtlich
geschützte Leistungen zu bewerten sind, deren Verwertung dem Nutzungsberechtigten
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im "Normalfall" nur "freiwillig", jedenfalls aber nur gegen ein angemessenes Entgelt
zuzumuten ist.
Dies ändert alles nichts an der Verpflichtung der Beklagten, dem Wettbewerb die
Basisdaten "kostenlos" zur Verfügung zu stellen, und die Beklagte wird hiervon auch
nicht etwa mit der Erwägung befreit, der bundesdeutsche Gesetzgeber verlange eine
"kundengerechte Form" und lasse es damit gar nicht erst zu, lediglich die Basisdaten in
einfacher Form zu übermitteln.
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In diesem Zusammenhang ist zum einen festzuhalten, dass "kundengerechte Form"
nichts anderes bedeutet, die Daten in für Zwecke eines Teilnehmerverzeichnisses
brauchbarer Form und unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsrechtes eines jeden
Teilnehmers aufzubereiten, eine Pflicht, der die Beklagte schon gegenüber ihren
Endkunden nachkommen muss und deren Kosten deshalb im Sinne des EuGH-Urteils
vom Anbieter selbst zu tragen ist.
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Zum anderen ist festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin zu keiner Zeit diese
einfachen Basisdaten (und dann auch "kostenlos") angeboten hat, sondern auch noch
jetzt im Prozess unter Hinweis auf die Hochwertigkeit der Leistungen, die in C und erst
recht in E verkörpert sind, ihr Recht verteidigt, ein angemessenen Entgelt zu verlangen.
Die Verpflichtung der Beklagten ist "technologieneutral": es ist ausschließlich Sache der
Beklagten, wie sie die Voraussetzungen dafür schafft, dass die Teilnehmerdaten weiter
gegeben werden können, aber aus einer aufwändigen Konstruktion kann sie keinen
Anspruch auf Zahlung herleiten. Wenn die pflichtgemäße Weitergabe an die Klägerin
nur aus C (oder wahlweise aus E) möglich ist, sind eben diese an sich höherwertigen
Leistungen ebenfalls kostenlos zu erbringen, sodass es auf die Frage, in welcher Höhe
die wertvolleren Leistungen zu entgelten sind, gar nicht erst ankommt.
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In diesem Zusammenhang ist es ohne Belang, dass die Beklagte tatsächlich nicht –
anders als KPN im EuGH-Fall – Universaldienstleistungsverpflichtete ist, denn die
Erkenntnisse des EuGH stellen auf diese Eigenschaft nicht ab. Wäre sie es, würde die
Aufnahme von Teilnehmerdaten anderer D eine Entgeltpflicht der Klägerin nicht
rechtfertigen, weil diese Aufnahme dann zu ihren Pflichten gehörte. Aber auch ohne
diese förmliche Stellung kann sie dafür von der Klägerin keine Zahlungen verlangen,
denn ganz gleich, wie sich das Verhältnis der Beklagten zu den anderen
Teilnehmernetzbetreibern tatsächlich darstellt: der Sache nach "kaufen" sich diese
anderen Anbieter durch die Weitergabe der Daten an die Beklagte von ihrer eigenen
Pflicht zur Herausgabe eines entsprechenden Verzeichnisses "frei" und es ist deren
Sache, diese Leistung zu bezahlen; der Erwerb und die Zuordnung auch dieser Daten
ist für die Beklagte bereits abgegolten und deshalb nicht entgeltbegründend.
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Die beiden Missbrauchsverfahren des BkartA gegen die Beklagte sind schon deshalb
ohne Einfluss auf das vorliegende Verfahren, weil sie beide ohne eine förmliche
Sachentscheidung auf der Grundlage einer Art vergleichsweiser Einigung zu Ende
gegangen sind; es kann deshalb dahin stehen, ob das Gericht andernfalls über die
bloße Bindung an die Existenz einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung hinaus
auch in der materiellen Bewertung gebunden wäre.
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Die Beklagte ist durch die Leistung der Klägerin ungerechtfertigt bereichert, denn der
Vertrag wäre auf Grund der kartellrechtlichen Verhältnisse auch ohne die unwirksame
Entgeltvereinbarung geschlossen worden; sie ist deshalb verpflichtet, das Erlangte
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zurück zu erstatten und kann sich demgegenüber aus den oben dargelegten Gründen
nicht etwa darauf berufen, der Klägerin gegenüber eine wertvolle, nämlich
urheberrechtlich geschützte Leistung erbracht zu haben.
Die Einrede der Verjährung ist unbegründet, denn der Fristenlauf für
Rückforderungsansprüche der vorliegenden Art ist erst durch das Urteil des EuGH in
Gang gesetzt werden worden. Vorher ist – trotz aller Unsicherheit der Rechtslage – die
Erhebung einer Klage nicht zumutbar gewesen: angesichts des Wortlautes des
§ 12 TKG ist eine Klage in der Zeit vor der verbindlichen Auslegung der Richtlinie kaum
aussichtsreich gewesen; erst recht liegt kein Fall des § 814 BGB vor.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
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Streitwert: € 1.136.045,32
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