Urteil des LG Köln vom 04.10.2002

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Landgericht Köln, 81 O 78/02
Datum:
04.10.2002
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
1. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
81 O 78/02
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes in
Höhe von bis zu EUR 250.000,- zu unterlassen, fremde
Rechtsangelegenheiten so zu besorgen, wie dies aus dem nachfolgend
eingeblendeten Schreiben der Beklagten vom 13.3.2002 ersichtlich ist:
"München, 13. März 2002
Sehr geehrter Herr Kollege,
vielen Dank für Ihr Telefax vom gestrigen Tag. Teilnehmer eines ersten
Gesprächs sind der Vorstand unserer Gesellschaft, Herr Rechtsanwalt X
sowie der Unterzeichner. Wir schlagen folgende Themen vor:
1. Diskussion über die Möglichkeiten einer außergerichtlichen Erfüllung
der Schadensersatzansprüche unserer Vertragspartnerin X1 gegenüber
der X2.
2. Ggf. Abschluss einer Schiedsgerichtsvereinbarung, falls eine
außergerichtliche Lösung nicht möglich erscheint oder von einer Seite
nicht gewünscht wird.
Als Besprechungstermine in Ihrem Haus möchten wir Ihnen alternativ
den 25., 26. oder 27. März 2002 vorschlagen. Bitte berücksichtigen Sie
bei der Zeitwahl, dass wir aus München und Berlin anfliegen müssen.
Für eine kurzfristige Bestätigung wären wir Ihnen aus Termingründen
dankbar.
Mit freundlichen Grüßen"
Die Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen eine auch durch
selbstschuldnerische Bürgschaft eines in der Bundesrepublik
Deutschland als Zoll- oder Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts zu
erbringende Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 50.000,-.
erbringende Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 50.000,-.
T A T B E S T A N D:
1
Der Kläger ist Rechtsanwalt in L. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen, welches sich
mit der Prozessfinanzierung befasst. Sie schließt Verträge nach dem Muster gemäß
Anlage K1-AS1, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, mit Personen
im Hinblick auf einen bestimmten Streitfall ab und übernimmt auf dieser Grundlage
sämtliche Gerichts- und Anwaltskosten für diese Person; die Gegenleistung für die
Beklagte besteht darin, dass sie im Falle des Obsiegens ihres Vertragspartners einen
nach Prozenten bemessenen, pauschalen Betrag erhält, der sich nach der Summe
errechnet, die nach Abzug der vorab ausgelegten Prozesskosten verbleibt. Die Beklagte
macht den Abschluss eines solchen Vertrages u.a. von einer vorherigen Prüfung der
Erfolgsaussichten abhängig.
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Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nicht die vorstehend geschilderte
Abwicklung eines Geschäftsfalles, sondern ein Verhalten der Beklagten, welches der
Kläger als eine Beratung bzw. Besorgung ansieht, die dem Rechtsberatungsgesetz
(RBerG) unterfällt und deshalb von der Beklagten nicht erbracht werden dürfe, weil sie
nicht über die dafür erforderliche Erlaubnis verfügt.
3
Die Beklagte habe nämlich mit der deutschen Konzernschwester (D) des Streitgegners
eines ihrer - der Beklagten - Vertragspartner (U, Indonesien) korrespondiert und darin
ein unmittelbares Gespräch zwischen ihr - der Beklagten - als für die U zum
Vergleichsabschluss Berechtigte und der D vorgeschlagen mit dem Ziel, einen
außergerichtlichen Vergleich zur Vermeidung eines gerichtlichen Verfahrens
abzuschließen oder ein Schiedsgerichtsverfahren zu vereinbaren; ein Schreiben aus
dieser Korrespondenz ist Gegenstand des Tenors dieses Urteils.
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Er beantragt,
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wie erkannt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie leugnet einen Rechtsverstoß und weist darauf hin, dass noch offen gewesen sei, ob
für die U auch deren Singapurer Anwälte teilnehmen sollten; aus diesem Grunde seien
die Anwälte in dem Briefwechsel nicht erwähnt worden. Weil es sich wegen der weiten
Entfernungen um einen besonderen Einzelfall gehandelt habe, fehle es bereits an dem
Merkmal der Geschäftsmäßigkeit.
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Im übrigen fehle es für einen Verstoß gegen das RBerG an einer Rechtsangelegenheit,
denn es sei vorrangig um die wirtschaftliche Gestaltung eines Lebenssachverhaltes
gegangen: Kern und Schwerpunkt seien kaufmännische Aspekte gewesen.
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Schließlich betreffe die Streitbeilegung keine für die Beklagte fremde Angelegenheit,
denn der Prozessfinanzierungsvertrag begründe eine (stille) Gesellschaft zwischen der
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U und der Beklagten, sodass die Forderung der U auch ihre - der Beklagten -
Angelegenheit darstelle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt
verwiesen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
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Die Klage ist begründet.
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Das Verhalten, welches in dem Schreiben der Beklagten vom 13.3.2002 beschrieben
ist, setzt eine Erlaubnis nach dem RBerG voraus und muss deshalb von der Beklagten
unterlassen werden, § 1 UWG i.V.m. Art.1 § 1 I RBerG
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Wie schon in der Erörterung zur einstweiligen Verfügung, die der vorliegenden Klage
voraufgelaufen ist, klar gestellt worden ist, ist Streitgegenstand nicht unmittelbar das im
Tenor eingeblendete Schreiben (das möglicherweise für sich allein nur als
Vorbereitungshandlung zu qualifizieren wäre), sondern das in dem Schreiben
angekündigte Verhalten.
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Das Merkmal der Geschäftsmäßigkeit ist ebenfalls gegeben, denn es kann jederzeit
wieder vorkommen, dass ein weitab ansässiger Vertragspartner betreut werden muss,
und die Beklagte hat nichts vorgetragen, aus dem sich ergibt, dass sie sich dann anders
entscheiden würde. Ganz im Gegenteil verteidigt sie ihr Verhalten als rechtmäßig, weil
es um ihre eigene Rechtsangelegenheit gehe; es ist nicht zu sehen, warum sie vor
diesem Hintergrund nicht beabsichtigen sollte, die wegen der damit verbundenen
Kostenersparnis für sie sehr lukrative außergerichtliche Streitbeilegung in Zukunft nicht
immer selbst in die Hand zu nehmen.
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Schließlich handelt es sich auch um Rechtsangelegenheiten, die für die Beklagte
"fremd" im Sinne des RBerG sind.
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Gerade unter Zugrundelegung der Grundsätze, die der BGH in der Entscheidung
"Titelschutzanzeigen für Dritte" (NJW, 1998, 3563) aufgestellt hat, ist die von der
Beklagten geplante Tätigkeit als die Besorgung von Rechtsangelegenheiten zu werten.
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Anders als die Schaltung von Anzeigen, die in einem engen Sinn als rein tatsächlich
angesehen werden kann, hat die Erörterung einer vergleichsweisen Streitbeilegung
neben dem wirtschaftlichen Aspekt zumindest gleichwertig auch rechtliche Erwägungen
zum Gegenstand, denn ob (auf Aktivseite) ein (Teil-)Verzicht auf eine Forderung
wirtschaftlich vertretbar ist, entscheidet sich ganz maßgeblich danach, wie
aussichtsreich die gerichtliche Durchsetzung dieses Forderungsteiles wäre und mit
welchem gerichtlichen Aufwand sie verbunden wäre: erst nach Prüfung einer Vielzahl
rein rechtlicher Fragen kann in die Prüfung der wirtschaftlichen Seite eingetreten
werden. Über diese rechtlichen Fragen muss der wirtschaftliche Forderungsinhaber
beraten werden (anders als die Auftraggeber einer Titelschutzanzeige) und bei der
Prüfung hat der Handelnde (wiederum anders als bei der Gestaltung einer
Titelschutzanzeige) einen ganz erheblichen wertenden Gestaltungsspielraum. In
derartigen Fällen ist die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege ganz unmittelbar berührt.
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Die Rechtsangelegenheit ist für die Beklagte "fremd" im Sinne des Gesetzes.
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Allerdings spricht - ohne dass dies an dieser Stelle abschließend zu entscheiden wäre -
Vieles für die Richtigkeit des Rechtsvortrages der Beklagten, dass sie in Bezug auf die
Forderung der U (stille) Mitgesellschafterin ihrer Vertragspartnerin ist; insoweit kann
verwiesen werden auf die von der Beklagten genannten Ausführungen von Dethloft
(NJW 2000,2225) und Grunewald (BB 2000, 729). Dies hat allerdings nicht zur Folge,
dass für Prozessfinanzierer die Regeln des RBerG außer Kraft gesetzt werden, denn die
allgemeinen Gesetze gelten mit ihren Wertungen und Verboten weiter. Auch die von der
Beklagten genannten Aufsätze behandeln allgemeine Gesetze als mögliche Grenzen
für die Gestaltungsfreiheit des Gesellschaftsvertrages, gehen aber auf das RBerG nicht
ein.
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Beim RBerG handelt es sich um zwingendes Recht, denn durch die Regelungen soll
gerade der Rechtssuchende geschützt werden; dies wäre nicht gewährleistet, wenn die
Notwendigkeit, Rechtsbesorgung für Dritte nur mit behördlicher Erlaubnis vorzunehmen,
in Verträgen mit dem Dritten abdingbar wäre. Dasselbe Ergebnis würde eintreten, wenn
der Prozessfinanzierungsvertrag den Finanzierer - noch dazu ohne jede ausdrückliche
Vereinbarung zwischen den Parteien darüber - berechtigen würde, für den
(wirtschaftlich alleinigen) Forderungsinhaber rechtsbesorgend tätig zu werden.
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Der innere Unterschied, der zwischen einem (möglicherweise) als Gesellschaftsvertrag
zu qualifizierenden Prozessfinazierungsvertrag und einem echten Vertrag über den
Abschluss einer stillen Gesellschaft besteht, ist der, dass die Durchsetzung der
wirtschaftlich nur dem einen Gesellschafter zustehenden Forderung der einzige
Gesellschaftszweck ist, während sonst ein Forderungsstreit während des Bestehens
einer Gesellschaft entsteht oder aber die "Prozessführungsgesellschaft" gegründet wird,
weil Streit über einen Vermögenswert entstanden ist, an dem beide Beteiligten in irgend
einer Form berechtigt sind. Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass der
Prozessführungsvertrag ein Rechtsgeschäft zur Umgehung des zwingenden Verbotes
zur Besorgung fremder Rechtsgeschäfte darstellt, wenn und soweit er - wie vorliegend -
zur Rechtfertigung einer Rechtsvertretung des eigentlich alleinigen Forderungsinhabers
benutzt wird; es ist eine letztlich nur eine Frage der Begründung, ob eine solche
Gesellschaft wie sie vorliegend gegründet worden ist, die einzutreibende Forderung für
den Finanzierer fremd bleiben lässt, weil sie es wirtschaftlich nach wie vor ist, oder aber
ob man den Finanzierungsvertrag insoweit als Umgehungsgeschäft und damit als
gegen ein gesetzliches Verbot verstoßend gemäß § 134 BGB als nichtig ansieht. Diese
Frage braucht im vorliegenden Fall als von eher theoretischem Interesse nicht
entschieden zu werden, denn das Ergebnis bleibt dasselbe: für die Zulässigkeit einer
Tätigkeit im Hinblick auf das RBerG ist ein originäres wirtschaftliches Eigeninteresse
erforderlich (vgl. OLG Stuttgart, NJW-RR 1988, 1311 für den Fall einer
Sicherungsabtretung zu Gunsten einer Reparaturwerkstatt in Höhe von deren
Werklohnforderung; Seitz, Inkasso-Handbuch, 3.Auflage, Kapitel 37, Rdn. 1048 und
1049; Henssler-Prütting, BRAO, 1997, Rdn. 20 zu Art.1 § 1 RBerG; Rennen-Caliebe,
RBerG, 3.Auflage, Rdn. 30 zu Art.1 § 1 RBerG).
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
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Streitwert: EUR 125.000,-.
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