Urteil des LG Köln vom 19.08.2008

LG Köln: verspätung, nichtbeförderung, fluggast, bad, familie, verordnung, sachmangel, verzicht, minderung, unmöglichkeit

Landgericht Köln, 11 S 350/07
Datum:
19.08.2008
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
11. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 S 350/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Köln, 126 C 148/07
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom
11.07.2007 - 148 C 148/07 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagte Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages
leistet.
Die Revision wird zugelassen.
TATBESTAND:
1
Der Kläger verlangt eine Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 Abs. 1c i.V.m. Art. 4 Abs. 3
der EU-Verordnung 261/04 (im Folgenden EUFlugVO) über 4 mal 600,00 Euro, sowie
Zahlung von 416,65 Euro aufgrund von Minderungsansprüchen und im Rahmen der
Klageerweiterung Anwaltskosten in Höhe von 446,13 Euro (1,3 Geschäftsgebühr nach
einem Streitwert von 4.062,95 nebst Entgeltpauschale VV RVG 7002 zuzüglich 19 %
Umsatzsteuer) bzgl. der genannten Ansprüche sowie wegen der Geltendmachung von
Ansprüchen wegen Taxikosten in Washington und Gepäckverlustes auf dem Hinflug
(1.246,30 Euro).
2
Der Kläger buchte bei der Beklagten für sich, seine Ehefrau und seine beiden Kinder
eine Flugbeförderung von Frankfurt nach Phoenix/U.S.A via Washington und zurück.
Der Flugpreis belief sich auf insgesamt 4.164,48 Euro.
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Der Hinflug wurde für den 00.00.0 von Frankfurt um 13.25 Uhr mit Ankunft in
Washington um 15.55 Uhr Ortszeit und Weiterflug nach Phoenix um 16.40 Uhr Ortszeit
bestätigt. Die tatsächliche Abflugzeit in Frankfurt war gegen 17.00 Uhr, sodass der
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Kläger und seine Familie den Anschlussflug in Washington nicht erreichten. Die
Beklagte verbrachte den Kläger und seine Familie in ein Hotel, wobei der Kläger 80 $
für Taxikosten aufwendete. Der Weiterflug fand am 00.00.00 um 7.00 Uhr statt. Der
Kläger und seine Familie erreichten Phoenix 14,5 Stunden später als geplant. Ihr
Gepäck kam auf dem genannten Flug abhanden. Die Ehefrau und die Kinder traten ihre
Ansprüche an den Kläger ab. Der Kläger hat seine Ansprüche durch seine
Prozessbevollmächtigen gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 04.12.2006
geltend gemacht, wobei die Beklagte wegen des Gepäckverlustes und der Taxikosten
am 15.03.2007 1.246,30 Euro an den Kläger zahlte.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des
erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
5
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.816,65 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5
% über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.12.2006 zu zahlen.
7
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
9
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere
ausgeführt, dass eine "Nichtbeförderung" im Sinne von Art. 2 j EUFlugVO nicht
vorgelegen habe, da eine Verweigerung durch die Beklagte nicht stattgefunden habe.
Eine Annullierung des Anschlussfluges läge ebenfalls nicht vor, da dieser tatsächlich
durchgeführt worden sei, sodass auch kein Anspruch aus Art. 5 Abs. 1 EUFlugVO in
Frage komme.
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Es habe insgesamt lediglich eine Verspätung nach Art. 6 EUFlugVO vorgelegen. Den
sich daraus ergebenden Verpflichtungen ist die Beklagte nachgekommen.
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Ein Minderungsanspruch stehe dem Kläger ebenfalls nicht zu, da eine Verzögerung
grundsätzlich keinen Sachmangel begründe. Eine qualitative Beeinträchtigung, die zu
einem Sachmangel führen könnte, habe nicht vorgelegen.
12
Schadensersatzansprüche gemäß Art. 12 Abs. 1 EUFlugVO i.V.m. Art. 19 des
Montrealer Übereinkommens vom 28.05.1999 kämen mangels Darlegung des Klägers
nicht in Frage.
13
Gegen das ihm am 18. Juli 2007 zugestellte Urteil vom 11. Juli 2007 hat der Kläger mit
einer am 14.08.2007 eingegangenen Schrift Berufung eingelegt, die er mit einer am
18.09.2007 eingegangenen Schrift begründet hat.
14
Die Berufung greift das erstinstanzliche Urteil vollumfänglich an.
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16
Der Kläger rügt insbesondere Rechtsfehler und ist der Ansicht, hinsichtlich des
Hinfluges am 07. Oktober 2006 liege eine "Nichtbeförderung" vor. Aufgrund einer von
der Beklagten bestrittenen Überbuchung des ersten Flugabschnitts und einer damit
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einhergehenden Gepäckaussortierung habe die Beklagte keinen planmäßigen Abflug
des Fluggerätes realisiert und dem Kläger und seiner Familie die Weiterbeförderung
verwehrt.
Im Wege der Klageerweiterung beantragt der Kläger nunmehr,
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unter Abänderung des am 11. Juli 2007 verkündeten Urteil des Amtsgerichts
Köln - 126 C 148/07 – die Beklagte kostenpflichtig zu verurteilen an ihn 2.816,65
Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem
16.12.2006 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 446,13 Euro nebst Zinsen
in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie tritt dem Rechtsmittel mit ihrer Berufungserwiderung, mit der sie das angefochtene
Urteil verteidigt, entgegen.
22
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat in der Sache
keinen Erfolg.
25
I.
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Dem Kläger steht kein Anspruch auf Ausgleichszahlung gemäß Art. 4 Abs. 3 i. V. m. Art
7 Abs. 1 c EUFlugVO zu.
27
Die EU-Verordnung 261/04 ist gemäß Art 3 Abs. 1 a; Abs. 2 b, Abs. 1 EUFlugVO
anwendbar.
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Hinsichtlich des ersten Teilfluges von Frankfurt nach Washington liegt eine Verspätung
von etwa 3,5 Stunden vor. Die EUFlugVO sieht hierfür keinerlei Ansprüche vor. Auch
wenn dieser Flug überbucht gewesen sein sollte, wie der Kläger vorträgt, stehen ihm
hierfür keine Ansprüche aus der EUFlugVO zu, da eine Nichtbeförderung auf diesem
Teil unstreitig nicht vorliegt.
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Hinsichtlich des zweiten Teilfluges von Washington nach Phoenix kommen Ansprüche
aus Art. 5 EUFlugVO nicht in Betracht, da der Flug nicht im Sinne von Art. 2 l EUFlugVO
annulliert wurde.
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Nach Auffassung der Kammer liegt auch keine "Nichtbeförderung" im Sinne des Art. 4
EUFlugVO (im Ergebnis ebenso OLG Frankfurt, Urteil vom 29.05.2008, Az. 16 U 178/07;
a.A.: OLG Hamburg, RRa 2008, 139 ff.; LG Berlin, RRa 2008, 42 ff.; Schmid, NJW 2006,
1841 ff., 1842) hinsichtlich des zweiten Teilfluges von Washington nach Phoenix vor.
31
Nach der Definition des Begriffs in Art. 2 j EUFlugVO setzt eine "Nichtbeförderung" unter
anderem die Weigerung voraus, Fluggäste zu befördern, obwohl sie sich unter den in
Art. 3 Abs. 2 genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben.
32
Der Begriff Weigerung setzt eine bewusste Entscheidung, d.h. eine Zurückweisung
durch das Luftfahrtunternehmen voraus, zu der es weder bei dem Flug von Frankfurt
nach Washington, noch bei dem Flug von Washington nach Phoenix gekommen war;
eine rein faktische "Nicht-Weiter-Beförderung" auf den gebuchten Anschlussflug wegen
Verspätung des Zubringerfluges, reicht indessen nicht aus, eine Nichtbeförderung im
Sinne des Art. 2 j EUFlugVO anzunehmen (vgl. OLG Frankfurt a.a.O.).
33
1.
34
Für dieses Ergebnis spricht zunächst die Systematik des Art. 4, dessen Absätze in ihrem
Regelungsgehalt aufeinander aufbauen. Die Absätze 1 und 2 haben unmissverständlich
die Fälle der Überbuchung im Blick. Absatz 3 bestimmt die Anspruchsgrundlage.
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Ein anderes Ergebnis würde auch dem Regelungsgehalt der EUFlugVO widersprechen,
der zwischen Verspätung, großer Verspätung, Verspätung bis zum nächsten Tag,
Nichtbeförderung und einer Annullierung unterscheidet.
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Bei einem Zubringer- oder Teilflug liegt bei einer Verzögerung ohne weiteres eine
Verspätung vor. Bei geringen Verspätungen kann es dazu kommen, dass
Anschlussflüge nicht erreicht werden, je nachdem, wie viel Zeit als Zwischenaufenthalt
eingeplant wurde. Wenn dann der Anschlussflug verpasst würde, würden unter
Zugrundelegung der Auffassung des OLG Hamburg a.a.O. und LG Berlin a.a.O. die
Rechte aus Art. 4 Abs. 3, 7 EUFlugVO entstehen, auch wenn anfänglich lediglich eine
geringe Verspätung vorlag, bei der der Fluggast nach der EUFlugVO keinerlei
Ansprüche gegen das Luftfahrtunternehmen hätte. Im Rahmen einer
Gesamtbetrachtung, die nach Auffassung der Kammer vorzunehmen ist, gleicht der Fall
daher einer Verspätung, sodass nicht von einer Nichtbeförderung im Sinne des Art. 4
Abs. 3 EUFlugVO auszugehen ist.
37
Vorliegend sollte der Anschlussflug nach Phoenix lediglich 45 Minuten nach der
Landung des ersten Fluges aus Frankfurt starten. Bei einer kurzfristigen Verspätung des
ersten Fluges von nur wenigen Minuten wäre es schon kaum mehr möglich gewesen,
diesen Anschlussflug zu erreichen; einen Anspruch des Fluggastes wegen dieses
ersten Teilfluges aus der EUFlugVO bestünde nicht. Die Annahme einer
Nichtbeförderung hätte zur Folge, dass das Flugunternehmen wegen einer Verspätung
eines Teilfluges, für die es keinerlei Leistungen zu erbringen hätte, wegen des
verpassten Anschlussfluges sowohl die Betreuungsleistungen nach Art. 9 EUFlugVO,
als auch einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 EUFlugVO leisten müsste. Dass dies
von den Verordnungsgebern gewollt war, lässt sich den Erwägungsgründen nicht
entnehmen. Zwar sollte die EUFlugVO die Fluggastrechte stärken, allerdings wollte die
Verordnung den Fluggast auch nicht übervorteilen oder das Flugunternehmen über
Gebühr benachteiligen. Daher muss im Wege der anzustellenden Gesamtbetrachtung
davon ausgegangen werden, dass nur eine Verspätung vorliegt. Unberührt bleiben
mögliche Ansprüche aus dem zugrunde liegenden Buchungsvertrag, z.B. wegen
fehlerhafter Planung, wenn z.B. die Zeit zwischen den Flügen zu gering bemessen war
(ähnlichen: AG Offenbach am Main, Urteil vom 06.01.2006, Az. 33 C 2/06). Solche
Ansprüche wurden vorliegend jedoch weder geltend gemacht, noch wird der
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möglicherweise eingetretene Schaden beziffert.
2.
39
Für eine Beschränkung des Ausgleichsanspruches nach Art. 4 Abs. 3 EUFlugVO auf
die Fälle einer bewussten Zurückweisung der Fluggäste spricht auch die
Entstehungsgeschichte der Vorschrift:
40
Die EUFlugVO hat die EG-VO Nr. 295/91 abgelöst und den damaligen
Anwendungsbereich erweitert. Die EG-VO Nr. 295/91 regelte ausschließlich die Fälle
der Nichtbeförderung wegen Überbuchung (vgl. BGH NJW-RR 2006, 1719). Die neue
EUFlugVO sollte den Schutzbereich erweitern, zielte aber nach dem Erwägungsgrund
Nr. 3 offensichtlich darauf ab, die Zahl der gegen ihren Willen nicht beförderten
Fluggäste zu verringern, da deren Anzahl immer noch zu hoch sei. Auch wenn hier nicht
eine Überbuchung genannt wird, ist davon auszugehen, dass die Verordnung nur die
Fälle der Überbuchung erfassen sollte. Die festgelegten Schutzstandards sollten daher
erhöht werden (vgl. Erwägungsgrund Nr. 4). Gemäß Erwägungsgrund Nr. 9 sollte die
Anzahl dadurch verringert werden, dass Fluggäste freiwillig –gegen eine entsprechende
Gegenleistung- auf ihre Buchung verzichten sollten. Für den Fall, dass dennoch eine
unfreiwillige Nichtbeförderung eintritt, sollte das Luftfahrtunternehmen dann vollwertige
Ausgleichsleistungen erbringen.
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Art. 4 Abs. 1 und 2 EUFlugVO hat diese Erwägung umgesetzt, insbesondere die
Fluggastrechte bereits gestärkt. Art. 4 Abs. 3 EUFlugVO bezieht sich auf den letzten
Halbsatz des Erwägungsgrundes 9, der sich eindeutig auf die Fälle bezieht, dass ein
Fluggast gegen seinen Willen nicht befördert wird, bevor versucht wurde, ihn freiwillig
zu einem Verzicht zu bewegen. Im vorliegenden Fall hätte es keinen Sinn für das
Flugunternehmen gemacht, ihn zu einem Verzicht zu bewegen, da der Kläger schon gar
nicht die Möglichkeit hatte, den Weiterflug tatsächlich wahrzunehmen.
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Auch die Annahme, dass ein Fluggast, der den Anschlussflug nicht erreicht, den Willen
haben soll, den Anschlussflug wahrzunehmen, ist fernliegend. Vielmehr wird er den
Willen haben, den nächstmöglichen Anschlussflug wahrzunehmen und nicht einen
Flug, den er nicht mehr erreichen kann.
43
3.
44
Würde man bei verspäteten Flügen und verpassten Anschlussflügen von einer
"Nichtbeförderung" ausgehen, hätte dies zur Folge, dass etwa bei einer verspäteten
Ankunft von mehr als 2 Stunden der Fluggast bei einem Fernflug über 3500 km 600
Euro erhielte (Art. 7 EUFlugVO), bei einer Verspätung eines durchgehenden Fluges
jedoch keinerlei Ansprüche hätte. Auch dieses Ergebnis rechtfertigt die oben
vorgenommene Gesamtbetrachtung. Die Unannehmlichkeiten, die der Fluggast
möglicherweise wegen des geänderten Anschlussfluges hat, rechtfertigten nach
Auffassung der Kammer nicht die Anwendbarkeit von Art. 4 EUFlugVO.
45
4.
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Dafür, dass eine Verspätung vorliegt, spricht auch, dass dem
Verbraucherschutzgedanken und der Stärkung der Fluggastrechte durch die
Tatbestände der "Annullierung" und "Verspätung" Rechnung getragen ist. Der Fluggast
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ist durch die Regelungen des Art. 9 EUFlugVO nicht rechtsschutzlos gestellt. Auch
können ihm –wie bereits oben dargestellt- weitergehende Ansprüche zustehen.
5.
48
Nicht von Art. 4 Abs. 3 EUFlugVO erfasst werden daher die Fälle des Nichterreichens
eines Anschlussfluges wegen Verspätung des ersten Teilflugs. In den
Erwägungsgründen finden sich keine Anhaltspunkte für die Einführung einer
Neudefinition der "Nichtbeförderung".
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Aus den vorgenannten Gründen können die eingangs genannten abweichenden
Entscheidungen (OLG Hamburg a.a.O., LG Berlin a.a.O.) nicht überzeugen.
50
II.
51
Dem Kläger steht kein Anspruch aus §§ 634 Nr. 3, 638 BGB wegen Minderung zu.
52
§§ 634, 638 BGB sind zunächst neben Art. 19,20 des Warschauer Abkommens
anwendbar (so auch LG Frankfurt NJW-RR 1993, 1270; AG Bad Homburg NJW-RR
2002, 637), jedoch nicht einschlägig, da sich die Leistung der Beklagten bei einer
verzögerten Ankunft von etwa 14,5 Stunden nicht als mangelhaft darstellt (a.A. LG
Frankfurt a.a.O.; AG Bad Homburg a.a.O.). Es liegt eine Verzögerung vor, die lediglich
Ansprüche aus Verzug gemäß §§ 286, 280 BGB oder aus der EUFlugVO nach sich
ziehen kann.
53
Zur Abgrenzung, ob ein Mangel, Unmöglichkeit oder lediglich Verzug vorliegt, ist die
Einordnung des Vertrages von entscheidender Bedeutung:
54
Bei einem Flugbeförderungsvertrag handelt es sich um einen Werkvertrag im Sinne der
§§ 631 ff. BGB (vgl. BGHZ 62, 71), wodurch der Unternehmer zur Herstellung des
Werkes, die Durchführung des Flugs, verpflichtet wird.
55
Bei einem solchen Vertrag handelt es sich nicht um ein absolutes Fixgeschäft, was im
Fall einer Verzögerung zur Unmöglichkeit der Leistung führen würde.
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Der Fluggast hat zwar grundsätzlich ein Interesse daran, sein Flugziel pünktlich zu
erreichen. Dieses Ziel entfällt aber regelmäßig nicht, wenn eine Verspätung eintritt,
denn dem Fluggast wird daran gelegen sein, sein Ziel, wenn auch verspätet, alsbald zu
erreichen (vgl. Staudinger RRa 2005, 249 ff.). Gegen das absolute Fixgeschäft spricht
daher grundsätzlich die Nachholbarkeit der Leistung, da so der Vertragszweck noch
erreicht werden kann.
57
Eine Verspätung rechtfertigt es auch nicht, die Flugbeförderung als mangelhaft im Sinne
von § 633 Abs. 2 S. 1 BGB einzustufen. Zwar handelt es sich ohne Weiteres um eine
Pflichtverletzung, jedoch liegt nicht bei jeder Pflichtverletzung auch ein Mangel vor (vgl.
Staudinger a.a.O.). Grundsätzlich beziehen sich Beschaffenheiten nur auf die Qualität
der Leistung, nicht jedoch auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung. Des Weiteren
existieren spezielle Normen, §§ 286, 280 BGB, die den Fall einer verzögerten Leistung
explizit regeln. Diese würden umgangen, wenn man annähme, dass die Leistungszeit
zur vertraglichen Beschaffenheit des Werkes gehört, liefen die Normen leer. Eine
verspätete Leistung im Rahmen der Flugbeförderung wäre nach dieser Meinung
58
überhaupt nicht möglich.
Rechtsfolge der Annahme eines Mangels wäre, dass dem Fluggast Minderungsrechte
zustünden (so u.a. auch LG Frankfurt a.a.O., AG Bad Homburg a.a.O.; Ruhwedel RRa
1998, 121, 125; Schmid RRa 2005, 151, 156). Von der Rechtsprechung werden solche
jedoch nur bei einer nicht unerheblichen Zeitüberschreitung bejaht, was dem Gesetz
gemäß §§ 638 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 2 BGB widerspricht, da es keine
Bagatellgrenze gibt. Danach würden sofort, auch bei geringen Verspätungen,
Minderungsansprüche entstehen, was nicht interessengerecht ist und die
Flugunternehmen über Gebühr belasten würde.
59
Somit muss es insgesamt bei der Annahme einer verspäteten Leistung bleiben, die
Rechte aus §§ 286, 280 BGB und der EUFlugVO nach sich ziehen können. Ein
unangemessener Nachteil für den Fluggast entsteht hierdurch nicht. Soweit ihm
tatsächlich ein Schaden entstanden ist, kann er diesen unter Verzugsgesichtspunkten
geltend machen. Weitere Ansprüche wegen einer Verspätung von mehr als vier
Stunden werden ihm von der EUFlugVO zugebilligt.
60
III.
61
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung der von ihm begehrten vorgerichtlich
entstandenen Rechtsanwaltskosten zu.
62
Hinsichtlich der bereits erörterten Hauptansprüche besteht die Hauptforderung in Höhe
von 2.816,65 Euro nicht, sodass auch keine Nebenforderung aus §§ 280 ff. BGB
hergeleitet werden kann.
63
Hinsichtlich der Geltendmachung der Rechtsanwaltskosten bezüglich eines weiteren
Teilbetrages über 1.246,30 Euro (Gepäckverlust und Taxikosten) liegen die
Voraussetzungen der §§ 280 ff. BGB nicht vor.
64
Ein Anspruch aus §§ 280, 286 BGB besteht mangels Verzuges mit der Zahlung nicht.
Der Kläger macht nicht geltend, die Beklagte zur Zahlung aufgefordert zu haben. Es
wird lediglich vorgetragen, dass eine Schadensanzeige vom 02.11.2006 vorliegt, was
nicht ausreichend ist.
65
Auch ein Anspruch aus §§ 280, 249 BGB besteht nicht. Der Kläger bediente sich von
Anfang an eines Rechtsanwaltes. Die Kosten eines Rechtsanwaltes zur
Rechtsverfolgung sind jedoch nur zu erstatten, wenn die Inanspruchnahme erforderlich
war (vgl. Palandt-Heinrichs § 249 Rdnr. 39). Dies ist in einfach gelagerten Fällen nur
dann anzunehmen, wenn der Geschädigte geschäftlich ungewandt ist oder die
Schadensregulierung verzögert wird (Palandt a.a.O.). Bei dem hier betroffenen Teil
hinsichtlich der Zahlung für das verloren gegangene Gepäck handelt es sich zunächst
um einen einfach gelagerten Fall, da lediglich Quittungen eingereicht werden mussten,
um die Ansprüche hinsichtlich der Kleidung gegenüber der Beklagten geltend zu
machen.
66
Dass der Kläger geschäftlich ungewandt sei, wird nicht vorgetragen; ebenfalls nicht,
dass die Beklagte die Leistung verzögert hat.
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IV.
68
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
69
V.
70
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Denn andere Gerichte, u. a. auch
das Oberlandesgericht Hamburg (RRa 2008, 139 ff.), sind in ähnlich gelagerten Fällen
von einer "Nichtbeförderung" im Sinne des Art. 4 Abs. 3 EUFlugVO ausgegangen.
Weiterhin haben andere Gerichte (u.a. LG Frankfurt NJW-RR 1993, 1270; AG Bad
Homburg NJW-RR 2002, 637) eine Minderung in ähnlich gelagerten Fällen bejaht.
71
V.
72
Berufungsstreitwert: 2.816,65 €.
73