Urteil des LG Köln vom 04.04.2007

LG Köln: vorzeitige entlassung, aufrechnung, abrechnung, mietrecht, wohnung, hauptsache, firma, vermieter, bedingung, geschäftsführer

Landgericht Köln, 9 S 215/06
Datum:
04.04.2007
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 S 215/06
Vorinstanz:
Amtsgericht Bergisch Gladbach, 63 C 517/05
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Bergisch
Gladbach vom 31.05.2006 – 63 C 517/05 – teilweise abgeändert und
wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin
876,57 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem
05.01.2006 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in Höhe von 2.657,43 € in
der Hauptsache erledigt hat.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 45%, die
Beklagten als Gesamtschuldner zu 55%.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 60%, die
Beklagten als Gesamtschuldner zu 40%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a
Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Begründung:
1
Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache teilweise Erfolg, denn das
Amtsgericht hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang zugesprochen. Die Klägerin
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kann, nachdem sie den Rechtsstreit in Höhe von 2.657,43 € einseitig für erledigt erklärt
hat, von den Beklagten als Gesamtschuldner nur noch Zahlung von 876,57 € für
Mietrückstände für Januar 2006 aus § 535 Abs. 2 BGB sowie Feststellung der teilweisen
Erledigung der Hauptsache verlangen.
1. Insgesamt bestand zunächst allerdings ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung
rückständiger Mieten in Höhe von 5.970,00 €.
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a) Für den Monat April 2004 schulden die Beklagten rückständige Miete in Höhe von
420,00 €.
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Die Beklagten haben zwar für ihre Behauptung, sie hätten mit der Klägerin vereinbart,
dass für diesen Monat nur die hälftige Grundmiete von 630,00 € zzgl. der
Nebenkostenvorauszahlung zu zahlen gewesen sei, Beweis angetreten. Diesem
Beweisantritt ist das Amtsgericht indessen zu Recht nicht nachgegangen. Denn das
Schreiben der Beklagten vom 01.11.2005 ist – wie sie letztlich selbst einräumen – als
deklaratorisches Schuldanerkenntnis bezüglich aller bis dahin offenen Mietrückstände
sowie der vollen Mieten für November und Dezember 2005 zu werten.
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Soweit die Beklagten vorgetragen haben, dass dieses Schuldanerkenntnis den
Hintergrund gehabt habe, dass sie mit der Klägerin vereinbart hätten, sie würden zum
31.12.2005 aus dem Mietvertrag entlassen, wenn sie alle offenen Mieten bis zu diesem
Zeitpunkt zahlen, ergibt sich daraus nichts anderes. Es handelt sich nach dem Vortrag
der Beklagten nämlich nicht um eine Bedingung für das Schuldanerkenntnis, sondern
um einen Aufhebungsvertrag bezüglich des Mietverhältnisses, bei dem die Zahlung der
offenen Mieten Bedingung für die vorzeitige Entlassung aus dem Mietverhältnis war.
Wenn die Klägerin von dieser angeblich mündlich getroffenen Vereinbarung später mit
Schreiben vom 04.11.2005 nichts mehr wissen wollte, führt dies nicht zur Unwirksamkeit
des Schuldanerkenntnisses vom 01.11.2005. Allenfalls wäre das Verhalten der Klägerin
ein Anfechtungsgrund. Eine Anfechtung ist indessen nicht erklärt worden.
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b) Für Oktober bis Dezember 2005 sind Ansprüche der Klägerin auf Mietzahlung in
Höhe von 3.955,00 € entstanden.
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Die Beklagten waren für den Zeitraum August bis Dezember 2005 zur Zahlung der
vollen Miete verpflichtet. Mit ihrer Behauptung, die Miete sei aufgrund von diversen
Mängeln zu mindern gewesen, sind die Beklagten wegen des deklaratorischen
Schuldanerkenntnisses vom 01.11.2005 nicht zu hören. Außerdem waren sie zur
Minderung ohnehin nicht berechtigt, wie im Hinblick auf die Miete für Januar 2006
(unten c)) noch auszuführen sein wird.
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Allerdings hat das Amtsgericht den Anspruch der Klägerin unzutreffend berechnet. Die
Klägerin kann die von den Beklagten unstreitig geleisteten Zahlungen nicht nach
Belieben auf einzelne Mieten verrechnen, sondern hat mangels einer
Tilgungsbestimmung – zu einer solchen ist jedenfalls nichts vorgetragen – die
gesetzliche Tilgungsreihenfolge des § 366 Abs. 2 BGB zu beachten, wonach im
vorliegenden Fall die jeweils älteste Schuld zuerst zu tilgen ist. Dies führt zu folgendem
Ergebnis:
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Monat
Miete
Zahlung
Rest
10
Aug 05
1.595,00 €
27.09.2005
350,00 €
1.245,00 €
04.10.2005
700,00 €
545,00 €
02.11.2005
510,00 €
35,00 €
02.11.2005
200,00 €
- €
Sep 05
1.595,00 €
1.430,00 €
04.11.2005
400,00 €
1.030,00 €
06.12.2005
910,00 €
120,00 €
06.12.2005
200,00 €
- €
Okt 05
1.595,00 €
1.515,00 €
Nov 05
1.595,00 €
1.595,00 €
Dez 05
1.595,00 €
1.595,00 €
Restforderung
4.705,00 €
Hiervon sind auch noch die Nebenkostenvorauszahlungen von 250,00 € monatlich für
Oktober bis Dezember 2005, insgesamt 750,00 € abzuziehen. Denn am 31.12.2006 ist
Abrechnungsreife hinsichtlich des Abrechnungszeitraums 2005 eingetreten. Mit diesem
Zeitpunkt hat sich der Anspruch auf Leistung von Vorauszahlungen in einen Anspruch
auf Ausgleich eines etwaigen Saldos aus der Nebenkostenabrechnung umgewandelt
(Schmidt-Futterer-Langenberg, Mietrecht, § 556 BGB, Rn. 266). Es ergibt sich eine
Restforderung von 3.955,00 € für die Monate Oktober bis Dezember 2005.
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c) Für Januar 2006 ist der Anspruch auf Zahlung des Mietzinses in der vollen Höhe von
1.595,00 € entstanden.
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Soweit die Beklagten sich auch für diesen Zeitraum auf eine Mietminderung berufen, ist
dieser Einwand zwar nicht durch das deklaratorische Schuldanerkenntnis vom
01.11.2005 ausgeschlossen. Dieses bezieht sich ausdrücklich nur auf die Mieten bis
Dezember 2005. Indessen berechtigen die von den Beklagten behaupteten Mängel, die
Mitte 2005 (und damit wohl auch noch im Januar 2006) noch vorgelegen haben sollen,
nicht zur Minderung. Es handelt sich um geringfügige handwerkliche Mängel, die
entweder ohne großen Aufwand durch die Beklagten selbst zu beheben gewesen
wären (Rolladenbänder nicht befestigt, Balken im Dachgeschoss nicht gereinigt) oder
allenfalls eine geringfügige Minderung des Wohnwerts zur Folge haben (fehlende
Fliesen an der Heizung unter dem Stromkasten, wellender Laminatboden in einem
Zimmer). Außerdem haben die Beklagten in Kenntnis dieser Mängel, die schon von
Beginn des Mietverhältnisses an bestanden haben sollen, die Miete von Mai 2004 bis
Juli 2005 vollständig und ohne Vorbehalt bezahlt, so dass ein etwaiges
Minderungsrecht auch verwirkt wäre.
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d) Ein Anspruch der Klägerin auf eine Nebenkostennachzahlung für 2004 besteht nicht.
Der Saldo von 188,15 € aus der Nebenkostenabrechnung vom 07.11.2005 ist nicht
fällig. Es handelt sich nicht um eine ordnungsgemäße Abrechnung gemäß § 556 Abs. 3
BGB. Insbesondere fehlt es an der Angabe der Gesamtkosten für die
Gebäudehaftpflichtversicherung (vgl. Schmidt-Futterer-Langenberg, Mietrecht, § 556
BGB, Rn. 334 ff.). Es ist zwar zutreffend, dass diese anhand des Umlagemaßstabs und
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des für die Beklagten angesetzten Anteils leicht von diesen selbst ausgerechnet werden
könnten. Dies entbindet den Vermieter aber nicht von der Verpflichtung die
Gesamtkosten in der Abrechnung anzugeben. Die Abrechnung soll es dem Mieter
gerade ermöglichen, den Rechenweg des Vermieters zu überprüfen. Dies ist aber nur
möglich, wenn alle Angaben vollständig sind.
Da die Frist des § 556 Abs. 3 S. 2 BGB abgelaufen ist, kann die Klägerin die
Abrechnung auch nicht mehr nachträglich korrigieren (Schmidt-Futterer-Langenberg,
Mietrecht, § 556, Rn. 422).
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2. Diese Ansprüche der Klägerin sind zunächst in Höhe von 2.436,00 € durch die
Aufrechnung der Beklagten mit ihrem Anspruch auf Ersatz der Kosten, die sie für die
Renovierung der Wohnung aufgewandt haben, erloschen, § 389 BGB.
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Die Beklagten hatten gegen die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung dieser Kosten,
mit dem sie die Aufrechnung erklären konnten.
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Ein Schadenersatzanspruch aus §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 280 Abs. 1 BGB besteht
allerdings, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht. Selbst wenn man mit
den Beklagten annimmt, dass die Verwendung der unwirksamen starren
Fristenregelung und Endrenovierungsklausel durch die Klägerin eine schuldhafte
Verletzung ihrer vorvertraglichen Pflichten darstellt, träfe die Beklagten an der
Entstehung des Schadens derart hohes Mitverschulden, dass für Ansprüche gegen die
Klägerin kein Raum mehr bliebe. Wenn man nämlich vom Vermieter verlangt, die
Rechtsprechung zu Schönheitsreparaturen zu kennen, muss man ebenso vom Mieter
verlangen, sich vor Durchführung entsprechender Arbeiten darüber zu informieren, ob
die vertraglichen Regelungen wirksam sind.
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Es besteht aber ein Anspruch aus §§ 539 Abs. 1, 683, 670 BGB. Mit der angeblichen
Durchführung von Schönheitsreparaturen vor Auszug haben die Beklagten ein Geschäft
der Klägerin besorgt. Dass die Beklagten in der irrigen Annahme handelten, vertraglich
zu den Arbeiten verpflichtet zu sein, steht der Annahme des
Fremdgeschäftsführungswillens nicht entgegen. Wenn originäre Pflichten des
Vermieters durch unwirksame vertragliche Regelung auf den Mieter abgewälzt werden,
wird vermutet, dass der Mieter bei der Erfüllung der vermeintlichen Pflicht auch ein
Geschäft des Vermieters besorgen will (vgl. Palandt-Sprau, BGB, § 677, Rn. 7; Schmidt-
Futterer-Langenberg, Mietrecht, § 539 BGB, Rn. 30).
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Es ist auch davon auszugehen, dass die Renovierung im objektiven Interesse der
Klägerin lag und ihrem mutmaßlichen Willen entsprach. Grundsätzlich entspricht es dem
Interesse des Vermieters, nach Ende des Mietverhältnisses eine renovierte Wohnung
übergeben zu bekommen. Dass dies vorliegend – etwa aufgrund einer vertraglichen
Vereinbarung mit dem Nachmieter der Beklagten, dass dieser bei Einzug zu renovieren
habe – anders gewesen sei, hat die Klägerin nicht vorgetragen.
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Die Beklagten können daher Erstattung der Kosten verlangen, die sie für erforderlich
halten durften. Die Kosten eines Handwerkers, der die Renovierung durchführt, fallen
darunter. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass die Beklagten die
Firma S mit Renovierungsarbeiten beauftragt haben sowie dass diese die Arbeiten
durchgeführt und den Beklagten 2.436,00 € in Rechnung gestellt hat.
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Der Zeuge I, der Geschäftsführer der Firma S ist, hat bestätigt, dass die Beklagten ihm
den Auftrag zu Renovierungsarbeiten erteilt haben. Er hat ebenfalls bestätigt, dass einer
seiner Angestellten in dem streitgegenständlichen Haus an mehreren Tagen
Renovierungsarbeiten durchgeführt habe, wenn er auch nicht mehr genau angeben
konnte, um welche Arbeiten es sich gehandelt habe. Eine Komplettrenovierung sei
jedenfalls nicht beauftragt worden. Insoweit hat indessen der Zeuge T, bei welchem es
sich um den Nachmieter der Beklagten handelt, bestätigt, dass die Wohnung
abgesehen vom Souterrain renoviert gewesen sei, als er sie von den Beklagten
übernommen habe. Der Zeuge I wiederum konnte nicht ausschließen, dass gerade im
Souterrain vereinbarungsgemäß keine Arbeiten durchgeführt worden seien. Auch die
Bezahlung der 2.436,00 € durch die Beklagten hat der Zeuge I bestätigt.
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Dass danach nicht mehr im Einzelnen festgestellt werden kann, welche Arbeiten die
Beklagten haben durchführen lassen, führt nicht dazu, dass sie den für die Arbeiten
aufgewandten Betrag nicht zurückfordern können. Denn in jedem Fall steht fest, dass
Arbeiten durchgeführt worden sind, die überwiegend ordnungsgemäß waren – auch bei
der Wohnungsübergabe wurden laut Übergabeprotokoll nur vereinzelte
Beanstandungen erhoben –, und die Beklagten für diese 2.436,00 € bezahlt haben.
Eine vollständige Renovierung des Hauses schuldeten die Beklagten nicht. Der
Kammer, die insoweit von der Möglichkeit der Schätzung gemäß § 287 ZPO Gebrauch
macht, erscheint der in Rechnung gestellt Betrag angesichts der Größe des Mietobjekts,
bei dem es sich um ein Einfamilienhaus mit insgesamt acht Zimmern handelt, auch
dann nicht unangemessen hoch, wenn darin die Renovierung des Souterrains nicht
enthalten ist.
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3. In Höhe von weiteren 2.657,43 € sind die danach noch bestehenden Ansprüche der
Klägerin durch die hilfsweise erklärte Aufrechnung der Beklagten mit ihrem unstreitigen
Anspruch auf Rückzahlung des Kautionsguthabens erloschen, § 389 ZPO. Da die
Ansprüche in dieser Höhe aber ursprünglich bestanden und erst durch die im
Berufungsverfahren erklärte Hilfsaufrechnung erloschen sind, war auf die einseitig
gebliebene Teilerledigungserklärung der Klägerin insoweit die Erledigung der
Hauptsache festzustellen.
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Die begründete Klageforderung errechnet sich unter Berücksichtigung der
Aufrechnungen, die entsprechend § 366 Abs. 2 BGB auf die Forderungen der Klägerin
anzurechnen waren, wie folgt:
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Forderung Betrag Aufrechnung
Renovierung
Rest
Aufrechnung
Kaution
Rest
Miete
04/04
420,00 € 420,00 €
- €
- €
- €
Miete
10/05
1.265,00
1.265,00 €
- €
- €
- €
Miete
11/05
1.345,00
751,00 €
594,00 € 594,00 €
- €
Miete
12/05
1.345,00
- €
1.345,00
1.345,00 €
- €
Miete
1.595,00
1.595,00
876,57
26
01/06
- €
718,43 €
876,57
4. Die Zinsforderung ergibt sich aus §§ 280, 286, 288 BGB.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 ZPO. Die
unterschiedliche Kostenquotelung für die erste und zweite Instanz ergibt sich aus der
Teilerledigungserklärung der Klägerin in der Berufungsinstanz. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren:
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bis zur Teilerledigungserklärung der Klägerin: 6.483,15 €
danach: 4.876,04 €
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