Urteil des LG Köln vom 24.06.2009

LG Köln: käufer, treu und glauben, rückgabe, künftige nutzung, rücktritt, nachbesserung, auflage, rückabwicklung, kaufpreis, fahrzeug

Landgericht Köln, 28 O 11/07
Datum:
24.06.2009
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
28. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
28 O 11/07
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 29.069,11 €, nebst 5 %
Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 23.02.2007 Zug-um-Zug gegen
Rückgabe des Fahrzeuges der Marke Audi Avant 2.0 TDI, Fahrzeug-
Ident-Nummer #### mit dem amtlichen Kennzeichen ### zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 23.02.2007 im
Annahmeverzug befindet.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 478,81 € nebst 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz seit dem 23.02.2007 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 90 % und der
Kläger zu 10 %.
3. Das Urteil ist für den Kläger und den Beklagten jeweils gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d:
1
Der Kläger kaufte am 27.07.2005 bei der Beklagten den streitgegenständlichen Pkw
zum Kaufpreis von 34.279,61 €. Er zahlte den Kaufpreis bar. Im Juni 2006 monierte der
Kläger erstmals Quietschgeräusche im Fahrwerksbereich, die insbesondere beim
Abbremsen aus geringer Geschwindigkeit, beim Überfahren von unebenem
Fahruntergrund und beim Rückwärtsfahren auftraten.
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Der Beklagte erhielt sodann in der Zeit vom 12. bis zum 14.06.2006 und – nachdem sich
das Quietschgeräusch weiterhin nicht abgestellt hatte, ein weiteres Mal – am 12.8.2006
die Gelegenheit, die Quietschgeräusche zu beheben. Dabei wurde auf dem
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"Abholnachweis" aufgenommen, dass "Beim Einfehdern z.B. bei Unebenheiten" und
"beim Bremsen bei niedrigen Geschwindigkeiten" Geräusche aufträten, die beseitigt
werden sollten. Auf den als Anlage K2 vorgelegten Abholausweis wird Bezug
genommen.
Da weiterhin Quietschgeräusche auftraten, erklärte der Kläger mit Schreiben vom
30.08.2006 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Daraufhin kam es am 25.08.2006 bei einem
dritten Termin zu einer gemeinsamen Probefahrt des Klägers mit dem Zeugen E2. Im
Rahmen der Probefahrt wurden die Quietschgeräusche festgestellt. Dem Kläger wurde
angeboten, diese zu beheben, was er jedoch ablehnte.
4
Vielmehr erklärte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 23.11.2006 erneut den
Rücktritt vom Kaufvertrag. Der Bevollmächtigte des Klägers forderte die Beklagte zur
Rückabwicklung des Vertrages bis zum 07.12.1006 auf. Bis zu diesem Datum sollte die
Beklagte den Kaufpreis von 34.279,61 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit
dem 29.07.2005 auf eines der im Schreiben angegebenen Konten überweisen.
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Bei einem weiteren Besichtigungstermin mit dem technischen Außendienst des
Fahrzeugherstellers am 30.10.2008, der Audi AG, führte der Kläger das Störgeräusch
erneut vor. Das Geräusch wurde auf eine Feder zurückgeführt, die das Schwingen der
Bremsbeläge verhindere. Das Angebot, die Feder unverzüglich auszutauschen, lehnte
der Kläger ab.
6
Der Kläger behauptet, der für das Quietschgeräusch ursächliche Mangel habe bereits
bei Übergabe des Fahrzeugs im Juni 2006 vorgelegen. Während
Nachbesserungsversuche habe die Beklagte dem Kläger zunächst keine gemeinsame
Probefahrt angeboten.
7
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Nachbesserung aufgrund der zweifachen
Gelegenheit zur Reparatur fehlgeschlagen sei, so dass ein Rücktrittsrecht bestehe.
Weitere Reparaturversuche seien ihm nicht zuzumuten. Auch handele es sich nicht um
einen unerheblichen Mangel. Die ergebe sich daraus, dass der Mangel – unabhängig
von dem Kostenaufwand zur Beseitigung – bis heute trotz umfangreicher gutachterlicher
Tätigkeit weder behoben noch dessen Ursache genau ausfindig gemacht sei.
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Der Kläger ist der Auffassung, dass er sich für die mit dem Fahrzeug gefahrenen
Kilometer 0,4 % des Kaufpreises pro angefangene 1.000 km als Nutzungsersatz von
dem an ihn zurück zu zahlenden Kaufpreis abziehen lassen müsse. Ein höherer Abzug
käme hingegen nicht in Betracht.
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Er ist ferner der Ansicht, dass sich der Kläger in Annahmeverzug befindet. Die –
unstreitig – getätigten Aufwendungen für die Anmeldung und das
(Wunsch)Kennzeichen von 35,80 €, die Fertigung des Kennzeichens von 16,00 € sowie
die Winterreifen (874,73 €) seien ihm als vergebliche Aufwendungen in voller Höhe zu
erstatten.
10
Der Kläger beantragt,
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1. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 31.783,92 € nebst 5 %
Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 29.07.2005 Zug-um-Zug gegen
Rückgabe des Fahrzeuges der Marke Audi Avant 2.0 TDI, Fahrzeug-
12
Ident-Nummer #### mit dem amtlichen Kennzeichen ### zu zahlen;
2. festzustellen, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug befindet.
13
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 926,53 € nebst 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
14
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
16
Die Beklagte bestreitet, dass der Mangel bereits im Zeitpunkt der Übergabe des
Fahrzeuges vorgelegen habe. Sie trägt zudem vor, der Kläger habe ihr mangels richtiger
Beschreibung des Auftretens des Quietschgeräusches sowie mangels Bereitschaft des
Klägers zur Vornahme einer gemeinsamen Probefahrt nicht die Gelegenheit gegeben,
den Mangel zu beseitigen. So seien an den beiden Reparaturterminen am 12. und
14.6.2006 und am 01.08.2006 gar keine Arbeiten an dem Fahrzeug durchgeführt
worden, da das monierte Störgeräusch nicht festgestellt werden konnte.
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Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe sich treuwidrig verhalten, indem er die
ihm im Anschluss an die Termine vom 25.08.2006 und 30.10.2006 angebotene
Vornahme der Reparatur – unstreitig - ablehnte.
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Die Beklagte ist zudem der Ansicht, dass ein Rücktritt jedenfalls an der
Erheblichkeitsgrenze des § 323 Abs. 5 BGB scheiterte. Diesbezüglich behauptet sie,
der Mangel sei – durch den Gutachter im Rahmen dessen Fehlerdiagnose – mit
geringen Kosten behebbar gewesen. Sofern es nach der Reparatur zu weiteren
Quietschgeräuschen gekommen sei, sei dies darauf zurückzuführen, dass der
Sachverständige keine Originalteile verwendet und das vom Hersteller empfohlene
Reparaturverfahren nicht eingehalten habe.
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Sie ist der Ansicht, dass mangels bestehenden Rücktrittsrechts auch kein
Verwendungsersatzanspruch des Klägers besteht. Selbst wenn dem Kläger ein
Rücktrittsrecht zustünde, müsse der Kläger sich die bis zur Rückgabe des Fahrzeuges
gefahrenen Kilometer mit 0,67 % des Kaufpreises pro angefangene 1.000 km abziehen
lassen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch den Beweisbeschluss vom 07.09.2007, ergänzt
durch Beschlüsse vom 22.04.2008, 11.09.2008 und 18.12.2008. Hinsichtlich des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das schriftliche
Gutachten des Sachverständigen N vom 10.03.2008 sowie die Ergänzungen vom
27.06.2008, 23.10.2008 und vom 22.02.2009.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Urkunden
Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, da dem Kläger
gemäß § 346 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich der
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Nutzungen Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges zusteht und der Kläger einen
Anspruch auf Feststellung des Verzuges sowie Ersatz seiner anteiligen Aufwendungen
für das Fahrzeug hat. Im Einzelnen:
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch in Höhe von
29.069,11 € (Kaufpreis von 34.279,61 € abzüglich Nutzungen von 5.210,50 €)
Zug-um-Zug gegen Rückgabe des im Tenor näher bezeichneten Fahrzeuges
gemäß §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2, 323, 348, 320 BGB
25
a. Der Kläger ist nach wirksam erklärtem Rücktritt vom Kaufvertrag
zurückgetreten, §§ 437 Nr. 2, 323, 346 ff., 349 BGB. Hierdurch wurde das
Vertragsverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt mit der
Folge, dass dem Kläger ein Anspruch auf Rückgewähr des gezahlten
Kaufpreises abzüglich der gezogenen Nutzungen zusteht.
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Der streitgegenständliche Pkw ist mangelhaft im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr.
2 BGB, da er aufgrund der Quietschgeräusche beim Bremsen und Fahren auf
unebenen Untergrund nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Fahrzeugen
gleicher Art und Güte üblich ist und von einem Käufer erwartet werden kann.
Dieser in der Kombination von Bremsscheibe, Bremsbelag und Feder der
Bremsbeläge bestehende Mangel war ausweislich des nachvollziehbaren und
glaubhaften Sachverständigengutachtens auch bereits bei Gefahrübergang
angelegt. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die Störgeräusche deutlich
wahrnehmbar gewesen seien. Sie seien bei einer weiteren Probefahrt dem
Bereich der Bremsen zuzuordnen gewesen. Es seien neue Bremsbeläge auf
schon eingelaufene Bremsbelege montiert worden. Die Bremsscheiben hätten
durch den bisherigen Einsatz Kragen am inneren und äußeren Radius gebildet
und die Bremsbeläge lägen bei Schwingungen oder leichten Bremsungen nur
in diesem Außenkantenbereich an. Aus diesem Grund entstünden
Schwingungen im Vorderachsenbereich bei Berührungen zwischen
Bremsbelägen und Bremsscheiben, auch ohne dass das Bremspedal betätigt
würde. Hierdurch entstünden die pfeifenden und quietschenden Geräusche. Der
Austausch der Bremsbeläge und Schreiben sowie Federn habe das Problem
zunächst behoben. Insgesamt sei davon auszugehen, dass der vorgenannte
Mangel bereits bei Gefahrübergang vorhanden gewesen sei.
27
Das Gutachten ist in sich schlüssig und nachvollziehbar. Der Sachverständige
hat in seinem Gutachten dargelegt, aufgrund welcher Erfahrungssätze er
schließt, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorhanden war. Dabei hat
er im Einzelnen die möglichen technischen Ursachen für die Entstehung des
Geräusches ermittelt und diese bei seiner gutachterlichen Bewertung
berücksichtigt. Widersprüche ergeben sich aus dem Gutachten nicht.
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Das Gericht ist daher der Überzeugung, dass der Mangel bereits bei
Gefahrübergang angelegt war.
29
Die der Beklagten vorrangig zustehende Nacherfüllungsmöglichkeit ist
fehlgeschlagen im Sinne des § 440 S. 1, 2 BGB. Denn die Nacherfüllung in
Form der Nachbesserung blieb trotz zweimaligen Reparaturversuches am 12.
und 14.06.2006 und am 1.8.2006 erfolglos. Besondere Umstände, die dazu
führen könnten, der Beklagten noch eine weitere Nachbesserungsmöglichkeit
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einzuräumen, sind nicht ersichtlich.
Insbesondere soweit die Beklagte anführt, ihr sei keine ausreichende
Möglichkeit zur Nachbesserung gegeben worden, da tatsächlich keine Arbeiten
durchgeführt wurden, ist dem nicht zu folgen. Da der innerhalb der
Gewährleistungsfrist auftretende Mangel, der bereits bei Gefahrübergang
bestand, nicht in der Risikosphäre des Käufers liegt, stellt das gesetzlich
geregelte Recht zur zweiten Andienung zu Gunsten des Verkäufers die
Möglichkeit dar, den Fehler zu beheben. Wenn er von dieser Möglichkeit nicht
Gebrauch macht, so dass es erst gar nicht zu einem oder zwei vergeblichem
Nachbesserungsversuchen kommt, so kann sich dies nicht auf die
Gestaltungsrechte des Klägers auswirken. Die Vermutungswirkung des § 440 S.
2 BGB ist nämlich nur dann eingeschränkt, wenn dem Verkäufer ein besonderer
Umstand, etwa die die ungewöhnlichen widrigen Umstände bei der
Nachbesserung oder die technische Komplexität schwer zu behebender Mängel
zu Gute kommen (Palandt/Weidenkaff, BGB, 68. Aufl., § 440 Rn. 7). Hierauf
kann sich die Beklagte, der sich die Handlungen seiner Erfüllungsgehilfen
zurechnen lassen muss (BGH, NJW 2007, 504, 505), indessen nicht berufen, da
bereits gar keine ausreichenden Anstalten gemacht wurden, den Mangel
ausfindig zu machen. Auch die Behauptung, die Nachbesserungsversuche
seien aufgrund unpräziser Mangelbeschreibung bzw. fehlender Vorführung
durch den Käufer unmöglich gewesen, führen zu keinem anderen Ergebnis.
Denn nachdem der Kläger unstreitig das Quietschgeräusch mehrfach gerügt
hatte, wäre es Sache der Beklagten als Fachunternehmen gewesen, den
Mangel ausfindig zu machen. Insbesondere hätte sie die weitere Spezifizierung
der Mängelrüge verlangen können, wenn ihr die bisherigen Angaben des
Klägers nicht ausreichten, um eine sachgerechte Nachbesserung in die Wege
zu leiten (so OLG Köln, NJW 2007, 1694, 1696). Eine Verpflichtung zur
Probefahrt für den Kläger mit einem Mitarbeiter der Beklagten bestand insoweit
insbesondere vor dem Hintergrund nicht, dass die Mängel bereits auf dem
Abholausweis präzise beschrieben wurden. Hier wurde ausdrücklich
festgehalten, dass die Quietschgeräusche bei Unebenheiten aufträten und auch
beim Bremsen aus niedrigen Geschwindigkeiten vorhanden seien. Ausweislich
der – wie dargelegt – überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen war
die Feststellung der Störgeräusche bei exakt diesen Fahrsituationen möglich.
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Erst nachdem die Nacherfüllung fehlgeschlagen war und der Kläger den
Rücktritt erklärte, unterbreitete die Beklagte dem Kläger am 30.10.2006 das
Angebot, den Mangel – nunmehr unverzüglich und in wenigen Minuten – zu
beseitigen.
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Für die Mängelanzeige reichte es demnach aus, dass der Mangel durch den
Käufer bezeichnet wurde und dem Verkäufer zweifach die Gelegenheit gegeben
wurde, Mängelbehebung vorzunehmen. Ein vorheriges Vorführen des
Quietschgeräusches, wie es die Beklagtenseite vorliegend verlangt haben will –
was bestritten wird – kann dem Käufer eines Pkw ebenso wenig zugemutet
werden, wie die genaue Lokalisierung und Einordnung der wahrgenommenen
Störgeräusche. Insofern trägt der Käufer einer mangelhaften Sache und
insbesondere eines Pkw nicht das Risiko dafür, den Mangel nicht technisch
einwandfrei beschreiben oder lokalisieren zu können.
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Im Rahmen der Ausübung ihres Rechts zur zweiten Andienung ist es von einem
Verkäufer zu verlangen, bei der Fehlersuche und dem Versuch der Beseitigung
gerade im Bereich der Bremssysteme eine sorgfältige Untersuchung
vorzunehmen. Es wurden nach Aussage der Beklagtenseite jedoch gar keine
Arbeiten durchgeführt, da das Störgeräusch von den Mitarbeitern der Beklagten
nicht festgestellt werden konnte (Bl. 211 der Akte). Es genügt nicht den
Anforderungen an die Überprüfungspflicht im Rahmen der Mängelbeseitigung,
dass trotz Beschreibung des Störgeräusches (Geschwindigkeit, örtliche
Umgebung, Fahrbahnuntergrund) kein ausreichender Versuch dargelegt
worden ist, das Geräusch ausfindig zu machen und die erforderlichen
Maßnahmen zur Beseitigung zu veranlassen. Mangels dahin gehenden
Vortrages wurde seitens der Beklagten, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt nicht
wissen konnte, ob es sich um einen sicherheitsrelevanten Mangel handelte,
weder eine Fahrwerksvermessung vorgenommen, noch die Bremskräfte an Vor-
und Hinterrädern gemessen bzw. die Achsbewegungen ermittelt. Es ist vor dem
Hintergrund der dargestellten Ausführungen des Sachverständigen N davon
auszugehen, dass die Ursache des Quietschgeräusches bei Zerlegen der
Bremsen hätte identifiziert und behoben werden können. Hierbei wäre zu Tage
getreten, dass die Bremsscheiben, da neue Bremsbeläge auf schon
eingelaufene Bremsscheiben montiert worden waren (S. 11 des
Sachverständigengutachtens, Bl. 105 der Akte), Kragen am inneren und
äußeren Radius gebildet hatten und die Bremsbeläge bei Schwingungen oder
leichten Bremsungen nur in diesem Außenkantenbereich anliegen, wodurch es
zu Störgeräuschen kommen konnte. Eine solche Überprüfung wäre jedenfalls
bei dem zweiten Nachbesserungsversuch geboten und dem Verkäufer
zumutbar gewesen. Der fehlenden Überprüfung durch die Beklagte steht nicht
entgegen, dass auch der Sachverständige Schwierigkeiten hatte, den Mangel
festzustellen. Denn abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, welche
Überprüfung die Beklagte unternahm, hat der sowohl zur mangelfreien Erfüllung
als auch bei einem auftretenden Mangel zur Nacherfüllung verpflichtete
Vertragsteil höhere Sorgfaltspflichten zu erfüllen, wenn er verhindern möchte,
dass der Käufer vom Vertrag zurücktreten kann.
34
Die Verweigerung eines dritten Nachbesserungsversuches durch den Kläger
am 25.09. und am 30.10.2006 verstößt unter Zugrundelegung der gegebenen
Umstände und insbesondere der Art des Mangels ferner nicht gegen das Gebot
von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB.
35
Dies gilt umso mehr, als nicht feststeht, dass die Nacherfüllung beim dritten
Versuch erfolgreich gewesen wäre. Entgegen dem Vorwurf der Beklagten stand
es dem Kläger (Blatt 212 der Akte) vielmehr nach dem Fehlschlag der
Nachbesserung frei, weitere Nacherfüllungsversuche abzulehnen. § 440 S. 2
BGB trägt nämlich dem Interesse des Käufers insofern Rechnung, als er sich
nach zwei fehlgeschlagenen Nachbesserungsversuchen nicht länger am
Vertrag festhalten lassen muss. Dies kann zum einen damit begründet werden,
dass ein anerkennenswertes Interesse an zeitlich rascher Abwicklung besteht;
zum anderen mit dem Interesse an einem einwandfreien und dauerhaft
mangelfreien Kaufgegenstand.
36
Der Rücktritt ist ferner nicht wegen Unerheblichkeit des streitgegenständlichen
Mangels im Sinne der §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen. Die
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Pflichtverletzung der Beklagten, die bei einem Rücktritt aufgrund kaufrechtlicher
Gewährleistungsrechte in der gemäß § 433 Abs. 1 S. 2 BGB Lieferung des
mangelhaften Neuwagens zu sehen ist, ist nicht unerheblich.
Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die Beurteilung der Frage, ob die
Pflichtverletzung eines Schuldners unerheblich im Sinne von § 323 Abs. 5 S. 2
BGB ist, eine Abwägung der Interessen des Gläubigers an einer
Rückabwicklung des Vertrages und der des Schuldners am Bestand des
Vertrages unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles (BGH, NJW
2006, 1960, 1961; OLG Köln, NJW 2007, 1694, 1696; OLG Düsseldorf, ZGS
2007, 157, 159; OLG Brandenburg, NJW-RR 2007, 928, 929).
38
Da es für die Beurteilung der Erheblichkeit zumindest auch auf die objektive
Störung der Pflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache, das heißt, auf das
Ausmaß der Mangelhaftigkeit ankommt, ist bei der Abwägung insbesondere zu
berücksichtigen, ob und wenn ja mit welchem Kostenaufwand sich der Mangel
beseitigen lässt (OLG Köln, NJW 2007, 1694, 1696; OLG Düsseldorf, NJW-RR
2004, 1060, 1061; Münchener Kommentar/Ernst, BGB, 5. Aufl., § 323 Rn. 243).
Umstritten ist, ob die von der Rechtsprechung zu § 459 Abs. 1 S. 2 BGB a. F.
entwickelten Grundsätze auf die Bestimmung der Grenze der Unerheblichkeit
nach § 323 Abs. 5 S. 2 BGB übertragbar sind, wobei eine dahingehende
Tendenz auch der Gesetzesbegründung zu entnehmen sein dürfte. Danach
wäre der Begriff der unerheblichen Pflichtverletzung angesichts dessen
besonders eng auszulegen, dass § 459 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. nur geringfügige
Mängel erfasste; insbesondere solche, die sich in Kürze von selbst erledigen
würden oder mit ganz unerheblichem Aufwand schnell beseitigt werden könnten
(Münchener Kommentar/Ernst, BGB, 5. Aufl., § 323 Rn. 243). Diese Auffassung
ist in Rechtsprechung und Literatur teilweise auf Ablehnung gestoßen, wobei
zum Teil eine deutliche Anhebung der Erheblichkeitsschwelle auf
Beseitigungskosten in der Höhe von mindestens 10 % des Kaufpreises (OLG
Bamberg, DAR 2006, 456, 458; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 281 Rn. 47)
bzw. auf das Vorliegen eines Mangels, der eine Minderung von ca. 20 % bis 50
% zulassen würde (Münchener Kommentar/Ernst, BGB, 5. Aufl., § 323 Rn. 243),
gefordert wird.
39
Ohne dass es einer Festlegung auf eine der vertretenen Ansichten ankäme, ist
die Vorschrift des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB entsprechend der Rechtsprechung des
15. Zivilsenats des OLG Köln weiterhin einschränkend auszulegen (OLG Köln,
Urteil vom 27.03.2008 – Az. 15 U 175/07 Rn. 58, zitiert nach juris). Bei dieser
Regelung handelt es sich, wie schon § 441 Abs. 1 S. 2 BGB zeigt, um eine
Ausnahme zu dem bei einer Pflichtverletzung grundsätzlich eröffneten
Rücktrittsrecht, das nur in dem Ausnahmefall der Unerheblichkeit
ausgeschlossen sein soll, weil nur dann das Interesse des Käufers an der
Rückabwicklung in der Regel geringer ist und der Verkäufer unzumutbar
belastet würde (BGH, NJW 2006, 1960, 1961; OLG Düsseldorf, ZGS 2007, 157,
159).
40
Es widerspräche einer umfassenden Abwägung, wenn die
Erheblichkeitsschwelle mit festen Prozentsätzen bestimmt würde. Denn die
Beeinträchtigung des Leistungsinteresses des Käufers ist nicht identisch mit
den Beseitigungskosten, sondern kann von weiteren Umständen des Einzelfalls
41
abhängen (Münchener Kommentar/Westermann, BGB, 5. Aufl., § 437 Rn. 11;
Münchener Kommentar/Ernst, BGB, 5. Aufl., § 323 Rn. 243). Dementsprechend
ist auch die bisherige Rechtsprechung nicht von einheitlichen Grenzen
ausgegangen. So wurde die Unerheblichkeit im Sinne des § 323 Abs. 5 S. 2
BGB etwa bejaht bei einem Mangelbeseitigungsaufwand von knapp 1 % (BGH,
NJW 2005, 3490, 3493), von unter 3 % (OLG Düsseldorf, NJW-RR 2004, 1060,
1061) bzw. ca. 4,5 % des Kaufpreises (LG Kiel, DAR 2005, 38). Dagegen wurde
die Unerheblichkeit verneint bei einem Mangelbeseitigungsaufwand von mehr
als 5 % des Kaufpreises bzw. absolut 2.000,00 € (OLG Köln, NJW 2007, 1694,
1696).
Die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes
des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB vorliegen, trägt der Verkäufer (OLG Köln, Urteil vom
27.03.2008 – Az. 15 U 175/07 Rn. 59, zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, ZGS
2007, 157, 159). Die Beklagte ist darlegungs-, jedenfalls beweisfällig dafür
geblieben, dass der Aufwand für die Beseitigung der vom Kläger behaupteten
Mängel so gering ist, dass von einem unerheblichen Mangel gesprochen
werden könnte. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der genaue
Mangel trotz mehrfacher gutachterlicher Überprüfung des Pkw bis heute nicht
genau lokalisiert werden konnte und dies mit weiteren Kosten verbunden ist.
42
Zwar hat die Beklagte zunächst dargelegt, welche Kosten bei einer
Mängelbeseitigung im Hinblick auf den Ersatz der Feder der Bremsbeläge
entstehen. Wie sich dem überzeugenden Sachverständigengutachten
entnehmen lässt, waren die schwingungsdämpfenden Federn aber keineswegs
die alleinige Ursache des klägerseits monierten Quietschgeräusches. Auch
durch die im Rahmen der Diagnose der Mängelursache durch die Firma X
durchgeführte Erneuerung der Bremsscheiben, Bremsbeläge und Federn im
Bereich der Vorderachse (Bl. 107 der Akte) wurde der Mangel nicht behoben.
43
Die Erheblichkeit eines Mangels kann sich nicht nur im Verhältnis der
aufzuwendenden Kosten bei Nacherfüllung zu dem Kaufpreis zeigen, sondern
auch darin, dass der Mangelbeseitigungsaufwand absolut gesehen erheblich
ist, was gerade bei hochwertigen Kaufsachen eine Rolle spielt (OLG Köln, NJW
2007, 1694, 1696; Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 323 Rn. 32).
44
Sofern die Beklagte behauptet, bei der erforderlichen Mängelbeseitigung
handele es sich um eine Kleinigkeit, ist unklar, warum der nach der
Rücktrittserklärung angebotene Austausch der als Mangelursache eingestuften
Bremsfeder nicht bereits in einem der ersten beiden Termine zur
Nachbesserung vorgenommen wurde. Dass kein unerheblicher Mangel vorliegt,
belegt auch der Umstand, dass der Mangel erst im Rahmen der gutachterlichen
Tätigkeit und auch hier erst im Rahmen der zweiten Probefahrt und
anschließenden Überprüfung aufgespürt wurde, dieser aber trotz mehrfacher
Versuche bis heute nicht beseitigt werden konnte.
45
Zu berücksichtigen ist ferner, dass es sich um einen Neuwagen handelt, bei
dem die Unerheblichkeitsgrenze aufgrund des entsprechend höher
anzusetzenden Leistungsinteresses des Käufers, der jeglichen Kompromiss
bezüglich der Qualität des Fahrzeugs ausgeschlossen wissen möchte,
tendenziell enger zu ziehen ist als bei einem Gebrauchtwagen (OLG
46
Düsseldorf, ZGS 2007, 157, 160). Denn bei einem Neuwagen ist dem Käufer
insbesondere im Hinblick auf den Fahrkomfort ein geringeres Maß an negativen
Auswirkungen zuzumuten. Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass mit den
Bremsen zudem ein besonders sicherheitsrelevantes Ausstattungsmerkmal
betroffen ist. Wer einen Neuwagen erwirbt, will und darf darauf vertrauen, dass
über den bloßen Erhalt der Leistung hinaus gerade im Bereich der Sicherheit
ein höchstmögliches Niveau geboten wird. Dem kann nicht entgegengehalten
werden, dass durch das Sachverständigengutachten Sicherheitsbedenken
ausgeschlossen und die uneingeschränkte Gebrauchstauglichkeit bestätigt
wurden. So genügen im Zusammenhang mit dem Quietschgeräusch der
Bremsen für die Bejahung eines erheblichen Mangels bereits die gefühlten
Unsicherheitsbedenken des Käufers. Es kann dem Käufer eines Neuwagens
nämlich nicht vorgeworfen werden, den Pkw nicht oder nur mit Unbehagen im
Straßenverkehr nutzen zu wollen, wenn es in bestimmten Situationen bei
Betätigung der Bremsen konstant zu Quietsch- und Pfeifgeräusche kommt,
deren Ursache er als Laie weder kennt noch kennen oder dulden muss. Dies
geht mit der Rechtsprechung konform, wonach einem Autokäufer die Hinnahme
von andauernden Quietschgeräuschen eines Pkw sogar dann nicht zuzumuten
ist, wenn ihre Ursache auch mit geringem Aufwand behebbar ist (OLG Sachsen-
Anhalt, Urteil vom 13.12.2006 – Az. 6 U 146/06 Rn. 33, zitiert nach juris).
Nicht von Bedeutung für die Frage der Erheblichkeit des Mangels ist auch, dass
der Sachverständige bei der Mängeldiagnose Ersatzteile eingebaut hat, welche
nicht den von Audi verwendeten Originalteilen entsprachen. Insofern hat das
Gericht keine Zweifel an der Richtigkeit der gutachterlichen Feststellung im
Hinblick auf die Ordnungsgemäßheit der von der Firma X durchgeführten
Arbeiten sowie der Qualität der verbauten Teile. Das Gericht ist zudem davon
überzeugt, dass es zur endgültigen Klärung der Mangelursache entsprechend
der wiederholt geäußerten Einschätzung des Sachverständigen N der
Durchführung von Untersuchungsreihen bedarf, um eine Kombination aus
Bremsscheiben und Bremsbelag zu ermitteln, die keine Quietschgeräusche
entwickelt (vgl. S. 2 der sachverständigen Stellungnahme vom 20.02.2009, Bl.
236 der Akte). Selbst wenn sich diese Einschätzung, dass die auftretenden
Störgeräusche auch durch den Einbau von Originalteilen der Firma Audi nicht
abgestellt worden wären, laut Aussage des Sachverständigen im
hypothetischen Bereich abspielt, so wirkt sich diese Unsicherheit letztlich zu
Lasten des für die Frage der Erheblichkeit des Mangels der beweisbelasteten
Beklagten aus.
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b. Im Rahmen des in ein Abwicklungsschuldverhältnis umgewandelten
Vertragsverhältnisses hat sich der Kläger Nutzungen in Höhe von 5.210,50 €
abziehen zu lassen, die er aus der Fahrzeugbenutzung gezogen hat, § 346
Abs. 1 BGB.
48
Der Wertersatz für die Nutzung des Fahrzeugs ist anhand der gefahrenen
Kilometer im Verhältnis zur voraussichtlichen Gesamtlaufleistung des
Fahrzeugs unter Berücksichtigung des Bruttokaufpreises zu berechnen (OLG
Düsseldorf, Urteil vom 10.02.2006 – Az. I-22 U 149/05 Rn. 56, zitiert nach juris).
In der Rechtsprechung sind hierbei Fahrleistungen zwischen 100.000 km (1%),
150.000 km (0,67%), 250.000 km (0,4%) und 300.000 km (0,33%) zu Grunde
gelegt worden (vgl. die Nachweise bei Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10.
49
Auflage, Rn. 633 ff.). Die Gebrauchsvorteile sind zu kürzen, wenn die
Gebrauchstauglichkeit oder der Fahrkomfort des Fahrzeugs maßgeblich
eingeschränkt wird (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Auflage, Rn. 632).
Ausgehend von diesen Grundsätzen schätzt das Gericht (§ 287 ZPO) den
Gebrauchswert des Fahrzeugs hier auf 0,4 % des Kaufpreises je gefahrene
1.000 km. Da es sich um ein Dieselfahrzeug der gehobenen Klasse handelt,
dessen Gesamtfahrleistung auf 250.000 km geschätzt werden kann (Reinking
/Eggert, Der Autokauf, 10. Auflage, Rn. 634) und der Mangel sich nicht auf die
Sicherheit auswirkt, erscheinen dem Gericht die gezogenen Nutzungen auf
diese Weise angemessen berücksichtigt werden zu können. Dabei sind die
Gebrauchsvorteile bis zum Tage der Rückgabe des Fahrzeuges zu vergüten
(Reinking /Eggert, Der Autokauf, 10. Auflage, Rn. 640). Am Tag der mündlichen
Verhandlung wies der Kilometerzähler 37.227 km zurückgelegte km auf. Daraus
ergibt sich ein Wertersatzanspruch in Höhe von 5.210,50 €.
c. Ein Zinsanspruch in Höhe von 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit
Zustellung der Klageschrift an den Beklagten am 23.02.2007 resultiert aus §§
291, 288 BGB. Ansprüche auf die Zahlung weiterer Zinsen hat der Kläger
hingegen nicht. Insbesondere gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 S. 2, 288
Abs. 1 BGB ist ein Anspruch nicht gegeben, da sich die Beklagte mit der
Rückgabe des PKW nicht in Verzug befand.
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Das an die Erfüllung der überhöhten Forderungen und an die Frist des
07.12.2006 geknüpfte Rückgabeangebot des Klägers war nicht zur Begründung
von Schuldnerverzug geeignet. Der Bevollmächtigte des Klägers forderte
nämlich die Rückzahlung des Gesamtkaufpreises inklusive Zinsen Zug-um-Zug
gegen Rückgabe des Fahrzeuges, ohne die Gebrauchsvorteile in Abzug zu
bringen. Nach der Rechtsprechung des BGH stellt eine Zuvielforderung die
Wirksamkeit der Mahnung und damit den Verzug hinsichtlich der verbleibenden
Restforderung war dann nicht in Frage, wenn der Schuldner die Erklärung des
Gläubigers nach den Umständen des Falls als Aufforderung zur Bewirkung der
tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen muss und der Gläubiger zur
Annahme der gegenüber seinen Vorstellungen geringeren Leistung bereit ist
(BGH, NJW 2006, 3271, 3272). Allerdings kann eine unverhältnismäßig hohe,
weit übersetzte Zuvielforderung den zu Recht angemahnten Teil so in den
Hintergrund treten lassen, dass dem Schuldner kein Schuldvorwurf zu machen
ist, wenn er sich nicht als wirksam gemahnt ansieht. Am Verschulden fehlt es
ferner, wenn der Schuldner die wirklich geschuldete Forderung nicht allein
ausrechnen kann, weil sie von ihm unbekannten internen Daten des Gläubigers
abhängt (BGH, NJW 1991, 1286). Dies ist vorliegend der Fall. Unabhängig
davon, ob die Zuvielforderung des Klägers erheblich ist, kann der Verkäufer die
durch die Nutzung des Fahrzeugs durch den Kläger gezogenen Nutzungen
nicht berechnen, ohne dass er den Kilometerstand mitgeteilt bekommt. Die
Zuvielforderung hindert daher den Eintritt des Verzugs (a.A. Reinking /Eggert,
Der Autokauf, 10. Auflage, Rn. 646).
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2. Der im Wege der objektiven Klagehäufung gemäß § 260 ZPO in zulässiger
Weise geltend gemachte Feststellungsantrag ist zulässig und begründet. Der
Kläger hat ein gemäß § 256 ZPO erforderliches besonderes rechtliches
Interesse an der Feststellung, dass sich der Beklagte hinsichtlich des
abzuwickelnden Rückgewährschuldverhältnisses im Annahmeverzug befindet,
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da sich dies gemäß §§ 300 ff. BGB auf den Verschuldensmaßstab des Klägers,
sowie dessen Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen und Nutzungen auswirkt.
Der Beklagte befindet sich seit Zustellung der Klageschrift am 23.02.2007 im
Annahmeverzug gemäß §§ 293 ff. BGB. Der Schuldner muss die Leistung dem
Gläubiger so anbieten, wie sie geschuldet ist. Ein ordnungsgemäßes Angebot
im Sinne des § 294 BGB besteht daher nur, wenn die tatsächlich geschuldete
Leistung – nach Art, Menge und Güte dem Inhalt des Schuldverhältnisses
entsprechend – angeboten wird (Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 293 Rn.
9; § 294 Rn. 3 f.). Dies ist mit Erhebung der Klage geschehen.
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Er wurde indessen nicht bereits dadurch in Annahmeverzug gesetzt, dass er die
Rückabwicklung des Vertrages, für die der Kläger mit Schreiben vom
23.11.2006 eine Frist bis zum 7.12.2006 gesetzt hatte, ablehnte. Der Kläger hat
– wie dargelegt – die Rückgabe des Fahrzeugs darin nämlich nicht zu den
Bedingungen angeboten, von denen er die Rückgabe im Rahmen des
Rückgewährschuldverhältnisses nach §§ 346 Abs. 1, 348 BGB tatsächlich
abhängig machen durfte (Reinking /Eggert, Der Autokauf, 10. Auflage, Rn. 652).
Ausweislich des Schreibens des Bevollmächtigten des Klägers an die Beklagte
sollte die Rückgabe des Fahrzeugs gegen Rückzahlung des Kaufpreises von
34.927,61 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 29.07.2005
erfolgen. Der Bevollmächtigte des Klägers hat bei der Berechnung folglich die
gemäß § 346 Abs. 1 BGB in Abzug zu bringenden gezogenen Nutzungen zu
Ungunsten des Beklagten unberücksichtigt gelassen sowie Letzteren einen
mangels Verzugseintritt nicht bestehenden Zinsanspruch in Rechnung gestellt.
Der Kilometerstand betrug im Zeitpunkt der Klageeinreichung Anfang Januar
2007 nach Angaben des Klägers 18.201 km. Unter Berücksichtigung der
Kilometerleistung und der Nutzungsdauer des Pkw ergibt sich eine ungefähre
Laufleistung von 1.000 km pro Monat. Es ist also davon auszugehen, dass der
Pkw im Zeitpunkt der Aufforderung zur Rückabwicklung einen Kilometerstand
von etwa 16.000 km aufwies. Unter Zugrundelegung der oben dargelegten
Berechnung des Wertersatzes für die gezogenen Nutzungen hat der
Bevollmächtigte des Klägers somit über 2.684,13 € mehr eingefordert, als er
rechtmäßigerweise hätte beanspruchen können. Dies sind ca. 9 % mehr, als
ihm zugestanden hätten. Das an die Erfüllung dieser überhöhten Forderungen
geknüpfte Rückgabeangebot der Klägerin war mithin – wie dargelegt – weder
zur Begründung von Schuldnerverzug hinsichtlich der Kaufpreisrückzahlung
noch zur Begründung von Annahmeverzug auf Seiten der Beklagten geeignet
(vgl. dazu BGH, NJW 2005, 2848, 2851; a.A. nur im Bezug auf die Begründung
von Schuldnerverzug, Reinking /Eggert, Der Autokauf, 10. Auflage, Rn. 634).
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3. Der Kläger hat einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen in Höhe von
478,81 € gemäß §§ 437 Nr. 3, 284, 325 BGB.
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Für Aufwendungen des Käufers, die im wesentlichen zugleich Verwendungen
auf die Kaufsache darstellten, stellt § 347 Abs. 2 BGB keine für die im Falle des
Rücktritts entstehenden Ersatzansprüche abschließende Spezialregelung dar,
durch die § 284 BGB verdrängt würde (BGH, NJW 2005, 2848, 2849 f.). Zu
ersetzen sind nach § 284 BGB vergebliche Aufwendungen, die der Gläubiger im
Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht hat und billigerweise machen
durfte, es sei denn, der mit den Aufwendungen verfolgte Zweck wäre auch ohne
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die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden.
a. Der ersatzfähige Aufwendungsersatzanspruch für die Winterreifen inklusive
Felgen, die einen Anschaffungspreis von 874,73 € hatten, beläuft sich auf
437,37 €. Als freiwillige Vermögensopfer können vergebliche Aufwendungen
nur Kosten, u.a. für das Zubehör, betreffen. Keine Relevanz hat insoweit, ob der
Käufer das Zubehör wieder entfernt und behält. Allenfalls die Weiterverwendung
oder Verwertung des Zubehörs durch den Käufer kann für die Vergeblichkeit der
Aufwendungen Bedeutung haben. Da aber gerade Autozubehör in aller Regel
fahrzeugspezifisch und im Vertrauen auf den Bestand des Kaufvertrags
angeschafft wird, ist insoweit von der Vergeblichkeit auszugehen (vgl. OLG
Stuttgart, DAR 2005, 35, 36).
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Bei der Berechnung des Verwendungsersatzanspruchs sind die Kosten der
Anschaffung des Zubehörs um die Gebrauchsvorteile zu kürzen, die dem Käufer
durch die Benutzung der Zubehörteile zugeflossen sind (OLG Stuttgart, DAR
2005, 35, 36). Der Anspruch auf Ersatz auch dieser Aufwendungen mindert sich
dabei entsprechend der Nutzungsdauer oder der Laufleistung des Fahrzeugs
(BGH, NJW 2005, 2848, 2849). Insofern ist davon auszugehen, dass die
Winterreifen als für die künftige Nutzung des Fahrzeugs angeschaffte
Ausrüstung eine gewisse Zeit eingesetzt wurden und ihre Anschaffung damit
nicht gänzlich vergeblich war. Von den Anschaffungskosten ist demnach ein
Betrag abzusetzen, der den Gebrauchsvorteilen des Klägers entspricht. Die am
17.11.2005 erstandenen Winterreifen konnte der Kläger bis Rückabwicklung im
Jahre 2009, also drei Winter lang nutzen. Gemäß § 287 ZPO erachtet die
Kammer unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Lebensdauer von
Reifen, die nutzungsunabhängig bereits nur bei etwa acht Jahren anzusetzen
ist, einen Abzug von 50 % des Kaufpreises für gerechtfertigt.
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b. Der ersatzfähige Aufwendungsersatzanspruch für die Zulassung und die
Anschaffung von Kennzeichen, die dem Kläger Gesamtkosten von 51,80 €
verursacht haben, beläuft sich auf 41,44 €. Die Kosten für die Zulassung eines
Neuwagens, also die Kosten der Anmeldung und des Wunschkennzeichens,
zählen zu den Vertragskosten (BGH, NJW 2005, 2848, 2850). Diese sind nach
der Schuldrechtsreform als Aufwendungen zu behandeln, die der Käufer unter
den Voraussetzungen des § 284 BGB ersetzt verlangen kann
(Palandt/Heinrichs BGB, 68. Aufl., § 284 Rn. 5).
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Der Kläger muss sich für die Dauer der Nutzung des mangelhaften Fahrzeugs
jedoch den Nutzen anrechnen lassen, den er aus diesen Aufwendungen
zeitanteilig gezogen hat. Unabhängig davon, dass den Aufwendungen für die
Zulassung kein körperlich nutzbarer Gegenwert gegenübersteht, profitiert der
Fahrzeugkäufer auch nach Beendigung des Zulassungsvorgangs insofern von
den dafür aufgewendeten Kosten, dass ihm ohne die Zulassung die
Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs im Straßenverkehr nicht zur Verfügung
stünde (BGH, NJW 2005, 2848, 2851). Hierfür wird ein gemäß § 278 ZPO von
der Kammer zu schätzender wertungsmäßiger Abzug in Höhe von 20 % der
Kosten von 51,80 für sachgemäß gehalten.
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c. Der Zinsanspruch hinsichtlich des Aufwendungsersatzanspruches in Höhe
von 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 23.02.2007 folgt aus §§ 291,
61
288 Abs. 1 BGB.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO.
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Streitwert: 32.710,45 Euro.
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