Urteil des LG Köln vom 29.01.2008

LG Köln: widerklage, vertragsstrafe, werbung, auskunft, wortmarke, geschäftsverkehr, begriff, unterlassen, herkunft, rechtshängigkeit

Landgericht Köln, 33 O 212/07
Datum:
29.01.2008
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
33. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
33 O 212/07
Tenor:
Die Klage und die Widerklage werden abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin .
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu
vollstrecken-den Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klägerin ist Inhaberin der deutschen Wortmarke DE 305 56 534 "Kölsche Jung", die
am 21.9.2005 angemeldet und am 20.11.2005 für Waren der Klassen 21, 24 und 25
eingetragen worden ist. Seit November 2004 vertreibt sie T-Shirts mit dem Aufdruck
"Kölsche Jung". Später hat sie die Bezeichnung auch auf anderen Produkten
verwendet. Wegen der konkreten Gestaltung des T-Shirt-Aufdrucks wird auf den
Internetausdruck der Seite www.xxx (Bl. 13 d.A.) Bezug genommen.
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Der Beklagte ist Inhaber einer am 21.2.2006 angemeldeten und am 20.4.2007
eingetragenen Wortmarke "Ich ben ne Kölsche Jung" und vertreibt ebenfalls T-Shirts
und andere Bekleidungsstücke und bietet diese unter www.xxxx an. Wegen eines T-
Shirts mit dem Aufdruck "Kölsche Jung" (Bl. 21 d.A.) hatte die Klägerin den Beklagten
am 7.4.2006 sowie am 24.1.2007 abmahnen lassen. Der Beklagte hat am 1.2.2007 die
begehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Wegen des genauen Inhalts wird auf die
Kopie der Unterlassungserklärung vom 1.2.2007 (Bl. 38 d.A.) verwiesen.
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Im Mai 2007 bemerkte die Klägerin, dass der Beklagte zwei T-Shirts mit dem Aufdruck
"Ich ben ne Kölsche Jung" anbot (Anlage K 11, Bl. 40 f. d.A.). Der Beklagte wurde unter
dem 11.5.2007 erfolglos zur Zahlung der nach Ansicht der Klägerin verwirkten
Vertragsstrafe in Höhe von insgesamt 20.200,-- € aufgefordert (Bl. 42 f. d.A.).
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Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Aufdruck "Ich ben ne Kölsche Jung" markenmäßig
genutzt wird und durch die in der Anlage K11 wiedergegebenen T-Shirts ihre Rechte an
der Marke "Kölsche Jung" verletzt werden. Im Bekleidungssektor sei der Verkehr daran
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gewöhnt, dass Marken von Bekleidungsherstellern als Aufdruck aufgebracht würden.
Auch die dekorative Verwendung der Marke auf Bekleidungsstücken könne ohne
weiteres eine markenmäßige Benutzung darstellen, da der Herkunftswirkung nicht
entgegenstehen könne, dass eine Marke auch schmückend wirke.
Durch das Angebot dieser T-Shirts sei zudem ein Verstoß gegen die vertragliche
Unterlassungsverpflichtung gegeben, so dass auch die versprochene Vertragsstrafe in
zwei Fällen verwirkt sei. Den Zeichenbestandteilen "Ich ben ne" komme insoweit nur
eine untergeordnete Rolle zu, zumal der Bestandteil "Kölsche Jung" herausgestellt
verwendet werde. Wegen des weiteren Vortrags der Klägerin wird auf die S. 9 f. der
Klageschrift (Bl. 9 f. d.A.), S. 2—6 des Schriftsatzes vom 3.9.2007 (Bl. 100-104 d.A.)
verwiesen.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen,
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I. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen
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Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft
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bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im
Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren,
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zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die Zeichen "Kölsche Jung"
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für T-Shirts zu benutzen, insbesondere unter diesem Zeichen solche
Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu diesem Zweck zu
besitzen, unter diesem solche Waren einzuführen oder auszuführen oder
das Zeichen im Geschäftsverkehr oder in der Werbung für solche Waren
zu benutzen, wenn dies geschieht wie nachfolgend wiedergegeben:
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- Es folgt eine einseitige Bilddarstellung -
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II. der Klägerin seit dem 03. April 2006 Auskunft zu erteilen über Namen
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und Anschrift des Herstellers, des Lieferanten und anderen Vorbesitzer,
der gewerblichen Abnehmer oder des Auftraggebers, sowie die Menge
der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten
Gegenstände gemäß Ziffer I.
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III. der Klägerin seit dem 03. April 2006 Auskunft zu erteilen über die
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Umsätze, die mit nach Ziffer I. gekennzeichneten Waren erzielt wurden,
sowie über den Umfang und die Art der getätigten Werbung, jeweils
aufgegliedert nach Kalendervierteljahren und Bundesländern.
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IV. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu
ersetzen, der dieser durch die unter Ziffer I. beschriebenen Handlungen seit dem
03. April 2006 bereits entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
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V. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin € 20.020,00 nebst
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5 % Zinsen übe dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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VI. den Beklagten zu verurteilen,
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5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Widerklagend beantragt er,
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die Klägerin zu verurteilen, an ihn 1.407,53 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.6.2007.
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Die Klägerin beantragt,
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die Widerklage abzuweisen.
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Der Beklagte ist der Auffassung, dass er die älteren Rechte an der Bezeichnung
"Kölsche Jung" besitze, weil er seit 1991 den Verein "Kölsche Junge e.V." mit Waren
beliefert habe. Außerdem sei die Verwendung von "Ich ben ne Kölsche Jung" durch
seine Wortmarke gedeckt. Weiter behauptet er, dass die angegriffenen T-Shirts seit
Herbst 2006 nicht mehr angeboten und verkauft würden. Die gerügten T-Shirts seien
versehentlich auf der Internetseite, auf der sich der Beklagte präsentiert - über die aber
keinerlei Bestellungen vorgenommen werden könnten - verblieben. Außerdem
verwende er seit April 2007 die Bestandteile "Ich ben ne" und "Kölsche Jung" in ähnlich
großen Buchstaben. Der Beklagte meint, dass es ohnehin zwischen "Kölsche Jung" und
"Ich ben ne Kölsche Jung" zu unterscheiden gelte. Eine Vertragsstrafe sei nicht verwirkt,
da sich die Unterlassungserklärung eben nur auf die Benutzung von "Kölsche Jung"
bezogen habe. Wegen des weiteren Vorbringens des Beklagten wird auf die S. 2-12 des
Schriftsatzes vom 9.8.2007 (Bl. 53-63 d.A.), S. 3-7 des Schriftsatzes vom 27.11.2007
(Bl.122-125 d.A.) Bezug genommen.
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Mit der Widerklage macht der Beklagte die ihm durch die Inanspruchnahme anwaltlicher
Hilfe zur Abwehr der seiner Ansicht nach unberechtigten Ansprüche der Klägerin
entstandenen Kosten geltend.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage und die Widerklage sind unbegründet.
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Die Klage ist bzgl. des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs unbegründet. Ein
Anspruch aus § 14 MarkenG scheitert bereits daran, dass die Bezeichnung "Ich ben ne
Kölsche Jung" in der konkreten Form keine markenmäßige, kennzeichnende Benutzung
darstellt.
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Wie das Hanseatische Oberlandesgericht in seiner Entscheidung vom 26.5.2005 – 5 U
147/04 – Junge Pioniere – zusammenfasst, setzt die kennzeichenmäßige Benutzung
folgendes voraus:
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"Die kennzeichenmäßige Benutzung einer Bezeichnung setzt voraus, dass der
Verkehr aufgrund ihrer Verwendung, so wie sie sich ihm darstellt, zu der
Vorstellung gelangen kann, die Bezeichnung diene als Hinweis auf die betriebliche
Herkunft der Ware oder zur Unterscheidung unterschiedlicher Vertriebsstätten (vgl.
etwa BGH GRUR 1994, 635, 636 – Pulloverbeschriftung). Dabei ist ausreichend,
dass ein jedenfalls nicht unbeachtlicher Anteil des Verkehrs zu dieser Auffassung
gelangen kann, wobei in aller Regel die oft nur gedankenlos flüchtige
Wahrnehmung der Bezeichnung aus der Sicht des Durchschnittsbetrachters
maßgeblich ist. Dieser Maßstab gilt im vorliegend interessierenden
Zusammenhang weiterhin, denn auch der durchschnittlich informierte,
aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher wird die Frage, ob es sich
bei dem Aufdruck auf einer Textilie um eine Marke oder eine bloße Verzierung
handelt, spontan und ohne groß darüber nachzudenken entscheiden. Der Begriff
des kennzeichenmäßigen Gebrauchs wird zudem im Interesse eines umfassenden
Kennzeichenschutzes weit gefasst und es genügt die objektive, nicht völlig fern
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liegende Möglichkeit, dass der Verkehr einen Herkunftshinweis annimmt (vgl. BGH
GRUR 1981, 592, 593 – Championne du Monde)."
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist vorliegend eine markenmäßige
Benutzung nach Auffassung der Kammer nicht gegeben. Die Feststellungen zur
Verkehrsauffassung kann die Kammer selbst treffen, da ihre Mitglieder als Käufer von
Textilien zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören.
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Hierbei ist einerseits zu berücksichtigen, dass es seit geraumer Zeit üblich ist, dass
Marken als großflächiger Aufdruck auf der Brust- oder Rückseite, insbesondere von T-
Shirts und/oder Pullovern aufgebracht werden. Der Verbraucher weiß daher, dass ihm
Marken an prominenter Stelle alleinstehend und in einer auffälligen Präsentation
begegnen. Andererseits begegnen dem Verkehr in jüngerer Zeit auch immer wieder
Aussagen, Sprüche oder Aufforderungen - wie sie einem früher etwa als Aufkleber auf
PKW begegneten - nunmehr als großflächige Aufdrucke auf T-Shirts. In diesen Fällen
wird das T-Shirt von seinem Träger als Kommunikationsmittel genutzt, um öffentlich ein
"Statement" abzugeben. In diesen Fällen kommt diesen auf T-Shirts aufgedruckten
Aussagen keinerlei herkunftshinweisende Funktion zu. Die Aufdrucke dienen lediglich
dazu, ein "Statement" seines Trägers zu kommunizieren. Da dem Verkehr beide
Verwendungsformen begegnen, kommt es entscheidend auf die konkreten in Rede
stehenden Zeichen, deren Sinngehalt und deren Präsentation an. Bei einem Zeichen,
das – wie "Ich ben ne Kölsche Jung" - von dem Inhalt seiner Aussage lebt, liegt es nahe,
dass der Verkehr bei flüchtiger Betrachtung allein auf den witzigen Spruch bzw. die
inhaltliche Bedeutung abstellt. Dass mit dem Aufdruck einer solchen Aussage auf die
Herkunft des Textils hingewiesen werden soll, wird für den Verkehr eher fernliegend
erscheinen. Anders als etwa bei einem aus nur einem einzelnen Wort bestehenden
Zeichen, steht gerade bei einem Aussagesatz wie "Ich ben ne Kölsche Jung" die
inhaltliche Bedeutung für alle erkennbar im Vordergrund.
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Auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass bereits die objektive, nicht völlig
fern liegende Möglichkeit, dass der Verkehr einen Herkunftshinweis annimmt, für die
Annahme eines markenmäßigen Benutzung ausreicht, erscheint gerade diese
Möglichkeit im vorliegenden Fall des aus einem von seinem Inhalt lebenden Satz
bestehenden Zeichens mehr als fernliegend. Angesichts der Vielfalt der auf dem Markt
erhältlichen Textilien mit Aufdrucken mit Bezug zu Köln bzw. anderen Städten und
Regionen wird der Verkehr bei Aufdrucken mit Lokalbezug in der Regel nicht davon
ausgehen, dass diese Aufdrucke nur von einem bestimmten Unternehmen stammen und
deshalb als Herkunftshinweis zu verstehen sind. Der Verkehr wird bei solchen
Aussagen eher zu der Annahme neigen, dass es sich schon gar nicht um ein einem
Inhaber allein zustehendes ausschließliches Zeichen handelt.
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Zwar führt dies zu dem Ergebnis, dass ein Begriff wie "Kölsche Jung", der grundsätzlich
als Marke für Textilien schutzfähig sein mag, dennoch als Herkunftshinweis nicht
durchweg überall dort respektiert wird, wo Textilmarken heutzutage angebracht zu
werden pflegen. Dies beruht jedoch auf der Entscheidung des Markeninhabers in Bezug
auf die Auswahl seines Zeichens. Bei der Auswahl eines Zeichens, das aufgrund der in
der entsprechenden Branche auftretenden üblichen und bekannten
Verwendungsformen und der inhaltlichen Bedeutung des als Marke benutzten Begriffs
oder Satzes nicht in erster Linie als Herkunftshinweis, sondern als "Statement"
aufgefasst wird, ist es das Risiko des Markeninhabers, das er bei der konkreten
Verwendung seines Zeichens bzw. bzgl. der Benutzung durch Dritte nicht in allen Fällen
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geschützt ist.
Mangels kennzeichenmäßiger Nutzung des beanstandeten Zeichens ist ein
Unterlassungsanspruch und sind die damit zusammenhängenden Ansprüche auf
Auskunft, Schadensersatzfeststellung sowie Erstattung von Abmahnkosten
unbegründet.
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Der Anspruch auf Zahlung der verwirkten Vertragsstrafe ist ebenfalls unbegründet. In
der Unterlassungserklärung hat sich der Beklagte verpflichtet,
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"es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, das Zeichen "Kölsche Jung" für T-
Shirts zu benutzen, insbesondere unter diesem Zeichen solche Waren anzubieten,
in den Verkehr zu bringen oder zu diesem Zweck zu besitzen, unter diesem Zweck
solche Waren einzuführen oder auszuführen oder das Zeichen im
Geschäftsverkehr oder in der Werbung für solche Waren zu benutzen" (Bl. 38
d.A.)."
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Diese Verpflichtung wurde eingegangen, nachdem der Beklagte wegen Verletzung von
§ 14 MarkenG abgemahnt worden ist. Die Verpflichtung ist daher dahingehend
auszulegen, dass nicht jede Verwendung des Zeichens "Kölsche Jung" zur
Unterlassung erklärt werden sollte, sondern beide Parteien davon ausgingen, dass
lediglich markenverletzende Verwendungsformen erfasst sein sollten. Eine solche
kennzeichenverletzende Verwendung ist vorliegend jedoch – wie bereits dargetan -
mangels markenmäßiger Benutzung des Aufdrucks "Ich ben ne Kölsche Jung" nicht
gegeben.
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Die Widerklage ist unbegründet. Es besteht weder ein vertraglicher Ersatzanspruch
wegen Verletzung von Vertragspflichten aus der
Unterlassungsverpflichtungsvereinbarung noch aus § 823 Abs. 1 BGB als Eingriff in den
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
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Diese scheitern jedenfalls an mangelndem Verschulden im Sinne des § 276 BGB. Da
es sich beim Markenrecht um eine Spezialmaterie handelt, die Frage der
markenmäßigen Nutzung eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige
Entscheidung ist und bereits eine für die Klägerin günstige Entscheidung des
Landgerichts Köln in Bezug auf ihre Marke "Kölsche Jung" vorlag, kann in dieser
Situation nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin ihre im Verkehr
erforderlichen Sorgfaltspflichten verletzt hat, als sie beschloss, gegen den Beklagten
vorzugehen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO.
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Streitwert: zunächst 50.200 €, ab dem 9.8.2007: 51.307,53 €
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