Urteil des LG Köln vom 13.04.2006

LG Köln: wesentlicher punkt, unklarheitenregel, spieleinsatz, geschicklichkeitsspiel, abgrenzung, meinung, versicherung, ausführung, sittenwidrigkeit, datum

Landgericht Köln, 24 S 37/05
Datum:
13.04.2006
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
24. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
24 S 37/05
Vorinstanz:
Amtsgericht Köln, 118 C 143/05
Tenor:
I.
Das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 8.6.2005 (118 C 143/05) wird
abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
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Hinsichtlich des der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts wird auf den
Tatbestand der angegriffenen Entscheidung vollinhaltlich Bezug genommen.
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In der Berufungsinstanz führt der Berufungskläger aus, daß das Amtsgericht von der
unrichtigen Vorstellung ausgehe, daß das vorliegende Spiel "Herzkreis" nicht unter §
762 Abs. 1 zu subsumieren sei. Sie beruft sich dabei auf die Entscheidung des BGH
vom 22.4.1997 (NJW 97, 2314). Die Ausführungen des BGH zu § 762 Abs. 1 Satz 2
BGB ließen zwingend darauf schließen, daß der BGH dieses Spielsystem auch dem §
762 Abs. 1 zuordne.
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Die Berufungsklägerin beantragt,
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unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Amtsgerichts Köln vom
8.6.2005 (118 C 143/05) die Klage abzuweisen.
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Die Berufungsbeklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Berufungsbeklagte wiederholt ihren erstinstanzlichen Vortrag, nachdem in
Übereinstimmung mit angeführten Entscheidungen des Amtsgerichts Köln vom
18.2.2004 (112 C 551/03), des Landgerichts Bonn vom 14.7.2004 (2 O 30/04), des
Landgerichts Freiburg vom 9.9.2004 (2 O 176/04), des Amtsgerichts Charlottenburg vom
3.11.2004 (202 C 465/04) wie auch des Landgerichts Stuttgart vom 16.9.2004 (25 O
301/04) beim vorliegenden Spielsystem nicht von einem Spiel nach § 762 Abs. 1 Satz 1
BGB ausgegangen werden könne. Im Übrigen würde ein Berufen der Berufungsklägerin
auf den Risikoausschluß nach § 3 Abs. 2 f. der vereinbarten ARB 2000 an der
Unklarheitenregel scheitern.
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Die Berufung ist begründet.
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Nach Auffassung der Kammer hat die Berufungsbeklagte keinen Anspruch auf
Rechtsschutzdeckung aus dem abgeschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrages.
Die Berufungsklägerin ist zur Deckung nicht verpflichtet, weil die Kammer sich der
Meinung des Amtsgerichts nicht anzuschließen vermag, daß der Risikoausschluß nach
§ 3 Abs. 2 f. ARB nicht einschlägig sei.
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Die Kammer stimmt dem Amtsgericht insoweit zu, daß der Regelungsgehalt des § 3
Abs. 2 f. der ARB 2000 sich am Regelungsumfang vom § 762 Abs. 1 BGB orientiert.
Dies besagt, daß Spiele, die unter § 762 Abs. 1 gefaßt werden können, auch
Regelungsgegenstand des § 3 Abs. 2 f. ARB 2000 sind.
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Anders als die Vorinstanz ist die Kammer jedoch nicht der Meinung, daß es ein
wesentlicher Punkt zur Abgrenzung eines Spiels von einem Nichtspiel sei, ob der
Spieleinsatz der Spieler als Gewinn wieder ausgeschüttet wird. Richtig ist zwar, daß es
bei dem vorliegenden Pyramidenspiel gerade so ist, daß der Spieleinsatz dem an erster
Stelle der Pyramide stehenden Spieler zugewendet wird und dieser dann aus dem Spiel
ausscheidet. Der vom zahlenden Spieler erhoffte Gewinn kann sich nur aus Einlagen
weiterer Mitspieler ergeben, nicht mehr aus seiner eigenen. Wollte man den Grundsatz,
das der Gewinn auch den Einsatz umfassen müsse, für alle Spielverträge aufrecht
erhalten, zu denen auch staatlich anerkannte Lotterien mit einer riesigen Anzahl von
Mitspielern zählen, so hätte dieses Argument schon quasi homöopathische Züge, da der
konkrete Rückfluß des Spieleinsatzes gemessen an einem größeren Gewinn allenfalls
nur noch theoretisch nachvollziehbar wäre. Auch die weitere vom Amtsgericht gezogene
Abgrenzung durch Prüfung des vorliegenden Spielsystems unter dem Gesichtspunkt
des Glücks - oder Geschicklichkeitsspiel - erscheint der Kammer nicht ganz
überzeugend. Abgesehen davon, ob es tatsächlich richtig ist, ob der Spielbegriff des §
762 Abs. 1 sich ausschließlich in Glück- und Geschicklichkeitsspielen erschöpft, sieht
die Kammer hier durchaus Anknüpfungspunkte, die für ein Geschicklichkeitsspiel
sprechen. Richtig ist zwar, daß rein mathematisch betrachtet das vorliegende
Spielsystems wegen seines Schneeballeffektes rasch an tatsächliche Grenzen stoßen
wird. Die Geschicklichkeit der Mitspieler ist jedoch nicht an dieser nicht überwindbaren
mathematischen Grenze zu messen, sondern an dem diesem vorausgehenden Bereich,
in dem es tatsächlich von dem Geschick oder besser Überredungskunst der Mitspieler
abhängt, ob in den noch vorhandenen Reservoir an möglichen weiteren Mitspielern
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weitere Personen gewonnen werden könnten. Daß das Spiel abhängig von diesem
(fragwürdigen) Geschick von Mitspielern danach früher oder später enden kann,
erscheint der Kammer einsichtig. Es ist eben nicht unmittelbar auf das Geschick
desjenigen abzustellen, der aufgrund seiner bereits höheren Stellung in der Pyramide
eigentlich nicht mehr zum Einwerben von neuen Mitspielern berufen ist. Darauf kommt
es nach Auffassung der Kammer aber auch nicht an, da es vielerlei Spiele gibt, bei
denen das Geschick anderer, nicht zwingend Mitspielern, in Rede steht.
Die Kammer sieht sich insoweit - auch in Abweichung von dem angegriffenen
amtsgerichtlichen Urteil - in Übereinstimmung mit der zitierten Entscheidung des BGH
vom 22.4.1997. Zu Recht beruft sich nach Auffassung der Kammer die
Berufungsklägerin auf diese Entscheidung, weil die Ausführung des BGH "daß der
Rückforderungsanspruch des Klägers wegen Sittenwidrigkeit der Spielvereinbarung
nicht an § 762 Abs. 1 Satz 2 BGB scheitert" zu dem logischen Schluß zwingt, daß der
BGH davon ausging, daß das in dieser Entscheidung streitgegenständliche Spiel ein
Spiel ist, was unter § 762 Abs. 1 Satz 1 BGB zu subsumieren ist. Daß das dort vom BGH
behandelte Spiel im System dem hier streitigen gleichkommt, bedarf keiner Erklärung.
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Zu Unrecht beruft sich die Berufungsbeklagte auch auf die Unklarheitenregel. Richtig ist
zwar, daß Versicherungsbedingungen, soweit sie für den Normalbürger nicht
verständlich sind, zu Lasten desjenigen ausgelegt werden müssen, der diese
Bedingungen aufgestellt hat, mithin der Versicherung. Überdies gilt auch unbestritten,
daß vereinbarten Bedingungen, die die grundsätzliche Deckungspflicht des
Versicherers begrenzen, einer erweiternde Auslegung in der Regel nicht zugänglich
sind, mithin restriktiv auszulegen sind. Beide Gesichtspunkte greifen aber vorliegend
nicht durch. Es bedarf keiner Erörterung, daß der Normalbürger zur Auslegung von
Versicherungsbedingungen sich nicht erst der Hilfe eines juristisch Geschulten
versichern muß. Vorliegend geht es nach Auffassung der Kammer aber gerade um den
umgekehrten Fall. Für den Normalbürger und die Beurteilung des § 3 Abs. 2 f. ARB
anhand des vorliegenden Spielsystems erscheint der Sachverhalt nach Auffassung der
Kammer unmittelbar einsichtig und wenig fragwürdig. Erst die juristisch spitzfindigere
Argumentation mag hier zu einer Fragestellung führen, die vielleicht tiefgreifendere
Überlegungen erfordert. Dies ist aber gerade nicht der Fall, dem mit der
Unklarheitenregel vorgebeugt werden soll. Entsprechendes gilt auch für den Grundsatz
der restriktiven Auslegung von Risikoausschlüssen.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708, 713 ZPO.
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