Urteil des LG Köln vom 13.10.2010

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Landgericht Köln, 171 StL 8/10
Datum:
13.10.2010
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
171 StL 8/10
Tenor:
Dem Berufsangehörigen wird wegen schuldhafter
Berufspflichtverletzung ein Verweis erteilt. Ferner wird ihm die Zahlung
einer Geldbuße in Höhe von
1.000 €
auferlegt.
Der Berufsangehörige hat die Kosten des Verfahrens und seine
notwendigen Auslagen zu tragen.
§§ 57 Abs. 1, Abs. 2, 89, 90 StBerG i.V.m. § 9 BOStB.
Gründe:
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I.
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Der nunmehr 61 Jahre alte Berufsangehörige studierte in Köln Betriebswirtschaft und
war seit 1971 als Werksstudent in einer Steuerberaterkanzlei tätig. Im Jahre 1980
schloss er das Studium als Diplom-Kaufmann ab. In der Folgezeit war er in
Angestelltenverhältnissen in zwei Wirtschaftsprüfer- und Steuerberaterkanzleien tätig.
Am 9.3.1988 wurde er durch den Finanzminister des Landes Nordrhein Westfalen als
Steuerberater bestellt. Seit dem 1.1.1990 übt er den Beruf des Steuerberaters
selbständig in seiner Einzelpraxis aus. Im Jahr 2009 erzielte er Betriebseinnahmen in
Höhe von rund 57.000 €, einen Nettoumsatz in Höhe von rund 46.000 € und einen
Überschuss in Höhe von rund 24.000 €.
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Der Berufsangehörige ist bisher nicht berufsrechtlich in Erscheinung getreten.
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II.
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Der Berufsangehörige war steuerlicher Berater des Zeugen H in Köln, der dort das
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Einzelunternehmen H Transporte e.K. führte. Mit Herrn H verstand er sich gut, ohne mit
ihm befreundet zu sein. Das von diesem gegründete Einzelunternehmen wuchs schnell
und hatte zunächst wirtschaftlichen Erfolg. Der Berufsangehörige fühlte sich so, als
habe er das Unternehmen zusammen mit Herrn H aufgebaut. Etwa im Jahr 2006 geriet
das Unternehmen jedoch in wirtschaftliche Schwierigkeiten, da die Liquidität u.a. durch
Steuerbescheide stark eingeschränkt war. Jedoch hielt der Berufsangehörige die
Situation für noch beherrschbar, zumal das Finanzamt und die finanzierenden Banken
zunächst still hielten. Jedoch hatte der Berufsangehörige ab Mitte 2006 das Gefühl, dass
die Lücken immer größer wurden, zumal Herr H Privatentnahmen in erheblichem
Umfang tätigte, deren Zweck für den Berufsangehörigen anfänglich nicht erkennbar war,
da er keinen Zugriff auf die Daten der privaten Konten des Herrn H hatte.
Im Laufe des Jahres 2007 spitzte sich die Krise des Unternehmens zu. Gleichwohl
gelang es Herrn H, den Berufsangehörigen zu immer neuen Arbeiten für ihn zu
bewegen, insbesondere die Lohnabrechnungen für die Mitarbeiter weiterhin zu
erstellen, die Finanzbuchhaltung fortzuführen und betriebswirtschaftliche Auswertungen
für die finanzierenden Banken zu fertigen. Für keine dieser Arbeiten verlangte der
Berufsangehörige einen Vorschuss, sondern trat mit seiner Arbeit in Vorleistung. Im
Herbst 2007 verschwand Herr H schließlich aus seiner Wohnung und nahm dabei u.a.
sämtliche Unterlagen mit, die seinen Betrieb betrafen. Anfang des Jahres 2010 stellte er
schließlich Antrag auf Insolvenz; das Insolvenzverfahren ist mittlerweile eröffnet worden.
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Im Zeitpunkt des Verschwindens des Herrn H hatte der Berufsangehörige gegen diesen
offene Honorarforderungen wegen des Erbringens von steuerberatenden Leistungen in
Höhe von mehr als 20.000 €. Der Berufsangehörige erwirkte in der Folgezeit einen
Vollstreckungsbescheid gegen Herrn H. Später wurden seine Forderungen, die sich
einschließlich Kosten auf rund 28.000 € belaufen, zur Insolvenztabelle festgestellt.
Gleichwohl war dem Berufsangehörigen bereits im Herbst 2007 klar, dass er von seinen
Forderungen allenfalls einen geringfügigen Bruchteil werde realisieren können, zumal
nach seinem Eindruck Herr H beträchtliche Vermögenswerte, darunter den Fuhrpark
seines Unternehmens, beiseite geschafft hatte.
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In Kenntnis seiner beruflichen Schweigepflicht überlegte der Berufsangehörige längere
Zeit, was er nun tun könne und dürfe. Schließlich gelangte er zu der Erkenntnis, dass
Herr H für sein Tun zu bestrafen sei. Da er befürchtete, dass Polizei und
Staatsanwaltschaft auf das Handeln des Herrn H entweder nicht aufmerksam gemacht
würden oder von Dritten nicht die erforderlichen Beweismittel zur Verfügung gestellt
bekämen, entschloss er sich, Herrn H selbst bei der Staatsanwaltschaft anzuzeigen. Er
glaubte, er dürfe insoweit in Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 9 Abs. 3
BOStB handeln. Den Rechtsrat eines kundigen Dritten, z.B. eines Rechtsanwalts, holte
er nicht ein. Auch wandte er sich nicht an die Steuerberaterkammer, da er annahm,
diese sei in solchen Sachen ohnehin viel zu vorsichtig. Er war damals der Auffassung,
es stehe ihm zu, sich an Staatsanwalt und Polizei zu wenden, zumal er hiervon keinen
wirtschaftlichen Vorteil habe.
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Am 13.11.2007 verfasste er eine an die Staatsanwaltschaft Köln –
Wirtschaftsstrafsachen – gerichtete Strafanzeige gegen H wegen Bankrotts im Sinne
des § 283 StGB und anderer Straftaten. Er schilderte in 14 Unterpunkten sämtliche
Umstände und wirtschaftliche Einzelheiten betrieblicher und privater Art, die ihm aus
dem Mandatsverhältnis bekannt waren, um einen Tatverdacht nachzuweisen. Da er sich
zur Erhärtung der hier vorgetragenen Vorwürfe bereiterklärt hatte, lud ihn die Polizei in
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Köln zur Vernehmung als Zeuge am 7.2.2008. Bei dieser Zeugenvernehmung legte er
umfangreiche Unterlagen bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung der Firma H
Transporte e.K. vor, nämlich u.a. betriebswirtschaftliche Auswertungen der Jahre 2004
bis 2007, die Einkommensteuerbescheide der Eheleute H von 2003 bis 2007, die
Jahresabschlüsse 2004 und 2005 sowie die vorläufige Bilanz des Jahres 2006. Ferner
überließ er den ermittelnden Beamten eine Aufstellung des Fuhrparks der Firma.
In dem von der Staatsanwaltschaft Köln geführten Verfahren 110 Js 632/07 wurde am
15.1.2010 die öffentliche Klage gegen H erhoben.
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Der Berufsangehörige hat glaubhaft angegeben, derartiges werde sich nicht
wiederholen. Zum einen habe er ohnehin den Eindruck gewonnen, dass Polizei und
Staatsanwaltschaft an solchen Vorgängen nicht sonderlich interessiert seien. Zum
anderen sei es ausgeschlossen, dass einer seiner Mandanten ihn in ähnlicher Weise
schädigen könne, wie Herr H es getan habe. Mittlerweile verfüge er über
Einzugsermächtigungen aller Mandanten und verwende diese absprachegemäß
insbesondere dazu, Vorschüsse für seine Arbeitsleistung zu erhalten.
12
III.
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Die vorstehenden Feststellungen beruhen auf den glaubhaften Angaben des
Berufsangehörigen zu seinem beruflichen Werdegang und zur Sache. Der
Berufsangehörige hat den äußeren Ablauf, wie er in der Anschuldigungsschrift
dargelegt wird, in vollem Umfang eingeräumt und weitere, vertiefende Angaben
gemacht.
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IV.
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Nach den vorstehenden Feststellungen hat der Berufsangehörige schuldhaft seine
Berufspflichten verletzt, indem er Daten, die ihm im Rahmen des Mandats mit Herrn H
bekannt geworden waren, ohne dessen Einverständnis durch die Strafanzeige vom
13.11.2007 sowie durch seine Angaben bei der Polizei am 07.02.2008 an die
Staatsanwaltschaft und die Polizei weitergab, womit er seine berufliche Pflicht zur
Verschwiegenheit (§ 9 Abs. 1 BOStB) verletzte. Hierbei handelte er nicht in
Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß Abs. 3 der genannten Vorschrift. Auf
diese Vorschrift kann sich nur derjenige berufen, der seine eigenen Belange
sachgemäß nicht anders wahren kann; dies ist z.B. dann der Fall, wenn der
Berufsangehörige ohne die Offenlegung anvertrauter Tatsachen nicht in der Lage wäre,
seine Honorarforderung im Zivilprozess geltend zu machen (vgl.
Mittelsteiner/Gilgan/Späth, Berufsordnung der Steuerberater, § 9, Rn. 36 f. m.w.N.).
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So lag der Fall hier nicht; auch ohne Offenlegung der anvertrauten Tatsachen war der
Berufsangehörige in der Lage, einen Titel, nämlich einen Vollstreckungsbescheid und
später die Feststellung zur Insolvenztabelle, zu erlangen. Ebenso wenig waren die
Strafanzeige sowie die ergänzenden Angaben bei der Polizei geeignet, die von Anfang
an geringen Erfolgsaussichten einer Vollstreckung dieser zivilrechtlichen Ansprüche in
irgendeiner Weise zu verbessern. Dahin stehen kann, ob der Berufsangehörige unter
Umständen berechtigt gewesen wäre, Strafanzeige gegen Herrn H wegen eines in
Betracht kommenden Eingehungsbetruges ihm gegenüber zu erstatten, der darin
gelegen haben könnte, dass Herr H ihm im Laufe des Jahres 2007 fortlaufend neue
Aufträge erteilte, obwohl er womöglich wusste, dass er zur Begleichung des dafür
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anfallenden Honorars nicht in der Lage sein würde. Hierauf kommt es deswegen nicht
an, weil die Strafanzeige eine andere Zielrichtung hatte. Sie stellte auf
Insolvenzstraftaten des Herrn H ab und betraf gerade nicht die offenen
Honorarforderungen des Berufsangehörigen.
V.
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Bei der Frage der angemessenen Ahndung der Berufspflichtverletzung war zu seinen
Gunsten zu berücksichtigen, dass er berufsrechtlich nicht vorbelastet ist. Desweiteren
fällt ins Gewicht, dass er glaubhaft angegeben hat, er werde ein solches Verhalten nicht
wiederholen. Schließlich ist zugunsten des Berufsangehörigen zu berücksichtigen, dass
sein Ärger über den Mandanten angesichts der Höhe der ausstehenden
Honorarforderungen – insbesondere in Relation zu den Einkommensverhältnissen des
Berufsangehörigen – durchaus verständlich ist, wenn dies auch keinen
Rechtfertigungsgrund bildet. Hingegen konnte nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt
werden, dass er annahm, er handele im Sinne von § 9 Abs. 3 BOStG und damit
rechtmäßig. Denn dieser Irrtum war vermeidbar, da der Berufsangehörige sich keinen
Rechtsrat eingeholt hatte.
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Zu Lasten des Berufsangehörigen musste sich auswirken, dass er gegen eine
berufsrechtliche Kernpflicht verstoßen hat, die sogar strafrechtlich sanktioniert ist, vgl. §§
203, 204 StGB. Bei einem Verstoß gegen eine solche Kernpflicht ist es mit einem
bloßen Verweis nicht getan; vielmehr muss der Verstoß zusätzlich mit einer Geldbuße
geahndet werden. Zu Lasten des Berufsangehörigen fällt ferner ins Gewicht, dass es
sich nicht um einen Augenblicksverstoß aus dem Impuls verständlichen Ärgers über
einen erheblichen Forderungsausfall handelt, sondern dass der Berufsangehörige zwei
Verstöße im Abstand von rund drei Monaten – am 13.11.2007 und am 7.2.2008 –
beging, woraus zu schließen ist, dass er dies – im Einklang mit seinen glaubhaften
Angaben – nach reiflicher Überlegung tat. Die Höhe der verhängten Geldbuße von 1000
der Berufsangehörige – wie aus seinen glaubhaften Angaben im Termin folgt – aus
seiner Einzelpraxis ein monatliches Einkommen von lediglich rund 2.000 € erzielt.
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VI.
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Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 148 Abs. 1 Satz 1 StBerG.
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