Urteil des LG Köln vom 20.09.2007

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Landgericht Köln, 84 O 46/07
Datum:
20.09.2007
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
4. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
84 O 46/07
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, in die Löschung des deutschen
Geschmacksmusters, Aktenzeichen 40011897.1, im Musterregister
einzuwilligen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der zu
vollstreckenden Kosten vorläufig vollstreckbar.
T A T B E S T A N D:
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Die Klägerin ist Herstellerin von Pumpensprühköpfen, mit welchen u.a. im
Kosmetikbereich Parfumzerstäuber ausgestattet werden. Zu ihren Kunden gehörten u.a.
die Beklagte sowie die Firma O GmbH in Berlin.
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Die Beklagte ist Inhaberin des im Urteilstenors bezeichneten deutschen
Geschmacksmuster, das am 14. 12. 2000 angemeldet und am 13. 2. 2001 eingetragen
wurde und die Form eines Parfumflakons in länglicher zylindrischer Form betrifft; auf die
Abbildung auf Blatt 31 der Akten wird verwiesen.
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Mit Schreiben vom 26. 1. 2007 mahnte die Beklagte die Firma O GmbH wegen
Verletzung des Geschmacksmusters ab.
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Die Klägerin sieht unter Berufung auf das deutsche Gebrauchsmuster G9107249.2,
eingetragen am 15. 10. 1992 und veröffentlicht am 26. 11. 1992, das am 16. 5. 1997
hinterlegte Deutsche Geschmacksmuster Nr. M9704793, sowie weitere
Vorveröffentlichungen, u.a. des im Jahre 1988 kreierten Parfumflakons "Eau pailletée"
von Kenzo, das Geschmacksmuster nicht als schutzfähig an, weil die Formgebung
weder neu noch eigentümlich im Sinne von § 1 Abs. 2 des Geschmacksmustergesetzes
in der Fassung von 1988 gewesen sei, weshalb es löschungsreif sei.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, in die Löschung des deutschen Geschmacksmusters,
Aktenzeichen 40011897.1, im Musterregister einzuwilligen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte geht von der materiell-rechtlichen Wirksamkeit des Klagemusters aus und
verteidigt Neuheit und Eigentümlichkeit des Musters.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die von ihnen überreichten
Unterlagen verwiesen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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Mit Rücksicht darauf, dass das für die Beklagte eingetragene Geschmacksmuster vor
dem 28. 10. 2001 datiert, finden gemäß § 66 Geschmacksmustergesetz die seinerzeit
geltenden Vorschriften Anwendung, so dass die Rechtswirkungen vor dem 28. 10. 2001
eingetragener Geschmacksmuster durch ein Löschungsverfahren gemäß § 10c
GeschmacksMG a.F. zu beseitigen sind.
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Gemäß Absatz 2 Nr. 1 dieser Vorschrift kann die Klägerin von der Beklagten die
Einwilligung in die Löschung verlangen, weil das eingetragene Muster am Tag der
Anmeldung mangels Neuheit und Eigentümlichkeit nicht schutzfähig war.
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Nach dem Vortrag der Beklagten bestimmt sich der ästhetische Gesamteindruck des
angegriffenen Musters durch folgende Einzelmerkmale:
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a. schmaler und länglicher und streng zylindrischer Glasbehälter, dessen sichtbare
Länge etwa 8x größer ist als sein Querschnitt,
b. einseitig aufgebrachter Sprühaufsatz, der sich im Querschnitt zweimal nach oben
hin verjüngt, und in der Länge etwa 17 % der Gesamtlänge des Musters ausmacht,
c. der Querschnitt des Sprühaufsatzes ist dort, wo er an den Glasbehälter unmittelbar
anschließt, zunächst identisch mit dem des Glasbehälters,
d. auf dem Sprühaufsatz ist eine durchsichtige Kappe ebenfalls in Zylinderform
aufgebracht,
e. der Querschnitt der Kappe ist wiederum identisch mit dem des Glasbehälters.
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Zu bemerken ist, dass diese von der Beklagten aufgezählten Merkmale den
ästhetischen Gesamteindruck des Musters nicht mit gleichem Gewicht prägen:
Gegenüber dem langen schmalen Glaskörper und der Proportionen dieses Körpers zu
dem hierauf aufgesetzten Sprühkopf kommen der Ausformung des Sprühkopfes im
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Detail sowie der durchsichtigen Kappe sehr viel weniger Gewicht zu. Im Hinblick darauf,
dass die Kappe durchsichtig ist, sind der darunter aufgebrachte Sprühkopf und damit die
Funktion des Musters gut sichtbar; die Kappe wird nicht als die Ästhetik prägender
Bestandteil, sondern lediglich als in den Hintergrund tretende Schutzvorrichtung des
Sprühkopfes empfunden.
Das am 12. Juni 1991 eingetragene Gebrauchsmuster betrifft einen Parfumspender
ebenfalls in Form eines Stiftes, der mittels einer Clipvorrichtung an der Abdeckkappe,
ähnlich der Abdeckkappe eines Füllfederhalters, an der Innentasche eines Jacketts o.ä.
festgesteckt werden kann. Zwar ist der ästhetische Eindruck des Parfumspenders mit
aufgesteckter Abdeckkappe ein anderer als derjenige des eingetragenen
Geschmacksmusters; ohne diese Abdeckkappe entspricht er jedoch auch in den
Proportionen ganz demjenigen des Geschmacksmusters, wobei der Stift ohne
Abdeckkappe ebenfalls der Veröffentlichung unterlag, und zwar in der Figur 2 in eben
der auch von der Beklagten als Geschmacksmuster angemeldeten Form. Daher war das
Geschmacksmuster – ohne die den ästhetischen Gesamteindruck ohnehin nur in
allenfalls geringem Maße prägende durchsichtige Aufsteckkappe - als selbständig
funktioneller Teil des Gebrauchsmusters bereits vorbekannt gewesen.
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Einer Neuheit des Geschmacksmusters steht auch der Parfumspender von KENZO in
länglicher zylindrischer Form entgegen, der seit 1988 auf dem Markt war. Dieser
Spender unterscheidet sich von dem Geschmacksmuster im wesentlichen dadurch,
dass beim Geschmacksmuster die Aufsteckkappe durchsichtig ist, während sie bei dem
Spender von KENZO undurchsichtig ist und metallisch glänzt. Diese Art und Weise der
Abdeckung bestimmt jedoch nicht den Eindruck der Form, sondern wird vom Verkehr –
wie auch der Umstand, dass der Glaskörper einmal durchsichtig ist und zum anderen
aus undurchsichtigem farbigem Glas besteht - als Variation eines Musters empfunden.
Denn in beiden Fällen wird der Eindruck vorherrschend von der langen und schmalen
zylindrischen Form des Körpers geprägt.
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Soweit es sich um Vorveröffentlichungen in französischen Medien handelt, ist die
Kenntnis dieser französischen Veröffentlichungen gerade in den Fachkreisen, zu denen
die Beklagte gehört, angesichts der starken Orientierung der Parfum-Branche nach
Frankreich zu erwarten gewesen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
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Streitwert: € 200.000,00
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