Urteil des LG Köln vom 23.11.2006

LG Köln: firma, fahrzeug, kaufvertrag, anschrift, vertreter, subunternehmer, wertminderung, kennzeichen, verkehrsunfall, versicherungsbetrug

Landgericht Köln, 22 O 350/05
Datum:
23.11.2006
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
22. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 O 350/05
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T A T B E S T A N D :
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Der Kläger macht materielle Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall
geltend, der sich am 9. März 2004 gegen 13.50 Uhr auf der BAB A 4 in Höhe der
Gemeinde Kerpen ereignet hat und an dem der Kläger mit dem Fahrzeug Mercedes E
400 CDi, amtliches Kennzeichen ######### und der Beklagte zu 2. mit dem Fahrzeug
BMW Kombi 525 TDs, amtliches Kennzeichen #########beteiligt waren. Es kam
unstreitig zu einer streifenden Kollision der beiden Fahrzeuge; ob das Fahrzeug des
Klägers im Verlauf des Unfalles die Leitplanke berührt hat, ist unklar; während der
Kläger dazu keine Angaben machen kann, wird ein solcher Leitplankenkontakt von den
Beklagten ausdrücklich bestritten.
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Der Kläger ließ das Fahrzeug einen Tag später, am 10. März 2004, durch den
Sachverständigen L., C, in XXXXXX besichtigen. Der Privatgutachter L. erstellte ein
Gutachten, wonach sich die Reparaturkosten inklusive Mehrwertsteuer auf 18.964,82 €
belaufen sollen. Die Reparaturdauer wurde mit 7 Arbeitstagen, der
Wiederbeschaffungswert inklusive Mehrwertsteuer mit 85.000,00 € und die
Wertminderung mit 4.000,00 € beziffert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das
Gutachten L. vom 10. März 2004 (Blatt 8 ff. GA) Bezug genommen.
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Nach der Behauptung des Klägers soll das Fahrzeug bei einer Firma G GmbH, C2,
repariert worden sein. In der Rechnung der Firma G GmbH vom 25. März 2004 (Anlage
B 1, Blatt 90 GA), die keine Umsatzsteuernummer enthält, sind die Positionen aus dem
Gutachten des Sachverständigen L. 1 : 1 übernommen worden. Hinter der Angabe
"Reparaturfirma" heißt es: "Nicht bekannt". Auf die Rechnung gemäß Anlage B 1, die
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der Kläger bar bezahlt haben will, wird Bezug genommen. Unter der in der Rechnung
der Firma G GmbH angegebenen Anschrift befindet sich ein Privathaus. Nach den
Angaben des gerichtlich beauftragten Sachverständigen T. in seinem Gutachten vom
30. August 2006 nahm er telefonisch Rücksprache mit der Handwerkskammer, wo ihm
mitgeteilt worden sei, daß es noch nie eine G GmbH, weder in L noch Umgebung und
auch nicht in C2, gegeben habe.
Dafür, daß das Fahrzeug später veräußert wurde, legt der Kläger einen undatierten
Kaufvertrag zwischen einem Herrn M und einem Herrn F. vor (vergl. Blatt 108 GA).
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Der Kläger behauptet, das Fahrzeug sei vor dem Verkauf ordnungsgemäß repariert
worden. Er verlangt von den Beklagten Zahlung von Reparaturkosten entsprechend der
Rechnung der Firma G GmbH, Sachverständigenkosten für das Gutachten L., eine
merkantile Wertminderung von 4.000,00 €, Mietwagenkosten gemäß der Rechnung der
Firma G GmbH vom 25. März 2004 (Blatt 37 GA) sowie eine Kostenpauschale von 25,00
€.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagten zu verurteilen, an ihn 24.821,57 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Mai 2004 zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Sie bestreiten, daß die im Gutachten des Sachverständigen L. aufgeführten Schäden
auf den Verkehrsunfall zurückzuführen sind. Das Gutachten L. sei völlig unbrauchbar, es
werde im übrigen auch ausdrücklich bestritten, daß der PKW vor der Veräußerung
überhaupt instandgesetzt worden sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der
vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug
genommen.
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Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des
Sachverständigen T. vom 30. August 2006 (Blatt 124 ff. GA) Bezug genommen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
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Die Klage ist unbegründet.
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Dem Kläger stehen aus dem Unfallereignis vom 9. März 2004 keinerlei
Schadensersatzansprüche gegenüber den Beklagten zu.
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Zwar ist es unstreitig jedenfalls zu einer streifenden Berührung zwischen den beiden
unfallbeteiligten Fahrzeugen gekommen; der Kläger hat jedoch den ihm obliegenden
Beweis, daß die von ihm behaupteten Schäden auf das Unfallereignis vom 9. März
2004 zurückzuführen sind, nicht zu führen vermocht. Weder das eklatant fehlerhafte und
völlig unbrauchbare Gutachten des Sachverständigen L. noch die "Reparaturrechnung"
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der Firma G GmbH sind eine geeignete Grundlage für die von dem Kläger
vorgenommene Schadensberechnung.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger, nachdem er im Termin ausdrücklich hat erklären
lassen, daß er auf Reparaturkostenbasis abrechnen wolle, überhaupt noch Ansprüche
auf Gutachtenbasis geltend machen kann. Zwar ist anerkannt, daß ein Geschädigter
eine kostengünstige Reparatur durchführen lassen kann, um sodann gleichwohl auf
Gutachtenbasis abzurechnen. Diesen Weg ist der Kläger jedoch gerade nicht
gegangen. Er hat ausdrücklich erklären lassen, er wolle auf Reparaturkostenbasis
abrechnen, wohl deshalb, um insoweit auch die Mietwagenkosten und die
Umsatzsteuer geltend machen zu können. Erst, nachdem das Gutachten T. vorlag, hat
der Kläger vortragen lassen, die Firma G GmbH habe den PKW in Polen reparieren
lassen. Zuvor hatte der Kläger nicht mitgeteilt, wo denn das Fahrzeug tatsächlich
repariert worden sein soll. Er hatte vielmehr ausführen lassen, daß es in der
Reparaturbranche durchaus üblich sei, daß Autohändler Reparaturaufträge
entgegennehmen würden und die Reparatur durch einen Subunternehmer durchgeführt
werde, ohne den Subunternehmer offenzulegen. Im Ergebnis sind jedenfalls weder das
sogenannte Gutachten L. noch die sogenannte Reparaturrechnung der Firma G GmbH
auch nur ansatzweise geeignet, den Nachweis zu führen, daß die dort jeweils identisch
aufgeführten Arbeiten erforderlich gewesen sein sollen, um Schäden, die auf das
Unfallereignis zurückzuführen sind, zu beseitigen.
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Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen T. sind die
wesentlichen Reparaturarbeiten, die im unbrauchbaren Gutachten L. und in der
sogenannten Rechnung der Firma G GmbH aufgeführt sind, überhaupt nicht
durchgeführt worden. Nachdem es dem Sachverständigen gelungen war, das Fahrzeug
in den Niederlanden ausfindig zu machen und er dieses dort unter Zuhilfenahme einer
Hebebühne im einzelnen überprüft hat, konnte der Sachverständige feststellen, daß
insbesondere Rahmenarbeiten, wie sie im "Gutachten" des Sachverständigen
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L. als erforderlich aufgeführt sind, überhaupt nicht durchgeführt worden sind. Auch die
Motorhaube, die noch das Original-Klebeschild trug, war nicht erneuert worden. Die
minimale Beschädigung des Klimakühlers war im Zeitpunkt der Besichtigung durch den
Sachverständigen noch vorhanden, wie er durch die beigefügten Fotos dokumentiert
hat. Nach den Ausführungen des Sachverständigen T. wurden die Fotos durch den
Sachverständigen L. zum Teil bewußt so gefertigt, daß dadurch ein Schadensbild
vorgetäuscht werden sollte. So führt der Sachverständige T. bezüglich der Motorhaube
aus: "Die Fotos wurden eindeutig so gefertigt, nachdem die Motorhaube nicht richtig mit
der rechten Schloßverriegelung verbunden war". Fünf Absätze weiter heißt es: "Die
Fotos wurden im übrigen, nach diesseitiger Sicht unvorteilhaft aufgenommen, um den
tatsächlichen Schaden nicht erkennen zu können". Danach spricht vieles dafür, daß das
Gutachten des Sachverständigen L. in betrügerischer Absicht erstellt worden ist, um
Versicherungsleistungen der Beklagten zu 1. zu erschleichen. Dafür spricht umso mehr,
als in einem weiteren Verfahren vor der Kammer - 22 0 472/05 - ebenfalls angebliche
Schäden aufgrund eines Gutachtens des Sachverständigen L. geltend gemacht werden,
wobei als Fahrer in diesem Prozeß der Inhaber der ehemaligen Firma G GmbH an dem
Unfallgeschehen beteiligt ist. Der Anspruchssteller des Parallelprozesses hat dort die
Telefonnummer ####1 #### angegeben. Diese Telefonnummer korrespondiert mit der
Telefonnummer des Herrn M in dem im vorliegenden Verfahren von dem Kläger
eingereichten Kaufvertrag. Insoweit dürfte die Staatsanwaltschaft weitere Ermittlungen
einzuleiten haben.
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Auch die Rechnung der Firma G GmbH kann nicht Grundlage der Schadensabwicklung
sein. Der Sachverständige T. hat im einzelnen ausgeführt, daß die in dieser Rechnung
aufgeführten angeblichen Reparaturarbeiten in allen wesentlichen Punkten überhaupt
nicht durchgeführt worden sind. Angesichts des Umstandes, daß der Kläger
ausdrücklich unter Bezugnahme auf diese Rechnung auf Reparaturkostenbasis
abrechnet, kommt eine Erstattungspflicht der Beklagten für nicht durchgeführte
Reparaturen nicht in Betracht. Ein Anspruch ist auch nicht in Höhe von 3.739,41 €
beziehungsweise inklusive Mehrwersteuer in Höhe von 3.704,36 € gegeben. Zwar hat
der Sachverständige T. anhand der vorgelegten Fotos und der Nachbesichtigung des
Fahrzeuges den Reparaturkostenaufwand in dieser Höhe geschätzt. Da aber
Reparaturen, zum Beispiel an dem weiterhin beschädigten Kühler, überhaupt nicht
durchgeführt worden sind, kommt auch insoweit eine Erstattungspflicht der Beklagten
nicht in Betracht. Im übrigen weisen die Beklagten im Schriftsatz vom 22. Februar 2006
zu Recht darauf hin, daß aufgrund der Geltendmachung von nicht kompatiblen
Schäden, die unter keinem Gesichtspunkt auf das Unfallereignis zurückzuführen sein
können, es sich nicht ausschließen läßt, daß auch kompatible Schäden bereits durch
ein früheres Ereignis verursacht worden sind.
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Dem Antrag des Klägers, den Sachverständigen T. zu seinem Gutachten anzuhören,
brauchte nicht nachgekommen zu werden. Dieser Antrag ist bereits nicht innerhalb der
vom Gericht gesetzten Stellungnahmefrist zum Gutachten gestellt worden und damit
verspätet gewesen. Dem sodann verspätet gestellten Antrag konnte schon deshalb nicht
entsprochen werden, weil die Kläger-Vertreter sich nicht für die Kosten des
Sachverständigen "stark gesagt" haben und der Kläger selbst die Einzahlung des
geforderten Vorschusses von 500,00 € erst am 31. Oktober 2006 veranlaßt hat. Die
entsprechende Zahlungsanzeige der Gerichtskasse ging am 2. November 2006, also
dem Terminstag, ein. Im übrigen hat auch der Kläger selbst das Gutachten des
Sachverständigen T. akzeptiert. Denn in seiner Stellungnahme vom 6. Oktober 2006
läßt er ausführen, daß klar auf der Hand liege, daß Unredlichkeiten begangen worden
seien. Die Fragen, die der Sachverständige L. formulieren und die dem
Sachverständigen T. im Termin gestellt werden sollten, lagen im übrigen am
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2. November 2006 auch nicht vor, weil der Sachverständige L. die entsprechende Bitte
des Klägers um Formulierung von Fragen abschlägig beschieden hat mit dem Hinweis,
er habe dafür keine Zeit.
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Es kann dahinstehen, ob der Kläger selbst an einem eventuellen versuchten
Versicherungsbetrug gegenüber der Beklagten zu 1. beteiligt ist. Die gesamten
Umstände der Schadensabwicklung sind jedenfalls sehr ungewöhnlich. Das Fahrzeug
des in N wohnhaften Klägers wurde in XXXXXX von dem in C ansässigen
Sachverständigen L. besichtigt; es wurde einer Firma G GmbH zur Reparatur
übergeben, wobei unter der in der Rechnung angegebenen Anschrift lediglich ein
Privathaus zu finden ist. Der Kläger ließ seinen anwaltlichen Vertreter noch am 16. April
2004 gegenüber der Beklagten zu 1. mitteilen, daß das Fahrzeug zwischenzeitlich
veräußert worden sei mit nicht unerheblichem Verlust und auf Gutachtenbasis
abgerechnet werde. Zu diesem Zeitpunkt lag bereits die sogenannte Reparaturrechnung
der Firma G GmbH vom 25. März 2004 längst vor. Angaben, wer tatsächlich die
Reparatur durchgeführt haben soll, wurden von dem Kläger zunächst nicht gemacht;
nunmehr zum Ende des Verfahrens will der Kläger plötzlich die Kenntnis haben, daß die
Firma G die Reparatur in Polen habe durchführen lassen. Der von dem Kläger zum
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Nachweis des Verkaufs vorgelegte Kaufvertrag ist undatiert; der Kläger selbst taucht in
diesem Vertrag nicht auf. Die Klage selbst hat der Kläger unter dem 28. Mai 2005
anhängig gemacht, den Vorschuß dann jedoch erst am 18. Januar 2006 gezahlt.
Nachdem der Sachverständige T. trotz des langen Zeitablaufs das Fahrzeug ausfindig
gemacht hatte und einen ergänzenden Kostenvorschuß anforderte, wurde dieser von
dem Kläger trotz gerichtlicher Fristsetzung nicht gezahlt. Ob aufgrund dieser
Gesamtumstände davon auszugehen ist, daß der Kläger selbst an einem versuchten
Versicherungsbetrug gegenüber der Beklagten zu 1. beteiligt gewesen ist oder ob er,
wie er behauptet, während der Abwicklung des Schadens selbst weiter geschädigt
worden sei, kann im Ergebnis dahinstehen. Selbst wenn der Kläger an der Abrechnung
eines tatsächlich nicht reparierten Schadens gemäß Rechnung der Firma
G, nach Angaben des Klägers vermittelt durch den Sachverständigen L., nicht beteiligt
gewesen sein sollte, fehlt es jedenfalls an einem Zurechnungszusammenhang
zwischen dem Schadensereignis und dem angeblichen Schaden des Klägers, der darin
bestehen soll, daß er die "Rechnung" der Firma G bezahlt haben will. Der
Zurechnungszusammenhang entfällt bei ungewöhnlich grobem Fehlverhalten dritter
Personen. Auch der sogenannte Rechtswidrigkeitszusammenhang erfaßt nur diejenigen
Schadensfolgen, vor deren Eintritt die verletzte Norm schützen soll. Kommt es - wie
vorliegend - zu einem angeblichen Betrug, der nach Angaben des Klägers darin liegt,
daß die Firma G GmbH ihm gegenüber Reparaturleistungen für angebliche Reparaturen
abgerechnet hat, die niemals erbracht worden sind, so ist ein durch ein derartiges
Fehlverhalten entstandener Schaden nicht mehr vom Zurechnungszusammenhang
erfaßt.
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Die Klage muß deshalb insgesamt, insbesondere auch hinsichtlich der geltend
gemachten Mietwagenkosten mangels fehlender Reparatur abgewiesen werden. In der
sogenannten Mietwagenrechnung der Firma G wird sicherheitshalber auch erst gar kein
bestimmtes Fahrzeug aufgeführt; auch der Kläger teilt nicht mit, welchen PKW er denn
in der fraglichen Zeit gefahren haben will.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
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Streitwert:
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