Urteil des LG Köln vom 22.07.2003

LG Köln: einstweilige verfügung, flughafen, verbraucher, stadt, irreführung, bahnhof, internet, presse, zufall, vollstreckbarkeit

Landgericht Köln, 33 O 193/03
Datum:
22.07.2003
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
33. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
33 O 193/03
Tenor:
Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 28.05.2003 - 33
O 193/03 - wird bestätigt.
Der Antragsgegnerin werden auch die weiteren Kosten des Verfahrens
auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
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Die Parteien streiten um die Zulässigkeit einer Internetwerbung der Antragsgegnerin,
die eine mittlerweile in Deutschland bekannte Billigfluglinie betreibt.
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Zum Angebot der Antragsgegnerin gehören auch Flüge, deren Abflugort der Flughafen
Niederrhein bei Weeze ist. Dieser im Regierungsbezirk Düsseldorf gelegene Flughafen
ist am 1.Mai 2003 für den privaten Flugverkehr geöffnet worden und wird seitdem von
Antragsgegnerin angeflogen, worüber in der Presse - wie aus den Anlagen AG 18 - AG
24 ersichtlich - berichtet wurde. Er liegt ca. 70 km bis 80 Km nordwestlich von
Düsseldorf unweit der holländischen Grenze und ist von Düsseldorf aus sowohl über
das Autobahnnetz als auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Bahn) zu erreichen. Eine
Zugfahrt von Düsseldorf zum Bahnhof Weeze dauert ca. 80 Min. Zwischen dem Bahnhof
Weeze und dem Flughafen verkehrt ein Shuttlebus, der auf die Flugzeiten und
Zugverbindungen abgestimmt ist.
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Für ihre Flüge von Niederrhein nach London wirbt die Antragsgegnerin im Internet wie
nachstehend wiedergegeben: [Hier folgt eine Abbildung.]
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Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die Verwendung der Bezeichnung
"Niederrhein (Düsseldorf)" gegen § 3 UWG verstößt. Sie sei irreführend, da der
Verbraucher davon ausgehe, dass der Flughafen in unmittelbarer Nähe von Düsseldorf
gelegen sei.
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Auf ihren Antrag hat das Landgericht Köln mit Beschluß vom 28.05.03 - 33 O 193/03 -
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der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel für den Fall der
Zuwiderhandlung untersagt,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in der Bundesrepublik
Endverbrauchern gegenüber, wie vorstehend wiedergegeben, Flugreisen unter
der Angabe einer Flughafenbezeichnung "Niederrhein (Düsseldorf)" als
Abflughafen zu bewerben.
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Nachdem die Antragsgegnerin gegen diese einstweilige Verfügung Widerspruch
eingelegt hat, beantragt die Antragstellerin nunmehr,
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- wie erkannt - .
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 28.05.03 - 33 O 193/03
- aufzuheben und den auf ihren Erlaß gerichteten Antrag zurückzuweisen.
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Die Antragsgegnerin behauptet, der mit "Niederrhein (Düsseldorf)" bezeichnete
Flughafen liege im Einzugsgebiet von Düsseldorf. Er sei von Düsseldorf über das
Autobahnnetz in durchschnittlich 40 Min. zu erreichen. Die Anreise mit öffentlichen
Verkehrsmitteln sei unproblematisch. Der Verbraucher werde auch über die Lage des
Flughafens in den Internetseiten der Antragsgegnerin hinreichend aufgeklärt. Durch die
Presseberichterstattung sei der Verbraucher zudem ausreichend über den neuen
Flughafen informiert worden. Überhaupt sei dem Verbraucher aus der umfangreichen
Presseberichterstattung über die Geschäftstätigkeit der Antragsgegnerin mittlerweile
bekannt, dass die Antragsgegnerin bevorzugt die Infrastruktur kleinerer Flughäfen
außerhalb der großen Metropolen nutzte.
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Wegen der näheren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Antragsgegnerin
wird ergänzend Bezug genommen auf ihre Schriftsätze vom 5.06.2003 (Bl. 25 ff. d.A.)
und vom 25.06.2003 (Bl. 167 ff d. A.).
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Entscheidungsgründe:
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Die einstweilige Verfügung war zu bestätigen, weil ihr Erlaß auch nach dem weiteren
Vorbringen der Parteien gerechtfertigt war.
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Der Verfügungsanspruch der Antragstellerin folgt aus § 3 UWG.
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Auf Grund dieser Vorschrift kann die Antragstellerin von der Antragsgegnerin
Unterlassung der beanstandeten Verwendung der Bezeichnung "Niederrhein
(Düsseldorf)" für den am Niederrhein bei Weeze gelegenen Flughafen verlangen. Diese
ist geeignet, einen nicht unbeachtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise über
die Lage und Erreichbarkeit des so benannten Flughafens in die Irre zu führen.
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Unstreitig liegt der Flughafen Niederrhein mehr als 70 km von Düsseldorf entfernt. Eine
Autofahrt von Düsseldorf bis Weeze dauert mindestens 40 Minuten, in Zeiten mit hohem
Verkehrsaufkommen sicherlich deutlich länger. Die durchschnittliche Dauer einer
Zugfahrt von Düsseldorf nach Weeze liegt bei ca. 80 Minuten, wobei die Transferzeit
vom Bahnhof zum Flughafen noch nicht eingerechnet ist.
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Dies offenbart die beanstandete Werbung der Antragsgegnerin indes nicht. Vielmehr
suggeriert sie dem Leser die unzutreffende Vorstellung, daß der als "Niederrhein
(Düsseldorf)" bezeichnete Flugplatz in der Nähe der Stadt Düsseldorf liegt. Denn die
eigentliche Bezeichnung des weithin unbekannten Flughafens "Niederrhein" ist zur
näheren Lokalisierung ungeeignet, weil Niederrhein eine Region und kein Ort ist. Dies
führt dazu, dass sich der angesprochene Verkehr, zu dem auch die Kammermitglieder
gehören, an der konkreten Ortsangabe (Düsseldorf) orientiert und den Flughafen
jedenfalls in der Nähe von Düsseldorf vermutet. Von Nähe zu Düsseldorf kann aber bei
einem nahe der holländischen Grenze bei Nijmwegen gelegenen Ort keine Rede sein.
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Die Kammer verkennt dabei nicht, dass der durchschnittlich informierte kritische
Verbraucher daran gewöhnt, dass im Inland Flughäfen typischerweise zwecks
geographischer Zuordnung zumindest auch den Namen der nächstgelegenen Großstadt
führen. Der Verbraucher weiß auch, dass dies nicht bedeutet, daß diese Flugplätze im
Stadtgebiet selber oder in dessen unmittelbarer Nähe liegen. Den angesprochenen
Verkehrskreisen ist jedoch bekannt, daß solche Flugplätze jedenfalls in dem der
genannten Stadt zuzuordnenden Großraum liegen. Der Ort Weeze kann aber keinesfalls
dem Großraum oder auch nur dem Einzugsgebiet der Stadt Düsseldorf zugeordnet
werden, wie die Kammermitglieder aus eigener Anschauung wissen. Man kann hier
nicht Maßstäbe zugrunde legen, die vielleicht für Weltstädte wie London oder New York
mit mehreren Millionen Einwohnern gelten. Dort mögen Flughäfen in einer Entfernung
von 70 Kilometern und mehr noch zum jeweiligen Großraum zählen. Auch für deutsche
Millionenstädte mit einem weiten Umland wie Berlin und München mögen andere
Verkehrserwartungen bestehen. Der Raum um Düsseldorf ist demgegenüber durch eine
starke Verstädterung mit mehreren weiteren Großstädten geprägt, so dass bereits
zweifelhaft ist, ob man überhaupt von einem "Großraum Düsseldorf" sprechen kann.
Eine solcher Großraum reicht aber sicherlich nicht über Stadtgrenzen von Duisburg,
Krefeld und Mönchengladbach hinaus.
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Die Antragsgegnerin kann sich auch nicht darauf berufen, daß die IATA (International
Air Transport Association) den Flughafen Niederrhein dem "Großraum Düsseldorf"
zuordnet. Die weithin unbekannten Zuordnungen der IATA prägen nicht das
Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise.
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Der Verbraucher wird auf den Internetseiten der Antragsgegnerin über Lage und
Erreichbarkeit des Flughafens nicht hinreichend aufgeklärt. Grundsätzlich ist davon
auszugehen, dass Informationen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem
Angebot zur Verfügung gestellt werden, von den mit dem Internet vertrauten Nutzern
abgerufen werden und daher einer Irreführung entgegen wirken können. Dem
interessierten Internetnutzer werden die erforderlichen Informationen über Lage und
Erreichbarkeit des Flughafens Niederrhein jedoch nicht im unmittelbaren
Zusammenhang mit dem Angebot zur Verfügung gestellt, so dass er auf sie leicht
zugreifen kann, sondern nur durch mehrfaches Hin- und Herklicken auf den Seiten der
Antragsgegnerin, ohne dass dem Nutzer der Weg vorgegeben wird, auf dem er zu den
Informationen gelangen kann. Es bleibt damit dem Zufall überlassen, ob der Nutzer die
notwendigen Informationen erhält oder nicht.
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Der Verbraucher ist auch nicht bereits durch die Presseberichterstattung hinreichend
aufgeklärt. Die vereinzelten Presseberichte, die die Antragsgegnerin vorgelegt hat, sind
keinesfalls geeignet, die notwendige Aufklärung zu leisten. Dies belegt bereits die
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Tatsache, dass den Kammermitglieder selbst, die sowohl die regionale als auch die
überregionale Presse durchaus zur Kenntnis nehmen, der Flughafen Niederrhein bisher
unbekannt war.
Die Antragsgegnerin kann sich auch nicht darauf berufen, der verständige Verbraucher
sei bereits an die Praxis der Antragsgegnerin gewöhnt, die entlegenen Flugplätze, von
denen sie abfliegt um Kosten zu sparen, nach einer mehr oder weniger weit entfernten
Großstadt zu benennen. Es mag zutreffen, dass die Berichterstattung über die
Flughafenbezeichnung des ehemaligen Militärflugplatzes Hahn im Hunsrück von weiten
Teilen der Bevölkerung zur Kenntnis genommen worden ist. Dies mag auch zu einer
gewissen Skepsis gegenüber den Werbeaussagen der Antragsgegnerin geführt haben.
Hieraus nun zu folgern, der deutsche Endverbraucher würde den Ortsangaben der
Antragsgegnerin überhaupt keine Bedeutung beimessen, ist aber zu weitgehend. Eine
solche Feststellung dürfte auch kaum im Interesse der Antragsgegnerin liegen und wird
auch nicht der Tatsache gerecht, dass irreführende Werbeaussagen von den deutschen
Gerichten im allgemeinen nicht toleriert werden, was dem Verbraucher bekannt ist und
daher sein Verkehrsverständnis prägt. Im übrigen gibt es mittlerweile andere
Billigfluglinien, die durchaus die bekannten Großflughäfen anfliegen, was auch der
informierte Verbraucher weiß.
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Diese Irreführung des Verkehrs über die geographische Lage des Flughafens
Niederrhein ist auch wettbewerbsrechtlich relevant. Für die Entschließung, einen Flug
mit einer bestimmten Fluggesellschaft von einem bestimmten Flughafen aus anzutreten,
ist in der Regel gerade die Lage des Flughafens von Bedeutung, da diese - wie
aufgezeigt - Rückschlüsse auf die Dauer und die Umstände der stets notwendigen An-
und Abreise zum jeweiligen Flughafen zuläßt. Dem kann auch nicht entgegengehalten
werden, dass sich ein durchschnittlicher Verbraucher, der bislang mit dem Flughafen
Niederrhein keine geographische Vorstellung verbunden hat, vor einer entsprechenden
Buchung über An- und Abreisemöglichkeiten kundig machen wird. Gerade durch den
Zusatz "(Düsseldorf)" schafft die Antragsgegnerin die Gefahr, daß ein potentieller Kunde
auf solche Erkundigungen verzichtet, weil er damit rechnet, dass der Flughafen in der
Umgebung von Düsseldorf liegt und von dort gut erreichbar ist. Dies liegt um so näher je
preisgünstiger das Angebot ist. Bei einem Flugpreis von 15,-- EUR kann man schon
einmal erst buchen und dann genauer hinschauen, zumal man bei Billigflügen häufig
schnell zugreifen muß, um das günstigste Angebot zu bekommen. Im übrigen ist die
irreführende Flughafenbezeichnung jedenfalls geeignet, bei dem angesprochenen
Verbraucher eine Fehlvorstellung zu bilden, die dazu führt, dass er sich mit dem
Angebot überhaupt beschäftigt, was er bei zutreffender Angabe nicht gemacht hätte.
Dies genügt aber im Regelfall bereits, um eine relevante Irreführung anzunehmen (vgl.
Baumbach/Hefermehl, 22. Aufl., § 3 UWG Rz 93).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus Sinn und Zweck der
einstweiligen Verfügung.
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Streitwert: 15.000,-- EUR
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