Urteil des LG Köln vom 11.09.2003

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Landgericht Köln, 31 O 679/01
Datum:
11.09.2003
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
31. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
31 O 679/01
Tenor:
I. Die Beklagte wird verurteilt,
es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €,
ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu
unterlassen,
das Arzneimittel „L 250 Comprimidos“ spanischen Ursprungs für den
Vertrieb in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung „L
PRO“ anzubieten, abzugeben, feilzuhalten oder sonst in den Verkehr zu
bringen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung beträgt
- hinsichtlich der Unterlassung 250.000 €,
- hinsichtlich der Kosten 20.000 €.
Tatbestand
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Die Parteien stellen her und vertreiben Arzneimittel. Die Klägerin vertreibt in
Deutschland u.a. unter der Bezeichnung "L PRO" ein auf sie zugelassenes Antibiotikum
mit dem Wirkstoff Clarithromycin. Die kleinste Packungsgröße N1 enthält zwölf
Filmtabletten. Daneben vertreibt sie auch das Arzneimittel "L", welches in den
Packungsgrößen 10 und 20 Filmtabletten im Verkehr ist. "L PRO" unterscheidet sich
von "L" durch die doppelte Dosierung am ersten Tag – zweimal 500 mg – sowie durch
die besonders gestaltete innere Durchdrückpackung (Blister). Der Blister ist auf der
Vorder- und Rückseite mit den Einnahmetagen (Tag 1 bis 5) gekennzeichnet. Zudem
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sind die beiden Kammern für Tag 1 so gestaltet, dass dort jeweils zwei Tabletten Platz
finden und beim Durchdrücken gemeinsam herausfallen. Hierdurch wird die
Zuverlässigkeit, mit der die therapeutischen Anweisungen – nämlich doppelte
Dosierung am ersten Tag – befolgt werden, die sog. Compliance, gefördert. Während
die Klägerin "L" in verschiedenen Ländern vertreibt, bietet sie "L PRO" nur in
Deutschland an. Die Klägerin hält in Deutschland die ausschließlichen Nutzungsrechte
für die Marke L, die im Eigentum der Firma M, U.S.A., steht.
Die Beklagte vertreibt in Deutschland unter der Bezeichnung "L PRO" ein Arzneimittel,
das die Klägerin in Spanien unter der Bezeichnung "L 250 Comprimidos" auf den Markt
gebracht hat. Es handelt sich dabei um einen Blister mit zwölf Kammern, in denen
jeweils eine Filmtablette mit 250 mg steckt.
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Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte verletzte ihre Rechte an der Marke "L", indem
sie die Originalverpackung des spanischen Präparats mit der Bezeichnung "L PRO"
überklebe. Ihre Markenrechte seien auch nicht erschöpft, denn das spanische
Arzneimittel sei in Deutschland unter der Bezeichnung "L" voll verkehrsfähig.
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Die Klägerin beantragt,
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wie erkannt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Ansicht, sie sei arzneimittelrechtlich gehindert, das spanische Präparat "L
250 Comprimidos" in Deutschland unter dem Namen "L" zu vertreiben, da es dann zwei
Packungsgrößen (zwölf bzw. 10 Tabletten) und auch zwei Dosierschemata mit gleichem
Namen gebe. Vertreibe sie aber die Packung mit zwölf Tabletten mit demselben
Dosierschema wie die Packung mit zehn Tabletten – nämlich zwei Tabletten pro Tag –,
dann werde sich der Arzt in aller Regel auch an diese Dosierung halten, womit die
Beklagte von einem bedeutenden Teilmarkt ausgeschlossen sei. Denn "L PRO" und
das damit verbundene neue Dosierschema seien inzwischen weit verbreitet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 21.3.2002 (Bl. 209 d.A.)
durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Bundesinstituts für Arzneimittel und
Medizinprodukte. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf dessen
Stellungnahme vom 9.4.2003 (Bl. 247 d.A.) verwiesen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist begründet.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch im beantragten
Umfang aus § 14 Abs. 5, 2 Nr. 2 MarkenG.
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Die Beklagte verletzt Markenrechte der Klägerin, indem sie deren Arzneimittel "L 250
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comprimidos" aus Spanien nach Deutschland importiert und hier in "L PRO"
umetikettiert. Damit versieht sie eine von der Markeninhaberin gekennzeichnete Ware
mit einer anderen, von der Klagemarke abweichenden Bezeichnung, ohne dazu
autorisiert zu sein. Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich bei "L PRO" um
eine einheitliche – andere – Kennzeichnung, und nicht etwa um die klägerische Marke
"L" mit einem nur beschreibenden Zusatz "PRO". Zwar deutet "PRO" an, dass eine
Besonderheit des so gekennzeichneten Produkts gegenüber dem Arzneimittel "L"
besteht, doch bleibt offen, worin diese Besonderheit besteht. Anders als beim Zusatz
"forte", der bei Arzneimitteln regelmäßig auf eine höhere Wirkstoffdosierung hinweist,
kann der Verkehr bei "PRO" nicht erkennen, was dieses Arzneimittel auszeichnet. Im
Übrigen ist die Unversehrtheit und Eigentümlichkeit einer Marke bei jeglicher
Erweiterung, gleich ob beschreibender oder origineller Natur, betroffen. Demgemäß hat
der EuGH in dem zusätzlichen Aufdruck "forte" im Ansatz einen Eingriff in die
Markenrechte des Zeicheninhabers gesehen (EuGH WRP 1996, 867, 868 – "Eurim
Pharm").
Eine Erschöpfung nach § 24 Abs. 1 MarkenG ist dadurch, dass die Klägerin das von der
Beklagten parallelimportierte Arzneimittel in Spanien in Verkehr gebracht hat, nicht
eingetreten. Denn diese Vorschrift greift nicht ein, wenn der Parallelimporteur die
ursprüngliche Marke durch eine andere ersetzt (BGH WRP 2002, 1163 – Zantac/Zantic).
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Die markenrechtlichen Verbietungsrechte der Klägerin wären demnach allenfalls im
Hinblick auf höherrangiges Recht einzuschränken, wenn dies zu einer mit den Art. 28,
30 EGV unvereinbaren künstlichen Abschottung der nationalen Märkte und damit zu
einer verschleierten Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedsstaaten führen
würde. Hiervon ist nach der Rechtsprechung des EuGH auszugehen, wenn die
Veränderung der Marke der Klägerin in der beanstandeten Form für einen tatsächlichen
Zugang zum Markt des Einfuhrstaats objektiv erforderlich ist, wenn also im Einfuhrstaat
bestehende Umstände den Importeur objektiv dazu zwingen, die ursprüngliche Marke
durch eine im Einfuhrmitgliedstaat benutzte Marke zu ersetzen, um das betreffende
Produkt in diesem Staat in den Verkehr bringen zu können. Eine objektive Zwangslage
ist gegeben, wenn Regelungen (rechtliche Hindernisse) oder Praktiken (tatsächliche
Hindernisse) – und nicht nur wirtschaftliche Nachteile – im Einfuhrmitgliedstaat den
Vertrieb der Ware unter der ursprünglichen Marke verhindern (EuGH WRP 1996, 867,
872 – "Eurim Pharm"; WRP 1999, 1264, 1268 – "Pharmacia & Upjohn").
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Nach diesen Grundsätzen steht zum einen fest, dass die bloße Tatsache, dass die
Klägerin mit ihrem nur in Deutschland vertriebenen Präparat "L PRO" einen ganz
wesentlichen Teilmarkt geschaffen hat, nicht ausreicht, um ihre Verbietungsrechte
einzuschränken. Die Beklagte mag zwar ein wirtschaftliches Interesse daran haben,
auch auf diesem bedeutsamen Teilmarkt aktiv zu sein, doch handelt es sich insoweit nur
um von ihr erstrebte wirtschaftliche Vorteile, die anders als rechtliche oder tatsächliche
Hindernisse außer Betracht zu bleiben haben.
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Zweitens ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte rechtlich oder tatsächlich
gezwungen wäre, auf die Bezeichnung "L PRO" für "L 250 Comprimidos"
zurückzugreifen. Nach der Beweisaufnahme steht fest, dass die spanische Bezeichnung
auch in Deutschland aus arzneimittelrechtlicher Sicht erhalten bleiben könnte, wenn die
Stärken- bzw. Darreichungsformangabe hinzugefügt wird, also "250 mg, Tabletten". Die
Bedenken der Beklagten, dass es zu einer Verkürzung dieser Bezeichnung in der Lauer
Taxe kommen könnte, die ihrerseits zu Fehlzuordnungen führen könnte, teilt die
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Kammer nicht.
Schließlich liegt aber auch keine künstliche Marktabschottung deswegen vor, weil "L
PRO" von der Klägerin nur auf dem deutschen Markt vertrieben wird. Denn bei diesem
Arzneimittel handelt es sich um ein anderes als bei "L". Die unterschiedliche Dosierung
(doppelte Initialdosis) führt trotz der stofflichen Identität dazu, dass zwei verschiedene
arzneimittelrechtliche Zulassungen erforderlich sind und es sich damit
arzneimittelrechtlich und auch markenrechtlich um verschiedene Waren handelt (OLG
Hamburg, Urt. v. 21.11.02, MD 2003, 470, 473f.).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.
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Streitwert: 250.000 €
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