Urteil des LG Köln vom 16.07.2003

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Landgericht Köln, 90 O 68/01
Datum:
16.07.2003
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
10. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
90 O 68/01
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird festgestellt, daß die Beklagte das mit
Vereinbarung vom 20.03.2000 - Anlage K 2 zur Klageschrift -
verabredete und auf die Planung und Implementierung einer Netzwerk-
Infrastruktur gerichtete Werk der Klägerin am 12.12.2000 nicht
abgenommen hat.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der zu
vollstreckenden Kosten vorläufig vollstreckbar.
T A T B E S T A N D :
1
Die Klägerin ist im Bereich der Planung von Computernetzwerken tätig. Ihr
Tätigkeitsbereich reicht von der Planung eines Netzwerkes bis zur vollständigen
Projektierung und Durchführung. Daneben verkauft sie Hard- und Software und bietet
damit verbundene Dienstleistungen und Schulungen an.
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Die Beklagte ist im Bereich der Softwareentwicklung tätig und beauftragte die Klägerin
am 20.05.2000 mit der Planung und Implementierung einer Netzwerkinfrastruktur
inklusive neuer Serverfarm.
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Ausweislich der im Auftrag dargestellten Rahmenziele umfasste die vereinbarte
Leistung neben der Beratung der ausführenden Elektrofirma im wesentlichen die
Entwicklung und Implementierung eines Sicherheitskonzeptes sowie die Einbindung
des Außendienstes in das Netzwerk.
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Die Lieferung von Netzwerkrechnern und dazugehöriger Software war nicht von diesem
Auftrag umfaßt. Ausweislich des Auftrags setzte die Beklagte den Finanzrahmen für die
Planung und Implentierung einer Netzwerkinfrastruktur inklusive neuer Serverfarm auf
200.000,00 DM fest.
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200.000,00 DM fest.
Die Klägerin macht mit der vorliegende Klage mehrere noch offenstehende
Rechnungen aus diesem Auftragsverhältnis gegenüber der Beklagten geltend.
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Sie behauptet, die im Auftrag vorgesehenen Leistungen ordnungsgemäß erbracht zu
haben. Daneben habe die Beklagte bei der Klägerin zusätzlich Computer bzw.
Computerteile bestellt.
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Sie verlangt die Bezahlung von insgesamt 18 Rechnungen über einen Gesamtbetrag
180.726,02 DM. Hiervon bringt die Klägerin zugunsten der Beklagten zwei Gutschriften
über einen Betrag von 15.404,80 DM und einen Betrag von 3.712,00 DM in Abzug.
Außerdem eine Akontozahlung in Höhe von 46.400,00 DM.
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Wegen der Einzelheiten der geltend gemachten Rechnungen und der abgezogenen
Gutschriften bzw. Akontozahlung wird auf Seite 2 - Seite 8 der Klageschrift (Blatt 2 - 8
der Akten) Bezug genommen.
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Außerdem verlangt die Klägerin auf die Klageforderung entfallende Verzugszinsen in
Höhe von 11,75 %, weil sie insoweit Bankkredit in Anspruch genommen hat.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen,
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an die Klägerin 115.209,22 DM nebst 11,75 % Zinsen seit dem 03.01.2001 zu
zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Widerklagend beantragt die Beklagte,
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festzustellen, daß die Beklagte das mit Vereinbarung vom 20.03.2000
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-Anlage K 2 zur Klageschrift- verabredete und auf die Planung und
Implementierung einer Netzwerkinfrastruktur gerichtete Werk der Klägerin am
12.12.2000 nicht abgenommen habe.
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Die Klägerin beantragt,
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die Widerklage abzuweisen.
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den zunächst erhobenen Einwand der Bezahlung bezüglich der auf Seite 2 ihres
Schriftsatzes vom 09.07.2001 (Blatt 20 der Akten) angegebenen Rechnungen der
Klägerin hat die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 10.12.2001 (Blatt 126 - 129 der
Akten) aufgegeben und die Rechnungen als solche unstreitig gestellt.
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Desweiteren verteidigt sich die Beklagte damit, daß die Klägerin den im Auftrag
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festgeschriebenen Finanzrahmen von 200.000,00 DM bei weitem überschritten habe.
Eine solche Überschreitung des Finanzrahmens sei nur durch Genehmigung der
Geschäftsleitung der Beklagten zulässig. Diese sei nicht erfolgt.
Ferner rügt die Beklagte die mangelnde Fälligkeit der Rechnungsforderungen, da die
Werkleistung nicht abgenommen worden sei, weil die erbrachte Werkleistung
unvollständig und mangelhaft sei.
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Wegen der Einzelheiten der geltend gemachten Mängel wird auf den Vortrag der
Beklagten im Schriftsatz vom 10.12.2001 unter Ziffer II., Seiten 2 - 24 (Blatt 88 - 110 der
Akten) verwiesen. Die Beklagte rügt sowohl Mängel hinsichtlich der Entwicklung und
Implementierung des in Auftrag gegebenen Sicherheitskonzeptes sowie der Einbindung
des Außendienstes in das Netzwerk als auch hinsichtlich der gelieferten Hardware
sowie hinsichtlich der Ausführung der leitungstechnischen Arbeiten. Schließlich rügt sie
nicht erbrachte Leistungen und Lieferungen des Auftrags.
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Die Klägerin behauptet, daß die Klägerin Anfang Mai 2000 den Projektleiter der
Beklagten, den Zeugen T, im Hinblick auf die gewünschten Änderungen darauf
hingewiesen habe, daß eine derartige Änderung im Rahmen des ursprünglich
angedachten Finanzrahmens nicht möglich sei, wobei die Beklagte in der zweiten Mai-
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woche, als die Änderungen vorgenommen worden seien, diese trotz des Entstehens
höherer Kosten gebilligt habe.
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Ferner habe der Geschäftsführer der Beklagten in einem Gespräch am 12.12.2002 trotz
der ursprünglich vereinbarten Tagespauschale für die Dienstleitungen in Höhe von
1.400,00 DM erklärt, er sei lediglich bereit, hierfür einen gesamten Pauschalbetrag in
Höhe von 40.000,00 DM netto zu bezahlen. Auf den Hinweis der Klägerin, den
Werkvertrag im Hinblick auf die noch offenstehenden Rechnungen für gelieferte Werke
kündigen zu wollen, habe der Geschäftsführer der Beklagten zugesichert, diese
Rechnungen bis zum 15.12.2000 zu bezahlen.
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Außerdem sei bei diesem Gespräch die gesamte projektbezogene Werkleistung der
Klägerin als funktionsfähig und im wesentlichen vertragsgemäß abgenommen worden.
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Schließlich ist die Klägerin den Mängelrügen der Beklagten entgegengetreten und rügt
ihrerseits, daß sie diese nicht bei der Abnahme vorbehalten habe bzw. daß sie gemäß
§§ 377, 378 HGB damit ausgeschlossen sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
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Das Gericht hat gemäß Beweisbeschluß vom 24.04. und 17.02.2002 Beweis erhoben
durch Zeugenvernehmung und Einholung eines Sachverständigengutachtens.
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Wegen des Ergebnisses der Zeugenvernehmung wird auf die Sitzungsniederschrift vom
05.06.2002 (Blatt 236 - 245 der Akten) verwiesen. Wegen des eingeholten
Sachverständigengutachtens wird auf die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen
Dr. I vom 07.01.2003 (Blatt 303 - 315 der Akten) und vom 20.03.2003 (Blatt 331 - 335 der
Akten) verwiesen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
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Die Klage ist unbegründet.
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Die Zwischenfeststellungswiderklage ist gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zulässig und
begründet.
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I.
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Die Klage war abzuweisen.
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Zwar bestehen die mit der Klage geltend gemachten Werklohn- bzw.
Kaufpreisansprüche aus den einzelnen, der Klageschrift zugrundeliegenden
Rechnungen; denn aufgrund der Ausführungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom
10.12.2001 (Blatt 126 - 129 der Akten) ist davon auszugehen, daß diese
Rechnungsforderungen als solche unstreitig sind und der zunächst von der Beklagten
erhobene Zahlungseinwand sich inzwischen als unberechtigt herausgestellt hat.
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Soweit sich die Beklagte gegen die Klageforderung mit einer nicht gebilligten
Überschreitung des verbindlich festgelegten Finanzrahmens verteidigt, so ist zwar
einerseits nach der Beweisaufnahme nicht von der vertraglich vorgesehenen
ausdrücklichen Genehmigung seitens der Geschäftsleitung der Beklagten auszugehen,
andererseits spricht der nach der Beweisaufnahme feststehende Umstand, daß die
Geschäftsleitung wußte, daß dieser Finanzrahmen überschritten wurde und dennoch
die Klägerin weiterarbeiten ließ, dafür, daß von einer konkludenten Genehmigung der
Überschreitung des Finanzrahmens auszugehen ist. So hatte der Zeuge L, der auf
Seiten der Klägerin als technischer Leiter fungierte, ausgesagt, daß anläßlich eines
Gesprächs, als die bestellten Server fast fertig waren und im Hause der Klägerin
gestanden hätten, und auch später, als sich herausgestellt habe, daß der zu
implementierende SQL-Server nicht ausgereicht habe für das weiter einzustellende
Personal, er, der Zeuge L, die Zeugen T und N darauf hingewiesen habe, daß die
maximal veranschlagte Auftragssumme von 200.000,00 DM dann nicht mehr ausreiche.
Auch wenn der Zeuge T dabei nach der Bekundung des Zeugen L eine Abklärung
diesbezüglich mit der Geschäftsleitung für notwendig erklärt habe, ohne daß es dazu in
seinem Beisein gekommen ist, so hat die Beklagte die Weiterarbeit der Klägerin nicht
gestoppt. Stattdessen hat der Zeuge T während der Implementierungsphase erklärt, die
Genehmigung der Überschreitung des Finanzrahmens durch die Geschäftsleitung gehe
in Ordnung. Dabei kann es keine Rolle spielen, daß in diesem Rahmen keine Beträge
genannt worden sind und eine Überschreitung des Finanzrahmens seitens der
Geschäftsleitung genehmigungbedürftig war. Durch den tatsächlich einverständlichen
Vollzug der über den Finanzrahmen hinausgehenden Arbeiten hat die Beklagte eine
stillschweigende Genehmigung der Überschreitung des Finanzrahmens vollzogen.
Denn auch der Zeuge T hat bei seiner Vernehmung dieser Weiterarbeit nicht
widersprochen, auch, wenn er betont hat, für eine Entscheidung hinsichtlich der
Überschreitung des Finanzrahmens nicht befugt zu sein, sodaß er sich eine solche
Entscheidung auch nicht zugetraut habe. Diese einschränkenden Erklärungen des
Zeugen T vermögen jedoch nicht den seitens der Beklagten gesetzten
Vertrauenstatbestand hinsichtlich der Genehmigung der Überschreitung des
Finanzrahmens auszuräumen.
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Dennoch kann die Klägerin die Rechnungsforderung nicht durchsetzen, weil ihnen
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sowohl die fehlende Abnahme der diesen Rechnungen zugrundeliegenden Leistungen
nach §§ 640 Abs. 1, 641 Abs. 1 BGB als auch die Einrede des erfüllten Vertrages
gemäß § 320 BGB entgegenstehen. Dies gilt auch, soweit es sich um Ansprüche aus
Hardwarelieferungen handelt, die an sich nach Kaufrecht zu beurteilen sind. Denn auf
das gesamte streitgegenständliche Rechtsverhältnis ist Werkvertragsrecht anzuwenden.
Bei dem von den Parteien geschlossenen Vertrag vom 20.03.2000 handelt es sich um
einen zusammengesetzten Vertrag mit werkvertraglichen Schwerpunkten. Den Hauptteil
der vertraglich vereinbarten Leistung bilden die Erstellung und Implementierung eines
Sicherheitskonzepts und die Einbindung des Außendienstes in das Netzwerk der
Beklagten. Zur Umsetzung dieses Projektes waren zusätzlich die Lieferung von
Hardware-Produkten als auch leitungstechnische Arbeiten seitens der Klägerin
erforderlich. Sämtliche einzelnen vereinbarten Leistungen sollten nach dem Willen der
Parteien miteinander stehen und fallen. Sie bilden nach ihrem Willem insoweit eine
einheitliche Regelung, als das Interesse der Beklagten an der Durchführung der
Nebenleistungen, insbesondere der leitungstechnischen Arbeiten und der Lieferung von
Hardware-Produkten, von der erfolgreichen Durchführung der Hauptleistungen
abhängen sollte.
Dies ergibt sich eindeutig aus dem Inhalt des am 20.03.2000 geschlossenen Vertrags,
der als wesentliche Auftragsziele die Planung und Implementierung einer
Netzwerkinfrastruktur inklusive neuer Serverfarm im neuen Gebäude der Bewotec
(Beklagte) vorsah. Bei einem solchen gemischten Vertragsverhältnis entscheidet das
Recht der Schwerpunktleistung (vgl. BGHZ 2, 33; BGH NJW 1992, 2481 ff), hier also die
Erbringung dieser Werkleistung.
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Demgemäß bedurfte es der Abnahme der Gesamtleistung gemäß § 640 BGB.
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Zwar behauptet die Klägerin, diese sei bei dem Abschlußgespräch am 02.12.2000
erfolgt, was auch der Zeuge L bei seiner Vernehmung bestätigt hat. Der Zeuge L hat
nämlich bekundet, daß die Beklagte seit Juni 2000 bereits auf dem von der Klägerin
implementierten System gearbeitet habe, ohne daß die Beklagte Einwendungen gegen
seine Fertigstellungsanzeige erhoben habe, sodaß er insgesamt davon ausgegangen
sei, daß die Beklagte die Abnahme insgesamt als vertragsgemäß akzeptiert habe.
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Wenn dem der Zeuge T bei seiner Vernehmung widersprochen hat, weil es an einer
ausdrücklichen Billigung des Projekts als vertragsgemäß seitens der Beklagten gefehlt
habe, so geben an sich beide Aussagen nur die Einschätzung beider Zeugen wieder.
Auch wenn der Zeuge T darüberhinaus bekundet hat, daß seines Wissens eine
förmliche Abnahme nach der Gesamtfertigstellung vereinbart gewesen sei, so ist diese
Aussage ebenfalls nicht ausreichend, um die Frage nach der Abnahme zu entscheiden.
Denn auch wenn eine förmlliche Abnahme vorgesehen war, so ist eine stillschweigende
(konkludente) Abnahme nicht ausgeschlossen. Darauf hat die Kammer in ihrem
Hinweisbeschluss vom 17.07.2002 ausdrücklich hingewiesen. Zwar hat die Kammer
hierbei das Zustandekommen einer konkludenten Abnahme favorisiert.
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Aufgrund der überzeugenden Feststellungen des Sachverständige Dr. I läßt sich jedoch
diese Auffassung nicht mehr aufrechterhalten. Denn eine stillschweigende
(konkludente) Abnahme im Sinne der §§ 133, 157, 242 BGB setzt eine objektiv
vertragsgemäße Leistung voraus (vgl. Palandt-Sprau, 61. Auflage, § 640BGB, Rdnr. 4;
BGHZ 293, 163 f).
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Das heißt die Gesamtleistung muß objektiv im Wesentlichen vertragsgemäß sein. Das
ist nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Dr. I nicht der Fall.
Zwar hat er in seinem Hauptgutachten vom 07.01.2003 (Blatt 305 - 315 der Akten) nach
Durchführung eines Ortstermins eine veränderte Situation hinsichtlich der von der
Klägerin gegenüber der Beklagten erbrachten Leistungen vorgefunden, sodaß er im
wesentlichen ein Aktengutachten erstellen mußte (Blatt 307 der Akten). Denn die
einzelnen von der Beklagten gerügten Mängel an den Soft- und Hardware-Leistungen
(Blatt 308 - 312 der Akten) waren aufgrund dieser veränderten Situation nicht mehr
nachvollziehbar bzw. reproduzierbar. Diesen Standpunkt hat der Sachverständige auch
aufgrund der Einwendungen der Klägerin gegen das Hauptgutachten des
Sachverständigen vom 07.01.2003 in seinem Zusatzgutachten vom 20.03.2003 (Blatt
331 - 335 der Akten) bestätigt.
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Unabhängig davon hat der Sachverständige Dr. I sowohl in seinem Haupt- als auch in
seinem Ergänzungsgutachten festgestellt, daß das als Hauptbestandteil des
streitgegenständlichen Auftrags von der Klägerin zu erbringende Sicherheitskonzept
nicht bzw. mangelhaft erbracht worden ist (Blatt 310 oben, 313 Mitte und 314 der Akten
(Hauptgutachten) und Blatt 33, 334 der Akten (Ergänzungs-Gutachten)).
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Aus dem Auftragsschreiben der Beklagten vom 20.03.2002 (Anlage K 2, Blatt 1, 2
Anlageheft), das von beiden Seiten unterschrieben worden ist, also Vertragsinhalt
geworden ist, geht eindeutig hervor, daß die Klägerin von der Beklagten mit der
Entwicklung und der Implementierung eines Sicherheitskonzepts zur Absicherung des
lokalen Netzwerks gegenüber dem externen und öffentlichen Internet beauftragt worden
ist. Die Erbringung dieser Leistung hätte nach den nachvollziehbaren Feststellungen
des Sachverständigen bedeutet, daß die Klägerin die Sicherheitsanforderungen der
Beklagten aufgenommen, mit der Beklagten diskutiert, die verschiedenen Vor- und
Nachteile bzw. Sicherheitsrisiken erörtert und anschließend ihre Festlegung in
schriftlicher Form zusammengefaßt hätte. Diese Zusammenfassung hätte dann das
Sicherheitskonzept dargestellt (Blatt 310 oben der Akten). Ein solches
Sicherheitskonzept ist unstreitig jedoch nicht erstellt worden. Damit ist keine
Sollbeschaffenheit einer Technik zur Absicherung des Netzwerks der Beklagten
festgelegt worden (Blatt 310 oben der Akten). Ein solches vorher schriftlich definiertes
Sicherheitskonzept ist nach Auffassung des Sachverständigen erforderlich, damit die
notwendigen Sicherheitsmaßnahmen in das Datenverarbeitungssystem implementiert
werden können (Blatt 333 oben der Akten). Das erfordert nach Überzeugung des
Sachverständigen eine schriftliche Fixierung nicht erst als Abschluß und Dokumentation
des Projekts, sondern als Planungsgrundlage (Blatt 333 der Akten). Auch wenn sich die
Größe der zu erstellenden Netzwerkstruktur im Laufe des Projekts aufgrund der
Vergrößerung des Personalbestandes auf Seiten der Beklagten verändert hat, wie die
Klägerin einwendet, so mag dies zwar eine erschwerende Randbedingung sein, wie der
Sachverständige (Blatt 332 Mitte) ausführt, jedoch kein Grund, auf die Erstellung eines
Sicherheitskonzeptes ganz zu verzichten. Das macht auch nach Darstellung des
Sachverständigen Sinn. Denn ein Sicherheitskonzept erfaßt nach dem Stand der
Technik Punkte wie z.B. Absicherung der Server, Identifizierung der Benutzer
(Paßwörter), Absicherung der Schnittstellen des Netzwerkes nach außen, die auch
dann festgelegt werden können, wenn die Serverstruktur noch nicht endgültig und
abschließend feststeht. So hätte jedenfalls festgelegt werden können und müssen,
welche Sicherheitsanforderungen der Beklagten zu erfüllen sind, welche Dienste von
innerhalb des Netzes nach außen und umgekehrt hätten erreichbar sein müssen und
wie die Firewall grundsätzlich installiert werden soll (z.B. mit oder ohne demilitarisierte
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Zone). Auch den weiteren Einwand der Klägerin, daß sie erst später das
Sicherheitskonzept in der Projektdokumentation dargelegt und erläutert hätte, die sie
üblicherweise erst bei der Zahlung übergebe, hat der Sachverständige überzeugend im
Hinblick auf die klare Auftragslage (Entwicklung und Implementierung eines
Sicherheitskonzeptes) zurückgewiesen.
Auch wenn der Leistungsgegenstand im Hinblick auf die Implementierung dieses
Sicherheitskonzeptes nicht mehr vorhanden ist, so fehlt jedenfalls das
Sicherheitskonzept als Voraussetzung für eine solche Implementierung. Im übrigen
spricht nach Auffassung des Sachverständigen auch der Security-Scan-Bericht dafür,
daß es auch an der erforderlichen Implementierung eines ausreichenden
Sicherheitskonzeptes gefehlt hat. Denn mehrere Rechner waren ohne Anmeldung
erreichbar und mehrere andere Rechner waren über eine Anmeldung als Administrator
erreichbar, ohne mit einem Passwort abgesichert zu sein. Dabei waren auch
Festplattenlaufwerke sichtbar, wie die Bildschirm-Kopien gezeigt haben. Auch wenn es
nicht Aufgabe der Klägerin gewesen ist, die Vergabe von Nutzungsberechtigungen auf
den einzelnen Rechnern zu kontrollieren, so hätte im Rahmen der
Sicherheitskonzeption sichergestellt werden müssen, daß diese Rechner von außerhalb
des Netzwerkes überhaupt nicht erst sichbar gewesen wären (Blatt 333 der Akten).
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Die Kammer hat keinerlei Zweifel an diesen überzeugenden und nachvollziehbaren
Feststellungen des Sachverständigen. Auch die Parteien haben keinerlei Anhaltspunkte
dafür geliefert, daß hinsichtlich der Kompetenz des Sachverständigen oder seiner
Unparteilichkeit Bedenken bestehen.
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In Anbetracht der so erwiesenen unvollständigen bzw.mangelhaften Hauptleistung des
streitgegenständlichen Auftrages kann nicht von einer stillschweigenden, konkludenten
Abnahme im Anschluß an das Gespräch vom 12.12.2000 ausgegangen werden.
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Die Beklagte ist deshalb auch nicht gemäß § 640 Abs. 4 BGB mit ihrer Mängelrüge
ausgeschlossen, ebensowenig nach §§ 377 Abs. 2, 378 HGB, weil, wie eingangs
ausgeführt worden ist, von der Anwendung von Werkvertragsrecht auszugehen ist, auf
das nur ausnahmsweise die Regeln der §§ 377, 378 HGB Anwendung finden (vgl.
Baumbach-Hopt, 377 HGB, Rdnr. 1; BGH WM 92, 116; NJW 93, 2436).
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Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor.
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Schließlich steht dem Klageanspruch die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gemäß §
320 BGB entgegen, weil infolge des Fehlens des in Auftrag gegebenen
Sicherheitskonzepts eine wesentliche Leistung des Auftrags nicht erfüllt worden ist.
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Die Einrede kann auch gegenüber sämtlichen Rechnungsforderungen der Klägerin
entgegengehalten werden, auch soweit es sich um die Lieferung von Hardware- bzw.
Hardwareprodukten handelt; denn es handelt sich wie bereits ausgeführt, um einen
gemischten Vertrag, bei dem die Hauptleistung dem Werkvertragsrecht unterliegt und
sämtliche Leistungen nach dem Willen der Vertragsparteien in der Weise
zusammengehören, daß die Hardware-Leistungen nur im Hinblick darauf von der
Beklagten bestellt worden sind, daß das vertragliche Auftragsziel, die Entwicklung und
Implementierung eines Sicherheitskonzeptes, jedenfalls prinzipiell erreicht wird. Das ist
jedoch nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen nicht der Fall,
weil die Klägerin kein vorher festgelegtes Sicherheitskonzept entwickelt hat.
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Auch kann die Klägerin sich insoweit nicht auf § 320 Abs. 2 BGB berufen; denn wie sich
aus dem Vorstehenden ergibt, verstößt die Verweigerung der Zahlung seitens der
Beklagten nicht gegen Treu und Glauben; insbesondere auch nicht deshalb, weil es
sich bei der fehlenden Leistung der Klägerin, wie bereits ausgeführt, um einen
wesentlichen Hauptteil der in Auftrag gegebenen Leistung handelt.
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Schließlich kann die Klägerin sich auch nicht auf ein Schuldanerkenntnis der Beklagten
stützen. Zwar hat sie sich darauf berufen, daß der Geschäftsführer der Beklagten bei
dem Gespräch am 12.12.2000 zugesichert habe, die noch offenstehenden Rechnungen
bis zum 15.12.2000 zu bezahlen. Weder der Zeuge T noch der Zeuge L haben dies bei
ihrer Vernehmung bestätigt. Während der Zeuge T
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dazu überhaupt keine Aussagen gemacht hat, hat der Zeuge L lediglich bekundet, daß
bei dem Gespräch vom 12.12.2000 der Geschäftsführer der Beklagten erklärt habe, daß
er die Dienstleistungen nicht in der von der Klägerin verlangten Höhe zu zahlen bereit
sei, sondern allenfalls einen Pauschalbetrag von 40.000,00 bzw. 50.000,00 DM zahlen
wolle. Mit dieser Erklärung sei das Gespräch abgebrochen worden. Es sei seitens der
Beklagten nicht zugesichert worden, daß die offenstehenden Rechnungen für gelieferte
Geräte zu einem bestimmten Zeitpunkt gezahlt würden. Allerdings sei es früher zu
mehreren Gesprächen gekommen, bei denen der Geschäftsführer der Beklagten
ausdrücklich die Bezahlung der noch offenstehenden Rechnungen für gelieferte Geräte
zugesagt habe. Dies sei nur deshalb geschehen, weil die Klägerin das
Vertragsverhältnis habe kündigen wollen. Die Beklagte habe daher ein Interesse daran
gehabt, daß das Auftragsverhältnis fortgesetzt werde, obwohl festgestanden habe, daß
der veranschlagte finanzielle Auftragsrahmen überschritten gewesen sei.
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Allein diese Aussage des Zeugen L reicht nicht aus, um ein Schuldanerkenntnis der
Beklagten im Hinblick auf die Rechnungsforderungen anzunehmen, da es der
Beklagten lediglich darum gegangen ist, die Klägerin zu einem Fortsetzen ihrer Arbeiten
zu bewegen. Daß die Beklagte damit verbindlich eine Zahlungsverpflichtung begründen
wollte, kann nicht angenommen werden.
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Demgemäß war die Klage abzuweisen.
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II.
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Der Zwischenfeststellungswiderklage war dagegen stattzugeben.
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Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, ist am 12.12.2000 keine Abnahme
der Gesamtleistung der Klägerin durch die Beklagte erfolgt. Auch nicht eine
stillschweigende, konkludente Abnahme.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
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