Urteil des LG Köln vom 24.03.2006

LG Köln: strafbarkeit, gefahr

Landgericht Köln, 103-16/05
Datum:
24.03.2006
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
3. große Strafkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
103-16/05
Tenor:
In der Strafsache
w e g e n Bestechlichkeit und Vorteilsannahme
wird die Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen
abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des
Angeschuldigten trägt die Staatskasse.
G r ü n d e:
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Mit der Anklageschrift vom 20.04.2005 – 114 Js 109/02 StA Köln – wird dem
Angeschuldigten vorgeworfen, sich in seiner Funktion als Ratsmitglied der Stadt S.
durch den Abschluss von Beraterverträgen mit der A. AG am 06.04.2000 und der G.
GmbH, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der A. AG, am 26.06.2001 und
durch die Annahme auf der Grundlage des letztgenannten Vertrages sowie aus Anlass
dessen vorzeitiger Beendigung durch den gesondert verfolgten A. in der Zeit von
November 2001 bis Juli 2002 geleisteter Zahlungen und anderer geldwerter
Zuwendungen in Höhe von insgesamt 371.428,22 € der Vorteilsannahme gemäß § 331
StGB strafbar gemacht zu haben. Die Anklage geht dabei davon aus, dass der
Angeschuldigte als Ratsmitglied im S. ´er Stadtrat und Mitglied der R.-Ratsfraktion
Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2. c) StGB gewesen sei, und dass A. sich vor
dem Hintergrund der im Rat anstehenden Entscheidungen über die Privatisierung der
Abfallwirtschaftsbetriebe der Stadt S. durch Gründung der B Abfallwirtschaftsbetriebe S.
GmbH & Co.KG unter Beteiligung der A. AG zu 49,9 % mit dem Abschluss der
Beraterverträge und den Zahlungen jedenfalls das Wohlwollen des Angeschuldigten
habe erkaufen wollen, was der Angeschuldigte erkannt oder zumindest billigend in Kauf
genommen habe.
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Dem kann rechtlich nicht gefolgt werden. Die Kammer vermag die in der Anklage unter
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Bezugnahme auf den Beschluss der 7. großen Strafkammer des Landgerichts Köln vom
28.05.2003 – 114 Qs 5/03 – vertretene Auffassung von der Amtsträgereigenschaft des
Angeschuldigten in seiner Funktion als Ratsmitglied nicht zu teilen.
Als Mitglied des Stadtrates war der Angeschuldigte nach hiesiger Beurteilung nicht im
Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2. c) StGB dazu bestellt, bei einer Behörde oder bei einer
sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung
wahrzunehmen.
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Der Rat einer Gemeinde, die in ihrem Gebiet der ausschließliche und
eigenverantwortliche Träger der öffentlichen Verwaltung ist (§ 2 GO NW), ist, soweit die
Gesetze nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen, für alle Angelegenheiten der
Gemeindeverwaltung zuständig (§ 41 GO NW). Insoweit nehmen seine Mitglieder zwar
Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr, dies ungeachtet des in mancher Hinsicht
legislatorischen Charakters der Rechtssetzungstätigkeit des Rates auch soweit dieser
zur Regelung der Angelegenheiten der Selbstverwaltungskörperschaft Satzungen oder
Rechtsverordnungen erlässt (vergl. BVerfGE 65, 283, 289; BVerfG NJW 1993, 411). Die
Ratsmitglieder werden hierbei jedoch nicht aufgrund eines irgendwie gearteten Dienst-
oder Auftragsverhältnisses zum Staat, in das sie durch eine hierfür zuständige Stelle zu
aus der Staatsgewalt abgeleiteten und staatlichen Zwecken dienenden
Dienstverrichtungen berufen worden wären, tätig, wovon der Gesetzgeber für den Begriff
des "Amtsträgers" ausgegangen ist (Drucksache 7/550, S. 208), sondern als von den
Gemeindebürgern in geheimer, freier, allgemeiner, unmittelbarer und gleicher Wahl
gewählte (§ 42 GO NW) Vertreter der gesamten Bürgerschaft. Die Wahl erfüllt den
verfassungsrechtlichen Auftrag zur Schaffung einer repräsentativen Volksvertretung
gemäß Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG, durch die die Bürgerschaft die Verwaltung bestimmt (§ 40
GO NW). Die gewählten Kandidaten, die das ihnen erteilte Mandat nach §§ 35, 36
KWahlG NW angenommen haben, bilden den Rat als Hauptorgan der
Selbstverwaltungskörperschaft, sind aber nicht bei ihm bestellt. Die Annahme der Wahl
beendet den Wahlakt und führt ohne weiteres zur Mitgliedschaft in der Vertretung, die
sich in ihrer ersten Sitzung nach der Wahl bzw. nach Ablauf der gesetzlichen Wahlzeit
des bisherigen Rates konstituiert (§ 47 GO NW; Rehn/Cronauge, Gemeindeordnung für
Nordrhein-Westfalen, 2. Auflage der Loseblatt-Ausgabe, Bd. I, § 47, I.2., 22. Erg. Januar
1999). Der sodann gemäß § 67 Abs. 3 GO NW noch vorzunehmenden Einführung und
Verpflichtung der Ratsmitglieder durch den Bürgermeister kommt lediglich noch
deklaratorische Bedeutung zu (Rehn/Cronauge, a.a.O., § 67 IV.4., 23. Erg. Dezember
1999). Dass auch der Bürgermeister, der Bürgerschaft und Rat vertritt (§ 40 Abs. 2 GO
NW), in Urwahl zugleich mit dem Rat gewählt wird (§ 65 GO NW) kann die auf das
Fehlen einer "Bestellung" gestützte Verneinung der Amtsträgereigenschaft der
Ratsmitglieder nicht in Frage stellen, denn die Amtsträgereigenschaft des
Bürgermeisters, dem die Leitung und Beaufsichtigung des Geschäftsgangs der
gesamten Verwaltung übertragen ist und dem darüber hinaus unbeschadet der dem Rat
und seinen Ausschüssen zustehenden Entscheidungsbefugnisse die gesetzliche
Vertretung der Gemeinde in Rechts- und Verwaltungsgeschäften obliegt, ergibt sich
bereits aus seiner Stellung als kommunaler Wahlbeamter (§ 62 GO NW), auf den das
Landesbeamtengesetz Anwendung findet.
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Auch bei weiterer historischer Betrachtung ergibt sich nichts dafür, dass der
Gesetzgeber Ratsmitglieder unter den strafrechtlichen Begriff des Amtsträgers fassen
wollte. Soweit er in der Gesetzesbegründung nach der im Eingang erfolgten
Klarstellung, dass der neue Begriff des Amtsträgers sachlich im wesentlichen mit dem
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bisherigen Begriff des Beamten im straf-rechtlichen Sinne übereinstimme und zwar
unter Berücksichtigung der weiten Auslegung, die dieser in der Rechtsprechung
erfahren habe, mit Hinweis auf die in der amtlichen Sammlung BGHSt 5, 105 f.
veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 24.11.1953 die
Abgeordneten der Parlamente aus dem Amtsträgerbegriff ausgeschieden hat, weil
Aufgaben der Gesetzgebung hier, d.h. bei der öffentlichen Verwaltung, nicht in Betracht
kämen, (Drucksache 7/550, S. 209), lässt sich dem nur entnehmen, dass aus der Sicht
des Gesetzgebers die Abgeordneten des Bundestages und der Landtage schon
deshalb nicht zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bestellt sein
können, weil diese Aufgaben, wie in der Begründung ebenfalls erläutert, in Abgrenzung
von der sonstigen staatlichen Tätigkeit, nämlich der Gesetzgebung wie auch der
Rechtsprechung (vergl. Art. 20 Abs. 2 GG) zu bestimmen sind. Nicht rechtfertigt dies
jedoch die Annahme, der Gesetzgeber würde im Umkehrschluss – wie das OLG
Braunschweig in seiner Entscheidung vom 10.06.1950 (MDR 1950, 629) und das
Oberverwaltungsgericht Münster in seiner Entscheidung vom 13.01.1954 (DVBl. 1954,
750 f.) - die kommunalen Volksvertreter als Amtsträger ansehen wollen. Zu
berücksichtigen ist insoweit, dass der Bundesgerichtshof in der in den
Gesetzesmaterialen in Bezug genommenen Entscheidung vom 24.11.1953 in
Anwendung des § 359 StGB damaliger Fassung eine Beamteneigenschaft des
Beisitzers einer Arbeitsgerichtsbehörde verneint und dazu u.a. ausgeführt hat, der
Laienrichter vertrete im Gericht die nicht rechtsgelehrte Bevölkerung, er beteilige sich an
der Rechtsprechung nicht aufgrund eines irgendwie gearteten Dienstverhältnisses zum
Staat, sondern als freies, wenn auch in einem bestimmten gesetzlichen Verfahren
ausgewähltes Mitglied der Volks- und Rechtsgemeinschaft und sei in dieser Rolle dem
Abgeordneten vergleichbar, der vom Volke gewählt, als Mitglied des Parlaments an der
gesetzgebenden Gewalt teilnehme und, obgleich er öffentlichrechtliche Befugnisse
ausübe, die staatlichen Zwecken dienten, anerkanntermaßen kein Beamter im
strafrechtlichen Sinne sei (BGHSt 5, 105 f.). Der Bundesgerichtshof hat damit das
Erfordernis eines "irgendwie gearteten Dienstverhältnisses" zum Staat betont und
zugleich deutlich gemacht, dass aus seiner Sicht ein solches Dienst- oder
Auftragsverhältnis durch öffentliche Wahlen zu einer Volksvertretung nicht begründet
wird, und zwar unabhängig vom konkreten Zuständigkeitsbereich, wie die
Gleichstellung des als freies, wenn auch in einem bestimmten gesetzlichen Verfahren
ausgewählten an der Rechtsprechung beteiligten Mitglieds der Volks- und
Rechtsgemeinschaft zeigt, das in dieser Rolle als dem vom Volk gewählten
Parlamentsmitglied vergleichbar angesehen wird. Als kommunale Mandatsträger sind
die Ratsmitglieder, die ihrerseits keine Parlamentarier sind, weil die
Gemeindevertretung insgesamt in erster Linie mit Verwaltungsaufgaben befasst und
damit kein Parlament im eigentlichen Sinne ist (BverfGE 65, 283, 289; 78, 344,
Rehn/Cronauge, a.a.O., § 43 GO I.1. 28. Erg. Oktober 2004 sowie § 42 GO II.2. 26. Erg.
Januar 2002), den Parlamentsmitgliedern noch mehr vergleichbar als die Laienrichter
bei den Arbeitsgerichtsbehörden. Ihre Rechtsstellung ist ganz maßgebend von dem
Umstand bestimmt, dass sie ebenso wie die Mitglieder der Landtage und des
Bundestages von den Bürgern in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und
geheimer Wahl gewählt werden. Sie sind darüber mit eigenen organschaftlichen
Rechten ausgestattet. Als Repräsentanten der Gemeindebevölkerung steht ihnen neben
dem Recht auf Abstimmung in der Volksvertretung auch ein Recht auf freie Rede,
Information und Antragstellung zu. Wie die Bundestags- und Landtagsabgeordneten
sind sie bei der Ausübung ihres Mandates frei, an Aufträge und Weisungen nicht
gebunden, nur ihrem Gewissen unterworfen und insoweit im Rahmen der Gesetze allein
nach ihrer Überzeugung mit Rücksicht auf das öffentliche Wohl zu handeln verpflichtet
(§§ 42, 43 GO). Zudem sind auch sie berechtigt, Fraktionen zu bilden, ohne einem
Fraktionszwang zu unterliegen, wobei die Finanzierung der Fraktionen wie auf Landes-
und Bundesebene aus Haushaltsmitteln erfolgt (§ 56 GO NW) (vergl. Rehn/Cronauge,
a.a.O., § 43 GO I.1. 28. Erg. Oktober 2004). Durch ihre Tätigkeit im Rat gewährleisten sie
die Teilhabe der Bürger an der Verwaltung und wirken an dem demokratischen Prozess
der Willensbildung innerhalb der Gemeinde mit. Sie bestimmen dabei das Wie der
gemeindlichen Selbstverwaltung und handeln insoweit nicht wie Beamte nach dem
Gesetz, sondern in den Schranken des Gesetzes nach ihrem politischen
Gestaltungswillen (vergl. auch Art. 28 Abs. 1 GG, Art. 30 Abs. 2 LV). Ihre Aufgabe
besteht nicht darin, gesetzliche Wertentscheidungen nachzuvollziehen, vielmehr sind
sie in den Grenzen höherrangigen Rechts zur eigenen Wertsetzung befugt. Trotz seiner
sich aus § 41 Abs. 1 Nr. 1 GO NW ergebenden Allzuständigkeit ist der Rat demnach
kein zum Gesetzesvollzug berufenes, sondern ein politisches Organ. Seine Beschlüsse,
für die das demokratische Prinzip der Stimmenmehrheit gilt (§ 50 Abs. 1 GO NW),
werden durch den Bürgermeister als Vollzugsorgan der Gemeinde umgesetzt, der das
persönliche und institutionelle Bindeglied zwischen hauptamtlicher Verwaltung und
ehrenamtlicher Politik bzw. Ratspolitik darstellt (vergl. Rehn/Cronauge, a.a.O., § 40 GO
II. 1., 2. 19. Erg. Februar 1997).
Unter Berücksichtigung all dessen kann auch der kommunale Mandatsträger für sich
beanspruchen, was der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung im Zusammenhang
mit dem Ausscheiden der Abgeordneten der Parlamente ausgeführt hat, nämlich, dass
die allgemeine Einbeziehung der Abgeordneten in den Amtsträgerbegriff wegen der
dann zur Anwendung kommenden vielen Amtstatbestände deren Tätigkeit nicht gerecht
würde und daher rechtspolitisch unangebracht erscheine (Drucksache 7/550, S. 209).
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Bestätigt wird dies durch die Aufnahme der Volksvertretungen in Gemeinden und
Gemeindeverbänden in den durch das 28. Strafrechtsänderungsgesetz vom 13.01.1994
eingeführten und unter § 108 e StGB in den vierten Abschnitt des Besonderen Teils des
Strafgesetzbuches "Straftaten gegen Verfassungsorgane sowie bei Wahlen und
Abstimmungen" aufgenommenen Straftatbestand der "Abgeordnetenbestechung", nach
dessen Absatz 1 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bedroht wird,
wer es unternimmt, für eine Wahl oder Abstimmung im Europäischen Parlament oder in
der Volksvertretung des Bundes, der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände eine
Stimme zu kaufen oder zu verkaufen. Zur Begründung des Gesetzes im Allgemeinen
heißt es in den Materialien u.a.: "Die Strafwürdigkeit der Abgeordnetenbestechung ist
praktisch unbestritten. Seit der Umgestaltung der Wahldelikte im Jahre 1953 ist die bei
der Abgeordnetenbestechung entstandene Strafbarkeitslücke immer wieder im
Schrifttum, der Öffentlichkeit und im Deutschen Bundestag beklagt worden. Die
Begründung des StGB-Entwurfs von 1962 stellt fest, dass Vertretern von Gruppen und
Interessen eine straffreie Möglichkeit eröffnet und geradezu der Anreiz gegeben würde,
in unlauterer Weise auf Entscheidungen der Volksvertretungen einzuwirken. .... In einem
demokratischen Staats- und Gemeinwesen, in dem wichtige politische Fragen auf allen
Lebensgebieten durch Wahlen oder Abstimmungen zu entscheiden seien, könne nicht
darauf verzichtet werden, alle diese für die Allgemeinheit bedeutenden Abstimmungen
strafrechtlich gegen unzulässige und störende Eingriffe abzuschirmen. .... Die
Strafvorschrift darf einerseits nicht zu weit, andererseits nicht zu eng ausgestaltet
werden. Ein zu enger Tatbestand schützt das Rechtsgut der demokratischen Gleichheit
der Bürger nur unzureichend und lässt bestimmte strafwürdige Beeinflussungen von
Abgeordneten straflos. ....Eine zu weite Fassung bringt hingegen die Gefahr mit sich,
dass auch politisch übliches und sozialadäquates Verhalten kriminalisiert wird. So
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gehören Versuche, Einfluss auf Entscheidungen von Abgeordneten zu nehmen, auch im
Zusammenhang mit Abstimmungen in Parlamenten zum alltäglichen politischen
Geschäft und sind von sich aus nicht verwerflich. Die üblichen parlamentarischen und
außerparlamentarischen Kontakte des Abgeordneten dürfen aber nicht in die Nähe
einer Strafbarkeit gerückt werden. ....Der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung kann
nicht dem der Beamten- und Richterbestechung nachgebildet werden. Im Bereich des
öffentlichen Dienstes ist es generell verboten, einen persönlichen Vorteil für eine
Diensthandlung oder im Zusammenhang mit einer dienstlichen Tätigkeit anzunehmen
oder zu gewähren. ....Beim Träger eines Abgeordnetenmandats fehlt es hingegen
bereits an einem genau umgrenzten Pflichtenkreis, wie er für Amtsträger existiert. ..."
(Drucksachen 12/5927 und 12/1630, jeweils S. 3 – 5). Wäre der Gesetzgeber der
Auffassung gewesen, Gemeinderatsmitglieder seien Amtsträger, wäre der
Stimmenverkauf bei Wahlen oder Abstimmungen im Rat bereits nach den §§ 331, 332
StGB mit Strafe bedroht, eine Straflosigkeit, von der die Begründung ausdrücklich
ausgeht, insoweit mithin nicht gegeben gewesen. Gesetz und Materialien behandeln
den kommunalen Mandatsträger jedoch wie die anderen einbezogenen Volksvertreter.
Eine Differenzierung zwischen den Volksvertretungen des Bundes und der Länder, als
Parlamenten im "staatsrechtlichen Sinne" oder "echten" Parlamenten einerseits und den
Volksvertretungen der Gemeinden und Gemeindeverbände andererseits ist nicht erfolgt.
In der gesetzlichen Deliktsüberschrift wurde der neue Straftatbestand für alle in die
Vorschrift einbezogenen Volksvertreter einheitlich als "Abgeordnetenbestechung"
bezeichnet und unter Ziffer A.5. der Begründung zur Systematik erläuternd festgestellt,
dass die Vorschrift nicht den Amtsdelikten zugeordnet werden könne, da – so wörtlich -
der Abgeordnete kein Amtsträger sei (Drucksachen 12/5927 und 12/1630, jeweils S. 5) .
Insoweit kann auch ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber den
Anwendungsbereich der §§ 331, 332 StGB für Ratsmitglieder nur hätte einschränken,
d.h. mit der Vorschrift des § 108 e StGB für den Stimmenkauf bzw. -verkauf von
Volksvertretern auf Gemeindeebene, eine Sonderregelung hätte treffen wollen, die
gegenüber § 332 StGB, der Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren
androht, einen geringeren Strafrahmen enthält, wenn die Vorschrift auch als
Unternehmensdelikt ausgestaltet ist und in ihrem zweiten Absatz dem Gericht die
Möglichkeit einräumt, neben einer Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe auf
Verlust des aktiven und passiven Wahlrechts zu erkennen. Dies gilt um so mehr, als die
Begründung unter Ziffer B. "Im einzelnen" zur Einbeziehung der Volksvertretungen in
den Kreisen und Gemeinden in den Tatbestand der Abgeordnetenbestechung betont,
dass gerade auf kommunaler Ebene angesichts der oft vorhandenen persönlichen
Bekanntschaft zwischen Ratsmitgliedern und von Entscheidungen betroffenen
Gemeindeeinwohnern und der unmittelbaren Auswirkungen der Ratsentscheidungen
auf einzelne Bürger ein besonderer Bedarf an Schutz vor unlauterer Einflussnahme
bestehe, dass zur Vermeidung von Auslegungsproblemen der Entwurf allein Wahlen
und Abstimmungen erwähne und damit aber auch klargestellt sei, dass Bestechung und
Bestechlichkeit von Abgeordneten nur insoweit mit Strafe bedroht würden, als sie sich
auf künftige Stimmabgaben beziehen (Drucksachen 12/5927 und 12/1630, jeweils S. 6).
Danach kann kein Zweifel daran bestehen, dass mit der Einführung des § 108 e StGB
eine Erweiterung der Strafgesetze gerade auch für die Volksvertreter in den Gemeinden
gewollt war, und nicht etwa eine Einschränkung. Indem sich der Gesetzgeber für eine
restriktive Ausgestaltung des Tatbestandes der Abgeordnetenbestechung entschieden
hat, hat er bewusst fortbestehende Strafbarkeitslücken in Kauf genommen, da es nach
seiner Auffassung eher hinzunehmen ist, "dass einzelne strafwürdige Verhaltensweisen
nicht erfasst werden, als dass die anerkannte Tätigkeit der Abgeordneten der Gefahr der
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Strafbarkeit ausgesetzt wird" (Drucksachen 12/5927 und 12/1630, jeweils S. 5).
Als Ratsmitglied steht der Angeschuldigte schließlich auch nicht in einem sonstigen
öffentlichen rechtlichen Amtsverhältnis gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2. b) StGB. Die Vorschrift
erfasst Personen, die in einem dem Beamten- oder Richterverhältnis ähnlichen
Amtsverhältnis, also einem Dienst- und Treueverhältnis mit personaler Bindung an den
Staat stehen (Rudolphi/Stein, Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch ,
Loseblattausgabe Bd. 1, 40. Lieferung. 7. Auflage, Februar 2005, § 11 Rdnr. 20), was für
kommunale Mandatsträger, denen es, wie bereits ausgeführt, obliegt, an der
demokratisch legitimierten politischen Willensbildung durch Meinungsäußerung,
Diskussion und Abstimmungen bei dem Erlass von Satzungen wie auch bei der
Entscheidung von Einzelfragen der gemeindlichen Selbstverwaltung teilzunehmen,
gerade nicht zutrifft.
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Da er mit seiner Ratstätigkeit selbst Aufgaben der öffentlichen Verwaltung
wahrgenommen hat, wenn auch nicht in der Form eines Gesetzesvollzuges, sondern
durch eigene Wertsetzung, war der Angeschuldigte zudem nicht im Sinne der §§ 331,
11 Abs. 1 Nr. 4 StGB für den öffentlichen Dienst besonders verpflichtet (zur Person des
nach diesen Vorschriften für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten vergl.
Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 53. Auflage, § 11 Rdnr. 25).
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Ob er in den von ihm über seine Ratsmitgliedschaft hinaus wahrgenommenen
Funktionen als Vorsitzender des Ausschusses für Schule und Weiterbildung und
Mitglied des Liegenschaftsausschusses Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB
war, kann offen bleiben, da keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der
Abschluss der Beraterverträge und die Annahme der Zahlungen des gesondert
verfolgten A. mit seiner Tätigkeit in diesen Ausschüssen in irgendeinem
Zusammenhang standen. Dem auch mit abfall-wirtschaftlichen
Grundsatzentscheidungen befassten Umweltausschuss gehörte der Angeschuldigte nur
bis Ende 1999 an. Konkrete Hinweise darauf, dass bereits in der Zeit seiner dortigen
Mitgliedschaft Gespräche zwischen dem Angeschuldigten und dem gesondert
verfolgten A. in Bezug auf den Abschluss des im April 2000 zustande gekommenen
Beratervertrages stattgefunden hätten, gibt es nicht. Nach dem vorliegenden
Beweisergebnis lassen sich Feststellungen zu solchen Gesprächen erst für die Zeit
danach im Anschluss an eine Begegnung am Rande einer Veranstaltung Anfang
Januar 2000 im Rathaus der Stadt S. treffen, bei dem der Angeschuldigte, der sich
beruflich verändern wollte und auf der Suche nach einer neuen
Beschäftigungsmöglichkeit war, eigenen Angaben zufolge A. angesprochen und nach
einer Verwendungsmöglichkeit im Rahmen eines festen Anstellungsverhältnisses in
dessen Unternehmen gefragt habe, insoweit dann zwar in einem ebenfalls noch im
Januar mit A. geführten Telefonat eine Absage erhalten, stattdessen aber einen
Beratervertrag in Aussicht gestellt bekommen habe, worauf es zu weiteren Gesprächen
zur Ausgestaltung und Regelung der künftigen Zusammenarbeit im Rahmen des
angestrebten Beratungsverhältnisses gekommen sei. Letztlich fehlen auch konkrete
Hinweise darauf, dass die Annahme des ihm angebotenen Beratervertrages gerade mit
der früheren Tätigkeit des Angeschuldigten im Umweltausschuss im Zusammenhang
steht. Die Anklage ihrerseits geht davon aus, dass der Angeschuldigte sich mit der
Annahme des Vertragsangebotes des gesondert verfolgten A. eine allgemeine
Geneigtheit in Bezug auf im Rat anstehende Entscheidungen im Zusammenhang mit
der Privatisierung der Abfallwirtschaftsbetriebe der Stadt S. hat erkaufen lassen.
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Nach allem war die Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß § 204 StPO aus
Rechtsgründen abzulehnen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StPO.
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