Urteil des LG Köln vom 10.09.2008

LG Köln: beschränktes dingliches recht, bedingter vorsatz, wohnrecht, gegenleistung, zwangsvollstreckung, unentgeltlichkeit, alter, zuwendung, miteigentümer, rechtshängigkeit

Landgericht Köln, 2 O 204/08
Datum:
10.09.2008
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 O 204/08
Tenor:
Der Antrag der Beklagten auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe wird
abgelehnt.
G r ü n d e :
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Die Rechtsverteidigung der Beklagten bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg; §
114 Abs. 1 ZPO. Ihre Einwendungen gegen die mit der Klage geltend gemachten
Ansprüche sind rechtlich nicht erheblich.
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A
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Der Kläger verlangt gemäß §§ 1, 2, 4 Abs. 1, 11 AnfG von der Beklagten zu 1. zu Recht
die Duldung der Zwangsvollstreckung in das im Klageantrag zu Ziff. 1 näher
bezeichnete Grundvermögen, soweit der Versteigerungserlös dem Beklagten zu 2. als
Miteigentümer zugestanden hätte.
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I
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Der Kläger ist gemäß § 2 AnfG zur Anfechtung berechtigt. Er hat gegen den Beklagten
zu 2. als seinen Schuldner auf der Grundlage des Urteils des erkennenden Gerichts
vom 20. Dezember 2005 (16 O 341/01) die Zwangsvollstreckung bereits ohne Erfolg
betrieben. Der Beklagte zu 2. verfügte mit Ausnahme des auf die Beklagte zu 1. unter
den streitgegenständlichen Umständen übertragenen Grundbesitzes nicht über
vollstreckungsfähiges Vermögen. Er hat in dem gegen ihn betriebenen
Vollstreckungsverfahren bereits die eidesstattliche Versicherung abgegeben.
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II.
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Die Übertragung seines hälftigen Miteigentumsanteils an dem Grundbesitz auf die
Beklagte zu 1. erfolgte unentgeltlich im Sinne des § 4 Abs. 1 AnfG. Eine Gegenleistung
als Entgelt im Sinne dieser Vorschrift hat der Beklagte zu 2. dafür nicht erhalten.
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1. Soweit die Übertragung des Miteigentumsanteils nach dem Notarvertrag als
"ehebedingte Zuwendung" erfolgt ist, folgt daraus nicht ihre Entgeltlichkeit im Sinne des
§ 4 Abs. 1 AnfG. Zwar stellen auch so genannte unbestimmte ehebedingte
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Zuwendungen im Grundsatz keine Schenkungen im Sinne des § 516 BGB dar (BGHZ
87, 145, 146; Huber, AnfG, 10. Auflage, § 4 Rdnr. 34). Für die Bewertung der
Entgeltlichkeit nach Anfechtungsrecht kommt es demgegenüber nicht auf die subjektive
Vorstellung der an der Übertragung beteiligten Parteien im Sinne eines
Schenkungsvertrags, sondern auf die objektiven Verhältnisse an. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterliegen im Zuge der Insolvenzanfechtung
auch solche objektiv unentgeltlichen Zuwendungen der Ehegatten untereinander, die
nicht als Schenkung anzusehen sind, der (Insolvenz-)Anfechtung (BGHZ 71, 61; Huber,
a. a. O., § 4 Rdnr. 35). Für Anfechtungen außerhalb des Insolvenzverfahrens (§ 1 Abs. 1
AnfG) kann jedoch nichts anderes gelten, zumal tatbestandlich dieselben
Voraussetzungen zu erfüllen sind (BGH ZEB 1985, 372, 373; OLG München OLGR
1997, 33; WM 2004, 1044; FG Berlin EFG 2004, 961; OLG Saarbrücken OLGR 2005,
188; Huber, a. a. O., § 4 Rdnr. 35). Gerade der Umstand, dass in dem notariellen
Übertragungsvertrag die ehebedingte Zuwendung ausdrücklich als "schenkweise"
erfolgt bezeichnet worden ist, belegt das Fehlen einer Gegenleistung für die
Übertragung (vgl. OLG München WM 2004, 1044, 1045 für den Fall eines "freiwilligen"
Zugewinnausgleichs).
2. Auch das dem Beklagten zu 2. eingeräumte Wohnrecht (§§ 1090, 1093 BGB) stellt
eine der Unentgeltlichkeit der Vermögensübertragung entgegenstehende
Gegenleistung nicht dar. Dem steht nicht entgegen, dass die Einräumung des
Wohnrechts im notariellen Übertragungsvertrag (§ 3) ausdrücklich als "Gegenleistung"
bezeichnet worden ist. Zwar ist die Ansicht des Klägers, der Beklagte zu 2. habe "nur
weggegeben, aber nichts erhalten", in dieser pauschalen Form nicht zutreffend. Die
Beklagte zu 1. hat dem Beklagten zu 2. das Wohnrecht namentlich nicht nur an
demjenigen Grundvermögen eingeräumt, das sie von ihm zuvor erst durch das
vermeintlich anfechtbare Geschäft übertragen erhalten hat (vgl. zu dieser Gestaltung LG
Kiel, Teilurteil vom 30. Juni 2004, 17 O 201/03 Tz. 64). Das Wohnrecht hat die
Beklagte zu 1. dem Beklagten zu 2. im Gegenteil auch an dem ihr bereits ursprünglich
zustehenden Miteigentumsanteil eingeräumt. Von daher hat sie ihm auch aus ihrem
eigenen Vermögen etwas zukommen lassen. Nach der heranzuziehenden objektiven
Betrachtung aus Sicht des Gläubigers steht das der Unentgeltlichkeit der Übertragung
aber nicht entgegen. Das dingliche Wohnrecht weist dem Beklagten zu 2. nicht das
Recht der alleinigen Nutzung des Grundbesitzes, sondern lediglich das zur
gemeinsamen Mitbenutzung zusammen mit der Beklagten zu 1. zu. Vor allem aber ist
der Beklagte zu 2. nicht mehr auf Grund seines Eigentumsanteils zur Mitbenutzung und
Verwertung des Grundbesitzes, sondern allein noch zu dessen Mitbenutzung befugt.
Damit hat sich sein Vermögen durch die Übertragung des Grundbesitzes einerseits und
den Erhalt des Wohnrechts andererseits nach wirtschaftlicher Gesamtbetrachtung
objektiv verringert, ohne dass dem eine Gegenleistung als Entgelt gegenüber stünde.
Wirtschaftlich verwertbar ist das dem Beklagten zu 2. nunmehr allein noch zustehende
Wohnrecht für seine Gläubiger nicht.
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3. Soweit der Beklagte zu 2. geltend macht, er habe die Beklagte zu 1. durch die
Übertragung des Grundstücks an sich binden und seine Versorgung im Alter sichern
wollen, steht auch dies der Unentgeltlichkeit der Vermögensverfügung nicht entgegen.
Ein rechtliches Austauschverhältnis besteht insofern auch nach dem Notarvertrag nicht.
Bei den von den Beklagten angeführten Gründen handelt es sich lediglich um rechtlich
unbeachtliche Erwartungen, die allenfalls die für die rechtliche Bewertung
unbedeutende Motivation für die Übertragung des Miteigentumsanteils darstellen.
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III.
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Der Kläger ist mit seinem Duldungsanspruch nicht wegen Zeitablaufs ausgeschlossen.
Anfechtbar sind unentgeltliche Leistungen des Schuldners nicht, wenn sie früher als vier
Jahre vor der Anfechtung vorgenommen worden sind; § 4 Abs. 1 AnfG. Das
Rechtsgeschäft der Beklagten ist jedenfalls nicht vor dem Abschluss des notariellen
Übertragungsvertrags am 13. Mai 2004 vorgenommen worden; § 8 Abs. 2 AnfG. Die
Anfechtungsklage ist dem Beklagten zwar erst am 16. Mai 2008 zugestellt worden. Die
Klageschrift ist jedoch zusammen mit dem Gerichtskostenvorschuss bereits am 22. April
2008 bei dem erkennenden Gericht eingereicht worden. Auf diesen Zeitpunkt wirkt die
Rechtshängigkeit gemäß § 167 ZPO zurück.
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IV.
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Der Klageantrag zu Ziff. 1 genügt schließlich auch den Voraussetzungen des § 13 AnfG.
Insbesondere hat der Kläger seinen Antrag zutreffend dahingehend gefasst, dass die
Beklagte zu 1. die Zwangsvollstreckung zur Befriedigung des Klägers nur wegen des
Teil des Versteigerungserlöses zu dulden hat, der dem Beklagten zu 2. als
Miteigentümer zugestanden hätte (vgl. BGHZ 90, 207, 218; Huber, a. a. O. , § 11 Rdnr.
23; OLG Koblenz FamRZ 2008, 908).
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B.
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Demgegenüber kann der Kläger seinen Anspruch nicht auf § 3 AnfG stützen. Eine
Anfechtung gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 AnfG ist bereits nicht mehr zulässig. Jedenfalls ist
der Vertrag früher als zwei Jahre vor der Anfechtung geschlossen worden; § 3 Abs. 2
Satz 2 AnfG. Für die von ihr in Abrede gestellte Kenntnis der Beklagten zu 1. von dem
Benachteiligungsvorsatz des Beklagten zu 2. hat der Kläger Beweis nicht angeboten.
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Für das weitere Verfahren weist die Kammer in diesem Zusammenhang bereits jetzt
darauf hin, dass der Annahme des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Beklagten
zu 2. dessen Behauptung nicht entgegen steht, er habe durch die Übertragung seines
Miteigentumsanteils seine wesentlich jüngere Ehefrau an sich binden und für seine
Umsorgung im Alter Vorsorge treffen wollen. Für die Gläubigerbenachteiligung reicht
bedingter Vorsatz aus. Danach ist lediglich erforderlich, dass der Schuldner die
Benachteiligung seines Gläubigers als mögliche Folge seines Handelns erkennt und
billigend in Kauf nimmt (BGHZ 130, 314, 319; NJW-RR 2006, 522, 553; OLG Koblenz
FamRZ 2008, 908, 909; Huber, a. a. O., § 3 Rdnr. 21).
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C.
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Der Beklagte zu 2. ist entsprechend dem Klageantrag zu Ziff. 2 verpflichtet, gegenüber
dem Kläger von dem näher bezeichneten Wohnrecht keinen Gebrauch zu machen und
der Eintragung des Vorrangs der Rechte des Klägers vor den eigenen Rechten im
Grundbuch zuzustimmen. Dieser Anspruch gründet sich auf §§ 11 Abs. 1, 15 Abs. 2 Nr.
1 und 2 AnfG.
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Nach der Rechtsprechung des für die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten über die
Anfechtung von Rechtsgeschäften außerhalb des Konkurs- und Insolvenzverfahrens
zuständigen IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs kann Einzelrechtsnachfolger des
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Empfängers einer anfechtbaren Leistung auch der Schuldner selbst sein (BGHZ 130,
314 = NJW 1995, 2846; NJW 1996, 2231; BGHZ 166, 1 = NJW 2006, 1124).
Einzelrechtsnachfolger ist unter anderem derjenige, dem der Empfänger eines
anfechtbar übertragenen Grundstücks ein beschränktes dingliches Recht oder eine
Auflassungsvormerkung an diesem bestellt hat. Der IX. Zivilsenat hat in diesem Sinne
zu den Vorgängervorschriften der §§ 7 und 11 AnfG bereits entschieden, der Schuldner,
der seinen Grundbesitz in anfechtbarer Weise auf einen anderen übertragen und von
diesem an dem Grundbesitz ein Teilrecht (hier: das Wohnrecht) eingeräumt erhalten
habe, sei schuldrechtlich verpflichtet, dem Recht seines Gläubigers den Vorrang vor
dem anfechtbar bestellten Recht einzuräumen (BGHZ 130, 314 = NJW 1995, 2846).
Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte zu 1. selbst nicht die Beseitigung des
Wohnrechts gemäß § 11 Abs. 1 AnfG geschuldet hätte (vgl. RGZ 57, 27, 29). Nach
Auffassung des Bundesgerichtshofs schafft § 15 Abs. 2 AnfG insofern eigenständige
Anfechtungstatbestände gegen Sonderrechtsnachfolger, die verhindern sollen, dass
durch die Aufspaltung einer Vermögenszuwendung in verschiedene Teilakte letztlich
ein anfechtungsfreier Raum geschaffen werden kann (BGHZ 130, 314, 320 = NJW
1995, 2846, 2847). Dem schließt sich die Kammer an. Danach bietet die Verteidigung
des Beklagten zu 2. gegenüber dem zutreffend und ausreichend bestimmt gefassten (§
13 AnfG) Klageantrag zu Ziff. 2 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
D.
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Angesichts dessen, dass die streitentscheidenden Rechtsfragen höchstrichterlich
bereits entschieden sind, kann dem Beklagten auch nicht allein im Hinblick auf die
zwischen den Parteien umstrittene Rechtsfrage Prozesskostenhilfe bewilligt werden
(vgl. BVerfGE 91, 347, 358 = FamRZ 2003, 833; BGH NJW 1982, 1104; FamRZ 2005,
1477).
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