Urteil des LG Köln vom 13.08.2003

LG Köln: treu und glauben, verwaltungskosten, verrechnung, versicherungsnehmer, vertragsschluss, transparenzgebot, anforderung, rente, versicherer, vollstreckung

Landgericht Köln, 23 S 24/03
Datum:
13.08.2003
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
23. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
23 S 24/03
Vorinstanz:
Amtsgericht Köln, 135 C 214/02
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom
14.01.2003, Az. 135 C 214/02, wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung
der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von
110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger unterhielt seit dem 01.11.1995 bei der Beklagten eine Rentenversicherung
unter Einbeziehung der allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung der
Beklagten (Versicherungsschein-Nummer #####). In § 13 Abs. 1 der allgemeinen
Bedingungen für die Rentenversicherung der Beklagten hieß es:
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Die mit dem Abschluss Ihrer Versicherung verbundenen und auf sie
entfallenden Kosten, etwa die Kosten für Beratung, Anforderung von
Gesundheitsauskünften und Ausstellung des Versicherungsscheines, werden
Ihnen nicht gesondert in Rechnung gestellt. Den Teil dieser Kosten, der bei der
Berechnung der Deckungsrückstellung angesetzt wird, verrechnen wir nach
einem aufsichtsrechtlich geregelten Verfahren mit Ihren zu Versicherungsbeginn
eingehenden Prämien, soweit diese nicht für Versicherungsleistungen und
Verwaltungskosten vorgesehen sind.
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Vereinbart war bei einer Einmalzahlung des Klägers von 75.476,00 DM und einer
Laufzeit von fünf Jahren die Zahlung einer jährlichen Rente von 7.755,00 DM durch die
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Beklagte beginnend am 01.11.2000. Ferner wurde dem Kläger ein Kapitalwahlrecht
eingeräumt. Danach durfte der Kläger drei Monate vor dem vertraglich vereinbarten
Beginn der Rentenzahlung beantragen, dass im Erlebensfall der Anspruch auf alle fällig
werdenden Renten durch eine einmalige Kapitalzahlung in Höhe von 85.879,00 DM
abgefunden wird. Der Kläger machte von seinem Kapitalwahlrecht Gebrauch. Die
Beklagte erstellte mit Schreiben vom 20.09.2000 eine Übersicht über den
auszuzahlenden Betrag. In der fünfjährigen Laufzeit hatten sich laut dieser Übersicht
30.942,92 DM Zinsen angesammelt. Die Beklagte zahlte an den Kläger nach Abzug der
Kapitalertragssteuer und des Solidaritätszuschlages sowie nach Verrechnung u.a. von
Abschluss- und Verwaltungskosten in Höhe von 3.063,12 DM einen Betrag von
95.194,60 DM aus.
Der Kläger ist der Ansicht gewesen, dass die Beklagte keinen Anspruch auf Abschluss-
und Verwaltungskosten habe und daher nicht berechtigt gewesen sei, eine direkte
Verrechnung vorzunehmen. Die entsprechende Regelung in § 13 der allgemeinen
Bedingungen für die Rentenversicherung sei wegen eines Verstoßes gegen § 9 AGBG
a.F. unwirksam.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.566,15 € nebst Verzugszinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
10.01.2002 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass ein vertraglicher Anspruch schon daher
nicht bestehe, weil kein höherer Kapitalbetrag als 85.879,00 DM garantiert gewesen sei.
Ferner ständen dem Kläger aufgrund des fehlenden Widerspruchs gemäß § 5 a VVG
keine Ansprüche zu. Der Fall einer intransparenten Versicherungsbedingung sei von §
5 a VVG erfasst. Auch wenn § 13 der allgemeinen Bedingungen für die
Rentenversicherung unwirksam sei, habe die Beklagte die Abschluss- und
Vertragskosten verrechnen dürfen. Die Verrechnung von einmaligen Abschlusskosten
mit den ersten Versicherungsbeiträgen (Zillmerung) sei weiter zulässig. Eine
Vertragsanpassung müsse daher auch eine entsprechende Verrechnungsmöglichkeit
von Abschluss- und Verwaltungskosten vorsehen.
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Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14.01.2003 abgewiesen und zur
Begründung ausgeführt, dass kein Anspruch bestehe, weil der Kläger eine weit höhere
Summe als die garantierte erhalten habe. Eine weitere Verpflichtung der Beklagten sei
nicht ersichtlich. Gegen dieses Urteil, das dem Kläger am 22.01.2003 zugestellt worden
ist, hat dieser mit einem am 20.02.2003 bei dem Landgericht Köln eingegangenen
Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 20.03.2003 bei dem Landgericht
Köln eingegangenen Schriftsatz begründet.
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Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass § 13 der allgemeinen Bedingungen für die
Rentenversicherung unwirksam sei, und die Beklagte daher nicht die Verrechnung mit
Abschluss- und Verwaltungskosten hätte vornehmen dürfen. Er nimmt auf seinen
erstinstanzlichen Vortrag Bezug.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Amtsgerichts Köln abzuändern und entsprechend seines
Antrags in erster Instanz zu entscheiden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung des Klägers kostenpflichtig zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil mit erstinstanzlich bereits vorgetragenen
Sach- und Rechtsausführungen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand
und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie auf die Schriftsätze der
Parteien Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
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Das Amtsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen
die Beklagte keinen weitergehenden Anspruch in Höhe von 1.566,15 € ( = 3.063,12 DM)
aus dem Versicherungsvertrag.
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Der Gesamtanspruch des Klägers aus dem zwischen den Parteien bestehenden
Rentenversicherungsvertrag bezifferte sich auf 52.844,98 € ( = 103.355,80 DM). Hiervon
waren sowohl die zu zahlende Kapitalertragssteuer in Höhe von 3.955,22 € ( = 7.735,73
DM) als auch der Solidaritätszuschlag in Höhe von 217,54 € ( = 425,47 DM)
abzuziehen. Ferner war die Beklagte berechtigt, Abschluss- und Verwaltungskosten in
Höhe von 1.566,15 € ( = 3.063,12 DM) in Abzug zu bringen, da ihr ein entsprechender
Anspruch gegen den Kläger zusteht.
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Dieser Anspruch ergibt sich zwar nicht aus § 13 Abs. 1 der allgemeinen Bedingungen
für die Rentenversicherung. Diese Klausel ist nach der Rechtsprechung des BGH
(VersR 2001, 841), der sich die erkennende Kammer anschließt, wegen eines
Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam. Aufgrund des Transparenzgebotes
ist der Verwender allgemeiner Versicherungsbedingungen entsprechend den
Grundsätzen von Treu und Glauben daran gehalten, Rechte und Pflichten seines
Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar zu halten. Dieser Anforderung
genügt § 13 der allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung, der inhaltlich §
15 der ALB entspricht, nicht, da die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und
Belastungen nicht ausreichend erkennen lässt.
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Es kommt vorliegend auch nicht darauf an, ob die unwirksame Klausel gemäß § 172
Abs. 2 VVG wirksam ersetzt wurde. Gemäß § 6 Abs. 2 AGBG a.F. wird die durch eine
unwirksame Klausel entstehende Lücke jedenfalls durch dispositives Gesetzesrecht
und, soweit solches nicht vorhanden ist, gemäß der Regeln der ergänzenden
Vertragsauslegung gefüllt (BGHZ 117, 92, 98; 120, 108, 122; 137, 153, 157). Danach tritt
an die Stelle der unwirksamen Klausel die Regelung, die die Parteien bei sachgerechter
Abwägung der beiderseitigen Interessen gewählt hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit
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der Bedingung bewusst gewesen wäre. Es ist nämlich nicht Sinn und Zweck des § 6
AGBG a.F., dem Versicherungsnehmer durch den ersatzlosen Wegfall von Klauseln
Vorteile zu verschaffen, die das Vertragsgefüge völlig einseitig zu seinem Gunsten
verschieben (Palandt/ Heinrichs, BGB, 61. Auflage, § 6 AGBG, Rdnr. 6 m.w.N.).
Nach sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen ist die Verrechnung von
Abschluss- und Verwaltungskosten nach dem Zillmer-Verfahren in der geltend
gemachten Höhe nicht zu beanstanden.
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Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass in § 15 der allgemeinen
Versicherungsbedingungen von Kosten für Abschluss und Verwaltung des Vertrages
die Rede ist. Diese Klausel, die inhaltlich § 17 ALB 94 entspricht, ist in der bereits
benannten Entscheidung des BGH gerade nicht als unwirksam angesehen worden.
Folgerichtig sind Abschluss- und Verwaltungskosten als grundsätzlich zulässig
anzusehen. Zudem ist allgemein be- und anerkannt, dass für den Abschluss und die
Verwaltung von Versicherungsverträgen wie für jedes andere Finanzprodukt Kosten
anfallen. Hiervon muss jeder Versicherungsnehmer beim Abschluss eines solchen
Vertrages ausgehen, so auch der Kläger.
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Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die fehlende Transparenz der bereits benannten
Vertragsbedingung ausschließlich daraus resultiert, dass der erste Teil dieser Regelung
zunächst für den Versicherungsnehmer günstig erscheint, jedoch die erheblichen
wirtschaftlichen Nachteile für den Fall einer Kündigung in den ersten Jahren nach
Vertragsschluss nicht hinreichend deutlich gemacht werden. Ein solcher Fall ist
vorliegend gerade nicht gegeben. Der zwischen den Parteien vereinbarte
Rentenversicherungsvertrag war bereits ausgelaufen. Der Kläger hat gerade nicht durch
eine vorzeitige Beendigung erhebliche wirtschaftliche Nachteile hinnehmen und mehr
oder weniger auf seine eingezahlten Prämien verzichten müssen. Er hat lediglich von
dem ihm vertraglich eingeräumten Kapitalwahlrecht Gebrauch gemacht.
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Darüber hinaus ist die Verrechnung einmaliger Abschlusskosten ab Beginn des
Vertragsverhältnisses mit Ansprüchen auf künftige Beiträge, also das sogenannte
Zillmern, grundsätzlich nicht zu beanstanden (BGH VersR 2001, 841, 844). Weiterhin
setzt § 65 Nr. 2 VAG, wonach Höchstsätze für das Zillmern durch Rechtsverordnung
festgesetzt werden sollen, dieses als grundsätzlich zulässig voraus.
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Das Transparenzgebot erfordert es zudem nicht, dass der Versicherer dem
Versicherungsnehmer bereits bei Vertragsschluss die Abschluss- und
Verwaltungskosten detailliert betragsmäßig mitteilt. Dem Kläger wurde im
Versicherungsschein mitgeteilt, dass er im Falle der Ausübung des Kapitalwahlrechtes
Anspruch auf 85.879,00 DM, ansonsten Anspruch auf eine jährliche Rente von 7.755,52
DM habe. Hinzu kämen Überschussbeteiligungen. Damit ist dem Transparenzgebot
genüge getan. Die Beklagte wäre gar nicht in der Lage gewesen, bei Abschluss eines
über immerhin fünf Jahre laufenden Versicherungsvertrages detailliert festzulegen, in
welcher Höhe Abschluss- und Verwaltungskosten anfallen. Ferner braucht die bloße
Berechnungsmethode für anfallende Abschluss- und Verwaltungskosten ähnlich wie die
Berechnungsmethode der Überschussbeteiligung nicht im einzelnen mitgeteilt werden,
da dem am Vertragsschluss Interessierten hiermit aufgrund der Komplexität nur in den
seltensten Fällen gedient wäre.
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Auch die Höhe des von der Beklagten ermittelten Betrages für Abschluss- und
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Verwaltungskosten ist nicht zu beanstanden, da diese im Rahmen üblicher
Berechnungsmethoden, die mittelbar aufsichtsrechtlich überwacht werden, berechnet
wurden. Dass dem Versicherer hierbei ein gewisser unternehmerischer
Handlungsspielraum verbleibt, schadet nicht.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10 analog, 711 ZPO.
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Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen, da die Fortbildung des
Rechts bzw. die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgericht erfordert und die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
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Der Streitwert beträgt 1.566,15 €.
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