Urteil des LG Köln vom 10.01.2006

LG Köln: treu und glauben, auflösung der gesellschaft, geschäftsführung, gesellschafter, beteiligungsverhältnis, rückzahlung, rückerstattung, arbeitsgemeinschaft, hauptschuld, firma

Landgericht Köln, 87 O 77/05
Datum:
10.01.2006
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
7. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
87 O 77/05
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 540.300,00 nebst 8 %-
Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 05.03.2005 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen
Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch selbstschuldnerische
Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerschulden zugelassenen
Kreditinstituts erbracht werden.
TATBESTAND:
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Am 20.08.1998 schlossen die Klägerin, damals noch firmierend als C2 & C3
Bauaktiengesellschaft und die E3 & X AG zur gemeinschaftlichen Durchführung des
Bauvorhabens "Neubaustrecke Köln-Rhein/Main, Bauabschnitt 1.4 (Köln-Porz) einen
Gesellschaftsvertrag zur Gründung einer Arbeitsgemeinschaft, der auf einem
Mustervertrag des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie basiert. Gemäß § 2
dieses Vertrages führt die Arbeitsgemeinschaft (im Folgenden ARGE) den Namen "B+
C2 + C3 Bauaktiengesellschaft - E3 & X AG". Die Klägerin ist hieran mit 55 v.H., die E3
& X AG (fortan infolge Fusion im Jahre 2001: C AG) mit 45 v.H. beteiligt. Die technische
Geschäftsführung der ARGE wurde der Klägerin, die kaufmännische Geschäftsführung
der C AG übertragen.
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In § 11 sind die "Finanzen" auszugsweise wie folgt geregelt:
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11.1 Die erforderlichen Geldmittel sind von den Gesellschaftern entsprechend
ihrem Beteiligungsverhältnis und unter Berücksichtigung der jeweiligen
Kontenstände der Gesellschafter nach Anforderung der kaufmännischen
Geschäftsführung zur Verfügung zu stellen.
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11.2 Die verfügbaren Gelder sind in nachstehender Reihenfolge zu verwenden:
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11.21 Rückerstattung von Auslagen eines Gesellschafters für die ARGE
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11.22 Deckung der laufenden Ausgaben
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23. (- gestrichen -)
24. monatliche Ausgleichung der Gesellschafterkonten entsprechend dem
Beteiligungsverhältnis (siehe auch 11.3)
25. Auszahlung darüber hinaus verfügbarer Geldmittel an die Gesellschafter
entsprechend dem Beteiligungsverhältnis. Hierfür sind auf Verlangen auch nur
eines Gesellschafters Bürgschaften eines als Zoll- und Steuerbürgen
zugelassenen Kreditinstitutes oder Kreditversicherers als Sicherheit zu stellen.
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Die Ermittlung für Angleichungen und Auszahlungen ist allen Gesellschaftern
schriftlich mitzuteilen. ...
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Mit Urkunden Nr. 102 und 103 vom 22.05.2003 übernahm die Beklagte für die C AG die
unwiderrufliche, selbstschuldnerische Bürgschaft bis zu einer Gesamthöhe von jeweils
€ 270.150,00, zahlbar auf erstes Anfordern. Zum Sicherungszweck heißt es
vorausgeschickt jeweils wie folgt:
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Gemäß §§ 11.24 und 11.25 des Arge-Vertrages vom 20.08.1998 hat die Firma
Anspruch auf Auszahlung verfügbarer Geldmittel entsprechend ihrem
Beteiligungsverhältnis, sofern die bevorrechtigten Zwecke gemäß §§ 11.21, 11.22
und 11.23 hierfür Raum Lassen. Die Firma ist je nach Aufforderung der Arge zur
ganzen oder teilweisen Rückerstattung von einer oder mehrerer solcher
Auszahlungen verpflichtet, welche die Firma vor der betreffenden
Rückzahlungsanforderung von der Arge erhalten hat. Die Bürgschaftserklärung
umfasst alle Rückzahlungsverpflichtungen, auch aus wiederholten Auszahlungen.
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Mit Schreiben vom 07.01.2005, unter Friststellung bis zum 17.01.2005, forderte die C
AG namens der ARGE von den Gesellschaftern wegen benötigter Einlagen für zu
erwartende Zahlungen insgesamt € 180.000,00, wovon entsprechend ihrer Beteiligung
€ 85.400,00 auf die Beklagte entfielen. In der Aufsichtsstellensitzung vom 31.01.2005
wurde festgestellt, dass die Klägerin dieser Aufforderung nachgekommen war, während
C AG die Entrichtung des von ihr geschuldeten Betrages unverzüglich, spätestens bis
zum 07.02.2005, zusagte. Die Zahlung blieb aus.
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Eine weitere Rückzahlungsanforderung an beide Gesellschafter durch die C AG für die
ARGE erfolgte unter dem 31.01.2005 wegen Überzahlung der ARGE durch den
Auftraggeber nach Maßgabe der geprüften Schlussrechnung. Verlangt wurde die
Erstattung von Ausschüttungen mit insgesamt € 2.913.950,35 bis zum 11.02.2005,
anteilig von der C ein Betrag von € 1.311.277,66, ohne dass diese zahlte.
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Am 01.02.2005 ordnete das Amtsgericht Augsburg gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO die
vorläufige Insolvenzverwaltung zur Sicherung des Vermögens der C AG vor
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nachteiligen Veränderungen an. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde
Wirtschaftsprüfer und Dipl.-Kfm. T1, Augsburg, bestellt. Hierauf forderte die Klägerin für
die ARGE mit Schreiben vom 08.02.2005 "aufgrund drohenden Forderungsausfalls der
Arge" "die gemäß § 11.25 des Arge-Vertrages ausgeschütteten Mittel in Höhe von €
2.876.050" von der C AG zurück. Wegen der zu Grunde liegenden Ansprüche wird auf
die Ausführungen unter Ziffer 2. in der Klageschrift (Bl. 11 f.d.A.) verwiesen.
Die Klägerin wiederholte die Zahlungsaufforderung mit Schreiben vom 10.02.2005.
Vorausgegangen war eine Aufsichtsstellensitzung vom selben Tage, in welcher der C
AG in Abwesenheit zudem die kaufmännische Geschäftsführung entzogen und auf die
Klägerin übertragen wurde.
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Mit Schreiben vom 14.02.2005 nahm die Klägerin die Beklagte aus den Bürgschaften in
Anspruch. Nach Mahnung unter Friststellung bis spätestens 04.03.2005 teilte die
Beklagte zunächst mit, die Unterlagen an den vorläufigen Insolvenzverwalter zur
Prüfung weitergeleitet zu haben. Unter dem 04.03.2005 bat sie "um Geduld", um sich mit
den anderen Schuldnerbanken abzustimmen. Weitere Reaktionen erfolgten nicht.
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Am 24.02.2005 wurde die C AG unter Berufung auf § 23.51 des Arge-Vertrages als
Gesellschafterin der ARGE ausgeschlossen. Inzwischen wurde am 01.04.2005 das
Insolvenzverfahren über das Vermögen der C AG eröffnet.
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Die Klägerin nimmt die Beklagte als Gesamtrechtsnachfolgerin der ARGE als Bürgin
aus den Aufforderungen vom 10.02.2005 in Höhe des Gesamtbetrages von €
2.876.050,00, jedoch nachrangig zu den Teilbeträgen gemäß Rückforderung vom
08.02.2005 in der unter Ziffer IV. der Klageschrift (Bl. 16 d.A.) bestimmten Reihenfolge,
in Anspruch.
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Zu ihrer Aktivlegitimation beruft sie sich auf Ziffer 24.1 des Arge-Vertrages. Im übrigen
trägt sie vor, dass ihr Zahlungsanspruch gegen die Beklagte aus den
Partnerschaftbürgschaften entstanden sei. Dieser Bürgschaft liege die – wirksame -
Sicherungsabrede – gemäß Ziffer 11.25 des Gesellschaftsvertrages zugrunde. Auf die
Rechtsprechung zur mangelnden Wirksamkeit zu Bürgschaften auf erstens Anfordern
könne sich die Beklagte schon deshalb nicht berufen, weil diese zu Gewährleistungs-
und Vertragserfüllungsbürgschaften ergangen sei. Vorliegend handele es sich um
Partnerschaftsausschüttungsbürgschaften, wobei auch sie – die Klägerin – zugunsten
der Beklagten entsprechende Bürgschaften habe auslegen lassen.
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Der Sicherungsfall sei eingetreten. Die ARGE habe die C AG als Hauptschuldnerin zur
Rückzahlung von Ausschüttungen aufgefordert gehabt; weitere Darlegungen hierzu
seien von ihr nicht geschuldet. Diese Bürgschaften dienten nicht nur zur Sicherung des
Fortbestandes der ARGE. Diese habe nach der Konzeption des zugrunde liegenden
Vertrages als selbständiges Rechtssubjekt am Rechtsverkehr teilgenommen, sie habe
sich deshalb auch gegen eigene Zahlungsunfähigkeit durch ein jederzeitiges
Rückforderungsrecht bei ihren Gesellschaftern absichern müssen. Ein Zusammenhang
mit der weiteren Durchführung des Bauvorhabens bestehe bei diesem Verständnis,
einem Surrogat für ein Bardepot, nicht. Im übrigen habe die Hauptschuldnerin durch
Schreiben vom 07.01.2005 und 31.01.2005 einen Liquiditätsbedarf für den Fortbestand
der ARGE und die Durchführung des Bauvorhabens in Höhe von € 2.913.950,35
gesehen.
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Der Anspruch gegen die Beklagte aus den übernommenen Bürgschaften bestehe fort.
Sie sei nicht gehindert, diesen durchzusetzen. Sie habe den – eingetretenen –
Sicherungsfall vor Ausscheiden der Hauptschuldnerin aus der Gesellschaft gegenüber
der Beklagten fällig gestellt. Auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung
komme es nicht an. Gegenstand des Rechtsstreits sei nicht ein insolvenzbedingter
Auseinandersetzungsanspruch, sondern ein vor dem Ausscheiden bzw. der Insolvenz
des Gesellschafters C AG entstandener unabhängiger Rückzahlungsanspruch aus dem
Arge-Vertrag. Dass sie später daran interessiert gewesen sei, die nach altem Muster
heraus gelegten Ausschüttungsbürgschaften gegen solche neuerer Fassung
auszutauschen, habe lediglich der Klarstellung dienen sollen, dass auch nach dem
Ausscheiden entstandene Rückzahlungsansprüche des Hauptschuldners aus der
ARGE unter die verbürgten Ansprüche fallen, was die vorliegende Konstellation nicht
betreffe.
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Die Befürchtung der Beklagten, dass sich nach der Auseinandersetzungsbilanz -
theoretisch - ein Guthaben des Hauptschuldners ergeben könne, sei zudem
unbegründet. Am 17.05.2005 habe sie auf Grund der zwischenzeitlich erstellten
Abrechnung eine Forderung von € 2.650.299 zur Insolvenztabelle angemeldet.
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Nach Klageerhöhung mit Schriftsatz vom 23.08.2005 beantragt die Klägerin,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie € 540.300,00 nebst 8 % Zinsen über
dem Basiszinssatz seit dem 05.03.2005 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Ansicht, dass der Sicherungszweck der streitgegenständlichen Bürgschaften
die geltend gemachte Forderung nicht umfasse. Sie habe sich nicht verpflichtet, auch für
solche Verbindlichkeiten einstehen zu wollen, die sich als Verrechnungsposten aus der
nach dem Ausschluss der Hauptschuldnerin gemäß § 24.2 des ARGE-Vertrages
aufzustellenden Auseinandersetzungsbilanz ergäben. Es hätten nur Ansprüche auf
Rückzahlung von Ausschüttungen abgesichert werden sollen, die den Fortbestand der
ARGE und die Durchführung des Bauvorhabens absichern sollten. Zutreffend werde
überwiegend darauf hingewiesen, dass die wechselseitigen Ansprüche der Gesellschaft
und des ausgeschiedenen Gesellschafters in einem zu ermittelnden
Auseinandersetzungsanspruch aufgingen, die untergegangenen Ansprüche demgemäß
nur noch als unselbständige Rechnungsposten in der Auseinandersetzungsrechnung
darzustellen seien. Wegen der gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten werde die
Hauptschuld durch eine andere Forderung ersetzt und inhaltlich so verändert, so dass
dies einer Ersetzung gleichkomme. Derart umgewandelte Ansprüche seien von Inhalt
und Wortlaut der Bürgschaften indes nicht abgesichert. Daran ändere auch der
Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung auf erstes Anfordern nichts, wobei im
übrigen bestritten werden müsse, dass die Klägerin sie, die Beklagte, vor Ausschluß der
Hauptschuldnerin aus der Arbeitsgemeinschaft in Anspruch genommen habe. Die
akzessorische Hauptschuld teile vielmehr das Schicksal aller Forderungen. Sie sei
entstanden, etwa auch durchsetzbar gewesen, sei dann aber in einem anderen
Anspruch auf- und damit untergegangen. Diese Wirkung habe die Klägerin mit
Schreiben vom 24.02.2005 selbst zu verantworten.
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Im übrigen besicherten die Bürgschaften den Fortbestand der ARGE. Das habe
ersichtlich auch die Klägerin erkannt und deshalb die Vorlage entsprechend ergänzter
Bürgschaften verlangt.
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Schließlich habe die Klägerin auch die tatsächlichen Voraussetzungen für die
Inanspruchnahme der Bürgschaften nicht dargetan. Bei den geltend gemachten
Rückzahlungen handele es sich nicht um zuvor erfolgte Ausschüttungen, sondern – so
ausdrücklich die Schreiben der ARGE vom 07.01.2005, 08.02.2005 und 10.02.2005 –
um die Zahlung von Einlagen, während das Schreiben vom 31.01.2005 den Grund der
Zahlungsaufforderung nicht erkennen lasse.
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Darüber hinaus sei die der Bürgschaftsbegebung zugrunde liegende Sicherungsabrede
wegen Verstoßes gegen die AGB-rechtlichen Regelungen des BGB, hier § 307 BGB,
unwirksam. Die Bürgschaft auf erstes Anfordern benachteilige sie unangemessen
entgegen den Geboten nach Treu und Glauben. Ihr werde im Falle einer unberechtigten
Inanspruchnahme der Hauptschuldnerin das Insolvenzrisiko des Verwenders, der
Klägerin als letztlich Begünstigter auferlegt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und Unterlagen Bezug
genommen.
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ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
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Die Klage ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin € 540.300,00 zu
zahlen. Das folgt aus §§ 765, 767 BGB.
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Die Klägerin ist zur Geltendmachung des eingeklagten Anspruchs aktivlegitimiert. Die
Hauptschuldnerin der streitgegenständlichen Bürgschaftsforderung, die C AG, ist aus
wichtigem Grund, der Einstellung von Zahlungen und Einleitung des
Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen durch Beschluss des Amtsgerichts Augsburg
vom 01.02.2005, mit Schreiben der ARGE vom 24.02.2005, vertreten durch die Klägerin
in Ausübung der technischen und kaufmännischen Geschäftsführung, unter Hinweis auf
§ 23.51 des Gesellschaftsvertrages als Gesellschafterin ausgeschlossen worden.
Gemäß § 24 des Arge-Vertrages ist hierauf die Gesellschaft von der einzig
verbleibenden Gesellschafterin, der Klägerin, fortgesetzt worden, so dass sie als
Gesamtrechtsnachfolgerin der ARGE klageberechtigt ist.
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Die Beklagte hat sich gemäß Bürgschaftsurkunden Nr. 102 und 103 vom 22.05.2003 für
die C AG auf Zahlung bis zu einer Gesamthöhe von jeweils € 270.150,00, insgesamt
somit von € 540.300,00 auf erstes Anfordern verpflichtet. Nach vorprozessualer
Aufforderung, zuletzt mit Schreiben vom 23.02.2005 mit Friststellung bis spätestens zum
04.03.2005, urkundlich belegt mit Anlagen K 30 und 31 (Bl. 111 f.d.A.), schuldet die
Beklagte der Klägerin die Bürgschaftssumme in vollem geltend gemachten Umfang. Die
von ihr hiergegen vorgebrachten Bedenken bieten zu einer abweichenden rechtlichen
Beurteilung keinen Anlaß:
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Die Bürgschaftserklärungen vom 22.05.2003 sind rechtswirksam. Ein Verstoß gegen die
AGB-rechtlichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches ist nicht ersichtlich.
Richtig ist, dass die Urkunden für eine Vielzahl von Verwendungen vorformulierte
Vertragsbedingungen enthalten und damit der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB
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unterliegen. Diese führt indes nicht zur Unwirksamkeit. Eine unangemessene
Benachteiligung der Beklagten entgegen Treu und Glauben vermag das Gericht nicht zu
erkennen. In diesem Zusammenhang sei vorab darauf hingewiesen, dass die Urkunden,
weil mit dem Logo der Beklagten ausgestattet, ersichtlich von dieser erstellt worden
sind, so dass sie maßgeblich selbst für deren Inhalt verantwortlich zeichnet. Wenn und
soweit sie rügt, hiernach, weil auf erstes Anfordern zur Zahlung verpflichtet, mit etwaigen
Einwendungen und Einreden auf den Rückforderungsprozeß beschränkt zu sein mit der
Folge, im Falle einer unberechtigten Inanspruchnahme das Insolvenzrisiko des
Verwenders zu tragen, muß sie sich überdies entgegen halten lassen, dass es sich um
Ausschüttungsbürgschaften handelt, die sich die Partner – so nachweislich auch die
Klägerin zu Gunsten der Beklagten – zum wechselseitigen Gebrauch haben auslegen
lassen. Angesichts dessen ist die von der Beklagten herangezogene Rechtsprechung
zu einseitig verpflichtenden Gewährleistungs- und Vertragserfüllungsbürgschaften
schon im Ansatz nicht einschlägig.
Die Beklagte kann ferner kein Gehör damit finden, dass die geltend gemachte
Forderung von dem Sicherungszweck der Bürgschaften nicht umfasst sei. Die Beklagte
hat sich nach dem eindeutigen Wortlaut der Urkunden unter Hinweis auf §§ 11.24 und
11.25 des Arge-Vertrages ausdrücklich für Rückerstattungsansprüche der Gesellschaft
gegen die C AG aus Ausschüttungen verbürgt. Darum geht es hier. Die zu Grunde
liegenden Aufforderungsschreiben sind teilweise von der C AG selbst verfasst.
Ohnedies war die C AG selbständig in der Lage zu prüfen, worauf sich der Inhalt dieser
Zuschriften bezog, außerdem ob, wann, in welcher Höhe ihr wie der Klägerin verfügbare
Geldmittel im Sinne von § 11.25 des Gesellschaftsvertrages zugeflossen sind. Zur
Sicherung der Rückerstattung auf Aufforderung hat die C AG die streitgegenständlichen
Partnerausschüttungsbürgschaften gestellt. Dazu war sie nach § 11.25 des Vertrages
dem Grunde wie der Höhe nach verpflichtet. Dass sie die Gestellung der Sicherheiten
ohne Rechtspflicht veranlasst haben könnte, ist weder vorgetragen noch aus den
Umständen ersichtlich, widerspräche im übrigen jeder kaufmännischen Vernunft.
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Wenn die Beklagte meint, sich nach Sinn und Wortlaut der Bürgschaftsurkunden nur für
Ansprüche auf Rückzahlung von Ausschüttungen zur Sicherung des Fortbestandes der
ARGE und der Durchführung des Bauvorhabens verpflichtet zu haben, ist ihr mit der
zitierten Rechtsprechung des Landgerichts Osnabrück, entgegen zu halten, dass der
Rückzahlungsanspruch bei Ausschüttungen wirtschaftlich den Zweck verfolgt, der
Gesellschaft jederzeit wieder liquide Mittel zuzuführen. Dieses Bedürfnis besteht auch in
der Auflösungsphase jedenfalls solange, bis der vertraglich vereinbarte Zweck – hier die
gemeinsame Durchführung der für die Strecke Köln-Rhein/Main, Bauabschnitt 1.4 Köln
Porz beauftragten Bauarbeiten tatsächlich und wirtschaftlich nicht völlig erreicht ist. Mit
Schreiben vom 07.01.2005 und 31.01.2005 hat die C AG selbst, damals noch mit der
kaufmännischen Geschäftsführung betraut, verdeutlicht, dass die angeforderten Beträge
als Liquiditätsbedarf für den Fortbestand der ARGE, insbesondere die Durchführung des
Bauvorhabens aus ihrer Sicht erforderlich waren. Auch die weiteren Rückforderungen
dienten nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin erkennbar und
ausschließlich diesem Zweck, so dass auf die Argumentation der Beklagten schon
deshalb nicht näher eingegangen werden braucht.
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Der einmal entstandene Anspruch ist nachträglich nicht untergegangen, die Klägerin
somit an dessen Durchsetzung nicht gehindert. Die Klägerin hat die Beklagte mit
Schreiben vom 14.02.2005 aus den Bürgschaften in Anspruch genommen. Zu diesem
Zeitpunkt war der Hauptschuldnerin zwar die kaufmännische Geschäftsführung
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entzogen, ihr Ausschluss aus der Gesellschaft ist indes erst später – unter dem
24.02.2005, zugegangen am 26.02.2005 - erfolgt.
Aus Sicht der Beklagten soll es auf den Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung
nicht ankommen. Nach ihrer Ansicht ist die Hauptschuld auf Grund
gesellschaftsrechtlicher Besonderheiten durch eine andere Forderung derart ersetzt und
inhaltlich verändert worden, dass auch die Bürgschaft erloschen ist. Sie verweist darauf,
dass mit dem Ausscheiden der C AG aus der ARGE sämtliche wechselseitigen
Ansprüche der Gesellschafter in dem nach § 738 Abs. 1 BGB zu ermittelnden
Auseinandersetzungsanspruch aufgegangen seien mit der weiteren Folge, dass
Gesellschafter die ihnen gegen die Gesamthand und Mitgesellschafter zustehenden
Ansprüche nicht mehr selbständig im Wege der Leistungsklage durchsetzen können.
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Dies ist im Ansatz richtig, vermag den Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte im
Ergebnis indes nicht zu berühren. Zutreffend weist die Klägerin unter Hinweis auf –
einschlägige - Literatur und Rechtsprechung darauf hin, dass die Grundsätze sowohl
der Akzessorität wie der Durchsetzungssperre bei Auseinandersetzungen einer BGB-
Gesellschaft Durchbrechungen kennen, die vorliegend Anwendung finden.
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Der Grundsatz der Akzessorität greift dann nicht, wenn der Sicherungszweck den
Fortbestand der Bürgschaftsverpflichtung erfordert. Sicherungszweck der Bürgschaften
ist es, die Liquidität der ARGE zu sichern. Diese ist im Fall der Zahlungsunfähigkeit und
Insolvenz eines Partners, hier der C AG, gefährdet. Schließlich ist die ARGE weiterhin
den Ansprüchen Dritter ausgesetzt, deren Forderungen die Klägerin im Wege der
Rechtsnachfolge trotz Ausscheidens ihres Mitgesellschafters auch künftig bedienen
muß, um die Geschäfte der ARGE fortsetzen zu können.
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Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof entschieden (BGH in NJW 2003, 1250, 1251
m.w.N.), dass der Grundsatz der Akzessorietät dort Einschränkungen erfährt, wo die
Einreden ihren Grund gerade in der Vermögenssituation des Hauptschuldners haben.
Diese Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar. Infolge
Vermögenslosigkeit ist die C AG als Gesellschafterin aus der ARG ausgeschlossen
worden, die als notwendige Folge, die Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz
begründet. Demnach ist maßgeblich die Vermögenssituation der C3 AG für den
Anspruch auf Auseinandersetzung verantwortlich, was nach der zitierten
Rechtsprechung von dem Akzessoritätsgrundsatzes abzuweichen rechtfertigt.
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Auch die Durchsetzungssperre kennt Ausnahmen, die vorliegend die Berufung der
Beklagten hierauf hindern. So können nach Auflösung der Gesellschaft die auf dem
Gesellschaftsverhältnis beruhenden Ansprüche im Grundsatz zwar nur noch im Rahmen
einer abschließenden Auseinandersetzung berücksichtigt werden. Eine Ausnahme gilt
indes dann, wenn bereits vor Beendigung der Auseinandersetzung sicher feststeht,
dass ein Gesellschafter einen bestimmten Betrag verlangen kann. Dies ist hier der Fall.
Die Klägerin hat durch Vorlage der Auseinandersetzungsbilanz – unwidersprochen -
belegt, dass sie sich einer Zahlungsverpflichtung der Hauptschuldnerin in einer die
Klageforderung weit übersteigenden Höhe von € 2.650.299,26 berühmen kann.
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Im übrigen sei erneut darauf hingewiesen, dass die C AG selbst wesentliche
Rückforderungen mit Schreiben vom 05.01. und 31.01.2005 veranlaßt hat, ohne diesen
Forderungen durch Zahlung Folge zu leisten. Auch nach Ansicht des Gerichts hat sie
sich hierdurch dem Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens und damit eines Verstoßes
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gegen Treu und Glauben ausgesetzt, der gleichermaßen eine Durchbrechung des
Grundsatzes der Durchsetzungssperre rechtfertigt.
Wenn die Beklagte meint, dass die ARGE den Auseinandersetzungsanspruch durch die
Bürgschaft ausdrücklich hätte absichern müssen, was nicht geschehen ist, und diesen
vor dem Ausscheiden der C AG aus der ARGE gerichtlich hätte geltend machen
müssen, kann ihr gleichermaßen nicht gefolgt werden. Diese Auffassung ist mit der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wie ausgeführt, ebenso wenig vereinbar wie
mit den von der Beklagten herangezogenen Fundstellen. So stellt der überreichte
Hinweisbeschluss des OLG Frankfurt zwar darauf ab, dass der Bürgschaftsfall dann
nicht eintritt, es sei denn, dass der Auseinandersetzungsanspruch durch die Bürgschaft
ausdrücklich mit abgesichert oder die Bürgin vor dem Ausscheiden der Gesellschafterin
in Anspruch genommen worden ist. Von einer gerichtlichen Geltendmachung ist hierin
nicht die Rede. Soweit jener Beschluss eine Anmerkung von Diestel, EwiR 2003, 1079
f) zitiert, ist diese so knapp gehalten, dass sie einer inhaltlichen Auseinandersetzung
nicht zugänglich ist. Sie läßt offen, worauf sich diese, aus Sicht des Gerichts eher
willkürliche Unterscheidung stützt. Im übrigen vermag das Gericht den Sinngehalt
dessen nicht zu erkennen. Auch durch außerprozessuale Inanspruchnahme kann sich
der jeweilige Bürge auf die Forderung einrichten, einer "gerichtlichen Geltendmachung"
bedarf es hierzu nicht, zumal nicht erkennbar wird, ob die Beklagte unter Hinweis auf die
von ihr zitierte Literatur und Rechtsprechung auf Anhängigkeit, Rechtshängigkeit oder
rechtskräftige Verurteilung des jeweiligen Bürgen abstellen will.
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Die C AG ist – erfolglos - aufgefordert worden, Rückzahlungen von zusammen €
2.876.050 zu leisten. Die Klägerin hat unter Ziffer IV. ihrer Ausführungen in der
Klageschrift die Rangfolge bestimmt, mit der sie hieraus gegen die Beklagte als Bürgin
vorgeht. Danach hat die Beklagte von den geschuldeten € 540.300,00 zunächst den
Anspruch auf Rückforderung gemäß Schreiben vom 07.01.2005 mit € 85.400,00,
sodann einen Teilbetrag von 454.900,00 aus der Anforderung mit Schreiben vom
31.01.2005 zu tilgen. Sämtliche dieser Anforderungen stammen von der
Hauptschuldnerin.
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Der Zinsanspruch der Klägerin ist aus dem Gesichtspunkt des Verzuges, §§ 286, 288
BGB, gerechtfertigt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 108, 704, 709 ZP.
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Streitwert:
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