Urteil des LG Köln vom 07.07.2010

LG Köln (kläger, höhe, vvg, kündigung, widerruf, widerrufsrecht, fonds, versicherung, auskunft, abschluss)

Landgericht Köln, 26 O 609/09
Datum:
07.07.2010
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
26. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 O 609/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T A T B E S T A N D :
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Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückzahlung von
Versicherungsbeiträgen. Gemäß Versicherungsschein vom1.7.2005 (K 1 im
Anlagenheft) bestand zwischen den Parteien ein Vertrag über eine fondsgebundene
Lebensversicherung, auf die der Kläger zunächst monatliche Beiträge von 150,- €
zahlte, die sich in den Folgejahren dynamisch erhöhten.
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.4.2008 (K 2 im Anlagenheft) erklärte der Kläger
"den Widerspruch gemäß § 5a VVG / den Widerspruch nach § 8 VVG, vorsorglich
die Anfechtung nach § 119 BGB, hilfsweise die Kündigung" und bat um Auszahlung
der ihm zustehenden Gelder. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 21.5.2008 (K 3
im Anlagenheft), dass die Kündigung der Versicherung zum 1.6.2008 wirksam
werde und sich eine Rückvergütung von1.798,53 € errechne; diese wurde dem
Kläger ausgezahlt.
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Der Kläger behauptet, es seien Beiträge von insgesamt 6.913,76 € gezahlt worden.
Er ist der Ansicht, der Versicherungsvertrag sei gem. § 5a VVG wirksam widerrufen
worden. Das Widerrufsrecht habe auch noch nach Ablauf der in § 5a VVG a.F.
genannten Widerrufsfrist bestanden, weil ihm die gemäß § 10a
Versicherungsaufsichtsgesetz erforderlichen Unterlangen nicht vorgelegt worden
seien, so dass die Frist nicht zu laufen begonnen habe. Soweit in § 5a II 3 VVG eine
maximale Widerrufsfrist von 1 Jahr vorgesehen gewesen sei, sei diese
Fristenregelung europarechtswidrig. Der Vertrag sei daher rückabzuwickeln, wobei
ihm nicht nur die geleisteten Beiträge, sondern auch Nutzungen zustünden; der im
Klageantrag zu 2. genannte Betrag entspreche den bei ordnungsgemäßer Nutzung
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erzielten Zinsen und Berücksichtigung von Zinseszinsen.
Jedenfalls habe er einen Anspruch auf Vorlage einer Berechnung und Auszahlung
des nach den Grundsätzen des BGH errechneten tatsächlichen Rückkaufswertes
ohne Vornahme der Zillmerung der Abschlusskosten, weil die von der Beklagten
verwendeten Vertragsbedingungen (K 4 im Anlagenheft) im Hinblick auf die Abzüge
von Storno-/Abschlusskosten wegen Intransparenz unwirksam seien; aus ihnen
ergäbe sich nicht mit hinreichender Deutlichkeit, welche Abzüge bei einer
vorzeitigen Kündigung auf den Versicherungsnehmer zukommen.
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Mit Schriftsatz vom 4.12.2009 stützt er seine Klage weiter auf die Ansicht, dass ein
Widerrufsrrecht gemäß §§ 495, 355 BGB bestehe, weil Ratenzuschläge für die
monatliche Zahlungsweise der Beiträge nicht angegeben worden seien und das
sich hieraus ergebende Widerrufsrecht mangels Belehrung nicht erloschen sei.
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Mit Schriftsatz vom 19.4.2010 stützt er den Rückabwicklungsanspruch auf einen
Schadensersatzanspruch aus c.i.c. wegen Verstosses gegen die
Beratungspflichten, weil es üblich sei, dass die Fondsgesellschaft an den
Lebensversicherer eine Vergütung für erbrachte Dienstleistungen zahle, die
zumindest zum Teil für Verwaltungskosten verwendet und zum Teil in die
Überschusskalkulation aufgenommen werde. Nach der "Kick-Back-
Rechtsprechung" des BGH habe der Kunde ein besonderes Interesse daran, über
die Höhe dieser Rückvergütungen genauer informiert zu werden, da sich aus der
Höhe ablesen lasse, inwiefern die Versicherung ein Interesse an der Vermittlung
genau dieses Fonds habe.
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Der Kläger beantragt mit der zunächst beim Landgericht Nürnberg-Fürth erhobenen
Klage die Beklagte zu verurteilen,
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1. an ihn 5.115,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz
seit 22.5.2008 zu zahlen,
2. an ihn Zinsen in Höhe von 1.069,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über
dem Basiszinssatz seit 22.5.2008 zu zahlen,
3. hilfsweise für den Fall, dass der Widerruf des Lebensversicherungsvertrages des
Kläger nicht gem. § 5a VVG a.F. wirksam ist
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a. die Beklagte zu verurteilen, durch Vorlage einer nachvollziehbaren und prüfbaren
Aufstellung Auskunft zu erteilen über die Höhe des Rückkaufswertes der
Lebensversicherung, insbesondere unter Berücksichtigung der für die
Durchführung des Lebensversicherungsvertrages aufgewendeten Abschluss- und
Stornokosten,
b. die Beklagte zu verurteilen, den sich aus der Auskunft ergebenden Rückkaufswert
unter Abzug bereits gezahlter 1.798,53 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten
über dem Basiszinssatz seit 10.10.2008 an ihn zu bezahlen,
c. die Beklagte zu verurteilen darüber Auskunft zu erteilen, ob und wenn ja, in
welcher Höhe von Seiten der Kapitalanlagegesellschaft J GmbH hinsichtlich der
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Dachfonds K Classic OP und J Opportunity OP Bestandsprovisionen und/oder
Verwaltungsgebühren an die Beklagte gezahlt werden.
4. außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 486,35 € nebst Zinsen in
Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu
bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sei behauptet, Beiträge seien lediglich in Höhe von insgesamt 6.909,16 € gezahlt
worden, und bestreitet den zu erwirtschaftenden Zinsertrag. Sie ist – unter
Begründung im Einzelnen – der Ansicht, dem Kläger seien die nach § 10a VAG
erforderlichen Unterlagen vorgelegt worden, § 5a VVG sei mit europäischem Recht
vereinbar. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Vorlage einer Berechnung
des Rückkaufswertes ohne Vornahme der Zillmerung der Abschlusskosten, weil die
Versicherungsbedingungen wirksam seien.
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Weder mit Schreiben vom 15.4.2008 noch mit Schriftsatz vom 4.12.2009 sei der
Vertrag wirksam wegen nicht angegebener Ratenzahlungszuschläge widerrufen
worden. Der bereits aufgrund der Kündigung beendete Vertrag könne nicht noch ein
weiteres Mal durch Widerruf beendet werden. Es habe sich auch nicht um ein
Teilzahlungsgeschäft i.S.d. § 499 II BGB mit Zahlungsaufschub gehandelt.
Ratenzuschläge seien bei fondsgebundenen Lebensversicherungen wie vorliegend
auch gar nicht vereinbart worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen Bezug genommen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
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Die Klage ist unbegründet.
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1.
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Dem Kläger stehen die in den Klageanträgen zu 1. und 2. geltend gemachten
Ansprüche auf Rückzahlung der Versicherungsbeiträge und nicht gezogener
Nutzungen nicht zu.
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Zu Recht hat die Beklagte das Schreiben vom 21.5.2008 als Kündigung des
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Versicherungsvertrages mit der sich daraus ergebenden Folge der Erstattung des
Rückkaufswertes verstanden, da der Kläger kein Widerrufsrecht hatte:
Der Kläger ist gem. § 10a I VAG in einer Verbraucherinformation über die für das
Versicherungsverhältnis maßgeblichen Tatsachen und Recht vor Abschluss
hinreichend unterrichtet worden. Die Grundsätze für die Überschussermittlulng und
–beteiligung, die Rückkaufswerte, Angaben über die prämienfreie Versicherung,
Fonds und die Steuerregelung sind in der Verbraucherinformation, dem
Versicherungsschein, der Tarif- und Leistungsbeschreibung, der
Rückkaufswerttabelle und den Bedingungen enthalten. Eine Information über
Abschlusskosten in der jeweiligen Höhe ist nicht geschuldet.
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Ein Widerrufsrecht stand dem Kläger nach Ablauf der maximalen Widerrufsfrist von
1 Jahr nach Zahlung der Erstprämie (§ 5a II 3 VVG) nicht mehr zu. Nach der
Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln (Beschluss vom 26.3.2010 – 20 U
150/09; ebenso OLG Stuttgart, Urteil vom 19.9.2009 – 7 U 75/09), der die Kammer
sich anschließt, ist die Regelung des § 5a VVG auch vor dem Hintergrund
europäischen Rechts nicht zu beanstanden; auf die Darlegungen in diesem
Beschluss wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
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2.
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Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Auskunft und Zahlung eines weiteren
Rückkaufswertes. Die Allgemeinen Bedingungen für die fondsgebundene
Lebensversicherung der Beklagten sind nicht wegen Intransparenz unwirksam, so
dass sich kein Rückabwicklungsanspruch des Klägers ergibt. Wie sich aus dem
Wesen der fondsgebundenen Lebensversicherung ergibt, können Rückkaufswerte
und beitragsfreie Leistungen, die aus Investmentanlagen entstehen und von der
Kapitalmarktentwicklung abhängen, nicht garantiert werden. Dass exakte Zahlen
nicht genannt werden können, ergibt sich aus der Rückkaufswerttabelle, die über
die Rückkaufswerte bei Kündigung und Beitragsfreistellung informiert. Ausdrücklich
hingewiesen wird in § 7 Abs. 2 darauf, dass die Kündigung mit Nachteilen
verbunden ist und dass der bei Kündigung sich ergebende Rückkaufswert sich
vermindert um einen Abzug, dessen Höhe sich dem Versicherungsschein
entnehmen lässt. Es wird ferner darauf hingewiesen, dass in der Anfangszeit und
auch in den Folgejahren der Rückkaufswert nicht unbedingt die Summe der
eingezahlten Beiträge erreicht. In § 16 ist die Verrechnung von Abschlusskosten
hinreichend erläutert, da die konkrete Höhe von Nebenkosten (nach der vor dem
1.1.2008 bestehenden Rechtslage) nicht beziffert werden muss.
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3.
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Ein Widerruf gemäß §§ 495 I, 355 BGB ist in dem Schreiben vom 15.4.2008 nicht
erklärt worden und kann auch nicht im Wege der Auslegung in dieses Schreiben
hineininterpretiert worden. Ein nunmehr prozessual erklärter Widerruf scheitert
bereits daran, dass der Widerruf des bereits aufgrund der Kündigung erloschenen
Vertrages nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer nicht mehr möglich ist.
Darüberhinaus besteht auch kein derartiges Widerrufsrecht, da ein
Versicherungsvertrag – unabhängig von der Frage, ob vorliegend überhaupt
Ratenzahlungszuschläge erhoben worden sind – schon kein
"Teilzahlungsgeschäft" i.S.d. § 499 BGB darstellt. Tarifzuschläge für unterjährige
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Zahlungen stellen keinen entgeltlichen Zahlungsaufschub dar. Aus der Begründung
zu § 1 II VerbrKrG (BT-Drucksache 11/5462, S. 17) ergibt sich, dass
Dauerschuldverhältnisse mit laufenden Zahlungen nicht schon dann erfasst werden,
wenn die Tarife nach der Zahlungsweise (monatlich, viertelljährlich usw.) gestaffelt
werden, wie dies z.B. bei Versicherungsverträgen angetroffen wird; bei dieser
Tarifgestaltung liegt kein Zahlungsaufschub vor, sondern es stehen
Rabattgesichtspunkte im Vordergrund (so auch Bruchner/Ott/Wager-Wieduwilt, § 1
VerbKrG Rn. 47; Seibert, WM 1991, 1445; Soergel/Häuser § 1 VerbKrG Rn 54).
Schließlich fänden gemäß §§ 355, 357 BGB auf den Widerruf die Vorschriften über
den Rücktritt nur entsprechend Anwendung, soweit nicht ein anderes bestimmt ist.
Tatsächlich ist aber in den Regelungen des VVG zum Widerruf eines
Versicherungsvertrages anderes bestimmt, nämlich der Anspruch auf den
Rückkaufswert oder die Prämie des ersten Versicherungsjahres, §§ 8, 152 VVG.
4.
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Schließlich ist die vom Kläger herangezogenen Rechtsprechung des BGH zu Kick-
Back-Zahlungen bei Fondsanlagevermittlungen nicht übertragbar auf den
Abschluss fondsgebundener Lebensversicherungen. Die tatsächliche und rechtliche
Situation der Vermittlung von Bankprodukten oder Medienfonds an einen Kunden ist
mit dem Abschluss der Versicherung nicht vergleichbar, weil der Kunde schon nicht
unmittelbar bestimmte Fondsanteile erwirbt, für die er sich aufgrund der Beratung
durch die Bank entscheidet und bei deren Auswahl es für ihn von Interesse ist zu
erfahren, ob und in welcher Höhe jeweils unterschiedliche Rückflüsse an die Bank
erfolgen Es besteht daher auch kein entsprechendes Beratungsverhältnis des
Versicherers und des Versicherungsnehmers über die in Betracht kommenden
Fonds. Dem Versicherer steht vielmehr frei zu entscheiden, ob oder welche
Fondsanteile er kauft, ohne dass die Fondsauswahl dem Versicherungsnehmer
bekanntgemacht werden muss, und er kann auch auf andere Weise dafür sorgen,
dass das Deckungskapital des Vertrages der Entwicklung der zugrundeliegenden
Fonds entspricht. Schließlich kommen bei der fondsgebundenen Versicherung Kick-
Backs zu wesentlichen Teilen dem Versicherungsnehmer zugute, nicht aber als
Gewinn einer anlagevermittelnden Bank, die durch die Höhe der Zahlungen in der
Auswahl der Fonds beeinflusst werden könnte.
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5.
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Vorgerichtliche Anwaltskosten kann der Kläger nach alldem ebenfalls nicht
verlangen.
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6.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 I, 709 ZPO.
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Streitwert:
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Antrag zu 1: 5.115,23 €
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Antrag zu 2: 1.096,18 €
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Antrag zu 3: 512,00 € (geschätzt 10% des Antrags zu 1)
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gesamt: 6.723,41 €
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