Urteil des LG Köln vom 22.07.2002

LG Köln: zustellung, internationale zuständigkeit, post, auflage, ersetzung, quote, lebensstandard, verfahrenskosten, nettoeinkommen, gutachter

Landgericht Köln, 19 T 88/02
Datum:
22.07.2002
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
19 T 88/02
Vorinstanz:
Amtsgericht Köln, 73 IK 145/01
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Einwendungsgläubigerin vom
19.06.2002 gegen den Beschluß des Amtsgerichts Köln vom
22.05.2003, Aktenzeichen: 73 IK 145/01 , wird auf deren Kosten
zurückgewiesen.
G R Ü N D E :
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Die Schuldnerin hat am 20.09.2001 die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens
über ihr Vermögen und die Gewährung von Restschuldbefreiung beantragt. Ausweislich
des zu den Akten gereichten Schuldenbereinigungsplans bietet sie ihren drei
Gläubigern zur Schuldenbereinigung eine sofortige Einmalzahlung aus einem
Gesamtbetrag von 9.863,84 DM in Höhe von jeweils 500,00 DM an, während der
Restbetrag auf die Gläubiger nach Maßgabe der Höhe der jeweils verbleibenden
Forderung aufgeteilt werden soll. Die Gesamtsumme der Forderungen beläuft sich auf
127.295,00 DM , darin enthalten ist die Forderung der Einwendungsgläubigerin mit
52.000,00 DM. Nachdem die Einwendungsgläubigerin die Zustimmung zu dem
Schuldenbereinigungsplan nicht erteilt hat, während die beiden übrigen Gläubiger
diesem zugestimmt haben, hat das Amtsgericht nach Anhörung der
Einwendungsgläubigerin auf den Antrag der Schuldnerin mit Beschluß vom 22.05.2002
deren Einwendungen gegen den Schuldenbereinigungsplan durch eine Zustimmung
ersetzt.
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Dieser Beschluß ist der Einwendungsgläubigerin durch Aufgabe zur Post zugestellt
worden. In der von der Geschäftsstelle des Amtsgerichts unter dem 03.06.2002
beurkundeten Zustellung heißt es: " Zum Zwecke der Zustellung durch Aufgabe zur Post
(...) ist am
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eine Briefsendung an den Wachtmeister X des Amts-
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gerichts Köln übergeben und von diesem am 28.05.2002 bei dem
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Postamt in Köln aufgegeben worden (...) Inhalt: B. v. 22.04.2002.
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(...)".
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Mit am 19.06.2002 bei dem Amtsgericht eingegangenem Schreiben vom selben Tage
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hat die Einwendungsgläubigerin sofortige Beschwerde erhoben, der das Amtsgericht
nicht abgeholfen und die es mit Beschluß vom 27.06.2002 der Kammer zur
Entscheidung vorgelegt hat.
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Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Einwendungsgläubigerin ausgeführt, die
internationale Zuständigkeit des Amtsgerichts Köln sei nicht gegeben, vielmehr richte
sich ihre Forderung allein nach dem französischen Recht; jedenfalls seien die
Voraussetzungen für eine Ersetzung ihrer Einwendungen durch eine Zustimmung des
Insolvenzgerichts nicht gegeben, weil die Schuldnerin nicht vermögenslos sei; es
bestünde zudem "Zweifel" daran, ob die sich aus dem Gläubigerverzeichnis ergebende
Forderung der Gläubigerin I, der Mutter der Schuldnerin, in Höhe von 70.895,00 DM
tatsächlich bestehe.
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Die sofortige Beschwerde der Einwendungsgläubigerin ist statthaft und auch im übrigen
zulässig gemäß §§ 4, 6, 309 Abs. 2 S. 3 InsO, 567 ff. ZPO n. F.
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Sie ist insbesondere fristgerecht eingelegt worden, nachdem eine ordnungsgemäße
Zustellung des angefochtenen Beschlusses aus den Akten nicht ersichtlich ist.
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Eine andere Bewertung ist nicht geboten, weil das Amtsgericht bereits mit Beschluß
vom 14.12.2001 angeordnet hat, daß die Einwendungsgläubigerin einen im Bezirk des
Amtsgerichts Köln wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten zu benennen habe,
andernfalls sämtliche weitere Zustellungen durch Aufgabe zur Post bewirkt würden.
Denn die von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Amtsgerichts unter dem
03.06.2002 beurkundeten Zustellung des angefochtenen Beschlusses genügt nicht den
Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Zustellung entsprechend dem hier
einschlägigen bis zum 30.06.2002 geltenden Zustellungsrecht zu stellen sind.
Voraussetzung für eine wirksame Zustellung durch Aufgabe zur Post ist nämlich gemäß
§ 213 der bis zum 30.06.2002 geltenden Fassung der Zivilprozeßordnung, daß der die
Zustellung beurkundende Aktenvermerk das zuzustellende Schriftstück eindeutig
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bezeichnet. Daran fehlt es bereits, nachdem als Inhalt der Zustellsendung ausweislich
des Aktenvermerks ein Beschluß vom 22.04.2002 angegeben wird, während der
angefochtene Beschluß tatsächlich vom 22.05.2002 datiert. Ist demnach die Zustellung
mangels zutreffender Angabe des zuzustellenden Schriftstückes bereits unwirksam,
bedarf es keiner weiteren Entscheidung, wie sich die nicht namentliche Benennung des
Gerichtswachtmeisters, der die Briefsendung bei dem Postamt in Köln aufgegeben hat
und der in dem Aktenvermerk lediglich mit "X" bezeichnet wird, auf die
Ordnungsgemäßheit der Zustellung auswirkt.
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In der Sache selbst hat die sofortige Beschwerde der Einwendungsgläubigerin indessen
keinen Erfolg. Bereits die Beschwerdebegründung ist nicht geeignet, eine von den
zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses, auf die die Kammer zur
Vermeidung entbehrlicher Wiederholungen in entsprechender Anwendung des § 540
ZPO n. F. Bezug nimmt, abweichende Entscheidung zu rechtfertigen.
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Insbesondere fehlt es nicht, wie die Einwendungsgläubigerin meint, an der
internationalen Zuständigkeit des Amtsgerichts Köln für die Durchführung des
Insolvenzverfah-
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rens unter gleichzeitiger Einbeziehung der Forderung der in Frankreich ansässigen
Einwendungsgläubigerin.
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Entsprechend § 3 InsO sind die deutschen Gerichte international zuständig, wenn der
allgemeine Gerichtsstand des Schuldners im Inland liegt (Schmerbach in Frankfurter
Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Auflage, § 3 RdNr. 41). Eine Modifizierung der
Zuständigkeitsbestimmung des § 3 InsO im Falle einer Beteiligung ausländischer
Gläubiger am Insolvenzverfahren ist auch im Hinblick auf Art. 102 EGInsO nicht
geboten. Grundsätzlich kommt dem deutschen Hauptinsolvenzverfahren ein universaler
Geltungsanspruch zu, der unabhängig davor besteht, ob das Ausland diesen Anspruch
anerkennt (Wimmer in Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Auflage, Art. 102
EGInsO Rd. Nr. 406).
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Zu Recht hat das Amtsgericht die Einwendungen der Gläubigerin gegen den
Schuldenbereinigungsplan durch seine Zustimmung ersetzt. Die Voraussetzungen
hierfür liegen gemäß § 309 Abs. 1 S. 1 InsO vor, denn es haben mehr als die Hälfte der
benannten Gläubigern, dem Schuldenbereinigungsplan zugestimmt. Die Summer der
Ansprüche der zustimmenden Gläubige, die sich auf 72.895,00 DM und 2.400,00 DM
belaufen, übersteigt auch die Hälfte der Summe der Ansprüche der benannten
Gläubiger, die insgesamt 127.295,00 DM beträgt.
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Demgegenüber ist ein die Ersetzung der Zustimmung auszuschließender
Ausnahmetatbestand gemäß § 309 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 InsO bzw. § 309 Abs. 3 InsO
nicht gegeben.
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Eine unangemessene Benachteiligung der Einwendungsgläubigerin i. S. v. § 309 Abs.
1 S. 2 Nr. 1 InsO fehlt bereits deshalb, weil alle Gläubiger die gleiche Quote erhalten
und gleichgestellt sind.
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Es ist auch nicht ersichtlich, daß die Einwendungsgläubigerin durch den
Schuldenbereinigungsplan schlechter gestellt wird, als sie im Falle einer tatsächlichen
Durchführung des Insolvenzverfahrens und der Erteilung von Restschuldbefreiung
stünde, § 309 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO. Eine andere Bewertung ist nicht geboten,w eil die
Einwendungsgläubigerin in ihrer Beschwerdebegründung gemutmaßt hat, der
Lebensstandard
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der Schuldnerin sei eher aufwendig so daß deren Angaben zu ihrer angeblichen
Vermögenslosigkeit wenig glaubwürdig erschienen. Die wenig substantiierten Angaben
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der Einwendungsgläubigerin sind nicht geeignet, die Annahme zu begründen, daß es
zur Durchführung eines Insolvenzverfahrens mit anschließender Restschuldbefreiung
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nicht kommen könne, weil die Schuldnerin tatsächlich nicht zahlungsunfähig i. S. des §
17 InsO ist. Bei der hypothetischen Bewertung der potenziell in einem gerichtlichen
Verfahren an den jeweiligen Gläubiger auszuschüttenden Beträge hat das Gericht
weder eingene tatsächliche Ermittlungen anzustellen noch einen Gutachter zu
beauftragen, sondern muß regelmäßig von den Angaben ausgehen, die der Schuldner
in seinem Vermögensverzeichnis gemacht hat (vgl. Grote in: Frankfurter Kommentar zur
Insolvenzordnung, 3. Auflage, § 309 InsO Rd. Nr. 26). Nachdem die Schuldnerin, die
drei Kindern unterhaltspflichtig ist, ihren Angaben zufolge lediglich über ein monatliches
Nettoeinkommen von 2.192,00 DM verfügt, sind bei der Durchführung des Verfahrens
unter Berücksichtigung der von der etwaigen Insolvenzmasse in Abzug zu bringenden
Verfahrenskosten keine Zahlungen an die Einwendungsgläubigerin zu erwarten, die
den ihr nunmehr angebotenen Betrag von 3.924,12 DM übersteigen würden. Es hätte im
übrigen gemäß § 309 Abs. 2 S. 2 InsO der Einwendungsgläubigerin oblegen, im
einzelnen darzulegen und glaubhaft zu machen, daß sich die tatsächlichen
Vermögensverhältnisse von den Angaben in dem Vermögensverzeichnis der
Schuldnerin abweichend gestalten.
Letztendlich kann auch nicht vom Vorliegen des Ausschlußtatbestandes des § 309 Abs.
3 InsO ausgegangen werden, weil die Einwendungsgläubigerin bezweifelt, daß die
Forderung der Gläubigerin I tatsächlich bestehe. Lediglich die allgemeine Behauptung,
die Gläubigerin Hemmelgarn "gelte als nicht vermögend" läßt nicht den Schluß darauf
zu, daß es sich bei deren in dem Vermögensverzeichnis aufgeführter Forderung um
einen fingierten Schuldenbetrag handele. Auch insoweit hätte es der
Einwendungsgläubigerin oblegen, das Nichtbestehen der Forderung glaubhaft zu
machen. Das bloße Bestreiten einer Forderung reicht hierzu nicht aus. Es müssen
vielmehr konkrete Tatsachen behauptet und mit entsprechenden Beweismitteln belegt
werden (Grote, a. a. O. Rd. Nr. 38).
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Die sofortige Beschwerde war demgemäß mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO
zurückzuweisen.
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Beschwerdewert: 26.587,18 EUR (52.000,00 DM gemäß der von der
Beschwerdeführerin geltend gemachten Forderung)
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