Urteil des LG Koblenz vom 02.07.2008

LG Koblenz: stundung, obliegenheit, datum, ausdehnung, auskunft, inhaftierung, erfüllung, erwerbstätigkeit, quelle, verminderung

LG
Koblenz
02.07.2008
2 T 444/08
2 T 444/08
14 IK 91/08
(AG Montabaur)
In dem Insolvenzeröffnungsverfahren
betreffend das Vermögen des
z.Zt. JVA
Antragsteller, Schuldner und Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigte:
wegen: Beschwerde gegen Ablehnung der Kostenstundung, §§ 4a, 4d Abs. 1 InsO
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz
unter Mitwirkung des Richters am Landgericht …,
- als Einzelrichter -
auf die Beschwerde des Antragstellers vom
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Montabaur vom
am 2. Juli 2008
beschlossen
1. Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Antragsteller die Kosten des
Eröffnungsverfahrens gestundet
2. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt
Gründe
Der Antragsteller hat durch seine Verfahrensbevollmächtigte unter dem die Eröffnung eines
Verbraucherinsolvenzverfahrens unter Vorlage der Anlagen gestellt und zugleich die Bewilligung der
Restschuldbefreiung beantragt.
Zugleich hat er unter dem gleichen Datum die Kostenstundung nach §§ 4 a ff. InsO beantragt. Dem Antrag wurde die
Erklärung nach § 4a Abs. 1 S. 3 InsO beigefügt.
Der Schuldner verbüßt derzeit aufgrund Urteils des Landgerichts eine lebenslange Freiheitsstrafe.
Durch Beschluss vom , auf dessen Gründe zum Zwecke der weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat
die Insolvenzrichterin des Insolvenzgerichts beim Amtsgericht Montabaur den Antrag auf Kostenstundung
zurückgewiesen.
Zur Begründung hat die Insolvenzrichterin im Wesentlichen angeführt, dass der Schuldner seiner Obliegenheit in Form
einer angemessen entlohnten Erwerbstätigkeit nicht nachgehe und in absehbarer Zeit aufgrund seiner – selbst
verschuldeten - Inhaftierung nicht nachgehen könne. Die Verletzung der Erwerbsobliegenheit nach § 295 Abs. 1 Ziffer 1
InsO stelle einen Versagungsgrund im Sinne des § 296 InsO dar. Dem Schuldner könne daher erst nach Beendigung der
Strafhaft oder als Freigänger seine Entschuldung betreiben.
Gegen diesen Beschluss, der seiner Verfahrensbevollmächtigten am zugestellt wurde, wendet sich der Antragsteller
mit seiner sofortigen Beschwerde vom , die am gleichen Tag per Telefax beim Amtsgericht Montabaur eingegangen
ist.
Der Insolvenzrichter hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
Das zulässige Rechtsmittel erweist sich auch in der Sache als begründet.
Entgegen der Auffassung des Insolvenzrichters ist Kostenstundung zu bewilligen, da die Voraussetzungen nach § 4a
InsO vorliegen und ein Ausschlussgrund nicht gegeben ist.
Insbesondere kann die – eventuelle - Nichtausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit oder das fehlende bzw. nicht
nachgewiesene Bemühen um eine angemessene Beschäftigung i.S. d. § 4 c Nr. 4 InsO nicht zu einer Versagung der
noch nicht gewährten Stundung führen.
§ 4 c Nr. 4 InsO eröffnet schon nach seinem eindeutigen Wortlaut insoweit nur die Möglichkeit einer Aufhebung, nicht
aber einer Versagung der Stundung. Eine Aufhebung setzt aber zwingend voraus, dass eine Stundung zunächst gewährt
worden ist. Die Obliegenheit des § 4 c Nr. 4 InsO kann den Schuldner damit frühestens ab Stundung der Kosten treffen
(vgl. Eberhard Braun, Kommentar zur InsO, 3. Aufl. 2007, § 4 c Rdnr. 8).
Für eine erweiternde, nicht wie das Amtsgericht - wohl stillschweigend - meint "einschränkende" Auslegung oder analoge
Anwendung des die Aufhebung der Stundung regelnden § 4 c Nr. 4 InsO auf Fälle der Gewährung der Stundung, fehlen
die Voraussetzungen. Es besteht keine durch erweiternde Auslegung oder Analogie zu schließende unbeabsichtigte
Regelungslücke.
Nach der amtlichen Begründung (RegE InsOÄndG) hat der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 4 c Nr. 4 InsO zwar eine
Ausdehnung der in § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO statuierten Erwerbsobliegenheit sowie der in § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO
statuierten Pflicht des Schuldners, Auskunft über die Erfüllung seiner Obliegenheit zu erteilen auf das Insolvenzverfahren
beabsichtigt. Wie aus der amtlichen Begründung weiterhin hervorgeht, soll die Ausdehnung dieser Vorschriften aber "im
Rahmen der Stundung" erfolgen und dem Gericht damit nur die Möglichkeit eröffnet werden, bei unzureichender
Mitwirkung des Schuldners die Stundung aufzuheben (RegE InsOÄndG, Seite 29). Davon, die Stundung nur dann zu
gewähren, wenn der Schuldner bereits im Vorfeld der in § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO normierten Obliegenheit nachgekommen
ist, hat der Gesetzgeber aus Gründen der Verfahrensvereinfachung und Beschleunigung bei der Gewährung der
Stundung gerade abgesehen.
Dem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass gemäß § 4 a Abs. 3 InsO die Stundung für jeden Verfahrensabschnitt
gesondert zu erfolgen hat. Denn die Möglichkeit der Erfüllung der Obliegenheit muss dem Schuldner in jedem
Verfahrensabschnitt wieder offenstehen. Ob und inwieweit vorherige Verstöße gegen die Erwerbsobliegenheit bei der
Gewährung der Stundung der Kosten für den nächsten Verfahrensabschnitt zu berücksichtigen sind, kann hier
offenbleiben. Jedenfalls kann die erstmalige Gewährung der Stundung nicht wegen des eventuellen vorherigen
mangelnden Bemühens oder unzureichender Auskunft über Bemühungen um eine angemessene Beschäftigung versagt
werden.
Im Übrigen ist die Kammer der Auffassung, dass auch ein Strafgefangener Restschuldbefreiung erlangen kann. Der
entgegenstehenden Auffassung des Landgerichts Hannover vom 12. Februar 2002 – 20 T 2225/01 - (veröffentlicht in:
ZInsO 2002, 449) schließt sich die Kammer nicht an. Denn da das aus der Arbeit des Schuldners im Strafvollzug
bezogene Eigengeld des Häftlings in Höhe von ca. 100 bis 144 € (vgl. Bl. 50 d. A.) nach § 52 StVollzG ohne Bindung an
die §§ 850ff ZPO pfändbar ist (vgl. BGH NJW 2004, 3714), können - zumindest begrenzt – Leistungen an die Gläubiger
erfolgen. Die hier gegebene – eventuelle – Verminderung bisherigen pfändbaren Einkommens durch die Inhaftierung
kann nicht als Obliegenheitsverletzung im Sinne des § 295 InsO qualifiziert werden (vgl. zum Ganzen: Braun, a. a. O., §
295 Rdnr. 6; Kohte, EWiR, § 295 InsO, 1/02, S. 491; Wilhelm, ZInsO 2002, 450f; Riedel, ZVI 2002, 131 f).
Auf weitere Versagungsgründe, als die in § 290 Abs. 1 Nr. 1 und 3 InsO genannten, kann vorliegend die Ablehnung der
Bewilligung der Kostenstundung nicht gestützt werden, weil sie nicht zweifelsfrei feststehen.
Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, hat die Kammer dem Antragsteller die Kosten des Eröffnungsverfahrens
gestundet.