Urteil des LG Kleve vom 05.05.2010

LG Kleve (sparkasse, dingliche sicherheit, kläger, grundstück, zahlung, verbindlichkeit, umwandlung, forderung, gefahr, höhe)

Landgericht Kleve, 2 O 443/09
Datum:
05.05.2010
Gericht:
Landgericht Kleve
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 O 443/09
Normen:
BGB §§ 329, 257; InsO § 35
Leitsätze:
Ausnahme von dem Grundsatz der Umwandlung eines
Freistellungsanspruches in einem Zahlungsanspruch bei
Insolvenzeröffnung
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Das Amtsgericht Kleve eröffnete mit Beschluss vom 11.10.2007, Az.: 32 IN 37/07, das
Insolvenzverfahren über das Vermögen der Frau U (nachfolgend: Insolvenzschuldnerin)
und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Zuvor hatte die Insolvenzschuldnerin
der Beklagten aufgrund des Vertrages vom 31.08.2005 (UR-Nr. #####/####des Notars
Dr. X mit Amtssitz in q) das Grundstück "w" in q übertragen. Dieses war zugunsten der
Sparkasse L mit mehreren Grundschulden belastet, die auch nach der Übertragung
bestehen blieben. Die Beklagte verpflichtete sich in Klausel II. Nr. 3 des Vertrages, die
Insolvenzschuldnerin im Wege der Erfüllungsübernahme im Innenverhältnis von den
Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der Sparkasse L freizustellen, die durch die
vorbezeichneten Grundschulden besichert waren. Im Außenverhältnis blieb jedoch
allein die Insolvenzschuldnerin Darlehensschuldner. Für weitere Einzelheiten der
vertraglichen Vereinbarungen wird auf den notariellen Vertrag vom 31.08.2005 (Bl. 5-15
GA) Bezug genommen. Die vorbezeichneten Darlehen valutierten bei
Insolvenzeröffnung mit 248.519,15 €. Vertreten durch seine jetzigen
Prozessbevollmächtigten forderte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom
14.08.2009 auf, den Betrag an die Insolvenzmasse zu zahlen und bis spätestens zum
28.08.2009 zum Zahlungsprozedere Stellung zu nehmen.
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Der Kläger ist der Auffassung, der Freistellungsanspruch habe sich durch die Eröffnung
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des Insolvenzverfahrens in einen Zahlungsanspruch der Insolvenzmasse umgewandelt.
Die Beklagte werde auch nicht dadurch doppelt belastet, dass die Sparkasse L in das
übertragene Grundstück vollstrecken könne, soweit sie mit ihrer Darlehensforderung im
Insolvenzverfahren ausfalle, da die Beklagte nur das mit den Grundschulden belastete
Grundstück übertragen erhalten habe.
Er beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 248.519,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.08.2009 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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1.
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die Klage abzuweisen;
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2.
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hilfsweise, ihr nachzulassen, die Vollstreckung aus dem Urteil durch
Sicherheitsleistung abwenden zu dürfen.
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Sie ist der Auffassung, der Freistellungsanspruch habe sich nicht in einen
Zahlungsanspruch umgewandelt, da die Sparkasse L auch nach Zahlung des Betrages
an die Insolvenzmasse in das Grundstück vollstrecken könne.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien
nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig. Der Kläger kann Forderungen der Insolvenzschuldnerin gemäß §
80 Abs. 1 InsO als Partei kraft Amtes geltend machen, da er Insolvenzverwalter über
deren Vermögen ist. Die Klage ist jedoch unbegründet.
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Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 248.519,15 € aus
§§ 329, 257 BGB i.V.m. Klausel II. Nr. 3 des Vertrages vom 31.08.2005. Es besteht
lediglich ein Anspruch gegen die Beklagte auf Freistellung von der entsprechenden
Darlehensverbindlichkeit gegenüber der Sparkasse L. Dieser Freistellungsanspruch hat
sich durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der
Insolvenzschuldnerin nicht in einen Zahlungsanspruch umgewandelt. Bei
Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Befreiungsgläubigers wandelt sich dessen
Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch der Insolvenzmasse um, wenn der
Drittgläubiger durch den Fortbestand des Freistellungsanspruches gegenüber den
anderen Insolvenzgläubigern unzulässig bevorzugt würde und wenn sich die
Rechtsstellung des
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Befreiungsschuldners durch die Umwandlung nicht unzulässig verschlechtert (vgl.
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KG Berlin, Urt. v. 17.04.2001 – 14 U #####/####– Juris-Rn. 16).
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Durch den Fortbestand des klägerischen Freistellungsanspruches wird die Sparkasse L
nicht unzulässig gegenüber den übrigen Insolvenzgläubigern bevorzugt. Der
Drittgläubiger wird dann unzulässig gegenüber den anderen Insolvenzgläubigern
bevorzugt, wenn er nur deswegen vollständig befriedigt würde und sich nicht mit der
Insolvenzquote begnügen müsste, weil der Freistellungsanspruch fortbesteht, da dem
Drittgläubiger dann ein von der Insolvenzordnung nicht vorgesehenes
Aussonderungsrecht an seiner Forderung eingeräumt würde (vgl. Staudinger/Bittner,
BGB, Neubearb. 2009, § 257 Rn. 15). Die Aussichten der Sparkasse L auf vollständige
Befriedigung ihrer Forderung verbessern sich durch den Fortbestand des klägerischen
Freistellungsanspruches gegen die Beklagte nicht. Sie kann ihre Forderung auch dann
vollständig und nicht nur in Höhe der Insolvenzquote erhalten, wenn sich der
klägerische Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch umwandelt. Weil ihre
Forderung gegen den Kläger durch eine auf dem Grundstück der Beklagten lastende
Grundschuld gesichert ist, kann sie diese dann gemäß §§ 1192 Abs. 1, 1147 BGB durch
ihren Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung verwirklichen. Dieser werthaltige
Anspruch ist vom Insolvenzbeschlag nicht betroffen.
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Zudem würde sich die Rechtsstellung der Beklagten unzulässig verschlechtern, wenn
der klägerische Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch umgewandelt wird.
Die Rechtsstellung des Befreiungsschuldners wird durch die Umwandlung des
Freistellungsanspruchs dann unzulässig verschlechtert, wenn er durch die Umwandlung
des Anspruches Gefahr läuft, wegen der Schuld sowohl vom Befreiungsgläubiger, als
auch vom Drittgläubiger in Anspruch genommen zu werden, während er sich zuvor
durch einfache Zahlung an einen der beiden Gläubiger von seiner Verbindlichkeit
befreien konnte (BGH, Beschl. v. 20.10.1994 – IX ZR 56/94 – Juris-Rn. 3).
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Ohne die Umwandlung des klägerischen Freistellungsanspruches in einen
Zahlungsanspruch kann sich die Beklagte durch Zahlung des Betrages an die
Sparkasse L von ihrer Schuld gegenüber dem Kläger befreien und erwirbt zugleich
einen Anspruch auf Löschung bzw. Übertragung der auf ihrem Grundstück lastenden
Grundschulden. Der Befreiungsschuldner kann seine Verbindlichkeit sowohl durch
Zahlung an den
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Befreiungsgläubiger, als auch durch Zahlung an den Drittgläubiger erfüllen (Palandt/
Grüneberg, BGB, 69. Aufl. 2010, § 257 Rn. 2). Vorliegend ergibt sich der Anspruch der
Beklagten, ihre Befreiungsschuld auch durch Direktzahlung an die Sparkasse L
erbringen zu können, zusätzlich auch aus dem Rechtsgedanken des § 268 BGB, da ihr
Grundstück genau die Forderung der Sparkasse L besichert, von der sie den Kläger
freistellen muss.
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Bei Umwandlung des Freistellungsanspruches in einen Zahlungsanspruch des Klägers
könnte die Beklagte ihre Verbindlichkeit ihm gegenüber nicht mehr durch eine
Direktzahlung an die Sparkasse L erfüllen, sondern müsste den Gesamtbetrag an den
Kläger zahlen. Dadurch wäre sie der Gefahr ausgesetzt, den Betrag sowohl an den
Kläger, als auch an die Sparkasse L zahlen zu müssen.
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Der Umwandlung des Freistellungsanspruches in einen Zahlungsanspruch ist stets
ausgeschlossen, wenn der Befreiungsschuldner und -gläubiger Gesamtschuldner des
Drittgläubigers sind (OLG Hamburg NJW-RR 1995, 673, 674; MünchKomm/Krüger,
BGB, 5. Aufl. 2006, § 257 Rn. 10). Kläger und Beklagte sind vorliegend nicht
Gesamtschuldner der Sparkasse L, da sich die Beklagte in Klausel II. Nr. 3 des
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Vertrages vom 31.08.2005 nur im Innenverhältnis zum Kläger verpflichtet hat, dessen
Darlehensschuld zu erfüllen.
Für die Beklagte besteht dennoch die Gefahr, für die Befreiungsschuld doppelt in
Anspruch genommen zu werden. Sie hat durch die auf ihrem Grundstück lastenden
Grundschulden Sicherheit für den Zahlungsanspruch der Sparkasse L geleistet. Hat der
Befreiungsschuldner dem Drittgläubiger eine persönliche oder dingliche Sicherheit für
die Verbindlichkeit geleistet, von der er den Befreiungsgläubiger freistellen muss, droht
ihm ebenso die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme für dieselbe Schuld, wie
demjenigen, der dieser beigetreten ist. Wirtschaftlich unterscheiden sich diese Fälle
nicht (OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.08.2008 – 9 U 34/08 – Juris-Rn. 17 = BeckRS 2009,
####1). Es sind auch keine Gründe ersichtlich, diese Fälle rechtlich anders zu
behandeln, als die oben genannten Fälle einer Gesamtschuld, weil sich die
Interessenlage aller Beteiligten nicht unterscheidet (insoweit offengelassen OLG
Düsseldorf, Urt. v. 25.08.2008 – 9 U 34/08 – Juris-Rn. 17 = BeckRS 2009, 28293).
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Hat sich der Befreiungsschuldner für die Verbindlichkeit verbürgt, wandelt sich der
Freistellungsanspruch nicht in einen Zahlungsanspruch um (vgl. Hermreck NJW-
Spezial 2010, 213). Der Drittgläubiger hat gegen den bürgenden Befreiungsschuldner
gemäß § 765 Abs. 1 BGB einen direkten Zahlungsanspruch. Im Insolvenzfall des
Freistellungsgläubigers ist diese Zahlungsverpflichtung nicht weniger umfangreich und
einschneidend, als wenn der Befreiungsschuldner der Verbindlichkeit beigetreten wäre.
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Das gleiche gilt, wenn der Befreiungsschuldner eine dingliche Sicherheit in Form eines
Grundpfandrechts bestellt hat. Grundschuld und Bürgschaft sind von Gesetzes wegen
gleichstufige Sicherungsmittel (BGH NJW 1992, 3228, 3229). Zwar kann die Sparkasse
L ihre Forderung gegenüber der Beklagten nicht durch Zwangsvollstreckung in
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deren gesamtes Vermögen durchsetzen. Sie hat gegen die Beklagte aber gemäß
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§§ 1192 Abs. 1, 1147 BGB einen Anspruch darauf, dass diese die Zwangsvollstreckung
in ihr Grundstück duldet. Die Beklagte hat folglich nur die Wahl, entweder die
Darlehensforderung in Höhe von 248.519,15 € an die Sparkasse zu zahlen oder den
Abfluss dieses Betrages aus ihrem Vermögen durch den Verlust ihres werthaltigen
Grundstücks hinzunehmen.
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Die Gefahr der doppelten Inanspruchnahme der Beklagten wird auch nicht dadurch
ausgeschlossen, dass das Grundstück bereits mit den zugunsten der Sparkasse L
bestellten Grundschulden belastet war, als sie es erworben hat. Die Beklagte hat nach
der Zahlung des Betrages an die Sparkasse L Anspruch auf ein insoweit lastenfreies
Grundstück, da ihr dann hinsichtlich der Grundschulden ein Übertragungs- oder
Löschungsanspruch gemäß §§ 1192 Abs. 1, 1168, 1183 BGB zusteht (vgl. Palandt/
Bassenge, BGB, 69. Aufl. 2010, § 1191 Rn. 26). Dass die Grundschulden auch nach
vollständiger Erfüllung der gesicherten Verbindlichkeit weiter zugunsten der Sparkasse
auf dem Grundstück lasten oder dem Kläger als forderungslose Grundschulden zur
Verfügung stehen sollten, wird weder ausdrücklich vorgetragen, noch ist es aus dem
Vertrag vom 31.08.2005 ersichtlich. Es wäre auch lebensfremd, eine solche
Vereinbarung anzunehmen.
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Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen
gemäß §§ 286, 288 BGB. Der Beklagte hat keinen Zahlungsanspruch gegen die
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Beklagte, so dass diese mit der Zahlung nicht in Verzug geraten sein kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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Streitwert: 248.519,15 Euro
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