Urteil des LG Kleve vom 20.12.1996

LG Kleve (kläger, verteilung der beweislast, zur unzeit, klageschrift, niederlassung, pauschal, umfang, zeitpunkt, ergebnis, 1995)

Landgericht Kleve, 6 S 22/96
Datum:
20.12.1996
Gericht:
Landgericht Kleve
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 S 22/96
Tenor:
1.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Kleve vom
30. November 1995 (2 C 512/95) wird zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
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Im Ergebnis richtig und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht dahin
entschieden, daß dem Kläger und seinen Familienangehörigen gegen die Beklagte aus
dem Pauschalreisevertrag über eine Reise nach Mallorca (####) in der Zeit vom 31. Juli
bis zum 14. August 1994 weder Minderungs- noch Schadensersatzansprüche gemäß
§§ 651 d Abs. 1, 651 f BGB zustehen, weil etwaige Gewährleistungsansprüche des
Klägers jedenfalls gemäß § 651 d Abs. 2 BGB ausgeschlossen sind. Deswegen kann
zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen in vollem Umfang auf die Ausführungen
im angefochtenen Urteil verwiesen werden. Ergänzend ist folgendes auszuführen:
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Der Kläger hat auch im Berufungsrechtszug nicht substantiiert dargelegt, daß er vor dem
12. August 1994 gegenüber der Reiseleitung der Beklagten irgendwelche Reisemängel
angezeigt hat. Dies gilt insbesondere auch für die von ihm behauptete Mängelanzeige
vom 1. August 1994 anläßlich des von der Reiseleiterin abgehaltenen
Informationscocktails.
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Er behauptet nur ganz pauschal, er habe sämtliche in der Klageschrift aufgeführten
Mängel bei dieser Gelegenheit gerügt, ohne im einzelnen darzulegen, was er konkret
gegenüber der Reiseleiterin Ferrari am 1. August 1994 gesagt hat. Dieser Sachvortrag
des Klägers kann auch nicht dahin verstanden werden, daß er mit dieser allgemeinen
Bezugnahme auf die zuvor in der Klageschrift.dargestellten Beanstandungen eine
vollständige und richtige Zusammenfassung des damaligen Gesprächsinhalts
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behaupten will. Hiergegen spricht bereits der Umstand, daß der Kläger in insgesamt
zwei Schriftsätzen jeweils pauschal behauptet hat, die im jeweiligen Schriftsatz zuvor
genannten Mängel gegenüber der Reiseleiterin am 1. August 1994 gerügt zu haben,
wobei Art und Umfang der in Bezug genommenen Beanstandungen sich erheblich
voneinander unterscheiden.So will er nach dem Inhalt des anspruchsanmeldenden
Schreibens vom 23. August 1994 gegenüber der Reiseleiterin folgende zusätzliche
Mängel angezeigt haben, die in der Klageschrift nicht genannt sind:
- das Bedienungspersonal komme während des Essens mit dem Nächfüllen der
Essenstöpfe am Buffet nicht nach,
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- am Speisewagen, auf dem das abgeräumte benutzte Geschirr gesammelt worden sei,
sei ein Müllbeutel befestigt gewesen, in den die Essensreste entleert würden, - kleine
Kinder hätten im Verlauf der ersten Woche auf der allgemein zugänglichen Veranda
einen alten Schuh, eine alte Herrensocke und ein Kondom gefunden,
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er habe mehrfach beobachtet, daß Hotelgäste von ihrem Balkon oberhalb des
Restauranteingangs nach unten Sand aus Schuhen entleert und nasse Badekleidung
ausgewrungen hätten,er habe sich darüber beschwert, daß sein Hotelzimmer nicht mit
Nachttischschränkchen ausgestattet sei,
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- die Mülltonnen seien unter erheblichem Gestank morgens um 5.00 Uhr geleert
worden,
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das Unterhaltungsprogramm für die Kinder sei völlig unbrauchbar gewesen.
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Demgegenüber fehlt in der Anspruchsanmeldung die in der Klageschrift genannte
Beanstandung, wonach die Tischdekken im Speisesaal verschmutzt gewesen seien.
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Im Berufungsrechtszug hat der Kläger diesen Sachvortrag noch dahin relativiert, er habe
sämtliche Mängel von Beginn an über den gesamten Verlauf der Reise hinweg gerügt
und am 1. August 1994 habe er sämtliche ihm bis dahin bekannten Mängel angezeigt.
Diesen Sachvortrag des Klägers kann die Kammer nur dahin verstehen, daß der Kläger
nunmehr vortragen will, er habe die Mängel nach und nach gerügt, so daß am 1. August
1994 nur ein Teil der Mängel angezeigt worden sein kann. Welche Mängel dies waren,
bleibt unklar, weil der Kläger nicht mitteilt, welche Reisemängel ihm bis zu diesem
Zeitpunkt bereits aufgefallen waren.
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Weil dieses Vorbringen des Klägers somit insgesamt gesehen in sich widersprüchlich
und unklar ist, ist dem Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen, was er tatsächlich am
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1. August 1994 wörtlich oder sinngemäß gegenüber der Reiseleiterin Ferrari erklärt hat.
Mithin ist der Entscheidung des Rechtsstreits der Sachvortrag der Beklagten
zugrundezulegen, wonach der Kläger die Reiseleiterin am
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1. August 1995 nur danach gefragt hat, ob auch ein Animationsprogramm für Kinder
angeboten werde.
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Der hiergegen erhobene Einwand des Klägers, es obliege grundsätzlich dem
Reiseveranstalter nachzuweisen, daß der Reisende die gemäß § 651 d Abs. 1, BGB
gebotene Mängelanzeige unterlassen habe, ist zwar im Grundsatz richtig, ergibt jedoch
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kein anderes Ergebnis. Bei dem Tatbestandsmerkmal der unterbliebenen
Mängelanzeige handelt es sich um eine sogenannte Negativtatsache; Negativtatsachen
können grundsätzlich von niemandem bewiesen werden, weil nicht geschehene
Ereignisse nicht Gegenstand der menschlichen Wahrnehmung sein können.
Demgemäß kann die Beklagte den ihr obliegenden Nachweis nur dann erbringen, wenn
sie im konkreten Einzelfall nachweist, daß die vom Reisenden behauptete
Mängelanzeige tatsächlich nicht stattgefunden hat. Gelingt ihr dieser Beweis, hat sie
zugleich bewiesen, daß eine Mängelanzeige nicht erfolgt ist. Um der Beklagten diese
Beweisführung überhaupt erst zu ermöglichen, muß jedoch der Reisende zunächst
einmal konkret und substantiiert vortragen, wann und wo er wem gegenüber welche
konkreten Beanstandungen erhoben haben will, denn nur dann, wenn die
Mängelanzeige auf diese Weise hinreichend konkretisiert ist, ist die Beklagte in der
Lage, konkrete Tatsachen vorzutragen, die, wenn sie insgesamt bewiesen sind, den
sicheren Rückschluß zulassen, daß der Sachvortrag des Reisenden über die
angebliche Mängelanzeige unrichtig ist. Demgemäß kann die auch vom Kläger richtig
erkannte Verteilung der Beweislast bezüglich des Einwandes gemäß § 651 d Abs. 2
BGB ihn nicht von der sowohl vom Amtsgericht als auch von der Kammer
angenommenen Darlegungslast hinsichtlich der Mängelanzeige entbinden Die Kammer
kann auch nicht davon ausgehen,-daß-die Beklagte eine rechtzeitige Mängelanzeige
des Klägers verhindert hat Die Behauptung, er habe die Reiseleiterin während der von
ihr anberaumten Sprechstunde nicht angetroffen, ist nämlich ebenfalls unsubstantiiert,
da der Kläger nicht vorträgt, an welchem Tag er um welche Uhrzeit vergeblich versucht
hat, bei der Reiseleiterin vorzusprechen.
Daß die Reiseleiterin in der überörtlichen Niederlassung der Beklagten an einem Mittag
nicht bereit war, Mängelanzeigen entgegenzunehmen, stellt ebenfalls keine Vereitelung
der Mängelanzeige dar. Hierzu ist zunächst anzumerken, daß die örtliche Reiseleiterin
im Hotel der primäre Ansprechpartner für Mängel anzeigen gewesen ist, so daß der
Kläger verpflichtet gewesen wäre, sich zunächst an die Reiseleiterin +#+ zu wenden.
Darüber hinaus räumt der Kläger ein, daß er nicht innerhalb der Sprechstunde der
überörtlichen Reiseleitung bei der überörtlichen Reiseleiterin vorgesprochen hat, so daß
dieser fehlgeschlagene Versuch, Reisemängel anzuzeigen, daran gescheitert ist, daß er
zur Unzeit die überörtliche Niederlassung aufgesucht hat.
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Unstreitig hat der Kläger am 12. August 1994 gegenüber. der überörtlichen
Niederlassung der Beklagten sämtliche in der Berufungsbegründung vorgetragenen
Beanstandungen erhoben. Da dies jedoch bereits der vorletzte Reisetag war, war diese
Mängelanzeige verspätet. Weil die Beklagte zu diesem Zeitpunkt praktisch alle vor Ort
zu erbringenden Leistungen schon erbracht hatte und daher keine Gelegenheit mehr
hatte, durch Abhilfemaßnahmen die geschuldeten Reiseleistungen doch noch zu
erbringen, ist eine am vorletzten Reisetag vorgenommene Mängelanzeige mit einer
unterlassenen Mängelrüge gleichzusetzen, so daß trotz dieser Mängelanzeige
Gewährleistungsansprüche des Klägers gemäß § 651 d Abs. 2 BGB ausgeschlossen
sind.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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