Urteil des LG Kleve vom 05.04.2007

LG Kleve: realisierung stiller reserven, umkehr der beweislast, beweis negativer tatsachen, anhörung, mehrbelastung, einkünfte, grundstück, steuerberater, unrichtigkeit, vertrauensverhältnis

Landgericht Kleve, 1 O 555/04
Datum:
05.04.2007
Gericht:
Landgericht Kleve
Spruchkörper:
1. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 O 555/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern als Gesamtschuldner
aufer-legt.
Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
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Die Kläger nehmen den Beklagten als ihren Steuerberater wegen einer behaupteten
Falschberatung in Anspruch.
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Der Kläger zu 2, der mit der Klägerin zu 1 gemeinsam zur Einkommenssteuer veranlagt
wird, betreibt seit 1991 einen Speditionsbetrieb. Im Jahr 1995 erhielt er von seinem
Vater im Wege der vorweggenommenen Erbfolge dessen landwirtschaftlichen Betrieb
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überschrieben.
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Da er Grundstückverkäufe beabsichtigte, begab er sich 1997 in die Beratung des
Beklagten. Dieser riet ihm, gegenüber dem Finanzamt zum 31.12.1998 die Aufgabe des
land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zu erklären, was der Kläger zu 2 auch tat.
Schon vor der Betriebsaufgabe wurden 3 Grundstücke veräußert und hierbei ein
Gewinn von 744.752 DM erzielt. Nach der Betriebsaufgabe wurden weitere Grundstücke
veräußert und dabei ein Erlös von 1.093.920 DM erzielt.
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Diese Umstände wurden bei einer Betriebsprüfung beim Kläger zu 2 im Jahr 2001 von
den Finanzbehörden festgestellt. Darüber hinaus wurde ein Aufgabegewinn durch die
Realisierung stiller Reserven von 586.156 € ermittelt. Im Jahr 1998 wurden Gewinne in
Höhe von 744.752 DM festgestellt. Außerdem wurde ein Aufgabegewinn von 586.156 €
festgestellt und ein Gewinn aus Grundstücksgeschäften im Jahr 1999 in Höhe von
198.540 €.
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Die Finanzbehörden setzten im Einkommensteuerbescheid für 1997 vom 12.2.2002
5.086 DM als Einkünfte aus Gewerbetrieb an , was zu einer steuerlichen Mehrbelastung
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von 162,63 € führte. Für das Jahr 1998 vom 12.2.2002 setzten sie Einkünfte aus
Veräußerungsgewinnen in Höhe von 741.752 DM fest, was zu einer steuerlichen
Mehrbelastung von 94.929,25 € führte. Im Jahr 1999 setzen die Finanzbehörden einen
Gewinn von 198.540 DM als Einkünfte aus Veräußerungen an, der zu einer steuerlichen
Mehrbelastung von 45.740,02 € führte. Der Aufgabegewinn wurde von den
Finanzbehörden in den Steuerbescheiden vergessen.
Mit ihrer Klage verlangen die Kläger vom Beklagten Ersatz der steuerlichen
Mehrbelastungen. Sie behaupten, der Beklagte habe dem Kläger zu 2 jeweils erklärt, es
gebe steuerlich keine Probleme, es würde allenfalls eine Steuerlast von 20.000-30.000
DM entstehen. Hätte der Beklagte sie ordnungsgemäß beraten, hätte er raten müssen,
entweder, den landwirtschaftlichen Betrieb nicht aufzugeben, sondern die Grundstücke
aus dem Betrieb heraus zu veräußern und die Erlöse zu reinvestieren oder die Erlöse
(oder die Grundstücke) in eine GmbH & Co. KG einzubringen, da dann andere
Investitionen im landwirtschaftlichen Betrieb zur Vermeidung der Steuerlast erfolgt
wären. Der Kläger zu 2 und seine Kinder hätten einem solchen Vorschlag zur
Vermeidung der Steuerlast zustimmt. Es hätte ausreichend Immobilien gegeben, die
hätten erworben werden können.
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Die Kläger beantragen,
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den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger 140.831,90 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.5.2003 zu
zahlen. hilfsweise, festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägern
alle steuerlichen Nachteile zu ersetzen, die darauf beruhen, dass mit Schreiben
vom 30.12.1998 mit der Steuererklärung für 1997 der Kläger die Aufgabe des
land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zum 31.12.1998 gegenüber dem
Finanzamt erklärt wurde einschließlich der erfolgten und noch erfolgenden
Veräußerungsgewinne bzgl. der diesbezüglichen Grundstücke.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt vor, der Kläger zu 2 habe ihm erklärt, den landwirtschaftlichen Betrieb einstellen
zu wollen, da keines seiner Kinder die Voraussetzungen erfüllte und der Betrieb nicht
mehr rentabel arbeite. Außerdem habe – dies ist unstreitig - zum 31.12.1998 letztmals
die Möglichkeit bestanden, den sogenannten halben Steuersatz im Sinne des § 34
EStG a.F. in Anspruch zu nehmen. Die sich aus der Betriebsaufgabe ergebenden
steuerlichen Folgen seien dem Kläger zu 2, auch durch vorangegangene Beratungen
der xx-GmbH und seiner in der Finanzverwaltung tätigen Tochter bekannt gewesen. Er
müsse sie als Folge seiner Aufgabeentscheidung hinnehmen.
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Hinsichtlich der Veräußerung von Grundstücken habe der Beklagte, da er vom Kläger
zu 2 keine zureichenden Informationen erhalten habe, nie konkrete Auskünfte
hinsichtlich der entstehenden Steuerbelastung gegeben. Die
Grundstücksveräußerungen seien aus Sicht des Klägers zu 2 notwendig gewesen, weil
die Gemeinde das Grundstück des Sportplatzes habe kaufen wollen. Im übrigen wären
– sofern ein Verkauf nicht erfolgt wäre – Einnahmen aus den Grundstücken erzielt
worden, die ihrerseits hätten versteuert werden müssen. Eine Reinvestition sei nicht
gewollt gewesen, da der Kläger zu 2 auf dem Anwesen eine weitere Wohnung für seine
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Kinder habe bauen wollen. Dies zeige sich auch daran, dass der Kläger zu 2 im Jahre
2004 ein weiteres Grundstück veräußert habe. Die vom Kläger zu 2 vorgetragene
Alternative der Einbringung des Erlöses in eine GmbH & Co. KG hätte nicht zu
Steuerersparnissen geführt.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Steuerberaters
xy sowie durch Vernehmung der Zeugen x, xs und ys. Hinsichtlich des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Gutachten vom 8.5.2006 (Bl. 221 d.A.) und
19.5.2006 (Bl. 225 d.A.) sowie die gerichtliche Niederschrift vom 18.10.2006 (Bl. 257 ff.)
verwiesen.
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Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragnen
Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Den Klägern steht der geltend gemachte
Schadensersatzanspruch nicht zu. Nach Anhörung des Klägers zu 2 und des Beklagten
und der Beweisaufnahme steht nicht fest, dass der Beklagte die Kläger im
Zusammenhang mit der Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebes und der
Veräußerung von Grundstücken fehlerhaft beraten hat.
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Die Pflichten des Steuerberaters ergeben sich aus Inhalt und Umfang des ihm erteilten
Mandats; in den hierdurch gezogenen Grenzen hat er den Auftraggeber umfassend
beraten. (BGH MDR 2004, 276). Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass der Beklagte
den Kläger zu 2 über die bei einer Betriebsaufgabe anfallenden steuerlichen
Belastungen, die steuerlichen Folgen einer Veräußerung von Grundstücken und
Gestaltungsalternativen, und die Möglichkeit einer Wiederanlage der Erlöse –
unmittelbar oder nach Einbringung in eine Gesellschaft – hätte belehren müssen.
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Die Kläger haben jedoch den ihnen obliegenden Beweis für einen Verstoß des
Beklagten gegen diese Verpflichtungen nicht erbracht. Derjenige, der einen zur
umfassenden Belehrung und Aufklärung Verpflichteten auf Leistung von
Schadensersatz in Anspruch nimmt, weil dieser seine Pflichten nicht gehörig erfüllt
habe, trägt für dieses Unterlassen die Beweislast, auch wenn ihm damit der Beweis
einer negativen Tatsache aufgebürdet wird. Bei dem Beweis negativer Tatsachen
ändert sich an den allgemeinen Beweisregeln nichts. Auch der Charakter der
Rechtsbeziehungen zwischen dem Mandanten und seinem Steuerberater als
Vertrauensverhältnis verlangt – ebenso wie bei einem Anwalt ( BGH NJW 1986, 2570-
2571 m.w.N.) - keine Umkehr der Beweislast. Die Schwierigkeit des sog.
Negativbeweises ist dadurch zu beheben, dass die andere Partei nach Lage des Falles
die Behauptung substantiiert bestreiten und diejenige Partei, welche die Beweislast
trägt, die Unrichtigkeit der Gegendarstellung beweisen muss
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Unter Berücksichtigung der Anhörung der Parteien sind die Aussagen der Zeugen x, xs
und xn jedoch nicht geeignet, die Überzeugung der Kammer zu begründen, dass die
Parteien die steuerlichen Folgen einer Betriebsaufgabe und von
Grundstücksveräußerungen sowie die Frage der Reinvestition der Erlöse nicht
besprochen haben.
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Der Beklagte hat in seiner Anhörung detailliert, plausibel und nachvollziehbar den Gang
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der Beratungsgespräche, insbesondere die von ihm erteilten Belehrungen und Rat-
schläge und die Reaktionen des Klägers zu 2 geschildert. Er hat ausgeführt, dass der
von den Klägern vorgelegte Vermerk ausweislich der ersten Besprechung gefertigt
wurde und dort überschlägig eine steuerliche Belastung von 20.000 DM ermittelt wurde.
Da keines der Kinder des Klägers zu 2 bereit gewesen wäre, den Betrieb zu
übernehmen, habe man über eine Betriebsaufgabe gesprochen. Die sich daraus
ergebenden steuerlichen Belastungen seien mehrfach erörtert und in Vermerken
festgehalten worden. Im Rahmen der Gespräche habe auch eine Besichtigung der
Betriebsgebäude stattgefunden. Grund für die Betriebsaufgabe sei es insbesondere
gewesen, dass es bis zum 31.12.1998 möglich war, im Rahmen der sogenannten 79er
Regelung erhebliche steuerliche Vorteile zu erzielen. Zwar sei dies vom Finanzamt
nicht anerkannt worden, man habe jedoch, da die Bescheide erhebliche Fehler zu
Gunsten der Kläger enthielten – der gesamte Aufgabegewinn wurde von den
Finanzbehörden versehentlich nicht der Versteuerung unterworfen – davon abgesehen,
dagegen vorzugehen. Auch die Frage der Reinvestition der Gelder sei besprochen
worden. Der Kläger zu 2 habe dies jedoch abgelehnt.
Demgegenüber war bereits die Schilderung des Klägers zu 2 in seiner Anhörung in
wesentlichen Teilen nicht nachvollziehbar. Wenn der Kläger zu 2 bekundet, der
Beklagte habe ihm gegenüber erklärt, es werde keine wesentliche Steuerlast entstehen,
die Grundstücksveräußerungen würden vielmehr steuerneutral erfolgen, so ist dies mit
dem weiteren Inhalt seiner Schilderung nicht zu vereinbaren: Er hat in seiner Anhörung
eingeräumt, dass er mehrere Beratungsgespräche mit dem Beklagten geführt hat. In den
Gesprächen seien auch Berechnungen durchgeführt und darüber auch Vermerke
gefertigt worden. Einen dieser Vermerke haben die Kläger selbst mit der Klageschrift
vorgelegt. Dieser Vermerk geht hinsichtlich der Veräußerung der Grundstücke bei einem
angenommenen Veräußerungsgewinn von 140.000 DM von einer erheblichen
Steuerlast von 20.000 – 30.000 DM aus, wobei dem Kläger zu 2 nach eigener
Schilderung auch bekannt war, dass sich die absoluten Steuerbeträge ändern, sofern für
veräußerte Grundstücke höhere Preise erzielt werden. Hinsichtlich der Betriebsaufgabe
weist der Vermerk unter Zugrundelegung des halben Steuersatzes eine steuerliche
Belastung von 90.000 DM aus.
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Die Zeugenaussagen waren weitgehend unergiebig und nicht geeignet, die Schilderung
des Beklagten zu widerlegen:
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Die Zeugin xs konnte nur ein zwischen dem Kläger zu 2 und dem Beklagten
geschildertes Gespräch schildern. Sie konnte sich lediglich noch daran erinnern, dass
über die Frage der Betriebsaufgabe und die damit verbundene Möglichkeit, bis Ende
1998 noch 50% der Steuern zu bezahlen, gesprochen wurde. Näheres wisse sie nicht
mehr. Vermerke über weitere vom Kläger zu 2 mit dem Beklagten geführte Gespräche
habe sie nicht gesehen, ihr Vater habe sie auch nicht weiter informiert.
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Der Zeuge xn hat Gespräche zwischen dem Kläger zu 2 und dem Beklagten nicht
miterlebt. Ihm ist lediglich berichtet worden, dass der Beklagte erklärt habe, der Verkauf
würde keine "größeren steuerlichen Belastungen" auslösen. Abgesehen davon, dass
unklar geblieben ist, was "größere steuerliche Belastungen" sind, lässt sich aus dieser
allgemeinen Schilderung nicht schließen, welche Fragen in den Beratungsgesprächen
erörtert worden sind.
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Auch der Zeuge ys konnte zum Inhalt der Beratungsgespräche keine Angaben machen.
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Der auf Schadenersatz gerichtete Zahlungsantrag war daher ebenso abzuweisen, wie
der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
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Streitwert: 140.831,90 EUR.
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