Urteil des LG Kleve vom 23.09.2005

LG Kleve: prozessvertretung, rechtsberatung, körperschaft, öffentlich, fremder, rechtsanwaltschaft, vollstreckbarkeit, verbraucher, ausnahme, kauf

Landgericht Kleve, 8 O 11/05
Datum:
23.09.2005
Gericht:
Landgericht Kleve
Spruchkörper:
8. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 O 11/05
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger als Gesamtschuldner zu
tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
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Die Kläger sind Rechtsanwälte in F am Rhein. Beide Parteien haben ihren Sitz im
Bezirk des Landgerichts L.
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Die Beklagte vertritt die zu ihren Mitgliedern zählenden Handwerker auch in
gerichtlichen Mahnverfahren. In Rahmen dieser Tätigkeit fordert sie zur Erteilung
entsprechender Vollmachten auf, stellt auf deren Grundlage beim Amtsgericht Anträge
auf Erlass von Mahn- und Vollstreckungsbescheiden und erteilt auch
Vollstreckungsaufträge. Wegen des Wortlautes der Vollmachtsformulare wird auf die
Zitate in der Klageschrift Bezug genommen.
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Mit dieser Inkassotätigkeit beeinträchtigt die Beklagte den Wettbewerb zum Nachteil der
Kläger, die sich im gleichen räumlichen Bereich zu einem wesentlichen Teil mit
Forderungseinziehungen beschäftigen.
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Die Kläger sind der Ansicht, die beschriebene Tätigkeit sei der Beklagten verboten und
berufen sich auf das Rechtsberatungsgesetz sowie auf § 3 UWG.
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Nachdem es den Klägern in mehreren Gesprächen nicht gelungen ist, die Beklagte
davon zu überzeugen, dass die von ihnen vertretene Rechtsansicht zutreffend sei,
haben sie Klage erhoben.
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Die Kläger beantragen,
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die Beklagte zu verurteilen, zur Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall
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der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00
Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten,
die an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, es zu unterlassen, ihre
Mitglieder in gerichtlichen Mahnverfahren zu vertreten.
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig, die Kläger sind als Bewerber um Mandate zur gerichtlichen
Beitreibung von Forderungen im hiesigen Landgerichtsbezirk gemäß § 8 Abs. III Nr. 1
UWG klagebefugt.
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Die Klage ist jedoch unbegründet.
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Der geltend gemachte Anspruch folgt weder aus §§ 8 Abs. I, 3 UWG noch aus §§ 8 Abs.
I, 4 Nr. 11 UWG, denn das von den Klägern gerügte Verhalten der Beklagten verstößt
weder gegen eine gesetzliche Vorschrift im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG noch ist sie
ansonsten unlauter im Sinne des § 3 UWG.
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Grundsätzlich ist die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten dem verboten, der die
dazu erforderliche behördliche Erlaubnis nicht besitzt (§ 1 Abs. I RBerG). Die Beklagte
als Körperschaft des öffentlichen Rechts (§§ 53, 86 HwO) unterliegt jedoch im Rahmen
ihrer gesetzlichen Aufgabe nicht den Beschränkungen durch das
Rechtsberatungsgesetz, denn die Rechtsberatung und Rechtsbetreuung, die von
Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer Zuständigkeit ausgeübt wird,
wird von den Regeln des Rechtsberatungsgesetzes nicht berührt (§ 3 Nr. 1 RBerG). Zu
ihren Aufgaben gehört es, die Interessen des Handwerks zu fördern (§ 87 Nr. 3 HwO),
das aber beinhaltet auch die Unterstützung ihrer Mitglieder bei der Geltendmachung von
Forderungen, die in Zusammenhang stehen mit ihren Handwerksbetrieben.
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Der Begriff "Rechtsbetreuung" ist als Tätigwerden nach außen nicht ein ausschließlich
im Verhältnis Ratgeber-Ratempfänger bleibender Vorgang ohne unmittelbare
Außenwirkung. Sie umfasst vielmehr auch das Recht zur Einziehung von Forderungen
(BVerwG DVBl 1957, 62, BGH NVwZ 1991, 278); so ausdrücklich für den Fall
"außergerichtlicher" Inkassotätigkeit der Kreishandwerkerschaften BGH GRUR 1991, 53
m.w.N..
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Der beklagten Kreishandwerkerschaft ist es im Rahmen der Inkassotätigkeit aber auch
gestattet, für Mitglieder der ihr angeschlossenen Handwerksinnungen Mahnbescheide
und Vollstreckungsbescheide zu beantragen und Vollstreckungsaufträge zu erteilen
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Die Beantragung von Mahn- und Vollstreckungsbescheiden sowie die Erteilung von
Vollstreckungsaufträgen (ja selbst die weitergehende Prozessvertretung) ist Inhalt
dieser zulässigen Rechtsbetreuung, denn deren Beschränkung auf außergerichtliche
Tätigkeit ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ersichtlich.
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Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 16. März 2000 betreffend die
Besorgung von Rechtsangelegenheiten der Gemeinden durch den Landkreis unter
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ausdrücklicher Bezugnahme auf die vorangegangene Entscheidung zur
Kreishandwerkerschaft (BGH GRUR 1991, 53) erkannt, dass die erlaubnisfreie
Betreuung eines Ratsuchenden durch eine hierfür zuständige Körperschaft des
öffentlichen Rechts, soweit sie nach dem Rechtsberatungsgesetz zulässig ist,
auch
eine etwaige Prozessvertretung
Nr. 2000/4765). Dem folgt die Kammer jedenfalls für die in diesem Rechtsstreit streitige
Zulässigkeit der Beantragung von Mahn- und Vollstreckungsbescheiden sowie die
Erteilung von Vollstreckungsaufträgen.
Die Kläger stützen die Klage auf die vom Oberlandesgericht Bamberg im Urteil 3 U
188/98 (Rechtsanwaltsverein X e.V. ./. Handwerkskammer Unterfranken) vertretene
Rechtsansicht, eine Handwerkskammer könne wegen Verstoßes gegen § 79 ZPO ihre
Mitglieder im gerichtlichen Mahnverfahren nicht vertreten. Dem vermag die Kammer
nicht zu folgen. Die auch früher in Literatur und Rechtsprechung bereits umstrittene
Ansicht (vgl. Zöller "Zivilprozessordnung" 25. Aufl. § 52 ZPO Rn. 29), nach welcher nur
eine natürliche Person mit der Prozessvertretung beauftragt werden könne, weil eine
juristischen Person nicht prozessfähig sei, lässt sich jedenfalls nicht mehr vertreten, seit
sie in Widerspruch zu der Neuregelung in § 59 l BRAO steht, welche besagt, dass die
Rechtsanwaltsgesellschaft als Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigte beauftragt
werden kann und bei der Prozessvertretung durch ihre Organe und Vertreter handelt.
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Gesichtspunkte dafür, dass diese Entscheidung des Gesetzgebers eine auf den Fall der
Rechtsanwaltsgesellschaften beschränkte Ausnahme sei, ansonsten aber nur die
Beauftragung natürlicher Personen mit der Prozessvertretung in Betracht komme, sind
nicht ersichtlich.
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Auch aus allgemeinen dem Rechtsberatungsgesetz zu Grunde liegenden Erwägungen
ergibt sich nicht die Unzulässigkeit des von den Klägern gerügten Verhaltens der
Beklagten.
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Zweck des Rechtsberatungsgesetzes ist es, den Verbraucher vor unprofessioneller
Beratung in Rechtsangelegenheiten zu schützen. Die Kammer vermag jedoch nicht zu
erkennen, welche rechtsprofessionelle Qualifikation, über die die Beklagte nicht verfügt,
erforderlich sei, um auf der Grundlage einer außergerichtlichen Mahnung einen
Mahnbescheidsantrag und später einen Vollstreckungsbescheidsantrag zu formulieren
und diese bei Gericht einzureichen oder einen Vollstreckungsauftrag zu erteilen. Schutz
vor unprofessioneller Rechtsberatung ist im Kernbereich der Rechtsberatung geboten,
nicht aber bei der im Wesentlichen formularmäßigen Erledigung von Mahn- oder
Vollstreckungsbescheidsanträgen und deren Einreichung bei Gericht. In diesem Bereich
bedarf der rechtssuchende Handwerker auch ansonsten keines Schutzes vor
unprofessioneller Handhabung seitens der Beklagten, denn diese unterliegt als
Körperschaft des öffentlichen Rechts einer zum Schutz ihrer Mitglieder ausreichenden
öffentlich-rechtlichen Kontrolle.
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Zweck des Rechtsberatungsgesetzes ist es auch, den Rechtsanwaltsstand zu schützen
(BGHZ 15, 315), um die flächendeckende professionelle Rechtsberatung
sicherzustellen. Das Rechtsberatungsgesetz bezweckt jedoch nicht, die
Rechtsanwaltschaft vor Einkommenseinbußen in Folge der Besorgung fremder
Rechtsangelegenheiten durch öffentlich-rechtliche Körperschaften zu schützen, sondern
nimmt mit den Ausnahmeregelungen in § 3 diese Beeinträchtigung der Belange der
Rechtsanwaltschaft ausdrücklich in Kauf.
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Auch aus § 8 Abs. I i.V.m. § 3 UWG ergibt sich der geltend gemachte
Unterlassungsanspruch nicht, weil Gesichtspunkte für eine außerhalb des Rahmens
des § 4 Nr. 11 UWG liegende Unlauterkeit des von den Klägern gerügten Verhaltens der
Beklagten, die den Auffangtatbestand des § 3 UWG erfüllen könnten, weder dargelegt
noch ansonsten erkennbar sind.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 19 Abs. I ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Streitwert: 15.000 €
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