Urteil des LG Kiel vom 15.03.2017

LG Kiel: treuhänder, sperrfrist, rechtskraft, analogie, anschrift, gesetzesentwurf, gesetzeslücke, aufenthalt, stundung, urlaub

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Gericht:
LG Kiel 13.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 T 109/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 290 Abs 1 Nr 3 InsO, § 298
InsO
Tenor
Der Beschluss vom 18.06.2010 wird aufgehoben. Über die Anträge des Schuldners
im Zusammenhang mit seinem Antrag auf Eröffnung des
Verbraucherinsolvenzverfahrens ist unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Beschwerdegerichts neu zu befinden.
Gründe
Dem vorliegenden Insolvenzeröffnungsantrag des Antragstellers ist ein
Verbraucherinsolvenzverfahren vorausgegangen. Durch Beschluss des
Amtsgerichts Kiel vom 15.03.2005 wurde über das Vermögen des Antragstellers
wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet (24 IK 55/05). Zum
Treuhänder wurde Rechtsanwalt xxx ernannt. Mit Beschluss vom 20.06.2006 wurde
festgestellt, dass der Antragsteller Restschuldbefreiung erlangt, wenn er den
Obliegenheiten nach § 295 InsO nachkommt und die Voraussetzungen für eine
Versagung nach §§ 297 bzw. 298 InsO nicht vorliegen. Zum Treuhänder für den
Empfang der gem. § 287 Abs. 2 InsO abgetretenen pfändbaren Forderungen wurde
wiederum Rechtsanwalt xxx ernannt. Der Zeitraum der Wohlverhaltensperiode
wurde auf den Zeitraum vom 15.03.2005 bis 14.03.2011 bestimmt. Mit Beschluss
vom 05.12.2006 wurde das Insolvenzverfahren nach Anhörung des Antragstellers
und Rechtskraft des Beschlusses über die Ankündigung der Restschuldbefreiung
aufgehoben. Dem Antragsteller wurden zugleich auch die Kosten des
Restschuldbefreiungsverfahrens gestundet. Der erste Treuhänderbericht des
Treuhänders vom 05.12.2007 schloss mit der Feststellung, dass mit zukünftigen
Einkünften oberhalb der Pfändungsfreigrenze beim Antragsteller nicht zu rechnen
sei. Im März 2008 teilte der Treuhänder dem Amtsgericht mit, dass dem
Antragsteller das Mietverhältnis gekündigt worden war, ohne dass dieser ihm die
neue Anschrift bekannt gegeben habe. Die dem Treuhänder von der Kündigung
berichtende Immobilienverwaltungs GmbH äußerte die Vermutung, der
Antragsteller befinde sich in Südamerika im Urlaub. Sich anschließende
Nachforschungen des Treuhänders hinsichtlich des Aufenthalts des Antragstellers
führten ebenso wenig zu einem Erfolg wie die seitens des Amtsgerichts an den
Antragsteller unter seiner bisherigen Anschrift gerichtete Aufforderung vom
18.09.2008, Angaben über seine Erwerbseinkünfte zu machen, die mit dem
Hinweis auf die Gefährdung der beantragten Restschuldbefreiung endete. Mangels
Reaktion des Antragstellers wurden durch Beschluss vom 07.11.2008 die
ergangenen Stundungsbeschlüsse, u.a. der die Kosten für das
Restschuldbefreiungsverfahren betreffende, aufgehoben. Das Amtsgericht wertete
das Verhalten des Antragstellers, der aufgrund seines unbekannten Aufenthalts
den Aufforderungen nach Erklärungen zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen nicht nachkommen konnte, als schwere Pflichtverletzung, die gem. §
4 c Nr. 1 InsO eine Aufhebung der Stundung rechtfertige. Auf Antrag des
Treuhänders wurde dem Antragsteller schließlich mit Beschluss vom 30.01.2009
die Restschuldbefreiung gem. § 298 Abs. 1 InsO versagt. Zur Begründung der
tatbestandlichen Voraussetzungen wurde darauf verwiesen, dass der Treuhänder
die nicht gedeckte Mindestvergütung vom Antragsteller nicht erlangen konnte, weil
dessen Aufenthalt unbekannt war. Der Versagungsbeschluss erwuchs in
Rechtskraft.
Mit Antrag vom 16.06.2010 begehrt der Antragsteller nunmehr erneut die
Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens. Ergänzend beantragt er
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Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens. Ergänzend beantragt er
Restschuldbefreiung und stellt einen Stundungsantrag hinsichtlich der
Verfahrenskosten. Das Amtsgericht hat seinen Antrag auf Eröffnung des
Verbraucherinsolvenzverfahrens durch Beschluss vom 18.06.2010 mangels
Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig zurückgewiesen. Es hält den Antrag erst
nach Ablauf einer – noch nicht abgelaufenen - dreijährigen Sperrfrist für zulässig
und beruft sich zur Begründung auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes
vom 16.07.2009 (NJW 2009 3650 ff). Es ist der Auffassung, dass die in der zitierten
Entscheidung aufgestellten Grundsätze auf den vorliegenden Fall anzuwenden
seien.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist gem. §§ 6 Abs. 1, 34 Abs. 1 InsO,
567, 569 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Die sofortige Beschwerde hat auch Erfolg. Eine der zitierten BGH-Entscheidung
vergleichbare Sachlage, die zu einem unabwendbaren Bedürfnis für die
Verhängung einer Sperrfrist hinsichtlich des hier vom Antragsteller zugleich mit
dem Insolvenzantrag gestellten und damit als Einheit zu wertenden Antrages auf
Erteilung der Restschuldbefreiung führt, liegt hier nach Auffassung des
Beschwerdegerichts nicht vor. Es fehlt an einer zu schließenden Regelungslücke.
Zu einer Sperrfrist für einen erneuten Restschuldbefreiungsantrag führt die
Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Nach
dieser Vorschrift ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn dies im
Schlusstermin von einem Insolvenzgläubiger beantragt worden ist und wenn in den
letzten zehn Jahren vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem
Schuldner Restschuldbefreiung nach § 296 oder § 297 InsO versagt worden ist. Ein
zur Versagung der Restschuldbefreiung führender Verstoß gem. § 296 Abs. 1 InsO
liegt vor, wenn der Schuldner während der Laufzeit der Abtretungserklärung (also
während der Wohlverhaltensphase) eine seiner Obliegenheiten verletzt und
dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt, es sei denn ihn
trifft kein Verschulden. Der BGH (aaO) sah die Voraussetzungen für eine Analogie
für den Fall als erfüllt an, dass dem Schuldner die Restschuldbefreiung gem. § 290
Abs. 1 Nr. 5 InsO versagt wurde, mithin ein Insolvenzgläubiger im Schlusstermin
die Versagung der Restschuldbefreiung vor dem Hintergrund beantragt hat, dass
der Schuldner während des Insolvenzverfahrens Auskunfts- oder
Mitwirkungspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat. Nach Auffassung
des BGH wiegt die Verletzung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des
Schuldners während des Insolvenzverfahrens, die auf Antrag eines
Insolvenzgläubigers im Schlusstermin zur „vorweggenommenen Versagung“ der
Restschuldbefreiung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO führt, nicht leichter als die
während der Wohlverhaltensphase begangenen, unter den weiteren
Voraussetzungen des § 296 InsO dieselbe Sanktion auslösenden Verstöße. Die
Planwidrigkeit der Regelungslücke entnimmt der BGH dem Umstand, dass der
Gesetzgeber eine Reform zur Schließung der Gesetzeslücke beabsichtigt. Der
„Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Entschuldung mittelloser Personen, zur
Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von
Lizenzen“ vom 22.08.2007 (abgedr. als Beilage 2 zu ZVI Heft 8/2007) sieht eine
Erweiterung des Kataloges des § 290 Abs. 1 InsO um einen Versagungstatbestand
„Nr. 3a“ vor, nach welchem der Schuldner u.a. dann keine Restschuldbefreiung
erlangen können soll, wenn ihm in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf
Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder danach Restschuldbefreiung nach § 290
Abs. 1 Nr. 5 InsO versagt wurde. In der Begründung zu dem Gesetzesentwurf heißt
es, dass die Restschuldbefreiung in dem einzuführenden § 297 a nachträglich nur
versagt werden kann, wenn die nachträgliche Versagung auf diesen Grund nach §
290 Abs. 1 Nr. 5 InsO gestützt worden ist. Ein solcher Sachverhalt ist vorliegend
nicht gegeben. In dem vorausgegangenen Verfahren ist die Versagung der
Restschuldbefreiung ausdrücklich auf § 298 Abs. 1 InsO gestützt worden, d.h.
darauf, dass der Schuldner den Betrag zur Deckung der Mindestvergütung des
Treuhänders nicht gezahlt hat. Der Umstand, dass dies wiederum auf eine
Verletzung von Mitwirkungspflichten des Antragstellers gem. § 290 Abs. 1 Nr. 5
InsO zurückgeht, kann jedenfalls nicht zur Annahme einer planwidrigen
Regelungslücke herangezogen werden. Denn der Gesetzesentwurf sieht gerade
keine Erweiterung des Kataloges in § 290 InsO auf die Restschuldbefreiung nach §
298 InsO vor. Auch liegt keine vergleichbare Sachlage vor. Die vom BGH
gegeneinander abgewogenen und als gleichwertig erachteten Konstellationen
haben zwar Verstöße des Insolvenzschuldners in unterschiedlichen
Verfahrensabschnitten zum Gegenstand, die übereinstimmend allerdings nur dann
zur Restschuldbefreiung führen, wenn ein Insolvenzgläubiger dies beantragt hat.
zur Restschuldbefreiung führen, wenn ein Insolvenzgläubiger dies beantragt hat.
Voraussetzung ist danach, dass zumindest ein Insolvenzgläubiger das Verhalten
des Insolvenzschuldners als so schwerwiegend erachtet, dass er die Versagung
der Restschuldbefreiung beantragt. Bei einem Verstoß während der
Wohlverhaltensphase – wie im vorliegenden Fall - muss gemäß § 296 InsO für die
Versagung zudem hinzutreten, dass durch das Schuldnerverhalten die
Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt wird. Im vorliegenden Verfahren
geht die frühere Versagung der Restschuldbefreiung allein auf einen Antrag des
Treuhänders zurück (§ 298 InsO). Es fehlt an einem Gläubigerantrag und zudem –
da es sich um Verstöße während der Wohlverhaltensphase handelte – an der
notwendigen Feststellung, dass durch das Verhalten des Insolvenzschuldners die
Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt wurde. Mangels
Vergleichbarkeit der Situation und mangels feststellbarer Planwidrigkeit einer
Gesetzeslücke fehlt es nach alledem an den Voraussetzungen für eine Analogie zu
§ 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Das Verhalten des Antragstellers im vorausgegangenen
Insolvenzverfahren kann hier mithin nicht zu einer Sperrfrist für den Antrag auf
Versagung der Restschuldbefreiung herangezogen werden, mit der Folge, dass
sein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mit dieser Begründung
zurückgewiesen werden konnte.