Urteil des LG Kiel vom 13.03.2017

LG Kiel: kaufmännischer angestellter, geschäftsführer, wirtschaftsprüfer, erstellung, unternehmen, gesellschafter, rangrücktritt, täuschung, zahlungsunfähigkeit, anfang

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Gericht:
LG Kiel 18.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
18 O 483/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 241 Abs 2 BGB, § 254 BGB, §
311 Abs 2 Ziff 1 BGB, § 823
Abs 2 BGB, § 19 Abs 2 InsO
Insolvenz einer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH:
Schadensersatzanspruch wegen Verletzung
vorvertraglicher Aufklärungspflichten und der
Insolvenzantragspflicht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Schadensersatz für ein Darlehen, das er der mittlerweile
insolventen j Rechtsanwaltsgesellschaft mbH gewährt hat. Der Kläger, der im Mai
2007 das zweite juristische Staatsexamen absolvierte, interessierte sich Ende
2005 / Anfang 2006 für die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt.
Hierbei stieß er auf die vom Beklagten zu 1.) gegründete und von diesem als
Geschäftsführer geleitete j Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Diese hatte sich zum
Ziel gesetzt, durch bürgernahe Filialen in Innenstädten und einer Zentralisierung
von Verwaltungsaufgaben Laufkundschaft zu gewinnen und insoweit in den
verschiedensten Städten Mandantenstämme aufzubauen.
Am 24. März 2006 kam es zu einem Informationsgespräch, welches auf Seiten der
j im Wesentlichen durch den Beklagten zu 2.) geführt wurde. Zeitweilig nahm auch
der Beklagte zu 1.) an diesem Gespräch teil, das im Wesentlichen auf einer
Gründung einer Filiale in Kiel durch den Kläger und die Zeugin V abzielte.
Im Verlaufe des Gespräches fragte der Kläger den Beklagten zu 2.), was ihm im
Unternehmen die größten Sorgen mache. Der Beklagte zu 2.) erläuterte in diesem
Zusammenhang, dass zwei Filialen unter dem Soll seien, wobei es sich auch um
die Filiale in L handele. Der Kläger erkundigte nach dem Informationsgespräch
telefonisch bei dem Zeugen Q, der in der Filiale in L arbeitete, und erfuhr von
diesem, dass die Filiale gut laufe und gute Umsätze erwirtschaft würden. Nachdem
der Kläger seine Bedenken hinsichtlich vermeintlicher Schwachpunkte der
Gesellschaft ausgeräumt sah, unterzeichnete er unter dem 31. März 2006 den
üblichen Partnerschaftsvertrag (Anlage K 1, Bl. 11 ff. d.A.). Dieser Vertrag regelt
als Gegenleistung für die Pflichten der GmbH, die unter Ziffer II. des Vertrages
genannt sind, die Verpflichtung des Klägers, der Gesellschaft ein Darlehen in Höhe
von 50.000,00 € zur Verfügung zu stellen. Unter Ziffer V. des Vertrages heißt es
u.a. wie folgt:
Unter Ziffer VI. regelt der Vertrag die Möglichkeit des Klägers,
Gewinnvorabentnahmen bis 1.666,67 € monatlich zu Lasten seines
Verrechnungskontos zu tätigen.
Unter Vermittlung des Beklagten zu 2.) schloss der Kläger zur Finanzierung seines
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Unter Vermittlung des Beklagten zu 2.) schloss der Kläger zur Finanzierung seines
der Gesellschaft zu gewährenden Darlehens einen Darlehensvertrag über
50.000,00 € mit der G-Bank. Wegen der Einzelheiten wird auf den
Darlehensvertrag vom 25.04./01.05.2006, Anlage K 2, Bl. 20 ff. d.A., Bezug
genommen. Das Darlehen wurde am 12. Mai 2007 unmittelbar an j ausgekehrt.
Die Eröffnung der Filiale in Kiel, die zunächst für Mai 2006 geplant war, blieb
zunächst aus. Zur Eröffnung kam es erst am 22. Februar 2007. Im Zeitraum vom
03. Juli 2006 bis 03. April 2007 erhielt der Kläger von der Gesellschaft insgesamt
7.149,00 € als Vorableistung. Diese Zahlungen werden mittlerweile vom
Insolvenzverwalter der Gesellschaft zurückgefordert (Anlage K 12, Bl. 136 ff. d.A.).
Nachdem der Kläger Ende April/Anfang Mai 2007 feststellte, dass die j stark
insolvenzgefährdet war, stellte am 26. Juni 2007 der Beklagte zu 1.) als
Geschäftsführer der Gesellschaft den Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens. Das Insolvenzverfahren wird unter dem Aktenzeichen 257 IN
67/07 beim Amtsgericht Dortmund geführt. Mit Anwaltschreiben vom 10. Mai 2007
(Anlage K 5, Bl. 28 ff. d.A.) erklärte der Kläger die Anfechtung sämtlicher Verträge
zwischen den Partein wegen arglistiger Täuschung und kündigte hilfsweise
außerordentlich fristlos und ordentlich die entsprechenden Verträge.
Der Kläger begehrt mit seiner nunmehr erhobenen Klage Schadensersatz für die
eingezahlte Darlehensvaluta in Höhe von 50.000,00 €, die Bearbeitungsgebühren
der G-Bank in Höhe von 505,05 € sowie die auch auf den Betrag entfallenden
Zinsen gemäß Ziffer 6. des Darlehensvertrages, Anlage K 2.
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagten seien persönlich zum Schadensersatz
verpflichtet. Das im Partnerschaftsvertrag angelegte System einer Gewährung
eines eigenkapitalersetzenden Darlehens bei gleichzeitiger monatlicher
Entnahmemöglichkeit sei von Beginn an rechtlich nicht zulässig gewesen.
Er behauptet, die j Rechtsanwaltsgesellschaft mbH sei bereits seit Ende Dezember
2004 bilanziell überschuldet gewesen. Hierbei ist er der Auffassung, dass die
Darlehen der Gesellschafter nicht als Kapitalrücklage sondern als Verbindlichkeit
hätten erfasst werden müssen. Er habe somit den Partnerschaftsvertrag mit der
Gesellschaft zu einer Zeit geschlossen, als die Firma bereits insolvenzreif gewesen
sei. Er behauptet, es sei unterblieben, die den Beklagten bekannte wirtschaftliche
Situation offenzulegen. Im Falle einer zutreffenden Aufklärung hätte er den
Partnerschaftsvertrag nicht unterzeichnet. Der Beklagte zu 2.) habe im Gespräch
vom 24. März 2006 fehlerhafte Zusicherungen gemacht, z.B. die Eröffnung der
Filiale in Kiel für den Mai 2006 in Aussicht gestellt. Tatsächlich sei dies zu diesem
Zeitpunkt aufgrund der erheblichen Liquiditätsprobleme der Gesellschaft nicht
möglich gewesen. Der Beklagte zu 2.) sei zwar nicht Geschäftsführer gewesen, er
habe in dem Unternehmen aber quasi die Stellung eines Geschäftsführers gehabt.
Die Darlehen der neu hinzutretenden Partner seien bereits im Zeitpunkt der
Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrages allein dafür benötigt worden, im Sinne
eines Schneeballsystems Zahlungsschwierigkeiten zumindest teilweise zur
Kompensierung und für Zahlungen zu erbringen, mit denen sich die Gesellschaft
seinerseits bereits im Verzug befand. Dies ergebe sich insbesondere aus dem
Liquiditätsplan für April und Mai 2006 (Anlage K 3, Bl. 23 ff. d.A.).
Der Kläger ist der Auffassung, der Jahresabschluss zum 31. Dezember 2005
(Anlage K 5, Bl. 26 ff. d.A.) sei fehlerhaft aufgestellt, da auch hier zu Unrecht
Darlehensmittel in der Bilanz aktiviert wurden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, an ihn 63.292,56 € nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. November 2007 Zug um
Zug gegen Abtretung des gegen die G-Bank AG gerichteten Anspruchs auf
Rückabtretung des Anspruchs auf Rückzahlung des gemäß Ziffer 3 des
Partnerschaftsvertrages vom 31.03./03.04.2006 zwischen dem Kläger und der j
Rechtsanwaltsgesellschaft mbH gewährten Darlehens in Höhe von 50.000,00 € zu
zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte zu 1.) behauptet, es habe im März/April bzw. Mai 2006 noch keine
Insolvenzreife der Gesellschaft vorgelegen. Da im Bericht der Wirtschaftsprüfer
über die Erstellung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2005 zwar eine
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über die Erstellung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2005 zwar eine
bilanzielle Überschuldung ausgewiesen worden sei, gleichzeitig die Feststellung
erfolgt sei, der Jahresabschluss sei unter Berücksichtigung des Grundsatzes der
Unternehmensfortführung erstellt worden, da auf die Darlehensforderungen der
Gesellschafter gegen die Gesellschaft seitens der Gesellschafter
Rangrücktrittserklärungen abgegeben worden seien, habe er davon ausgehen
können, dass die Gesellschaft gesund sei und fortbestehen könne. Verschiedene
Banken hätten der Gesellschaft in der Folgezeit Kredite zu marktüblichen
Konditionen gewährt. Fehlerhafte Zusicherungen von seiner Seite seien nicht
erfolgt. Während er bei dem Informationsgespräch am 24. März 2006 zeitweilig
anwesend gewesen sei, sei es nicht um wirtschaftliche Probleme der Filiale L.
gegangen. Tatsächlicher Grund für die Insolvenz sei u.a. die Einstellung der
Tätigkeit durch den Kläger und andere Betreiber von Rechtsanwaltsfilialen
gewesen.
Der Beklagte zu 2.) behauptet, er sei nicht nach der wirtschaftlichen Lage der
Gesellschaft gefragt worden. Aufgrund seiner Funktion als kaufmännischer
Angestellter habe er nur in beschränktem Umfang Kenntnis von der
wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft gehabt. Er sei auch durch die Bilanz
zum 31.12.2005 von einer positiven Fortführungsprognose der Gesellschaft
ausgegangen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Zuständigkeit des Landgerichts Kiel
gemäß § 32 ZPO gegeben. Der Kläger stützt seine Klage auf unerlaubte
Handlungen im Sinne des § 823 BGB. Im Rahmen des insoweit ebenfalls zur
Begründung angeführten § 263 StGB gehört u.a. die Vermögensverfügung des
Klägers, mithin die Unterzeichnung des Partnerschafts- und Darlehensvertrages
zum Tatbestand. Da diese Unterschriften im Bereich des Landgerichts Kiel
geleistet wurden, ist dieses örtlich zuständig.
Die Klage hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat keine Ansprüche
gegen die Beklagten wegen der erfolgten Darlehensgewährung an die Gesellschaft
in Höhe von 50.000,00 €. Entsprechende Ansprüche ergeben sich weder aus der
Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten (§§ 311 Abs. 2 Ziffer 1, 241 Abs. 2
BGB) oder aus der Verletzung von Schutzgesetzen (§ 823 Abs. 2 i.V.m. § 263
StGB; § 64 Abs. 1 GmbHG.
Gegen den Beklagten zu 2.) kommt ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64
Abs. 1 GmbHG nicht in Betracht. § 64 Abs. 1 GmbHG verpflichtet die
Geschäftsführer einer Gesellschaft bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung
der Gesellschaft, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach
Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. der Überschuldung, Insolvenzantrag zu
stellen.
Diese Voraussetzungen liegen hier schon deshalb nicht vor, weil der Beklagte zu
2.) nicht Geschäftsführer der j Rechtsanwaltsgesellschaft mbH gewesen ist. In
diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass der Kläger vorträgt, der Beklagte
zu 2.) sei faktisch in der Position eines Geschäftsführers gewesen. Dieses führt
nicht zur formellen Geschäftsführerstellung im Sinn des § 64 Abs. 1 GmbHG. Auch
aus der Führung des Informationsgespräches am 24. März 2006 lässt sich eine
entsprechende Position des Beklagten zu 2.) nicht herleiten.
Aber auch eine Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten oder die Erfüllung
des Straftatbestandes des Betruges liegen in der Person des Beklagten zu 2.)
nicht vor. Soweit der Beklagte zu 2.) im Rahmen des Informationsgespräches auf
die Frage, was ihm im Unternehmen die größten Sorgen bereite, geantwortet hat,
zwei Filialen seien unter dem Soll, so auch die Filiale in L, liegt hierin keine
Verletzung einer Offenbarungspflicht bezüglich der vom Kläger behaupteten
finanziellen Schieflage bzw. bilanziellen Überschuldung der Gesellschaft. Denn
gerade nach der wirtschaftlichen Situation der eigentlichen Gesellschaft war der
Beklagte zu 2.) unstreitig nicht gefragt worden. Sofern der Kläger Auskünfte über
die finanzielle Lage der Gesellschaft begehrt hätte, wäre es an ihm gewesen,
gezielt hiernach zu fragen. In diesem Zusammenhang konnte auch erkennbar die
Auskunft eines Rechtsanwaltskollegen aus der Filiale L. nicht herangezogen
werden, um einen verlässlichen Eindruck über die Gesamtlage der Gesellschaft zu
erlangen. Vielmehr hätte der Kläger im Rahmen seines Engagements, das zu einer
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erlangen. Vielmehr hätte der Kläger im Rahmen seines Engagements, das zu einer
Darlehensgewährung und einer Gesellschafterstellung in der GmbH geführt hätte,
das Recht gehabt, Bilanzen einzusehen und weitergehende Erkundigungen
einzuziehen. Die Frage, was dem Beklagten zu 2.) am meisten Sorgen bereite,
zielt nicht zwingend auf die finanzielle Situation der Gesellschaft. Sie konnte
allenfalls darauf zielen, was bezogen auf die Funktion des Beklagten zu 2.) dem
Unternehmen Sorge bereite. Aufgrund der fehlenden Stellung als Geschäftsführer
war die Insolvenzreife zudem nicht Teil des Aufgabenbereiches des Beklagten zu
2.), auch wenn dieser grundsätzlich für die finanzielle Organisation der Gesellschaft
zuständig gewesen ist.
Eine entsprechende Verletzung von Aufklärungspflichten resultiert auch nicht
daraus, dass der Partnerschaftsvertrag eine nicht miteinander zu vereinbarende
Kombination von kapitalersetzendem Gesellschafterdarlehen und
Entnahmemöglichkeit aufweist. Zunächst war es nicht Sache des Beklagten zu 2.),
entsprechende Vertragsentwürfe und juristische Bewertungen zu bewerkstelligen.
Zudem bestand aufgrund der bisher vorliegenden Jahresabschlüsse kein Anlass,
an der Funktionsfähigkeit dieser Konstruktion zu zweifeln. Entsprechende Hinweise
seitens der Wirtschaftsprüfer waren zwar bereits in der Mitteilung des Vorstandes
vom 31. März 2006 dargestellt worden. Es handelte sich hierbei jedoch bisher um
einen allgemeinen Hinweis. Eine positive Kenntnis der Rückzahlungspflicht ist für
den Beklagten zu 2.) nicht ersichtlich. Zudem wäre, selbst wenn eine Verletzung
entsprechender Aufklärungspflichten bezüglich der Unvereinbarkeit von
Rangrücktritt und Entnahme gegeben wäre, ein Schaden lediglich in Höhe der jetzt
auch zurückgeforderten Entnahmebeträge zu bejahen. Im Rahmen des
Tatbestandes des § 263 StGB mangelt es allerdings bereits an einer Täuschung.
Die obigen Darlegungen betreffen auch die Aufklärungspflichten des Beklagten zu
1.). Dieser ist trotz seiner formellen Stellung als Geschäftsführer keiner Haftung
dem Kläger gegenüber aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG unterworfen.
Unabhängig von der Frage, ob der Kläger, der nicht Gesellschafter der GmbH
geworden ist, in den Schutzbereich des § 64 Abs. 1 GmbHG einzubeziehen ist,
kann aufgrund der Jahresabschlüsse nicht geschlossen werden, dass eine
Verpflichtung des Beklagten zu 1.) zur Stellung eines Insolvenzantrages bereits im
März 2006 gegeben war. Aufgrund des Berichtes über die Erstellung des
Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2005 der Wirtschaftsprüfergesellschaft R AG
vom 31. März 2006 konnte der Beklagte zu 1.) von einer positiven
Fortführungsprognose ausgehen, da in diesem Bericht vom 31. März 2006
ausdrücklich bescheinigt wird, dass für die Gesellschaft aufgrund der
Rangrücktrittserklärungen von Gesellschaftern hinsichtlich hingegebener Darlehen
eine positive Fortbestehensprognose gerechtfertigt ist, wenngleich eine bilanzielle
Überschuldung festgestellt werden kann. Eine solche Überschuldung gemäß § 19
Abs. 2 InsO lag aber nicht vor.
Nach § 19 Abs. 2 InsO liegt Überschuldung vor, wenn das Vermögen der
Gesellschaft die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Hierfür
maßgebend ist eine Überschuldungsbilanz, für welche die handelsrechtlichen
Bewertungsregeln nicht gelten. In ihr sind die Aktivposten grundsätzlich mit
Liquidationswerten anzusetzen. Nach § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO sind jedoch die
Fortführungswerte maßgebend, wenn die Fortführung des Unternehmens
überwiegend wahrscheinlich ist. Dies war vorliegend der Fall. Die zur Jahreswende
2005 aufgestellte Handelsbilanz weist eine Überschuldung in Höhe von
1.356.000,00 € auf (S., 4 des Berichtes über die Erstellung des Jahresabschlusses
zum 31. Dezember 2006, Anlage zum Schriftsatz des Beklagten zu 1.) vom 12.
September 2007). Diese bilanzielle Überschuldung war jedoch durch die Summe
der der GmbH durch die Partner mit Rangrücktritt gewährten Darlehen abgedeckt,
so dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Schuldnerin zu diesem
Zeitpunkt nicht vorlag.
Soweit der Kläger das Zahlenwerk des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2005
im Wesentlichen in den Aktiva angreift, hält das Gericht dies für unbeachtlich. Es
handelt sich bei der R AG um eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, also um
Sonderfachleute, die verpflichtet sind, die Grundsätze für die Erstellung von
Jahresabschlüssen durch Wirtschaftsprüfer und insbesondere die §§ 242 f. HGB zu
beachten. Auf die Richtigkeit dieses Jahresabschlusses durfte auch der Beklagte zu
1.) vertrauen. Zumindest fehlt es für eine Verletzung einer Insolvenzantragspflicht
an notwendigem Vorsatz. Denn hinsichtlich der Zahlungsunfähigkeit oder
Überschuldung muss Kenntnis der sie begründenden Umstände vorliegen. Soweit
der Bundesgerichtshof von der Vermutung eines entsprechenden Verschuldens
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der Bundesgerichtshof von der Vermutung eines entsprechenden Verschuldens
ausgeht (BGHZ 75, 96, 110) ist dies im Falle des Beklagten zu 1.) widerlegt. Der
Geschäftsführer muss nicht bessere Kenntnisse haben als Wirtschaftsprüfer. Er
darf sich der entsprechenden Sonderfachleute wie auch Steuerberater etc.
bedienen, wenn es um die Frage der Insolvenzantragspflicht geht.
Hieran ändert sich auch nichts, wenn man die Argumentation des Klägers folgt, die
Rangrücktritte der Darlehensgeber seien unwirksam gewesen und die
Darlehensverbindlichkeiten folglich in der Überschuldungsbilanz der Gesellschaft
passivierend aufzuführen gewesen (vgl. BGH NJW 2001, 1280). Die Rangrücktritte
waren schon nicht unwirksam. Selbst wenn die Darlehen der Partner in der Bilanz
der Gesellschaft durch die Wirtschaftsprüfer nicht zutreffend behandelt worden
sein sollten, seien es die Darlehen der beigetretenen Partner, seien es die
Darlehen der Personen wie der des Klägers, die noch nicht beigetreten waren, so
fehlt es auch hier insoweit am notwendigen Vorsatz des Beklagten zu 1.). Jeder
Außenstehende kann einer Gesellschaft ein Darlehen gewähren und einen
Rangrücktritt wirksam erklären. Zwar ist der Beklagte zu 1.) selbst Rechtsanwalt, er
muss aber nicht die Kenntnisse von der nach Meinung des Klägers unzutreffenden
Behandlung der Darlehen in der Bilanz haben, denn wie er selbst zutreffend
ausführt, wurden die gewährten Gelder innerhalb der Gesellschaft wie
satzungsmäßiges Kapital behandelt, welches der Gesellschaft als liquides Mittel
zur Verfügung stand. Hierfür ist keine besondere Form erforderlich. Denn im
Rahmen des Vertrages wird eine formunwirksame Übertragung nicht
vorgenommen. Die im Vertrag abgegebenen Erklärungen zu der
Übertragungsabsicht bedurften nicht der notariellen Form. Nach § 15 Abs. 3
GmbHG bedarf lediglich die Abtretung von Geschäftsanteilen der notariellen
Beurkundung, eine solche liegt aber nicht vor.
Aber auch bezüglich dieses Punktes, nämlich der zutreffenden oder
unzutreffenden Behandlung der Partnerdarlehen in den Bilanzen, fehlt es in jedem
Falle an einem entsprechenden Vorsatz des Beklagten zu 1.).
In diesem Zusammenhang kann der Argumentation des Klägers, die Gewährung
der Darlehen als eigenkapitalersetzend sei wegen Verstoßes gegen §§ 305 ff. BGB
unwirksam, nicht gefolgt werden. Bei der Aufführung des Darlehens im Rahmen
der verschiedenen für den Partner geführten Konten handelt es sich nicht um eine
überraschende Klausel. Dies gilt insbesondere daher, dass ausführlich der Status
des entsprechenden Darlehens beschrieben und erläutert wird.
Eine Haftung des Beklagten zu 2.) aus Verletzung von vertraglicher
Aufklärungspflichten oder § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB ist ebenfalls nicht
gegeben. Eine etwaige Offenbarungspflicht setzt in diesem Zusammenhang
ebenfalls positive Erkenntnis der Insolvenzreife voraus, die aber, wie bereits
dargestellt, nicht gegeben war. Für einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §
263 StGB fehlen auch die übrigen Voraussetzungen. Es muss bei einem Anspruch
aus einem Schutzgesetz, hier der Straftatbestand des Betruges, der gesamte
Tatbestand in seinen objektiven und seinen subjektiven Tatbestandsmerkmalen
voll erfüllt sein. Dies trifft vorliegend, wie bereits vorgehend erörtert, nicht zu.
Selbst wenn, was äußerst zweifelhaft erscheint, der objektive Tatbestand des
Betruges, der vorliegend bereits an einer entsprechenden Täuschung durch
Unterlassung der dafür erforderlichen Garantenpflicht scheitern würde, gegeben
wäre, läge ein einsprechender Vorsatz nicht vor.
Unterstellt man schließlich das Vorliegen der Insolvenzreife im Zeitpunkt der
Vertragsverhandlung mit dem Kläger und die Verpflichtung des Beklagten zu 1.),
einen Insolvenzantrag zu stellen, so trifft den Kläger ein Mitverschulden an dem
entstandenen Schaden. Denn er musste wissen, dass er einer GmbH beitreten
wollte, die jederzeit insolvent werden kann. Bei Gewährung eines Darlehens hätte
er selbst die wirtschaftlichen Verhältnisse prüfen müssen und können und auf
Einsicht in Jahresabschlüsse, Bilanzen etc. bestehen müssen. Dass dies nicht
geschehen ist, stellt eine Verletzung der Sorgfaltspflichten in eigenen
Angelegenheiten dar und ist als Mitverschulden gemäß § 254 BGB zu bewerten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1, Satz 2 BGB.