Urteil des LG Kassel vom 23.02.2009

LG Kassel: verschlechterung des gesundheitszustandes, unterbringung, aufenthalt, hessen, möbliertes zimmer, vergütung, versorgung, verpflegung, familienpflege, wohnraum

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Gericht:
LG Kassel 3.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 T 738/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
VBVG
Betreuervergütung: Unterbringung eines Betreuten in einer
Gastfamilie als Heimaufenthalt
Leitsatz
Die Unterbringung eines Betreuten in einer Gastfamilie ist vergütungsrechtlich auch
dann nicht als Heimaufenthalt zu werten, wenn eine Unterstützung durch den LWV
Hessen im Rahmen des -begleiteten Wohnens seelisch behinderter Menschen in
Familien- erfolgt.
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 19. November 2008 wird
dahingehend abgeändert, dass die dem Beschwerdeführer für seine Tätigkeit in
der Zeit vom 10. Februar 2008 bis 9. August 2008 aus der Staatskasse zu
erstattende Vergütung festgesetzt wird auf 703,50 €.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der Betroffene leidet an einem beginnenden Korsakov-Syndrom aufgrund
chronischen Alkoholabusus. Er ist nicht in der Lage, sämtliche seiner
Angelegenheiten alleine zu erledigen. Das damals zuständige Amtsgericht
Wolfhagen bestellte deshalb durch Beschluss vom 11. Februar 2004 (Bl. 38 f. d. A.)
für den Beschwerdeführer eine Berufsbetreuerin. Zum Aufgabenkreis wurde
bestimmt die Sorge für die Gesundheit, die Vermögenssorge, Vertretung
gegenüber Ämtern, Behörden, Versicherungen, Banken, Heim- und Klinikleitung,
das Anhalten und Öffnen der Post sowie die Besorgung der
Wohnungsangelegenheiten einschließlich der Entscheidung über die
Wohnungsauflösung. Am 17. Mai 2004 zog der Betroffene zu einer Pflegefamilie,
der Familie „…“ nach „…“ unter die eingangs genannte Adresse.
Der Betroffene ist im Rahmen des „begleiteten Wohnens seelisch behinderter
Menschen in Familien“ (vormals „Psychiatrische Familienpflege“) untergebracht.
Die Trägerschaft hat der LWV Hessen, der durch einen Fachdienst sowie die
Behandlung des Betroffenen in der Institutsambulanz der Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie ... eine kontinuierliche Behandlung und Begleitung des Betroffenen
sicherstellt.
Das nunmehr zuständige Amtsgericht Kassel schränkte durch Beschluss vom 4.
April 2006 (Bl. 123 d. A.) die bestehende Betreuung ein auf den Aufgabenkreis der
Sorge für die Gesundheit, der Vermögenssorge sowie der Rechts-, Antrags- und
Behördenangelegenheiten. Zugleich verlängerte es die bestehende Betreuung (Bl.
126 f. d. A.).
Weil der Betroffene eine Aufhebung der Betreuung anstrebte, hatte das
Amtsgericht Kassel bereits im Jahre 2008 erneut über die Aufrechterhaltung der
Betreuung zu entscheiden. Durch Beschluss vom 6. Februar 2008 (Bl. 212 f. d. A.)
wies das Amtsgericht den Antrag des Betroffenen auf Aufhebung der Betreuung
zurück und verlängerte gleichzeitig die bestehende Betreuung. Zudem bestellte es
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zurück und verlängerte gleichzeitig die bestehende Betreuung. Zudem bestellte es
unter Entlassung der vormaligen Berufsbetreuerin den Beschwerdeführer zum
neuen Betreuer, der sein Amt ebenfalls berufsmäßig führt (vgl. Beschluss auf Bl.
216 f. d. A.). Die gegen diese Beschlüsse eingelegten Beschwerden des
Betroffenen wies die Kammer durch Beschluss vom 4. April 2008 (Bl. 258 ff. d. A.)
zurück.
Der Beschwerdeführer hat mit Antrag vom 27. August 2008 (Bl. 306 d. A.) die
Festsetzung der für den Zeitraum 10. Februar 2008 bis 9. August 2008 zu
erstattenden Pauschalvergütung begehrt. Er hat der Berechnung der Vergütung
dabei den Status eines vermögenslosen, nicht in einem Heim lebenden
Betroffenen zugrund gelegt.
Gegen diesen Antrag hat sich die Bezirksrevisorin mit Schreiben vom 22.
September 2008 (Bl. 286 ff. d. A.) und nach Vorlage weiterer Unterlagen durch den
Beschwerdeführer mit weiterem Schreiben vom 17. November 2008 (Bl. 213 ff. d.
A.) gewandt und dabei die Auffassung vertreten, der Aufenthalt des Betroffenen in
der Pflegefamilie sei einem Heimaufenthalt gleichzustellen.
Dieser Auffassung folgend hat das Amtsgericht Kassel durch Beschluss vom 19.
November 2008 (Bl. 324 f. d. A.) die dem Beschwerdeführer für seine Tätigkeit aus
der Staatskasse zu erstattende Vergütung in der Zeit vom 10. Februar 2008 bis 9.
August 2008 festgesetzt auf 402,-- €.
Gegen diesen am 25. November 2008 zugestellten Beschluss richtet sich die
Beschwerde vom 2. Dezember 2008 (Bl. 328 d. A.). Der Beschwerdeführer legt in
seiner Beschwerdebegründung vom 26. Dezember 2008 (Bl. 330 ff. d. A.)
wiederum ausführlich seine Auffassung dar, weshalb der Aufenthalt des
Betroffenen nicht als Heimaufenthalt zu werten sei.
II. (1) Das gemäß § 56g V FGG statthafte Rechtsmittel erfüllt auch die übrigen
Zulässigkeitsvoraussetzungen der §§ 19, 20, 21, 22 FGG.
Die Kammer hatte die Ausgangsentscheidung nur in dem angefochtenen Umfang
zu überprüfen. Die Beschwerde beschränkt sich vorliegend auf die Zuordnung der
Betreuung zu § 5 II 1 VBVG (mittellos, Aufenthalt im Heim) anstelle der vom
Beschwerdeführer begehrten Zuordnung zu § 5 II 2 VBVG (mittellos, Aufenthalt
nicht im Heim). Die Beschränkung der Beschwerde auf einzelne Punkte ist
zulässig, wenn der angefochtene Beschluss mehrere Regelungsgegenstände zum
Inhalt hat bzw. der Regelungsgegenstand teilbar ist und der Rechtsmittelführer
eindeutig erklärt, die Ausgangsentscheidung nur teilweise angreifen zu wollen
(Sternal in Keidel/Kuntze/ Winkler, FGG, 15. Aufl., § 21 Rn. 24 ff.). Das ist vorliegend
der Fall.
(2) Das Rechtsmittel musste in der Sache Erfolg haben.
Nach Maßgabe von §§ 1908i, 1836 I BGB i.V.m. §§ 4, 5 VBVG erhält ein
berufsmäßig tätiger Betreuer eine von der Dauer der Betreuung, seiner
Qualifikation und der Zuordnung der Betreuung zu einer der in § 5 VBVG
genannten Betreuungsgruppen abhängige Pauschalvergütung. Diese ist für den
hier streitbefangenen Zeitraum vom 10.02.2008 bis 09.08.2008 nach § 4 I 2 Nr. 1,
§ 5 II 2 Nr. 4 VBVG zu berechnen, weil der mittellose Betroffene seinen
gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Heim hat.
Heime im Sinne der letztgenannten Bestimmung sind gemäß § 5 III VBVG
Einrichtungen, die dem Zweck dienen, Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum
zu überlassen sowie tatsächliche Betreuung und Verpflegung zur Verfügung zu
stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der
Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden. Diese Definition
entspricht im Wesentlichen derjenigen des Heimgesetzes, löst den
Anwendungsbereich jedoch von bestimmten Krankheitsbildern (vgl. BT Drucks.
15/2494, S. 32). Infolge der Verweisung auf § 1 II HeimG darf von einem Heim noch
keine Rede sein, wenn ein Vermieter von Wohnraum lediglich durch Verträge mit
Dritten oder auf andere Weise sicherstellt, dass den Mietern überhaupt Betreuung
und Verpflegung angeboten werden. Ebenso wenig wird eine Einrichtung dadurch
zum Heim, dass ihre Bewohner vertraglich verpflichtet werden, allgemeine
Betreuungsleistungen wie Notrufdienste oder Dienst- und Pflegeleistungen von
bestimmten Anbietern anzunehmen und das Entgelt hierfür im Verhältnis zur
Miete von ganz untergeordneter Bedeutung ist. Hingegen ist vom Betrieb eines
Heims auszugehen, wenn dessen Bewohner aufgrund des
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Heims auszugehen, wenn dessen Bewohner aufgrund des
Unterbringungsvertrages verpflichtet sind, Verpflegung und weitergehende
Betreuungsleistungen vom Betreiber der Einrichtung und/oder von einzelnen
Anbietern zu beziehen. Hauptmerkmal eines Heimes im Sinne von § 5 VBVG ist
demnach neben einem dauerhaften Aufenthalt des Betroffenen in der Einrichtung
die verbindliche Übernahme der umfassenden Versorgung des Betroffenen – auch
im Falle einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes (sog.
Versorgungsgarantie - vgl. Palandt, BGB, 68. Aufl., Anh. zu § 1836, § 5 VBVG Rn.
9).
Anders als im Bereich des Heimgesetzes kommt es im vorliegenden
Zusammenhang dabei allerdings nicht auf den Charakter der jeweiligen
Einrichtung insgesamt, sondern vielmehr nur darauf an, ob der konkrete
Betroffene wie in einem Heim untergebracht ist. Von Letzterem darf zwar
regelmäßig ausgegangen werden, wenn die in Rede stehende Einrichtung der
Heimaufsicht unterliegt, deren Fehlen rechtfertigt umgekehrt aber nicht ohne
weiteres die Annahme, der Betroffene verfüge über eine eigene Wohnung (vgl.
OLG München, Beschluss vom 13.04.2006 - 33 Wx 42/06 -; Juris TZ 9 = FGPrax
2006, 163). Ausschlaggebend ist die rechtliche und tatsächliche Ausgestaltung der
Beziehung im Einzelfall.
Die anhand dieser Kriterien gebotene Gesamtbeurteilung führt vorliegend nicht zu
der Feststellung, dass die Versorgung des Betroffenen in einer Pflegefamilie dem
Aufenthalt in einem Heim in dem genannten Sinne gleichkommt.
Die Unterbringung und Betreuung des Betroffenen ist in einem zwischen dem
Betroffenen, der Gastfamilie, und dem LVW Hessen geschlossenen
„Betreuungsvertrag“ (Bl. 291 ff. d. A.) geregelt. Durch das begleitete Wohnen
sollen nach dem Vertrag behinderte Menschen in Familien aufgenommen werden
und durch das gemeinsame Leben mit dieser Familie und mit der professionellen
Unterstützung des zuständigen Fachdienstes sozial integriert am
gesellschaftlichen Leben teilhaben. Ziel ist es, eine größtmögliche
Verselbständigung zu erreichen. Ausweislich II. des Vertrages hat die Gastfamilie
die Aufgabe, die Entwicklung zu einer selbständigeren Lebensführung zu fördern.
Ausweislich der Aufzählung soll dazu insbesondere die Unterstützung bei der
Bewältigung von Altersproblemen, die gemeinsame Einnahme der Mahlzeiten, die
Beaufsichtigung bei der Einnahme der verordneten Medikamente, die
Ermöglichung der Hausbesuche des Fachdienstes sowie der notwendigen
Arztbesuche und schließlich die Integration des Betroffenen in die Familie
hinsichtlich der Zurverfügungstellung von Leistungen (z. B. Bereitstellung sauberer
Kleidung, Zimmerreinigung usw.), die Einbeziehung in Freizeitaktivitäten, aber
auch die Beteiligung an hauswirtschaftlichen Arbeiten im üblichen familiären
Rahmen dienen. Die Gastfamilie hat den Betroffenen in ihrer Wohnung bzw. in
ihrem Haus ein eigenes möbliertes Zimmer in einem für Familienmitglieder
üblichen Rahmen zur Verfügung zu stellen.
Der Betroffene hat sich im Betreuungsvertrag u. a. verpflichtet, sich nach
Absprache und unter Berücksichtigung seiner individuellen Fähigkeiten an den
anfallenden Tätigkeiten im Haushalt der Familie zu beteiligen.
Dem Fachdienst obliegt gemäß Ziff. IV des Vertrages die Unterstützung der
Familie und des Betroffenen bei der Erfüllung des Vertrages in allen sich aus dem
Vertragsverhältnis ergebenden fachlichen, rechtlichen und finanziellen Fragen.
Schon der Wortlaut der maßgebenden Bestimmung spricht gegen eine
Gleichstellung mit einer Heimunterbringung; denn eine Pflege oder Gastfamilie
wird schwerlich als "Einrichtung", die u. a. dem Zweck dient, Volljährige
aufzunehmen, bezeichnet werden können. Schließlich kann angesichts der nach
dem Vertrag angestrebten Einbeziehung des Betroffenen in die Gastfamilie, die
keine weiteren Pfleglinge in Obhut hat, auch nicht angenommen werden, dass die
"Einrichtung ... in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig"
sei. Gegen eine dahingehende Einschätzung spricht vielmehr, dass die Aufnahme
des Betroffenen in die Pflegefamilie bereits im Jahre 2004 erfolgt und es seitdem
ersichtlich nicht zu irgendwelchen Änderungen gekommen ist.
Aber auch der Sache nach ist die Versorgung, die der Betroffene in seiner
Gastfamilie genießt, nicht mit der in einem Heim vergleichbar (so bereits
Beschluss der Kammer vom 16. Februar 2007, Az. 3 T 36/07). Wohl wird dem
Betroffenen auch von seiner Pflegefamilie Wohnraum überlassen sowie
tatsächliche Betreuung und Verpflegung zur Verfügung gestellt, jedoch liegt der
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tatsächliche Betreuung und Verpflegung zur Verfügung gestellt, jedoch liegt der
Schwerpunkt der Versorgung nach dem maßgebenden „Betreuungsvertrag“ auf
der Einbeziehung des Betroffenen in das Familienleben. So ist die Gastfamilie nach
Ziffer II des Vertrages verpflichtet, den Betroffenen in vielfältiger Weise am
Familienleben aktiv teilnehmen zu lassen. Die sich anschließende Aufzählung
nennt beispielhaft die gemeinsame Einnahme der Mahlzeiten sowie die
Einbeziehung in Freizeitaktivitäten. Soweit es dagegen um die Sorge für die
gesundheitliche Verfassung des Betroffenen geht, erschöpft sich die Aufgabe der
Gastfamilie nach dem Vertrag in der Beaufsichtigung bei der Einnahme der
verordneten Medikamente, der Wahrnehmung von Arztterminen und der
Ermöglichung von Hausbesuchen durch das Familienpflegeteam. Hingegen hat die
Gastfamilie nach dem Vertrag weitergehende Hilfeleistungen wie etwa die
Unterstützung bei der täglichen Körperpflege nicht zu erbringen. Diese Gewichtung
spiegelt sich auch in der der Gastfamilie zustehenden Vergütung wider, welche in
einem monatlichen Entgelt für die Betreuung in Höhe von 546,08 € (Bl. 195 d.A.)
besteht. Daneben erhält der Betroffene zur Bestreitung seines Lebensunterhalts
Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 389,00 €. Diese Geldbeträge
werden lediglich aufgrund des Umstandes, dass der Betroffene aufgrund von
Schufa-Einträgen kein eigenes Konto eröffnen kann, infolge einer Abtretung direkt
an die Gastfamilie ausgezahlt, die dem Betroffenen ein monatliches Taschengeld
überlässt (Schreiben der vormaligen Betreuerin auf Bl. 275, 279 d.A.). Geplant war
die Auszahlung der Gelder an den Betroffenen, der die Zahlungen dann
entsprechend einzusetzen bzw. weiterzuleiten gehabt hätte (vgl. Ziff. III des
Betreuungsvertrages).
Ob die Aufnahme in eine Gastfamilie in den Fällen, in denen diese weitergehend
eine Versorgungsgarantie im Sinne einer umfassenden Daseinsvorsorge für alle
Angelegenheiten übernommen hat, die zumindest weitgehend unabhängig von
Änderungen des Gesundheitszustands sowie des Hilfebedarfs des Betroffenen ist,
dem Aufenthalt in einem Heim gleichgestellt werden kann (vgl. OLG Oldenburg,
Beschluss vom 02.05.2006 5 W 48/06 ), braucht vorliegend nicht entschieden zu
werden; denn nach dem maßgebenden Vertrag ist die Gastfamilie nicht
verpflichtet, dem Betroffenen eine solch umfassende Versorgung und Pflege
angedeihen zu lassen.
Damit sind die Lebensumstände des Betroffenen vergleichbar mit denjenigen von
Erwachsenen, die mit Ehepartner oder Eltern in häuslicher Gemeinschaft leben und
denen ein berufsmäßig tätiger Betreuer bestellt ist, während sie mit der
Lebenssituation von etwa in einem Alten und Pflegeheim untergebrachten
Personen nur wenig gemein haben.
Auch die Einbindung des Fachdienstes des LWV Hessen führt nicht zu einer
Qualifizierung der Unterbringung des Betroffenen als Unterbringung in einem
Heim.
Der LWV Hessen sieht die Unterbringung des Betroffenen als eine Form ambulant
betreuter Wohnmöglichkeiten an (vgl. Schreiben vom 7. Oktober 2008, Bl. 305 d.
A.). Ausweislich der „Richtlinien für das begleitete Wohnen von behinderten
Menschen in Familien“ (Bl. 307 ff. d. A.) wurde die Betreuungsform geschaffen für
Personen, die „ansonsten in einer stationären Einrichtung leben müssten“.
Ob und unter welchen Umständen die Aufnahme eines Betroffenen in
Familienpflege aufgrund der Einbindung eines Trägers als Heimaufenthalt i. S. d.
Vergütungsrechts für den Betreuer angesehen werden kann, ist bislang noch nicht
abschließend geklärt. Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom 23.
Januar 2008 (FamRZ 2008, 778) – allerdings lediglich im Rahmen eines Hinweises
„für das weitere Verfahren“ – ausgeführt, dass der Aufenthalt eines Betreuten in
einer Pflegefamilie grundsätzlich nicht als Aufenthalt in einem Heim anzusehen
sei. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes kann die Unterbringung eines
Betroffenen in einer Pflegefamilie jedoch dann als Heimaufenthalt anzusehen sein,
wenn die Pflegefamilie in die Gesamtorganisation eines Heimträgers integriert ist
und dieser Heimträger den Aufenthalt ständig kontrolliert und begleitet sowie eine
umfassende, von der aktuellen Situation des Betroffenen grundsätzlich
unabhängige und dadurch den Betreuer dauerhaft entlastende
Versorgungsgarantie übernommen hat. Der Bundesgerichtshof spricht in diesem
Zusammenhang davon, dass „im Einzelfall die Betreuung des Betroffenen lediglich
– vom Heim in eine Pflegefamilie als einer für den individuellen Betroffenen
besonders geeignet erscheinenden Wohnform ausgelagert“ sei. Daran soll es nach
Ansicht des Bundesgerichtshofes fehlen, wenn die Familienpflege lediglich von
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Ansicht des Bundesgerichtshofes fehlen, wenn die Familienpflege lediglich von
einer auf ambulante Betreuung ausgerichteten Organisation begleitet wird.
Auch unter Zugrundelegung dieser Ansicht ergibt sich vorliegend keine
Unterbringung des Betroffenen in einem Heim. Allein der Umstand, dass der LWV
Hessen auch Heime i. S. v. § 5 III VBVG betreibt, führt nicht dazu, dass jede vom
LWV Hessen organisierte und begleitete Unterbringung als Heimaufenthalt
anzusehen wäre. Maßgebend ist die Organisation im konkreten Einzelfall.
Vorliegend wird die Unterbringung des Betroffenen in die Pflegefamilie vom
Fachdienst des LWV begleitet. Dieser Fachdienst unterstützt gemäß IV Ziff. 2 des
Betreuungsvertrages die Gastfamilie und den Betroffenen, jedoch lediglich „in
allen sich aus dem Vertragsverhältnis ergebenden fachlichen, rechtlichen und
finanziellen Fragen“. Der Fachdienst ist mithin dafür zuständig, dass die im
Betreuungsvertrag festgelegte Integration des Betroffenen in die Familie mit den
einzelnen dargestellten Teilaspekten erfolgreich umgesetzt wird. Der Fachdienst
gewährt jedoch nicht die für eine Heimunterbringung i. S. v. § 5 III VBVG
erforderliche umfassende Versorgungsgarantie.
Das Vertragsverhältnis ist gemäß VIII Ziff. 1 des Vertrages auch von allen
Vertragspartnern, mithin dem Betroffenen, der Gastfamilie und dem LWV Hessen
jederzeit und ohne Angabe von Gründen innerhalb einer Frist von einem Monat
kündbar. Auch deswegen kann von einer Versorgungsgarantie im dargestellten
Umfang nicht gesprochen werden. Danach war die angefochtene Entscheidung
abzuändern und dem Beschwerdeführer für den hier in Rede stehenden Zeitraum
eine Vergütung von insgesamt 703,50 € festzusetzen. Diese setzt sich aus einem
monatlichen Stundenansatz von 3,5 Stunden, einem Vergütungszeitraum von
insgesamt sechs Monaten sowie dem vom Amtsgericht zugrunde gelegten
Stundensatz von 33,50 € zusammen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, § 131 I KostO. Eine Erstattung
außergerichtlicher Kosten, für deren Vorliegen in nennenswerter Höhe nichts
ersichtlich ist, findet nicht statt, § 13a FGG. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung
der zur Entscheidung stehenden Frage war die weitere Beschwerde zuzulassen (§
56g V 2 FGG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.