Urteil des LG Kassel vom 04.11.2010

LG Kassel: geistige schöpfung, vergütung, zahlungsverzug, anerkennung, vollstreckung, vervielfältigung, verwertung, sorgfalt, verkehr, internet

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Gericht:
LG Kassel 1.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 O 772/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 13 S 2 UrhG, § 97 Abs 2 S 3
UrhG, § 288 Abs 1 BGB, § 288
Abs 2 BGB
Leitsatz
(1) Im Rahmen der Lizenzanalogie ist bei der Ermittlung der Höhe des
Schadensersatzanspruchs dann nicht auf die MFM-Empfehlungen zurückzugreifen,
wenn der Verletzte hinsichtlich der betroffenen Lichtbildwerke zeitnah zu der
Verletzungshandlung einen Lizenzvertrag mit einem Dritten abgeschlossen hatte; in
diesem Fall kann in der Regel die hierbei vereinbarte Vergütung zugrundegelegt
werden.
(2) Ein Zuschlag wegen unterlassenen Bildquellennachweises setzt voraus, dass der
Verletzte von seinem Urheberbezeichnungsrecht nach § 13 S. 2 UrhG Gebrauch
gemacht hat.
(3) Für die Verzinsung der Schadensersatzforderung nach den Regeln der
Lizenzanalogie gilt § 288 Abs. 1 BGB.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 450,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.7.2009 sowie weiterer
außergerichtlicher Kosten in Höhe von 70,20 € zu zahlen. Im übrigen wird die Klage
abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 92 % dem Kläger und zu 8 % der
Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung des
jeweiligen Gegners durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des
Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gegner vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen behaupteter Urheberrechtsverletzungen auf
Zahlung von Schadensersatz nach der Lizenzanalogie in Anspruch. Der Kläger
betreibt u. a. Industrie- und Architekturfotografie. Die Beklagte berät vorwiegend
Firmen, deren Geschäftsräume vorteilhaft ausgeleuchtet werden sollen, bei der
Wahl der Leuchten und vertreibt diese. Im Jahr 2003 fertigte der Kläger von einem
von der Beklagten in „…“ lichttechnisch geplanten und ausgeführten Projekt
insgesamt 8 Fotos. Ausweislich seines Angebots vom 7.4.2003 (Bl. 28 d. A.) und
seiner Rechnung vom 21.5.2003 (Bl. 29 d. A.) verkaufte der Kläger 4 Fotos an die
Firma „…“ (fortan. „…“) zu einem Preis von 150,00 € pro Aufnahme, der
„Material- sowie Nutzungs- und Veröffentlichungsrechte“ mitumfasste. Die
Rechnung enthält den Zusatz: „AUFNAHMEN INKLUSIVE DER NUTZUNGS UND
VERÖFFENTLICHUNGSRECHTE!“. Die Beklagte hat von 2005 bis zumindest Januar
2010 in ihrem Internetauftritt 3 dieser Bilder (nämlich die auf Bl. 4 und 7 d. A. mit
einem Kreuz markierten Fotographien) als Referenz für ihre Leistungen
veröffentlicht, und zwar ohne Bildquellennachweis. Die Bilder waren der Beklagten
von der Fa. „…“ kostenlos als Anerkennung für die erfolgreiche Arbeit auf CD zur
freien Verfügung übergeben worden. Der Kläger hat von der Beklagten zunächst
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freien Verfügung übergeben worden. Der Kläger hat von der Beklagten zunächst
mit außergerichtlichen Schreiben vom 16.7.2009 mit Fristsetzung zum 27.7.2009
(Bl. 15 d. A.) und sodann mit Anwaltsschreiben vom 1.12.2009 (Bl. 17 f. d. A.)
vergeblich Zahlung von Schadensersatz unter Heranziehung der
Honorarempfehlungen der „…“ (fortan: „…“) für das Jahr 2009 in Höhe von
5.580,00 € verlangt.
Der Kläger macht nunmehr einen Schadensersatzanspruch von 5.460,00 € nebst
Zinsen und außergerichtlichen Anwaltskosten geltend und rechnet, ausgehend von
den MFM-Empfehlungen 2005, wie folgt:
Hinsichtlich des Zuschlages wegen des unterlassenen Bildquellennachweises
behauptet der Kläger unter Bezugnahme auf das von ihm in der mündlichen
Verhandlung vom 9.9.2010 überreichte Schreiben vom 15.5.2003 (Bl. 53 d. A.), er
habe mit der Fa. „…“ seinerzeit vereinbart, dass bei Veröffentlichungen der
Aufnahmen in allen Medien der Hinweis auf seine Urheberschaft erfolgen sollte.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.460,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 9
Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 19.7.2009 zu zahlen sowie Kosten
außergerichtlicher Rechtsverfolgung in Höhe von 546,69 €.
Die Beklage beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, keine Urheberrechtsverletzung begangen zu haben, da der
Kläger „seine Urheberrechte an den Fotos verkauft“ habe. Sie vertritt ferner die
Ansicht, jedenfalls nicht schuldhaft gehandelt zu haben, hält die Klageforderung für
überzogen und beruft sich schließlich auf Verjährung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den
Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet,
im übrigen unbegründet.
Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 450,00 € aus
§§ 97 Abs. 2 S. 3; 2 Abs. 1 Nr. 5; 15 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 16 (Vervielfältigung) und
15 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. 19a (öffentliche Zugänglichmachung) UrhG.
Bei den 3 Fotos handelt es sich um urheberechtlich geschützte Werke i. S. d. § 2
Abs. 1 Nr. 5 UrhG (Lichtbildwerke). Die persönliche geistige Schöpfung des Klägers
liegt darin, dass er jeweils eine bestimmte Stimmung kreiert – besonderes
Tageslicht, eingeschaltete Beleuchtung, Spiegelreflexe – und die Objekte aus
einem bestimmten Winkel abgelichtet hat, um sie in einem möglichst positiven
Licht erscheinen zu lassen.
Dem Kläger stehen die Verwertungsrechte als Urheber gemäß § 7 UrhG zu. Die
Urheberrechte sind entgegen der Rechtsansicht der Beklagten unveräußerlich, es
können allenfalls Nutzungs- und Verwertungsrechte eingeräumt werden.
Die Verletzungshandlungen der Beklagten sind darin zu sehen, dass sie die
Lichtbilder durch Digitalisieren vor der Darstellung auf dem Bildschirm, d. h. durch
die Vervielfältigung im Speicher der Grafikkarte ihres PCs, vervielfältigt (§ 15 Abs. 1
Nr. 1; 16 UrhG) und zudem durch das Einstellen in das Internet öffentlich
zugänglich gemacht hat (§ 15 Abs. 2 Nr. 2; 19a UrhG).
Die Beklagte handelte auch rechtswidrig und war hierzu insbesondere nicht infolge
Übertragung der Nutzungsrechte an den Bildern (§ 31 Abs. 1 UrhG) berechtigt. Die
Fa. „…“ hat zwar ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Unterlagen
Nutzungsrechte an den Bildern unmittelbar von dem Kläger erhalten. Der zwischen
dem Kläger und der Fa. „…“ abgeschlossene Vertrag bezieht sich jedoch nur auf
die Nutzung der Bilder durch die Fa. „…“ selbst. Diese war insbesondere nicht
berechtigt, auch Dritten die Verwertung der Bilder zu gestatten oder ihnen das
Recht der öffentlichen Wiedergabe zu verleihen. Das ergibt sich gemäß § 31 Abs. 5
UrhG und unter Berücksichtigung des Vertragszwecks aus dem Grundsatz, dass
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UrhG und unter Berücksichtigung des Vertragszwecks aus dem Grundsatz, dass
der Inhaber von Urheberrechten oder Leistungsschutzrechten im Zweifel keine
weitergehenden Rechte überträgt, als es der Zweck des Nutzungsvertrages
erfordert (sog. Zweckübertragungslehre, BGHZ 9, 262 [264 f.]; BGHZ 15, 249 [255
f.]; OLG Hamburg, NJW-RR 1999, 1495 [1497]). Auf einen etwaigen guten Glauben
hinsichtlich der Berechtigung der Fa. „…“ zur Einräumung von Nutzungsrechten
kann sich die Beklagte nicht berufen, weil es einen solchen Gutglaubensschutz im
Urheberrecht nicht gibt.
Die Beklagte hat die Leistungsschutzrechtsverletzungen auch schuldhaft, und zwar
jedenfalls fahrlässig, begangen. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, § 276 Abs. 1 S. 2 BGB. Bei der Verletzung
absolut geschützter Rechtspositionen sind strenge Anforderungen an das Maß der
im Verkehr zu beachtenden Sorgfalt zu stellen. Wer von einem fremden
Urheberrecht oder Leistungsschutzrecht Gebrauch macht, muss sich
vergewissern, dass dies mit Erlaubnis des Berechtigten geschieht (vgl.
Wandtke/Bullinger-v. Wolff, UrhR, 3. Auflage München 2009, § 97 Rdnrn. 52). Dass
sie nicht einfach fremde Bilder in ihrem Internetauftritt veröffentlichen darf, hätte
die Beklagte zumindest wissen müssen; Rechtsirrtum entschuldigt nicht. Zu Recht
hat der Kläger im übrigen darauf hingewiesen, dass die Beklagte noch nicht einmal
vorträgt, sich bei der Fa. „…“ erkundigt zu haben, ob diese Verwertungsrechte
einräumen dürfe.
Hinsichtlich der Schadenshöhe macht die Klägerin den ihr danach dem Grunde
nach zustehenden Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen der
Lizenzanalogie geltend. Diese beruhen auf der Erwägung, dass derjenige, der
ausschließliche Rechte Anderer verletzt, nicht besser dastehen soll, als er im Falle
einer ordnungsgemäß erteilten Erlaubnis durch den Rechtsinhaber gestanden
hätte (vgl. BGH, NJW-RR 1990, 1377 [1377]). Bei dieser Art der Berechnung der
Schadenshöhe ist zu fragen, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die
vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen vereinbart hätten, wobei
unerheblich ist, ob der Verletzer selbst bereit gewesen wäre, für seine
Nutzungshandlungen eine Vergütung in dieser Höhe zu zahlen (vgl. BGHZ 77, 16
[25 f.]; BGH, NJW 2006, 615 [616]; BGH, NJW-RR 1995, 1320 [1321]); BGH, NJW-RR
1990, 1377 [1377]). Dabei ist es Aufgabe des Gerichts, die Schadenshöhe unter
Würdigung aller Umstände gemäß § 287 Abs. 1 ZPO nach freier Überzeugung zu
bemessen. Nach der Rechtsprechung können die „…“ in einem solchen Fall
grundsätzlich als Maßstab herangezogen werden (vgl. BGH, NJW 2006, 615 [616];
ebenso OLG Düsseldorf, OLGR 1998, 386 [388]; LG München, Urteil vom
1.12.1999, Az. 21 O 811/99, zitiert nach JURIS). Vorliegend besteht jedoch die
Besonderheit, dass der Kläger zwei Jahre vor Beginn der Rechtsverletzungen durch
die Beklagte für die umfassende Verwertung der Bilder mit der Fa. „…“ ein
Honorar von 150,00 € pro Aufnahme vereinbart hat. In einem solchen Fall
erscheint – weil es im Rahmen der Lizenzanalogie, wie bereits dargetan, darauf
ankommt, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die
Benutzungshandlungen vereinbart hätten – die Heranziehung der Beträge der „…“
nicht angebracht. Vielmehr kann, wenn man unterstellt, dass der Kläger und die
Fa. „…“ vernünftige Vertragspartner waren, was die Kammer hiermit tut, die für
die konkret in Rede stehenden Bilder konkret vereinbarte Vergütung
zugrundegelegt werden. Diesen Betrag zum Ausgleich der Inflation von 2003 auf
das Jahr 2005 hoch zu indexieren sieht die Kammer keine Veranlassung, weil zwar
die allgemeinen Lebenshaltungskosten von 2003 bis 2005 leicht gestiegen sind,
andererseits die Bilder nunmehr nicht mehr neu waren und es sich um eine
Zweitverwertung handelt, also weder Erstherstellungskosten noch erneute
Materialkosten angefallen sind. Im übrigen wäre die Klageforderung selbst im Falle
einer Heranziehung der „…“ deutlich überzogen, weil die „…“ 2005 ausgehend
von dem Grundhonorar von 260,00 € für längere Nutzungsdauer – anders als die
„…“ 2008 – keinen 50%igen Zuschlag „pro zusätzlichem Zeitintervall“ vorsehen,
sondern einen Zuschlag „nach Vereinbarung“. Zudem ergibt sich aus den
allgemeinen Konditionen auf S. 9 der „…“ 2005, dass sich die Honorare für die
einzelne Nutzung eines Fotos verstehen und die Honorarkalkulation für mehrere
Fotos individuell zu ermitteln ist (sog. Mengenrabatt). Danach käme unter
Zugrundelegung der „ „ 2005 allenfalls ein Honorar in der Größenordnung von
1.300,00 € (260,00 € x 2,5 [für 3 Bilder] + 100 % [für den längeren
Nutzungszeitraum]) in Betracht.
Die weitergehende Zahlungsklage ist demgegenüber unbegründet. Einen
Zuschlag von 100 % wegen unterlassenen Bildquellennachweises kann der Kläger
nicht verlangen. Ein solcher Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen
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nicht verlangen. Ein solcher Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen
Verletzung des Urheberbezeichnungsrechts (§ 13 S. 2 UrhG) setzt nämlich voraus,
dass der Urheber bestimmt hat, ob und ggf. wie das Werk mit einer
Urheberbezeichnung zu versehen ist, wobei dem Urheber nicht nur ein Recht auf
Anerkennung seiner Urheberschaft, sondern auch ein Recht auf Anonymität
zusteht. Entgegen der von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vertretenen
Rechtsansicht besteht damit nicht „kraft Gesetzes“ automatisch eine Pflicht des
Verwerters, in jedem Fall einen Bildquellennachweis zu führen; es ist vielmehr
sogar denkbar, dass der Nutzer des Werkes durch die Bekanntgabe der
Urheberschaft die Rechte des Urhebers gerade verletzt. Dem Kläger ist die
diesbezügliche Rechtsprechung der Kammer, wonach er zu dem jeweils konkret in
Rede stehenden Bild darlegen und beweisen muss, ob und falls ja welche
Bestimmung nach § 13 S. 2 UrhG er im Einzelfall getroffen hat, bekannt, so z. B.
aus dem Verfahren 1 O 2099/08 (nicht rechtskräftig, Aktenzeichen des OLG
Frankfurt a. M.: 25 U 8/10). Er hat erstmals in der mündlichen Verhandlung vom
9.9.2010 unter Vorlage eines an den Mitarbeiter „…“ der Fa. „…“ adressierten
Schreibens vom 15.5.2003 behauptet, hinsichtlich der hier in Rede stehenden
Lichtbilder von seinem Urheberbezeichnungsrecht dahingehend Gebrauch
gemacht zu haben, dass er in einem Telefonat vom 14.5.2003 mit Herrn „…“ die
Verwendung eines Bildquellennachweises vereinbart habe. Dem ist die Beklagte
jedoch in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 20.9.2010 substantiiert
entgegengetreten, indem sie unter Benennung des Mitarbeiters „…“ als Zeugen
behauptet, dieser habe weder das angebliche Schreiben vom 15.5.2003 erhalten
noch sei es zu der in dem Schreiben erwähnten telefonischen Besprechung
gekommen. In Reaktion hierauf hat der Kläger zwar mit Schriftsatz vom
15.10.2010 ergänzend vorgetragen und unter Vorlage einer Kopie des
Verbindungsnachweises für seine Mobilfunknummer und eines Faxschreibens der
Fa. „…“ vom 21.5.2003 dargelegt, dass er am 14.5.2003 mit dem Zeugen „…“
unter dessen Durchwahl „…“ telefoniert habe. Dieser Schriftsatz gibt jedoch
keinen Anlass zu einer Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 Abs. 1 ZPO,
weil die Verbindungsnachweise und das Faxschreiben nichts bezüglich des Inhalts
des bestrittenen Telefonkontaktes hergeben und der für die Rechtsverletzung
beweisbelastete Kläger keinen weiteren Beweis angetreten hat.
Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist nicht verjährt, so dass der Beklagten
kein Leistungsverweigerungsrecht nach § 102 S. 1 UrhG i. V. m. § 214 Abs. 1 BGB
zusteht. Die Veröffentlichung im Internet stellt eine Dauerhandlung dar mit der
Folge, dass die Verjährung nicht begann, solange der Eingriff andauerte (vgl. BGH,
NJW 1973, 2285; [2285]).
Zinsen aus 450,00 € stehen dem Kläger unter Verzugsgesichtspunkten aus §§ 280
Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB zu, in Hinblick auf die Fristsetzung im
ersten Mahnschreiben vom 16.7.2009 (Bl. 15 d. A.) jedoch erst ab dem 28.7.2009.
Schlüssigen Vortrag für einen über den Zinssatz von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszins hinausgehenden Schaden hat der Kläger nicht gehalten. Es handelt sich
auch nicht um eine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB, die mit
einem Zinssatz von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins zu verzinsen wäre,
sondern um eine Schadensersatzforderung, für welche die vorgenannte Vorschrift
nicht greift (ebenso Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 15.5.2009,
Az. 6 U 37/08, zitiert nach JURIS, Rdnr. 57; OLGR München 2009, 519 [521]; LG
Hamburg, Urteil vom 14.5.2004, Az. 308 O 485/03, zitiert nach JURIS, Rdnr. 95 [in
den nachfolgenden bestätigenden Entscheidungen des OLG Hamburg und des
BGH nicht weiter thematisiert]). Der anderslautenden Rechtsprechung, wonach im
Falle der Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie § 288 Abs. 2 BGB
anwendbar sei, weil es darauf ankomme, ob ein Zinssatz von acht Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz von vernünftigen Lizenzvertragsparteien als angemessen
angesehen würde (so LG Düsseldorf, Urteil vom 18.3.1008, Az. 4a O 365/06, zitiert
nach JURIS, Rdnr. 66 und LG München, Urteil vom 17.5.2006, Az. 21 O 12175/04,
zitiert nach JURIS, Rdnrn. 62 ff.), schließt sich die Kammer nicht an. Es geht
nämlich bei der Nebenforderung – anders als bei der Hauptforderung – nicht um
die Lizenzanalogie und damit um einen Schadensersatzanspruch, sondern um
einen Anspruch aus Gesetz (Verzug). Im übrigen ist der Begriff der
Entgeltforderung europarechtskonform auszulegen, stammt er doch aus der
Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.6.2000
zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftverkehr
(Zahlungsverzugsrichtlinie). Aus der Zahlungsverzugsrichtlinie ergibt sich jedoch,
dass es insoweit vorrangig darum ging, den kleinen und mittleren Unternehmen,
die auf vertraglicher Grundlage in Vorleistung getreten sind und dabei
Aufwendungen erbracht haben und denen übermäßig lange Zahlungsfristen und
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Aufwendungen erbracht haben und denen übermäßig lange Zahlungsfristen und
Zahlungsverzug große Verwaltungs- und Finanzlasten verursachen, was zu den
Hauptgründen für Insolvenzen zählte, zu helfen und ferner, dass die Richtlinie nicht
für Schadensersatzzahlungen gilt, sondern nur den einen Vertragsbruch
darstellenden Zahlungsverzug betrifft (vgl. Gründe Nrn. 7, 13 und 16 der
Erwägungen).
Dem Kläger steht darüber hinaus ein Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung
der vorgerichtlichen Rechtsanwaltkosten, und zwar sowohl unter
Verzugsgesichtspunkten als auch unter Schadensersatzgesichtspunkten
(Rechtsverfolgungskosten), zu. Ausgehend von einem Streitwert von 450,00 €
ergibt dies einen Betrag von 70,20 € (45,00 € x 1,3 + 20 %). Mehrwertsteuer kann
der Kläger nicht verlangen, weil er gerichtsbekannterweise
vorsteuerabzugsberechtigt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711
S. 1, 2 ZPO.
Vorsitzender Richter „…“ „…“
am Landgericht „…“
ist urlaubsbedingt an der
Unterschriftsleistung verhindert
„…“
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.