Urteil des LG Kassel vom 20.04.2009

LG Kassel: gebühr, schuldenbereinigung, erstellung, berechtigung, quelle, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, zivilprozessrecht, datum, einkünfte

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Gericht:
LG Kassel 3.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 T 712/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Nr 2504 RVG-VV, Nr 2505
RVG-VV, Nr 2506 RVG-VV, Nr
2507 RVG-VV, § 305 Abs 1 Nr
1 InsO
(Rechtsanwaltsgebühr für Erstellung eines
Schuldenbereinigungsplans: Gebührenkürzung wegen
gesamtschuldnerischer Haftung von Eheleuten)
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Fritz-lar vom 16.09.2008
wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Unter dem 08.04.2008 erteilte das Amtsgericht der Rechtssuchenden die
Berechtigung, die Hilfe eines Rechtsanwalts eigener Wahl für ein Verfahren nach §
305 I Ziffer 1 InsO in Anspruch zu nehmen. Diese wandte sich daraufhin an den
Antragsteller, ihren eingangs bezeichneten Verfahrensbevollmächtigten, der mit
Schreiben vom 07.07.2008 eine „Bescheinigung über das Scheitern des
außergerichtlichen Einigungsversuchs (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO)“ vorlegte. Dem
genannten Schreiben war zusätzlich ein „Gläubiger- und Forderungsverzeichnis“
beigefügt, nach welchem sich die Rechtssuchende Forderungen von insgesamt 17
Gläubigern ausgesetzt sah.
Der vorgelegte außergerichtliche Schuldenbereinigungsplan sah die Verpflichtung
der Rechtssuchenden zur monatlichen Zahlung von 711 € über die Zeitdauer von
72 Monaten vor, was einer Regulierungsquote von etwa 40% entsprach. Neben
dem genannten Plan findet sich die Formulierung „(incl. Ehemann)“. Hierzu führte
der Antragsteller aus, dass die Rechtssuchende und ihr Ehemann bei insgesamt
22 Gläubigern mit etwa 126.000 € verschuldet seien und bei Einkünften von
monatlich zusammen 2.351 € monatliche Tilgungsleistungen von 711 € erbringen
wollten. Dieser Schuldenbereinigungsplan scheiterte, was - wie bereits ausgeführt -
der Antragsteller unter dem 07.07.2008 bescheinigte.
Mit Antragsschrift vom selben Tag (Bl. 4 d.A.) hat der Antragsteller um
Festsetzung der ihm entstandenen Gebühren nachgesucht, die er mit insgesamt
692,58 € berechnet hat. Dabei hat er für den außergerichtlichen
Schuldenbereinigungsversuch eine Gebühr nach VV RVG Nr. 2507 in Höhe von 560
€ in Ansatz gebracht.
Am 07.08.2008 hat das Amtsgericht dem Antragsteller Gebühren in Höhe von -
nur - 290,36 € angewiesen und mit dem unter demselben Datum gefertigten
Schreiben (Bl. 16 d.A.) zur Begründung ausgeführt, kostenmäßig sei davon
auszugehen, dass die Rechtssuchende Forderungen von lediglich fünf Gläubigern
ausgesetzt sei. Für die Forderung der in dem Schuldenbereinigungsplan weiter
genannten Gläubiger hafte die Rechtssuchende - lediglich - als Gesamtschuldnerin
neben ihrem Ehemann. Diesem sei gesondert Beratungshilfe bewilligt worden und
auch er habe sich an den Antragsteller gewandt. Bei den Verhandlungen, die
Antragsteller im Hinblick auf den Schuldenbereinigungsplan des Ehemannes der
Rechtssuchenden geführt habe, seien deshalb auch diese Forderungen erörtert
worden, entsprechend seien sie bei der Festsetzung der Gebühren des
Antragstellers in jenem Verfahren berücksichtigt worden. Deshalb scheide eine
zusätzliche Berücksichtigung im vorliegenden Verfahren aus.
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Auf die dagegen erhobene Erinnerung hat das Amtsgericht - nach Einholung einer
Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 12.09.2008 (Bl. 19 f. d.A.) - die
angefochtene Festsetzung aufgehoben und die von dem Antragsteller begehrten
Gebühren - annähernd - antragsgemäß mit 690,20 € festgesetzt. Zur
Begründung, wegen deren Einzelheiten auf die genannte Entscheidung (Bl. 21 ff.
d.A.) Bezug genommen wird, hat es ausgeführt, dass allein die lediglich
gesamtschuldnerische Haftung der Rechtssuchenden den Antragsteller nicht von
der Pflicht zur entsprechenden Prüfung der Forderungen habe entbinden können.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beschwerdeführer mit seinem
Rechtsmittel vom 11.11.2008 (Bl. 29 d.A.), das mit weiterem Schriftsatz vom
selben Tag (Bl. 27 f. d.A.) begründet worden ist. Der Antragsteller hatte
Gelegenheit zur Stellungnahme.
II. Das gemäß §§ 56, 33 III VIII RVG insgesamt zulässige Rechtsmittel, über das
nach der unter dem 17.04.2009 erfolgten Übertragung der Sache auf die Kammer
nach §§ 56, 33 VIII 2 RVG in ihrer Besetzung nach § 75 GVG zu entscheiden hatte,
hat in der Sache keinen Erfolg.
Nach Nrn. 2503, 2504 - 2507 VV RVG entsteht für die Tätigkeit mit dem Ziel einer
außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf
der Grundlage eines Plans (§ 305 I Nr. 1 InsO) eine Geschäftsgebühr, deren Höhe
nach der Anzahl der Gläubiger gestaffelt ist. Zu Recht hat der Antragsteller und
ihm folgend das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung in der
vorliegenden Fallgestaltung eine Gebühr nach Nr. 2507 VV RVG in Höhe von 560 €
in Ansatz gebracht.
(1) Zutreffend ist das Amtsgericht dabei zunächst davon ausgegangen, dass der
Antragsteller eine Tätigkeit i.S.v. Nr. 2504 VV RVG erbracht und insbesondere
einen Plan zur außergerichtlichen Schuldenbereinigung erstellt hat; denn die hierzu
erforderliche „gewisse Gesamtschau der Forderungen“ sowie „irgendwie geartete
ergebnisorientierte Überlegungen zum Lösungsvorschlag“ (so OLG Frankfurt,
Beschluss vom 21.04.2008 - 20 W 394/07; vgl. auch Kammergericht, Beschluss
vom 17.06.2008 - 1 W 425/05) finden sich in dem von dem Antragsteller
vorgelegten „Gläubiger- und Forderungsverzeichnis“.
(2) Die durch die Vorlage dieser Unterlagen belegte Tätigkeit des Antragstellers
führt in der vorliegenden Fallgestaltung zum Entstehen einer Gebühr nach Nr.
2507 VV RVG; denn es sind mehr als 15 Gläubiger vorhanden.
Insoweit stellt auch der Beschwerdeführer nicht in Abrede, dass sich die
Rechtssuchende - entsprechend den Angaben des Antragstellers in dem von ihm
erstellten Gläubiger- und Forderungsverzeichnis - Ansprüchen von mehr als 15 -
nämlich 17 - Gläubigern ausgesetzt sieht. Allein der Umstand, dass die
Rechtssuchende gegenüber 12 der aufgeführten Gläubigern - lediglich - als
Gesamtschuldnerin neben ihrem Ehemann haftet, führt zweifelsfrei nicht zu einer
Reduzierung der Anzahl der Gläubiger.
Anders als der Beschwerdeführer ist die Kammer nicht der Ansicht, dass Sinn und
Zweck der nach Anzahl der Gläubiger gestaffelten Gebühren es für die vorliegende
Fallgestaltung rechtfertigen, die dem Antragsteller zustehenden Gebühren nach
Nr. 2504 VV RVG - bis zu 5 Gläubiger - festzusetzen.
Ein solches Vorgehen ist nicht etwa deshalb gestattet, weil die seit dem
01.01.2002 geltende Staffelung nach der Anzahl der Gläubiger ihren Grund in dem
Mehraufwand finden dürfte, der sich für den Rechtsanwalt daraus ergibt, mit einer
Mehrzahl von Gläubigern - i.d.R - entsprechend erschwerte Verhandlungen führen
zu müssen (so Kammergericht aaO. unter Hinweis auf BT-Drucks 14/5680 S. 34).
Ob diese Erwägungen - wie es der Beschwerdeführer meint - im Umkehrschluss
eine Reduzierung der festzusetzenden Gebühren wegen vermeintlich geringeren
Aufwandes in der hier gegebenen Fallgestaltung, dass die Rechtssuchende als
Gesamtschuldnerin von Gläubigern in Anspruch genommen wird, die Forderungen
auch gegen den weiteren Gesamtschuldner, dem gleichfalls Beratungshilfe zuteil
geworden ist, stützen, erscheint bereits fraglich. Dem braucht indes nicht
nachgegangen zu werden; denn eine nennenswerte Verringerung des bei dem
Antragsteller aufgetretenen Aufwandes vermag die Kammer vorliegend nicht zu
erkennen.
Zurecht hat das Amtsgericht insoweit zunächst darauf hingewiesen, dass nach §§
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Zurecht hat das Amtsgericht insoweit zunächst darauf hingewiesen, dass nach §§
422 ff., 425 BGB nur bestimmte, nicht aber sämtliche Umstände, die auf Seiten
eines Gesamtschuldners auftreten, für und gegen den anderen Gesamtschuldner
wirken. Entsprechend muss auch der Beratungshilfe gewährende Rechtsanwalt das
Vorliegen solcher Umstände bei jedem Gesamtschuldner prüfen und
gegebenenfalls in die Verhandlungen mit den Gläubigern einbringen. Darüber
hinaus wird er bei solchen Verhandlungen jedoch vor allen Dingen die persönliche
Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Gesamtschuldners ins Feld zu führen haben.
Diese ist aufgrund der jeweils individuellen wirtschaftlichen Situation zu ermitteln,
die nicht nur durch die Einnahmen des jeweiligen Gesamtschuldners, sondern auch
durch etwa vorrangig zu bedienende Verpflichtungen - etwa Unterhaltszahlungen -
geprägt sein kann. Diese Gegebenheiten hat der Rechtsanwalt zunächst zu
ermitteln und sodann in die Verhandlungen mit jedem der Gläubigern
einzubringen, und zwar unabhängig davon, ob die Rechtssuchende - nur - als
Gesamtschuldnerin haftet. Gerade für die vorliegende Fallgestaltung, bei der die
Rechtssuchende nach dem Schreiben des Antragstellers vom 10.08.2008 (Bl. 12
d.A.) monatliche Einkünfte von - lediglich - etwa 699 € erzielt, deren Ehemann
hingegen etwa 1652 € verdient, gewinnen diese Unterscheidungen im Hinblick auf
unterschiedliche Pfändungsfreigrenzen praktische Bedeutung. All dies hatte der
Antragsteller - eine sachgerechte Vorgehensweise unterstellt - bei seiner Tätigkeit
und auch seinen Verhandlungen mit sämtlichen Gläubigern zu beachten.
Danach war dem Rechtsmittel Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung ergeht nach § 56 II 2 RVG gebührenfrei, Kosten werden nach S. 3
der genannten Bestimmung nicht erstattet.Wegen grundsätzlicher Bedeutung der
Rechtssache war auf Anregung des Beschwerdeführers die weitere Beschwerde
zuzulassen, §§ 56 II 1, 33 VI RVG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.