Urteil des LG Kassel vom 20.10.2005

LG Kassel: treu und glauben, zwischenbilanz, kaufpreis, steuerberater, inventur, wirtschaftsprüfer, kommanditeinlage, sicherheitsleistung, ermessen, verdacht

1
2
3
4
5
Gericht:
LG Kassel 1.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 O 4031/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.356,89 € nebst Zinsen in Höhe von
jeweils 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.12.2004 und aus
weiteren 608,42 € seit 03.02.2005 zu zahlen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen mit Ausnahme eines
Betrages von 2.185,48 € (Klagerücknahme), den der Kläger zu tragen hat.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 130 % des jeweils beizutreibenden
Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien waren Kommanditisten der „…“ in „…“ mit einer Kommanditeinlage
von jeweils 10.000,00 €. Komplementärin ist die „…“
Durch notariellen Vertrag des Notars „…“ vom 25. August 2004 “ „verkaufte der
Beklagte seinen Kommanditanteil von 10.000,00 € mit allen Rechten und Pflichten
unter gleichzeitiger dinglicher Abtretung mit schuldrechtlicher Wirkung zum 1.
September 2004 an den Kläger. Hinsichtlich des zu zahlenden Kaufpreises
vereinbarten die Parteien unter Ziffer III des Vertrages Folgendes: Der Kaufpreis für
die Gesellschaftsbeteiligung einschließlich der Kommanditeinlage /
Festkapitalkonto von 10.000,00 € wird wie folgt ermittelt und gezahlt:
1. Beide Kommanditisten, Herr „…“ und Herr „…“, werden einen
Wirtschaftsprüfer / Steuerberater mit der Wertermittlung des Anteils nach dem
Stuttgarter Verfahren per 31. Dezember 2003 beauftragen. Sie bestimmen diesen
Wirtschaftsprüfer / Steuerberater verbindlich als Schiedsgutachter. Die von dem
beauftragten Wirtschaftsprüfer / Steuerberater erstellte Wertermittlung nach dem
Stuttgarter Verfahren ist für die Beteiligten unanfechtbar und verbindlich. Der sich
daraus ergebende Anteilswert wird wegen der in Ziffer VI. Abs. 2 vereinbarten
Ausnahmen von Wettbewerbsverbot um einen Abschlag von 10 % verringert. Der
ermittelte Anteilswert abzgl. Des Abschlags von 10 % ist als Kaufpreis für den
Gesellschaftsanteil und Kapitalkonto verbindlich vereinbart.
2. Der so ermittelte Wert stellt den Kaufpreis / Abfindungsbetrag dar. Er erhöht
sich um ein etwaiges Guthaben auf Kapitalkonto 2 bzw. Gewinnvortragskonto bzw.
Darlehenskonto des Verkäufers „ „ er vermindert sich um einen etwaigen Sollsaldo
auf negativem Kapitalkonto / Entnahmekonto / Darlehenskonto per 31. August
2004.
4. Die Zahlung des Kaufpreises für den Gesellschaftsanteil erfolgt in sechs
gleichen Halbjahresraten, gemäß § 12 des Gesellschaftsvertrages, deren erste
zum 01. März 2005 fällig wird. Das Abfindungsguthaben ist mit 2 % über dem
amtlichen Leitzins p. a. ab dem Ausscheidenszeitpunkt zu verzinsen. Die Zinsen
sind jeweils mit den fälligen Abfindungsraten zu zahlen. Zu vorzeitiger Zahlung ist
der Käufer berechtigt. Eine Sicherheitsleistung für den Kaufpreis kann der
ausscheidende Kommanditist / Verkäufer nicht verlangen.
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
Auf die erste der sechs gleichen Halbjahresraten zahlt Herr „…“ à-Konto einen
Betrag von 20.000,00 € binnen einer Woche nach Abschluss dieses Vertrages.
Wegen der à-Konto-Zahlung von 20.000,00 € unterwirft sich der Käufer „ „ der
sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen.
Er ermächtigt den Notar, dem Gläubiger aus dessen Anforderung vollstreckbare
Ausfertigung dieser Urkunde zu erteilen.
VIII. Als Wirtschaftsprüfer wird benannt: Frau „…“
Auf die weiteren Einzelheiten des notariellen Vertrages vom 25.08.2004 (Bl. 6 – 12
d. A.) wird Bezug genommen.
Der Kläger leistete vertragsgemäß die geschuldete Anzahlung in Höhe von
20.000,00 €.
Der Steuerberater „…“ erstellte sodann zum 31. August 2004 eine
Zwischenbilanz, wonach das Kapitalkonto des Beklagten einen Stand von minus
122.356,89 € aufzeigte. Der in der Zwischenbilanz angegebene Warenbestand war
anhand einer tatsächlich durchgeführten Inventur von Mitarbeitern des Klägers
festgestellt worden.
Auf die weiteren Einzelheiten der Zwischenbilanz des Steuerberaterbüros „…“ (Bl.
37 – 106 d. A.) wird verwiesen.
Unter dem 28.10.2004 erstellte die Wirtschaftsprüferin „…“ das Gutachten über
die Wertermittlung und bezifferte den Wert des Kommanditanteils mit 120.000,00
€. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten (Bl. 13 – 19 d. A.) verwiesen.
Der Kläger macht geltend, dass ihm aus dem notariellen Kaufvertrag gegenüber
dem Beklagten noch ein Zahlungsanspruch in Höhe von 22.356,89 € zustehe.
Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen: Kaufpreis 120.000,00 € abzüglich
negatives Kapitalkonto des Beklagten 122.356,89 € Forderung des Klägers
2.356,89 € gezahlte Rate 20.000,00 € 22.356,89 €
Zunächst hatte der Kläger mit der Klage die Zahlung von 104.344,89 € verlangt.
Nach entsprechender Teilklagerücknahme beantragt der Kläger,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 22.965,31 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit
dem 27.12.2004 aus 22.356,89 € sowie seit dem 03.02.2005 aus weiteren 608,42
€ zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend, die vom Kläger allein in Auftrag gegebene Zwischenbilanz zum
31.08.2004 erscheine – einfach ausgedrückt – manipuliert. Denn aus der Gewinn-
und Verlustrechnung 2003 folge, dass das „…“ noch im Jahre 2003 einen
Jahresüberschuss von über 157.000 € erwirtschaftet habe, während nach der
Zwischenbilanz „…“ die KG bis zum 31.08.2004 einen Jahresfehlbetrag in Höhe
von 82.000 € erwirtschaftet habe. Es dränge sich mithin der Verdacht auf, dass
das schlechte Betriebsergebnis darauf beruhe, dass der Warenbestand zum
31.08.2004 von dem Kläger erheblich zu niedrig angegeben worden sei. Der
Beklagte könne auch das Gutachten der Wirtschaftsprüferin „…“ nicht als
verbindlich anerkennen. Diese habe sämtliche Informationen ausschließlich beim
Kläger und dem Steuerberater „…“ beschafft, irgendwelche Rückfragen beim
Beklagten habe sie nicht eingeholt. Dieses Verhalten begründe schon den
Verdacht der mangelnden Neutralität.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens des Klägers wird auf die
Klage vom 10.02.2005 und auf den Schriftsatz vom 24.06.2005 verwiesen. Wegen
der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens des Beklagten wird auf die
Klageerwiderung vom 02.05.2005 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Kläger kann von dem Beklagten die Zahlung von 22.356,89 € aus dem
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
Der Kläger kann von dem Beklagten die Zahlung von 22.356,89 € aus dem
notariellen Vertrag über den Verkauf der Kommanditbeteiligung verlangen.
Die Parteien haben in dem notariellen Vertrag rechtswirksam vereinbart, dass die
Wirtschaftsprüferin „…“ den Wert des Anteils nach dem Stuttgarter Verfahren per
31. Dezember 2003 ermitteln sollte. Das ist geschehen durch das Gutachten der
Wirtschaftsprüferin vom 28.10.2004. Der ermittelte Wert von 120.000 € ist der
verbindliche Kaufpreis.
Soll der Dritte die Leistung nach billigem Ermessen bestimmen, so ist die
getroffene Bestimmung für die Vertragsschließenden nicht verbindlich, wenn sie
offenbar unbillig ist (§ 319 BGB). Beim Schiedsgutachtenvertrag ist die
Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen nur bei offenbarer Unbilligkeit
unverbindlich. Diese liegt vor, wenn die Bestimmung in grober Weise gegen Treu
und Glauben verstößt und sich die Unbilligkeit, wenn auch nicht jedermann, so
doch einem sachkundigen und unbefangenen Beobachter sofort aufdrängt (BGH
NJW 58, 2067; 91, 2761). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist weder von
dem Beklagten dargetan noch aus dem Sachverhalt ersichtlich. Die
Schiedsgutachterin hat die zur Erstellung des Gutachtens erforderlichen
Unterlagen im Auftrag beider Kommanditisten von dem die Gesellschaft
betreuenden Steuerberatungsbüro angefordert. Der Beklagte trägt nicht vor,
welche angeblichen Unterlagen eigentlich noch hätten vorgelegt werden müssen
bzw. nicht berücksichtigt wurden.
Auch die gegen den Inhalt des Gutachtens erhobenen Einwendungen sind
unerheblich. Denn die Wertermittlung erfolgte vereinbarungsgemäß nach dem
Stuttgarter Verfahren. Danach sind Besitzkosten, wozu auch geringwertige
Wirtschaftsgüter gehören, bestands- und wertmäßig aus der maßgeblichen
Steuerbilanz zu übernehmen (§ 5 Abs. 5 ErbStG in Verbindung mit §§ 95, 109
BewG, R 114 Abs. 2 ErbStG). Das bedeutet, dass die Bewertung nicht über dem
Buchwert liegen kann. Nach alledem sind Begründungs- oder Verfahrensmängel
nicht ersichtlich, sodass der ermittelte Wertanteil von 120.000 € als verbindlicher
Kaufpreis zwischen den Parteien zugrunde zu legen ist.
Auch der weitere Einwand des Beklagten, die vom Kläger in Auftrag gegebene
Zwischenbilanz zum 31.08.2004 erscheine manipuliert, ist unerheblich. Denn
zwischen den Parteien ist unstreitig geworden, dass die Zwischenbilanz auf einer
körperlichen Bestandsaufnahme des Warenbestandes, also einer tatsächlich
durchgeführten Inventur, beruht. Diese wurde nicht vom Kläger selbst, sondern
von seinen Mitarbeitern durchgeführt. Aus den vorgelegten schriftlichen
Bestätigungen der Zeuginnen „…“ folgt, dass diese die Jahresinventur vollständig
und selbständig durchgeführt haben. Der Beklagte bestreitet nicht, dass diese
Inventur nicht korrekt durchgeführt worden ist, so dass davon auszugehen ist,
dass der Warenbestand zutreffend angegeben wurde. Hinzu kommt, dass mit
dieser Inventur erstmals eine körperliche Bestandsaufnahme durchgeführt wurde.
Bei sämtlichen zuvor erstellten Bilanzen war dies nicht der Fall, so dass vieles
dafür spricht, dass der Warenbestand in der Zwischenbilanz zum 31.08.2004
erstmals korrekt wiedergegeben wurde.
Ausgehend von einem ermittelten Kaufpreis von 120.000 € und einem negativen
Kapitalkonto des Beklagten in Höhe von 122.356,89 € und der geleisteten
Anzahlung des Klägers in Höhe von 20.000 € verbleibt zugunsten des Klägers eine
Forderung in Höhe von 22.356,89 €.
Entgegen der Ansicht des Beklagten ist hiervon das Guthaben auf dem
Kapitalkonto in Höhe von 10.000 € nicht in Abzug zu bringen. Diese 10.000 € sind
Kommanditeinlage des Beklagten, welche laut Vertrag gerade mitverkauft wurde
(Ziffer II).
Ferner kann der Kläger von dem Beklagten die Zahlung von 608,42 € aus Verzug
verlangen (§§ 280, 286 BGB). Mit Schreiben vom 08.12.2004, welches dem
Beklagten am 10.12.2004 zugegangen ist, wurde der Beklagte zur Zahlung binnen
14 Tagen aufgefordert. Eine Zahlung erfolgte nicht, so dass der Beklagte sich mit
der Zahlung von 22.356,89 € in Verzug befand. Der Verzugsschaden beträgt
608,42 €.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 269 III 2 ZPO.
Allerdings ist der Kammer bei der Berechnung des dem Kläger aufzuerlegenden
Betrages für die Klagerücknahme ein Rechenfehler unterlaufen. Dieser Betrag
31
Betrages für die Klagerücknahme ein Rechenfehler unterlaufen. Dieser Betrag
beträgt nicht wie im Urteilstenor angegeben 2.185,48 €, sondern 3.649,69 € (3
Gerichtsgebühren Nr. 1210 KV GKG bei 104.344,89 € = 2.568,00 € 3
Gerichtsgebühren Nr. 1210 KV GKG bei 22.965,31 € = 933,00 € Differenz 1.635,00
€ 2 Anwaltsgebühren gem. Nr. 3100 VV RVG bei 104.344,89 € = 1,3 x 1.354,00 €
+ 20,00 € zzgl. 16 % MWSt = 4.130,06 € 2 Anwaltsgebühren gem. Nr. 3100 VV
RVG bei 22.965,31 € = 1,3 x 686,00 € + 20,00 € zzgl. 16 % MWSt = 2.115,37 €
Differenz 2.014,69 €).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Sicherheitsleistung
folgt aus § 709 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.