Urteil des LG Kassel vom 04.10.2005
LG Kassel: bewegliches vermögen, jugendamt, beistandschaft, zwangsvollstreckungsverfahren, form, verfügung, quelle, zivilprozessrecht, beratung, dokumentation
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Gericht:
LG Kassel 3.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 T 743/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 114 ZPO
(Prozesskostenhilfe für Mobiliarzwangsvollstreckung:
Bewilligungsvoraussetzungen bei Übergang der
Unterhaltsforderung auf das Jugendamt)
Tenor
Die Beschwerde der Gläubiger gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom
4. August 2005 wird zurückgewiesen.
Die Gläubiger haben die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen;
außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Gläubiger vollstrecken aus Unterhaltsfestsetzungsbeschlüssen des
Amtsgerichts – Familiengerichts – Kassel, Az.: 500 FH 54/03 und 500 FH 55/03, die
von ihrer Mutter als gesetzlicher Vertreterin der Gläubiger erwirkt wurden. Mit
Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 6.4.2005 haben sie unter
Beifügung einer entsprechenden Erklärung über die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer gesetzlichen Vertreterin Prozesskostenhilfe für
das Zwangsvollstreckungsverfahren, und zwar für die Beauftragung des
Gerichtsvollziehers und für die Gehaltspfändung, unter Beiordnung ihres
Verfahrensbevollmächtigten beantragt.
Durch Beschluss vom 4.8.2005 hat das Amtsgericht Kassel den Antrag
zurückgewiesen, weil die Gläubiger die beabsichtigten
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht hinreichend spezifiziert hätten.
Gegen den ihren Verfahrensbevollmächtigten am 8.8.2005 zugestellten Beschluss
haben die Gläubiger mit am 5.9.2005 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ihres
Verfahrensbevollmächtigten Rechtsmittel eingelegt, mit dem sie ihr ursprüngliches
Begehren weiter verfolgen. Sie sind der Auffassung, die beabsichtigten
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen hinreichend bestimmt angegeben zu haben.
Das Erfordernis der Beiordnung eines Rechtsanwalts haben sie auf
entsprechenden Hinweis des Gerichts hin damit begründet, dass die
Unterhaltsforderung zunächst durch das Jugendamt vollstreckt worden sei, wo zu
diesem Zweck eine Beistandschaft bestanden habe. Das Jugendamt habe jedoch
augenscheinlich nicht konsequent genug vollstreckt, weshalb erhebliche
Unterhaltsrückstände aufgelaufen seien. Seit August 2005 habe der Schuldner
überhaupt keinen Unterhalt mehr gezahlt. Hinsichtlich des Unterhaltsvorschusses
sei zwischen der Rechtswahrungsanzeige des Jugendamtes und einer Überleitung
zu unterscheiden. Weiterhin sei zeitlich zu unterscheiden zwischen der Zeit vor
dem Ende der Beistandschaft und der Zeit danach. Alles Weitere werde überlagert
von den Besonderheiten des im Dezember 2004 vom Schuldner eingeleiteten
Verbraucherinsolvenzverfahrens. Die Antragstellerin sei deshalb außerstande zu
beurteilen, wie zu verfahren sei, insbesondere welche Teile der
Unterhaltsansprüche sie selber vollstrecken könne und welche nicht. Das Problem
sei, den richtigen Betrag in die Vollstreckung zu geben.
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sei, den richtigen Betrag in die Vollstreckung zu geben.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 127 II 2 ZPO statthaft, form- und
fristgerecht bei Gericht eingegangen und auch im Übrigen zulässig. In der Sache
hat sie jedoch keinen Erfolg, weil das Amtsgericht den Prozesskostenhilfeantrag
der Gläubiger im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen hat.
Allerdings haben die Gläubiger entgegen der Auffassung des Amtsgerichts die
beabsichtigten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen hinreichend bestimmt
bezeichnet. Dabei kann dahinstehen, ob – anders als für das
Immobiliarzwangsvollstreckungsverfahren (vgl. BGH NJW 2003, 3136; Kammer,
Beschluss v. 30.1.2001, Az.: 3 T 51/01; Beschluss v. 22.10.2003, Az.: 3 T 563/03) –
im Hinblick auf § 119 II ZPO n. F. inzwischen eine pauschale Bewilligung von
Prozesskostenhilfe für das gesamte Mobiliarzwangsvollstreckungsverfahren in
Betracht kommt, oder ob sich die Erfolgaussichten der Zwangsvollstreckung
notwendig nur einzelmaßnahmenbezogen beurteilen lassen (vgl. hierzu BGH NJW
2003, 3136; Kammer, Beschluss v. 22.10.2003, Az.: 3 T 563/03; Zöller, ZPO, § 119
Rdnr. 33 m. w. N.). Denn eine solche pauschale Bewilligung von Prozesskostenhilfe
haben die Gläubiger vorliegend nicht begehrt, sondern ihren Antrag von vornherein
auf die Zwangsvollstreckung aus einer Geldforderung durch Beauftragung des
Gerichtsvollziehers und durch Gehaltspfändung einschließlich eines vorläufigen
Zahlungsverbots beschränkt. Damit lässt sich der Umfang der beabsichtigten
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aber aus dem Gesetz entnehmen (vgl. §§ 803
ff., 808 ff., 828 ff. ZPO). Weitergehender Entwürfe der Auftragsschreiben an den
Gerichtsvollzieher und des Antrags auf Erlass eines Pfändungs- und
Überweisungsbeschlusses bedurfte es nicht.
Der Prozesskostenhilfeantrag ist jedoch im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen
worden, weil die gemäß § 114 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht der beabsichtigten
Mobiliarvollstreckung und Gehaltspfändung nicht dargetan ist. Selbst wenn man,
wie angesprochen, eine pauschale Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die
Zwangsvollstreckung in bewegliches Vermögen einschließlich der
Forderungspfändung für möglich halten wollte, entbindet das den Antragsteller
nicht davon, die Erfolgsaussichten dieser Zwangsvollstreckungsmaßnahme
darzutun. Daran fehlt es hier. Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten
vom 28.9.2005 haben die Gläubiger nämlich im Ergebnis eingeräumt, dass die
Erfolgsaussichten der Mobiliarvollstreckung noch gar nicht beurteilt werden
können, weil zunächst geklärt werden muss, in welchem Umfang im Hinblick auf
frühere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Jugendamtes, die Überleitung des
Anspruchs auf dieses und das Insolvenzverfahren des Schuldners überhaupt
Beträge in die Zwangsvollstreckung gegeben werden können. Damit geht es den
Gläubigern aber noch nicht um die Einleitung einer – Erfolg versprechenden –
Zwangsvollstreckungsmaßnahme, sondern sie möchten vielmehr über das Mittel
der Prozesskostenhilfe erst die Klärung herbeiführen, inwieweit eine
Mobiliarvollstreckung gegen den Schuldner überhaupt Erfolg haben könnte.
Anhand ihres Vortrags lässt sich die Erfolgsaussicht einer Mobiliarvollstreckung
bislang auch durch das Gericht noch nicht beurteilen. Denn offenbar ist den
Gläubigern selbst noch gar nicht bekannt, welche
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bereits vom Jugendamt vorgenommen worden
sind; wenn, wofür viel spricht, das Jugendamt bereits eine Mobiliarvollstreckung
erfolglos versucht hat, wäre die erneute Einleitung einer solchen
Zwangsvollstreckungsmaßnahme jedenfalls nicht Erfolg versprechend. Zudem
bedarf es zur Beurteilung der Zwangsvollstreckung in das Vermögen des
Schuldners Informationen darüber, inwieweit die Gläubiger im Hinblick auf die
mögliche Überleitung des Anspruchs auf das Jugendamt überhaupt noch
vollstreckungsbefugt sind, ob das Verbraucherinsolvenzverfahren über das
Vermögen des Schuldners eröffnet wurde und inwieweit massefremdes Vermögen
existieren könnte, in das die Zwangsvollstreckung auch noch während der
Verbraucherinsolvenz betrieben werden könnte (vgl. BGH NJW 2005, 1279 ff.; OLG
Koblenz MDR 2005, 514). All dies lässt sich auf der Grundlage der Angaben der
Gläubiger, die sich offenbar hierüber bislang noch nicht informiert haben, weil sie
nicht wissen, welche Informationen zur Beurteilung der Erfolgsaussicht der
Zwangsvollstreckung erforderlich sind, jedoch nicht beurteilen.
Die von den Gläubigern demgemäß erstrebte umfassende rechtliche Beratung
über die Voraussetzungen und Erfolgsaussichten einer erfolgreichen Vollstreckung
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über die Voraussetzungen und Erfolgsaussichten einer erfolgreichen Vollstreckung
kann ihnen die Prozesskostenhilfe nicht gewähren; insoweit steht staatliche Hilfe
nur in Form der vom Rechtsberatungsgesetz gewährten Hilfen zur Verfügung.
Anders als die Prozesskostenhilfe ist die – auch im Zwangsvollstreckungsverfahren
zu gewährende (vgl. Kalthoener/Büttner/Worbel-Sachs, Prozesskostenhilfe und
Beratungshilfe, 4. Auflage, Rdnr. 961) – Beratungshilfe nicht von den
Erfolgsaussichten der Rechtswahrnehmung abhängig, sondern dient gerade dazu,
die Antragsteller über sie zu informieren (Kalthoener/Büttner/Worbel-Sachs, a. a.
O., Rdnr. 961). Sie geht der Prozesskostenhilfe auch dann vor, wenn bereits eine
Beistandschaft des Jugendamtes bestanden hat, die nicht vollumfänglich zum
Erfolg geführt hat (Kalthoener/Büttner/Worbel-Sachs, a. a. O., Rdnr. 949).
Da aus den vorstehend genannten Gründen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
zu Recht abgelehnt wurde, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Gläubiger, was
weitergehend für die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich wäre (BGH NJW
2003, 3136; FamRZ 2003, 1921), dargetan haben, dass letzteres im konkreten Fall
im Hinblick auf die zu bewältigende Rechtsmaterie und die persönlichen
Fähigkeiten der Gläubiger erforderlich ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 22 I GKG, § 127 IV ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.