Urteil des LG Karlsruhe vom 23.12.2015

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LG Karlsruhe Urteil vom 23.12.2015, 15 O 12/15 KfH
Irreführung durch Streichpreise
Leitsätze
1. In einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrag ist die Formulierung "auf der
jeweils gleichen Internetseite" sowie "grundpreispflichtig" hinreichend bestimmt.
2. Die über Art. 4 Abs. 1 Satz 1 RL 98/6 EG (PreisangabenRL) hinausgehende Rege-
lung in § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV (Grundpreisangabe "in unmittelbarer Nähe" zum
Verkaufspreis) dürfte wegen Ablaufs der Frist gemäß Art. 3 Abs. 5 Satz 1 RL
2005/29/EG (UGP-RL) nicht mehr anwendbar sein.Das nationale Gericht ist befugt,
Art. 4 Abs. 1 Satz 1 PreisangabenRL unmittelbar anzuwenden, falls § 2 Abs. 1 Satz 1
PAngV insoweit unanwendbar geworden sein sollte, denn es würde an einer
(fristgerechten) mitgliedstaatlichen Richtlinienumsetzung fehlen.
3. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 PreisangabenRL müssen der Verkaufspreis und der Preis
je Maßeinheit "unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar" sein. Der unions-
rechtliche Regelungszweck kann nur erreicht werden, wenn die Gestaltung von
Onlineshops denen eines "realen" Ladengeschäfts im Hinblick auf die
Vergleichbarkeit von Preisen und Grundpreisen nahe kommt, soweit dem nicht
Besonderheiten der Online-Darstellung oder technischen Machbarkeit
entgegenstehen. Daher muss der Grundpreis, soweit es dessen Angabe bedarf, auf
derselben Internetseite dargestellt werden wie der Verkaufspreis.
4. Die Bewerbung von Waren im Versandhandel mit einer Rabattierung gegenüber
gestrichenen Preisen, die bei Selbstabholung zu bezahlen sind, ist nach § 5 Abs. 1
Satz 2 Nr. 2 UWG unlauter, wenn der Selbstabholerpreis nach der Gesamtgestaltung
des Angebots vom Werbenden nicht ernsthaft gefordert wird.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00
EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu
sechs Monaten, zu vollstrecken an der Geschäftsführerin, zu unterlassen, im
geschäftlichen Verkehr
a) grundpreispflichtige kosmetische Produkte unter Angabe eines
Endpreises zum Verkauf anzubieten und/oder zu bewerben bzw. anbieten
zu lassen und/oder bewerben zu lassen, ohne auf der jeweils gleichen
Internetseite auch den Grundpreis anzugeben, soweit der Grundpreis nicht
mit dem Endpreis identisch ist, wenn dies geschieht wie aus Anlage K 1
und/oder K 4 ersichtlich;
b) kosmetische Mittel unter Angabe einer prozentualen Preisherabsetzung
zu bewerben und/oder zum Kauf anzubieten bzw. bewerben zu lassen
und/oder zum Kauf anbieten zu lassen, wenn dabei der Prozentsatz zu hoch
angegeben wird, insbesondere wenn dies geschieht wie in Anlage K 5
und/oder K 6 wiedergegeben;
c) in Internetwerbeanzeigen kosmetische Mittel unter Angabe eines
durchgestrichenen Preises zu bewerben und/oder bewerben zu lassen,
ohne dabei klarzustellen, dass es sich bei dem durchgestrichenen Preis um
einen aktuellen Verkaufspreis bei Selbstabholung durch den Kunden
handelt, insbesondere wenn dies geschieht wie in Anlagen K 5 und/oder K 6
wiedergegeben;
d) im Onlineshop unter der Second-Level-Domain „…“ kosmetische Mittel mit
einer Preissenkung bezüglich des Versandkaufpreises gegenüber dem
Verkaufspreis bei Selbstabholung durch den Kunden zu bewerben, wenn
dies in der Darstellungsweise und mit der Erläuterung geschieht wie in den
drei in Anlage A zu diesem Urteil wiedergegebenen Screenshots ersichtlich.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.247,89 EUR nebst Zinsen in Höhe von
fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 382,70 EUR seit 07.02.2015, aus
362,70 EUR seit 25.09.2015 und aus 1.502,49 EUR seit 09.07.2015 zu zahlen. Im
Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,-
EUR und hinsichtlich Ziffern 2. und 3. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110%
des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten um wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche der
Klägerin im Hinblick auf die Internetwerbung und den Onlineshop der Beklagten.
2 Die Klägerin stellt her und verkauft Kosmetika unter den Markennamen „A… B…“
und „A… L…“. Die Beklagte ist gewerbliche Wiederverkäuferin von
Kosmetikprodukten unterschiedlicher Hersteller, darunter der Klägerin.
3 Der Onlineshop der Beklagten www....de ist so gestaltet, dass - nach ggf.
mehrfacher Einschränkung der großen Auswahl unterschiedlicher Kosmetik- und
Pflegelinien und -marken - jeweils mehrere Produkte der Klägerin neben- und
untereinander auf einer Seite zu sehen sind (Übersichtsseite). Dies erfolgt jeweils
unter Angabe der Füllmenge, eines Verkaufspreises und eines durchgestrichenen
weiteren Preises, der mit einem Sternchenverweis gekennzeichnet ist; auf die
Screenshots in Anlage K1 wird verwiesen. Unterhalb der vorgestellten Produkte
und oberhalb der Fußleiste der Seite (die weiterführende Links auf Informationen
zum Bestellvorgang etc. enthält) wird der Sternchenverweis mit den Worten
aufgelöst: „Streichpreis = Lager-Abholpreis / Ersparnis gegenüber Lager-
Abholpreis“, gefolgt von einem Hyperlink „weitere Informationen“, der auf die Seite
„Fragen & Antworten“ führt, wo es heißt:
4
1.5 Was bedeutet der Streichpreis und wie berechnet sich die Ersparnis?
5
Der Streichpreis ist der vor Ort Abholpreis der Ware (keine Online-Bestellung).
6
Als Online Kunde von … kommen Sie in den Genuss von Vorzugspreisen
gegenüber unseren Abholpreisen. Liegt der Abholpreis für ein Produkt
beispielsweise bei 78,00 EUR, der Onlinepreis bei 50,90 EUR, errechnet sich Ihre
(gerundete) Ersparnis von 35% wie folgt: 1 - (Onlinepreis/Abholpreis).
7
Bestellen Sie Ware nicht online bei …, sondern möchten Sie diese abholen,
müssen wir aufgrund des erhöhten Personal- und Logistikaufwandes den
Abholpreis zzgl. 4,00 EUR Bearbeitungsgebühr pro Abholung berechnen.
8 Auf der jeweiligen Übersichtsseite finden sich hinter dem genannten Hyperlink die
Worte „100ml Grundpreis siehe Artikeldetail“. Bei Aufruf eines konkreten Produkts
(Artikeldetailseite) wird der Grundpreis angezeigt, wie dies etwa aus der zum
Gegenstand des Klageantrags Ziff. 1. d) gemachten Gestaltung hervorgeht
(Anlage A).
9 Diese Darstellung im Onlineshop der Beklagten entsprach offensichtlich dem
(unstreitigen) Stand am 12.11.2015, dem vom Gericht bestimmten Schlusstermin
im schriftlichen Verfahren. Im Zeitpunkt der Urteilsabfassung ist die Internetpräsenz
der Beklagten (auch) hinsichtlich der Darstellung verändert, ohne dass die Parteien
dazu vorgetragen oder dies zum Gegenstand geänderter Anträge gemacht hätten.
Die zitierte Erläuterung unter „Fragen & Antworten“ ist unverändert.
10 Die Beklagte lässt durch Werbepartner, sog. Affiliates, Werbeanzeigen im Internet
schalten. Besucht der Internetnutzer die Seiten der Beklagten, wird ein sog. Cookie
auf seinem PC gesetzt, der zur Folge hat, dass Werbung für die Beklagte beim
Besuch anderer Internetseiten eingeblendet wird (sog. Retargeting-Werbung); auf
die Screenshots in Anlage K4, K5 und K6 wird verwiesen. Die eingeblendete
Werbung kommt in drei Varianten vor: Entweder ist sie so gestaltet, dass ein
Verkaufspreis, ein durchgestrichener Preis (ohne Sternchenverweis) und ein
prozentualer Rabatt angegeben werden, oder es werden zunächst nur der
durchgestrichene Preis und der Rabatt angegeben, während der Verkaufspreis
beim Darüberfahren mit der Maus oder nach gewisser Zeit erscheint, oder
schließlich in der Variante, dass neben dem Produktbild nur ein Rabattsatz zu
sehen ist und beim Darüberfahren oder nach gewisser Zeit statt dessen
durchgestrichener und aktueller Verkaufspreis erscheinen. In allen Fällen führt das
Klicken auf die Werbung zur Weiterleitung an den Onlineshop der Beklagten.
11 Auch die Retargeting-Werbung ist mittlerweile im Hinblick auf die Angabe von
Streichpreisen geändert worden.
12 Die Klägerin hält den (früheren) Onlineshop der Beklagten für irreführend und
unlauter. Die nach der - europarechtskonformen - Vorschrift § 2 Abs. 1 Satz 1
PangV erforderliche Grundpreisangabe „in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises“
fehle, wenn man sich erst durch die Seiten der Beklagten bis zur Artikeldetailseite
„durchklicken“ müsse. Ein Vergleich der verschiedenen Produkte hinsichtlich ihres
Grundpreises sei dann nur erschwert möglich. Die mit der Klage in den Rechtsstreit
eingeführten Produkte dienten zumindest auch der Pflege, nicht nur der bloßen
Verschönerung.
13 Nach Widerspruch der Beklagten gegen einen im einstweiligen
Verfügungsverfahren zwischen den Parteien 15 O 51/15 KfH erlassenen
Beschluss der erkennenden Kammer hat die Klägerin den dortigen
Streitgegenstand in das vorliegende Hauptsacheverfahren überführt. Sie ist der
Auffassung, auch bezüglich der Internet-Retargeting-Werbung der Beklagten fehle
es an der erforderlichen Grundpreisangabe. Zudem seien die Rabattsätze -
unstreitig - hier wie auch im Onlineshop selbst überhöht angegeben, d.h.
rechnerisch falsch. Die Internetwerbung mit durchgestrichenen Preisen sei auch
insoweit irreführend, als nicht darüber informiert werde, um was für einen Preis es
sich dabei handele, etwa einen früher von der Beklagten verlangten oder eine
unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers. Dass der durchgestrichene Preis
hier dem Selbstabholerpreis entspreche, wie man bei Besuch des Onlineshops
erfahre, sei abwegig. Der Durchschnittskäufer würde eine Selbstabholung unter
den gegebenen Bedingungen ohnehin nicht ernsthaft in Betracht ziehen, da sie
preislich unattraktiv sei (höherer Preis zuzüglich Bearbeitungsgebühr) und der Ort
der Abholung in der Internetpräsenz der Beklagten nirgendwo angegeben werde.
Angesichts dessen sei auch davon auszugehen, dass die Beklagte diesen
Selbstabholerpreis niemals ernsthaft verlangt habe. Im Hinblick auf den
Onlineshop der Beklagten ergebe sich eine unlautere
Eigenpreisgegenüberstellung aus der Kombination von Inhalt und
Darstellungsweise, denn der Bezug auf Selbstabholerpreise sei unter den
gegebenen Umständen so atypisch, dass Kunden in besonders deutlicher Weise
darüber aufgeklärt werden müssten, woran es fehle.
14 Die Klägerin beantragt zuletzt:
15 1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR
250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft
bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr
16 a) grundpreispflichtige kosmetische Produkte unter Angabe eines Endpreises zum
Verkauf anzubieten und/oder zu bewerben bzw. anbieten zu lassen und/oder
bewerben zu lassen, ohne in unmittelbarer Nähe zum Endpreis auch den
Grundpreis anzugeben, soweit der Grundpreis nicht mit dem Endpreis identisch
ist, insbesondere wenn dies geschieht wie in Anlagen K 1 und/oder K 4
wiedergegeben,
17 Hilfsantrag zu Klageantrag Ziff. 1. a):
18 Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu
250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an der Geschäftsführerin, zu
unterlassen, im geschäftlichen Verkehr grundpreispflichtige kosmetische Produkte
unter Angabe eines Endpreises zum Verkauf anzubieten und/oder zu bewerben
bzw. anbieten zu lassen und/oder bewerben zu lassen, soweit der Grundpreis
nicht mit dem Endpreis identisch ist, ohne auf der jeweils gleichen Internetseite
auch den Grundpreis anzugeben, wenn dies geschieht wie aus Anlagenkonvolut
K 1 und/oder K 4 ersichtlich,
19 b) kosmetische Mittel unter Angabe einer prozentualen Preisherabsetzung zu
bewerben und/oder zum Kauf anzubieten bzw. bewerben zu lassen und/oder zum
Kauf anbieten zu lassen, wenn dabei der Prozentsatz zu hoch angegeben wird,
insbesondere wenn dies geschieht wie in Anlage K 5 und/oder K 6
wiedergegeben,
20 Hilfsantrag zu Klageantrag Ziff. 1. b):
21 Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu
250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an der Geschäftsführerin,
kosmetische Mittel unter Angabe einer prozentualen Preisherabsetzung zu
bewerben und/oder zum Kauf anzubieten bzw. bewerben zu lassen und/oder zum
Kauf anbieten zu lassen, wenn dabei der Prozentsatz zu hoch angegeben wird,
wenn dies geschieht wie in Anlage K 5 und/oder K 6 wiedergegeben,
22 c) in Internetwerbeanzeigen kosmetische Mittel unter Angabe eines
durchgestrichenen Preises zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, ohne
dabei klarzustellen, dass es sich bei dem durchgestrichenen Preis um einen
aktuellen Verkaufspreis bei Selbstabholung durch den Kunden handelt,
insbesondere wenn dies geschieht wie in Anlagen K 5 und/oder K 6
wiedergegeben,
23 1. Hilfsantrag zu Klageantrag Ziff. 1. c):
24 Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu
250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an der Geschäftsführerin, im
Internet in Retargeting-Werbeanzeigen auf Webseiten, die unter anderen
Domains als mit der Second-Level-Domain „…“ abrufbar sind, kosmetische Mittel
unter Angabe eines durchgestrichenen Preises zu bewerben und/oder bewerben
zu lassen, ohne dabei klarzustellen, dass es sich bei dem durchgestrichenen
Preis um einen aktuellen Verkaufspreis bei Selbstabholung durch den Kunden
handelt, wenn dies geschieht wie in Anlagen K 5 und/oder K 6 wiedergegeben,
25 2. Hilfsantrag zu Klageantrag Ziff. 1. c):
26 Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu
250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an der Geschäftsführerin, im
Internet in Retargeting-Werbeanzeigen auf Webseiten, die unter anderen
Domains als mit der Second-Level-Domain „…“ abrufbar sind, kosmetische Mittel
unter Angabe eines durchgestrichenen Preises zu bewerben und/oder bewerben
zu lassen, ohne dabei klarzustellen, dass es sich bei dem durchgestrichenen
Preis um einen aktuellen Verkaufspreis bei Selbstabholung durch den Kunden
handelt, sofern der Selbstabholpreis zuzüglich einer von der Beklagten bei
Selbstabholung geforderten Bearbeitungspauschale nicht identisch oder geringer
als der vom jeweiligen Markenhersteller des Produkts unverbindlich empfohlene
Verkaufspreis ist,
27 und/oder
28 d) im Onlineshop unter der Second-Level-Domain „…“ kosmetische Mittel mit einer
Preissenkung bezüglich des Versandkaufpreises gegenüber dem Verkaufspreis
bei Selbstabholung durch den Kunden zu bewerben, wenn dies in der
Darstellungsweise und mit der Erläuterung geschieht wie in den drei folgenden
Screenshots wiedergegeben: [Es folgen die aus Anlage A ersichtlichen
Screenshots.]
29 2. Die Beklagte wird verurteilt, EUR 2.247,89 nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 745,40 seit Rechtshängigkeit
und aus EUR 1.502,49 seit 09.07.2015 zu zahlen.
30 Die Beklagte beantragt
31 Klagabweisung.
32 Sie hält bereits die Antragstellung für zu unbestimmt, jedenfalls die Klage für
unbegründet. Auf einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 PangV könne die
Behauptung eines Wettbewerbsverstoßes jedenfalls seit dem 12.06.2013 nicht
mehr gestützt werden. Außerdem sei die Vorschrift bei kosmetischen Mitteln, die
ausschließlich der Verschönerung der Haut, des Haares oder der Nägel dienten,
nicht anwendbar. Die Aufklärung über den Grundpreis erfolge rechtzeitig vor dem
Bestellen des Artikels auf der jeweiligen Artikeldetailseite, so dass der Verbraucher
eine fundierte Entscheidung treffen könne. Der Selbstabholerpreis werde ernsthaft
gefordert; es gebe Kunden, die Ware im Lager der Beklagten abholten. Zudem
lägen die durchgestrichenen Preise in Höhe der unverbindlichen Preisempfehlung
der Klägerin und niedriger als die vom Mitbewerber D. im Onlineshop geforderten.
33 Ergänzend wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen und die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 01.10.2015.
Entscheidungsgründe
34 Die Klage ist zulässig und begründet; lediglich bei einer Nebenforderung erfolgt
eine Teilklageabweisung.
I.
35 Die Klage ist zulässig.
36 1. Ein Hauptsacheverfahren ist neben dem einstweiligen Verfügungsverfahren
möglich, wenn dieses wegen Widerspruchs des Verfügungsbeklagten - wie hier -
nicht zur endgültigen Erledigung führt (OLG Hamm, NJW-RR 1991, 1335; OLG
Dresden, OLG-NL 1996, 117). Im Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen
Verhandlung entspricht (§ 128 Abs. 2 ZPO), befindet sich das Verfahren 15 O
51/15 KfH in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe.
37 2. Die gestellten Klageanträge sind jedenfalls in ihrer hilfsweise zur Entscheidung
gestellten Formulierung hinreichend bestimmt und die Klage damit gemäß § 253
Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig.
38 Ein Unterlassungsantrag darf nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der
Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des
Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, sich der Beklagte deshalb nicht
erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die
Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (st.
Rspr.; vgl. nur BGH, GRUR 1998, 489, 491 - Unbestimmter Unterlassungsantrag
III). Dieser Grundsatz hat für eine Vielzahl von Formulierungen eine
Konkretisierung in der Rechtsprechung erfahren (vgl. Seichter in: Ullmann,
jurisPK-UWG, 3. Aufl. 2013 [Stand 21.09.2015], § 8 UWG, Rn. 59 ff. m.w.N.).
39 Danach gilt im Streitfall hinsichtlich der gestellten Anträge das Folgende:
40 a) Es bedarf keiner Entscheidung, ob Hauptantrag Ziff. 1. a) dem
Bestimmtheitsgebot im Hinblick auf die Formulierung „in unmittelbarer Nähe“
genügt oder ob hier lediglich der Gesetzeswortlaut wiederholt wird, ohne dass
dies durch den „insbesondere“-Zusatz weiter konkretisiert würde (vgl. dazu BGH,
GRUR 2008, 84 Rn. 11 ff. - Versandkosten). Die auf § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV
gestützte Formulierung „in unmittelbarer Nähe“ im Klageantrag ist insofern
überschießend, als die Klägerin ausweislich ihres schriftsätzlichen Vorbringens
(insb. Schriftsatz vom 15.10.2015, S. 5) lediglich begehrt, dass der Grundpreis auf
derselben Internetseite, d.h. ohne das Erfordernis eines weiteren Klicks, zu
erkennen ist.
41 Damit kommt es nicht auf den Haupt-, sondern den Hilfsantrag Ziff. 1. a) an. Hier
bestehen keine Zweifel an der erforderlichen Bestimmtheit, weil die Formulierung
„auf der jeweils gleichen Internetseite“ unmissverständlich ist. Zudem hat die
Klägerin durch die Worte „wenn dies geschieht wie aus Anlagenkonvolut K1
und/oder K4 ersichtlich“ den geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf zwei
konkrete Verletzungsformen konkretisiert. Die Bestimmtheit eines
Unterlassungsantrages ist in der Regel unproblematisch, wenn der Kläger
lediglich das Verbot der Handlung begehrt, so wie sie begangen worden ist (BGH,
GRUR 2001, 453, 454 - TCM-Zentrum; GRUR 2009, 1075 Rn. 10 -
Betriebsbeobachtung GRUR 2010, 749 Rn. 36 - Erinnerungswerbung im
Internet). Angesichts dessen stellt die Beschreibung der konkreten
Verletzungsform eine unschädliche Überbestimmung dar (vgl. BGH, GRUR 2006,
164 Rn. 14 - Aktivierungskosten II).
42 Der erforderlichen Bestimmtheit des Antrags steht es auch nicht entgegen, dass
dieser das Wort „grundpreispflichtig“ enthält. Damit werden solche von der
Beklagten möglicherweise angebotenen Produkte aus dem Anwendungsbereich
des Unterlassungsgebots ausgeschlossen, die unter die Ausnahmen aus § 9
Abs. 4, 5, 6 PAngV fallen. Der Unterlassungsgläubiger muss diese diversen
Ausnahmetatbestände nicht einzeln im Antrag aufführen, sondern kann insoweit
durch Verwendung eines bestimmten Rechtsbegriffs auf den Gesetzestext
verweisen. Denn die Ausnahmetatbestände sind als solche eindeutig
verständlich; ihre Aufnahme in den Unterlassungsantrag, die nur im Wege
wörtlicher Übernahme denkbar wäre, würde den Rahmen eines
Unterlassungsgebots sprengen und dem Unterlassungsschuldner keine weitere
Klarheit bringen (vgl. BGH, GRUR 2011, 539 Rn. 15 ff. - Rechtsberatung durch
Lebensmittelchemiker; GRUR 2009, 977 Rn. 22 - Brillenversorgung I; GRUR
2011, 433 Rn. 10 - Verbotsantrag bei Telefonwerbung).
43 b) Hauptantrag Ziff. 1. b) begegnet keinen Bedenken hinsichtlich der
Bestimmtheit, so dass es auf den Hilfsantrag nicht ankommt. Die Klägerin
verweist hier „insbesondere“ auf die aus Anlagen K5 und/oder K6 ersichtliche
Begehungsform. Ein solcher Antrag dient zum einen der Erläuterung des in erster
Linie beantragten abstrakten Verbots. Zum anderen kann die Klägerin auf diese
Weise deutlich machen, dass Gegenstand ihres Begehrens und damit
Streitgegenstand nicht allein ein umfassendes, abstrakt formuliertes Verbot ist,
sondern dass sie - falls sie insoweit nicht durchdringt - jedenfalls die Unterlassung
des konkret beanstandeten Verhaltens begehrt (vgl. BGH, NJWE-WettbR 1999,
25, 27 m.w.N. - Handy für 1 DM). Das Verbot selbst, die Unterlassung überhöhter
Rabattangaben, ist bereits aus sich heraus eindeutig bestimmt.
44 c) Auch Hauptantrag Ziff. 1. c) ist hinreichend bestimmt.
45 Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn die Bedeutung der verwandten
Begriffe (auch wenn sie in unterschiedlichen Kontexten Verschiedenes zu
bezeichnen vermögen) im Einzelfall nicht zweifelhaft ist (BGH, GRUR 1991, 254,
256 - Unbestimmter Unterlassungsantrag I; GRUR 2008, 357 Rn. 22 -
Planfreigabesystem). Der Begriff der „Internetwerbeanzeige“ bezieht sich
eindeutig nur auf die streitgegenständliche Internetwerbung außerhalb des
eigenen Onlineshops der Beklagten, nicht auf diesen selbst. Im Onlineshop
werden die Artikel zum Kauf vorgestellt und damit auch beworben, es handelt
sich indes nicht um eine „Anzeige“; eine solche findet sich begriffsnotwendig
immer an einem anderen Ort als demjenigen, an welchem das beworbene
Produkt zum Kauf feilgeboten wird. Im Übrigen ergibt sich dieses
Begriffsverständnis eindeutig aus dem korrespondierenden schriftsätzlichen
Vortrag der Klägerin, der zur Auslegung herangezogen werden kann (vgl. BGH,
GRUR 2004, 151, 152 - Farbmarkenverletzung I).
46 Auch hier bestehen gegen die Verwendung des Wortes „insbesondere“ keine
Bedenken, da die Antragsformulierung vor dem damit eingeleiteten Verweis auf
Anlagen K5 und/oder K6 das begehrte Verbot bereits hinreichend definiert.
47 d) Antrag Ziff. 1. d) wirft im Hinblick auf die Formulierung „in der Darstellungsweise
und mit der Erläuterung“ für sich genommen Zweifel auf, da es sich um
unbestimmte Begriffe handelt (vgl. BGH, GRUR 2001, 453, 454 - TCM-Zentrum;
GRUR 2011, 539, 540 - Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker). Allerdings
bedarf dies hier keiner Vertiefung, weil die Klägerin durch den Zusatz „wenn dies
geschieht wie in den drei folgenden Screenshots wiedergegeben“ lediglich das
Verbot der Handlung begehrt, so wie sie begangen worden ist (vgl. BGH, GRUR
2001, 453, 454 - TCM-Zentrum; GRUR 2009, 1075 Rn. 10 -
Betriebsbeobachtung; GRUR 2010, 749 Rn. 36 - Erinnerungswerbung im
Internet); die Worte „in der Darstellungsweise und mit der Erläuterung“ sind
unschädlich. Gegebenenfalls haben sie die Funktion, den Bereich kerngleicher
Verletzungsformen zu bestimmen (vgl. BGH, GRUR 2006, 164 Rn. 14 -
Aktivierungskosten II; GRUR 2010, 749 Rn. 36 - Erinnerungswerbung im
Internet).
II.
48 Die Klage ist - teilweise mit ihren Hilfsanträgen - in der Hauptsache vollumfänglich
begründet. Die Klägerin kann gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG Unterlassung im
Umfang des Urteilsausspruchs verlangen, weil die Beklagte insoweit unlauteren
Wettbewerb betreibt. Am Wettbewerbsverhältnis der Parteien i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr.
1 UWG besteht kein Zweifel.
49 1. Hilfsantrag Ziff. 1. a) ist begründet.
50 Im Urteilsausspruch wurde lediglich aus redaktionellen Gründen der vorletzte mit
dem vor-vorletzten Teilsatz ausgetauscht; dies entspricht auch der Reihenfolge in
der Klageschrift vom 21.01.2015. In der zur Beurteilung stehenden Version ihres
Onlineshops und ihrer Internetwerbeanzeigen versäumt die Beklagte, den
Grundpreis in rechtskonformer Weise anzugeben. Dies stellt einen Verstoß
gegen die Vorschriften der §§ 3, 4 Nr. 11, 5a Abs. 2, 4 UWG dar (vgl. BGH, WRP
2013, 182 Rn. 9 - Traum-Kombi; GRUR 2014, 576 Rn. 15 - 2 Flaschen GRATIS).
51 a) Allerdings ist fraglich, ob dieses Ergebnis auf § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV gestützt
werden kann, wonach es im Streitfall an einer Grundpreisangabe „in unmittelbarer
Nähe“ zum Gesamtpreis (so die Formulierung in der Preisangabenverordnung)
bzw. zum Verkaufspreis (so die Formulierung in der Preisangabenrichtlinie) bzw.
zum Endpreis (so die Formulierung im Klageantrag) fehlen würde.
52 Die über Art. 4 Abs. 1 Satz 1 RL 98/6 EG (PreisangabenRL) hinausgehende
Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV dürfte wegen Ablaufs der Frist gemäß Art. 3
Abs. 5 Satz 1 RL 2005/29/EG (UGP-RL) nicht mehr anwendbar sein (wohl noch
a.A. BGH, GRUR 2014, 576 Rn. 17 f. - 2 Flaschen GRATIS). Der
Bundesgerichtshof hat später dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)
mehrere Fragen zur Auslegung vorgelegt und dabei insbesondere die Frage
aufgeworfen, ob die im dortigen Fall entscheidungserhebliche Vorschrift der
PAngV über die Regelungen in der PreisangabenRL hinausgeht, denn Art. 10
PreisangabenRL stelle nach dem 12.06.2013 gem. Art. 3 Abs. 5 Satz 1 UGP-RL
keine Grundlage für eine strengere nationale Vorschrift mehr dar (BGH, GRUR
2014, 1208 Rn. 14 ff. - Preis zuzüglich Überführung).
53 Damit dürfte sich der Bundesgerichtshof nunmehr Köhler anschließen, der zu § 2
Abs. 1 Satz 1 PAngV vertritt, dass die Anforderung der „unmittelbaren Nähe“ als
überschießende Richtlinienumsetzung gem. Art. 10 PreisangabenRL seit dem
genannten Zeitpunkt allenfalls im Wege richtlinienkonformer - einschränkender -
Auslegung noch angewandt werden könne (in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl.
2015, Vorb. zur PAngV, Rn. 9 ff.; a.a.O., § 2 PAngV, Rn. 3).
54 b) Im Streitfall bedarf dies keiner Entscheidung und damit auch weder einer
Vorlage an den EuGH noch einer Aussetzung des Verfahrens bis zur
Entscheidung des Bundesgerichtshofs im „Preis zuzüglich Überführung“-
Verfahren.
55 Denn die Darstellung, die die Beklagte für die Angabe des Grundpreises gewählt
hat, verstoßt jedenfalls auch gegen Art. 4 Abs. 1 Satz 1 PreisangabenRL. Die
Kammer ist befugt, diese Richtlinienvorschrift unmittelbar anzuwenden, falls § 2
Abs. 1 Satz 1 PAngV insoweit unanwendbar geworden sein sollte, denn es würde
dann an einer (fristgerechten) mitgliedstaatlichen Richtlinienumsetzung fehlen.
Einer richtlinienkonformen Auslegung, wie von Köhler vorgeschlagen (a.a.O.,
Vorb. zur PAngV, Rn. 16b) bedürfte es dann nicht.
56 aa) Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 PreisangabenRL müssen der Verkaufspreis und
der Preis je Maßeinheit „unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar“ sein.
Ziel der unionsrechtlichen Regelung ist, dass sie „den Verbrauchern auf
einfachste Weise optimale Möglichkeiten bietet, die Preise von Erzeugnissen zu
beurteilen und miteinander zu vergleichen und somit anhand einfacher
Vergleiche fundierte Entscheidungen zu treffen“ (so Erwägungsgrund 6 der
PreisangabenRL).
57 Angesichts dessen schließt sich die Kammer den Zweifeln Köhlers (a.a.O., § 2
PAngV, Rn. 3), ob generell an dem Erfordernis festzuhalten ist, dass der
Verbraucher in der Lage sein muss, beide Preise auf einen Blick wahrzunehmen
(so noch BGH, GRUR 2009, 982 Rn. 12 - Dr. Clauder’s Hufpflege), nicht an. Die
Kammer hält vielmehr dafür, dass der unionsrechtliche Regelungszweck nur
erreicht werden kann, wenn die Gestaltung von Onlineshops denen eines
„realen“ Ladengeschäfts im Hinblick auf die Vergleichbarkeit von Preisen und
Grundpreisen nahe kommt, soweit dem nicht Besonderheiten der Online-
Darstellung oder technischen Machbarkeit entgegenstehen. In einem
Ladengeschäft kann der Verbraucher Grundpreise und Verkaufspreise durch ein
In-die-Hand-Nehmen des Produkts ebenso auf einen Blick wahrnehmen, wie er
die jeweiligen Grundpreise mehrerer Produkte auf diese Weise vergleichen kann.
Gerade diese einfache Vergleichbarkeit ist Ziel des Unionsgesetzgebers, da sie
dem Preiswettbewerb und der Transparenz dient und verhindern hilft, dass
Hersteller durch geschickte Gestaltungen ihrer Verpackungen mehr Inhalt
vortäuschen, als tatsächlich enthalten ist. Bei einem Online-Kauf besteht beim
Verbraucher erst recht ein Bedürfnis, den Grundpreis ohne Umstände zu
erkennen, da er das Produkt nicht in die Hand nehmen, seine Größe und sein
Gewicht mithin nicht intuitiv abschätzen kann. Es kommt hinzu, dass die
Verpackungsgrößen online nicht unbedingt maßstabsgetreu dargestellt werden;
wie auch die als Anlage K1 vorliegenden Screenshots zeigen, werden
Produktfotos oft zur besseren Darstellung auf ähnliche Größen skaliert. Ein
Kosmetikprodukt mit 15 ml Inhalt kann durchaus genauso groß wirken wie eines
mit 50 ml oder 125 ml Inhalt.
58 bb) Aus diesen Gründen steht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der
Sache „Versandkosten“ (GRUR 2008, 84 Rn. 28 ff.) der hier vertretenen
Auffassung nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof führt dort aus, die
Bestimmung des § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV, wonach die nach § 1 Abs. 2 PAngV
zu machenden Angaben dem Angebot oder der Werbung eindeutig zuzuordnen
sind, könne im Einzelfall auf unterschiedliche Weise erfüllt werden. In jedem Fall
müssten die Angaben allerdings der allgemeinen Verkehrsauffassung
entsprechen (§ 1 Abs. 6 Satz 1 PAngV). Wenn Waren des täglichen Gebrauchs
beworben und angeboten würden, sei dabei maßgeblich auf den
durchschnittlichen Nutzer des Internets abzustellen. Dieser sei mit den
Besonderheiten des Internets vertraut; er wisse, dass Informationen zu
angebotenen Waren auf mehrere Seiten verteilt sein könnten, die untereinander
durch elektronische Verweise („Links”) verbunden sind (a.a.O., Rn. 30).
59 Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs bezieht sich auf die Angabe von
Umsatzsteuer und Versandkosten (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 PAngV), nicht des
Grundpreises. Versandkosten sind regelmäßig ohne Bedeutung für einen
Artikelvergleich, während der Grundpreis diesen gerade verbraucherfreundlich
ermöglichen soll. Dem Internetnutzer genügt es, bei dem von ihm aufgerufenen
Onlineshop einmal zu wissen, welche Versandkosten anfallen; schwankt er
jedoch zwischen mehreren (grundpreispflichtigen) Artikeln desselben Anbieters,
benötigt er die Information über den Grundpreis jeweils in unmittelbarem
Zusammenhang mit den übrigen artikelbezogenen Informationen. Mit anderen
Worten ist die Angabe der Versandkosten shopbezogen, diejenige des
Grundpreises produktbezogen. Hieraus folgen unterschiedliche Anforderungen
an die verbraucherschutzrechtlich geforderte Darstellung online.
60 c) Nach diesen Maßgaben kann die Klägerin sowohl hinsichtlich des Onlineshops
(jedenfalls in der hier zu beurteilenden früheren Version) als auch hinsichtlich der
Internetwerbeanzeigen Unterlassung verlangen. Die Beklagte muss sicherstellen,
dass in beiden Fällen der Grundpreis, soweit es dessen Angabe bedarf, auf
derselben Internetseite dargestellt wird wie der Gesamt- bzw. Verkaufspreis. Im
Fall der Werbeanzeigen kann sie dies aus Platzgründen auch dadurch
gewährleisten, dass der Grundpreis bei einem Darüberfahren mit der Maus oder
jeweils nach einem Zeitverzug von wenigen Sekunden erscheint. Im Onlineshop
muss der Grundpreis dauerhaft sichtbar sein.
61 aa) Die Klage bezieht sich nur auf grundpreispflichtige Kosmetika, also solche,
bei denen die Ausnahmen aus § 9 Abs. 4, 5, 6 PAngV i.V.m. Art. 5 Abs. 1
PreisangabenRL nicht eingreifen. Soweit sich die Beklagte auf § 9 Abs. 5 Nr. 2
PAngV stützt, liegt diese Ausnahme bei den beispielhaft in den Rechtsstreit
eingeführten Produkten offensichtlich nicht vor. Diese dienen zumindest auch der
Pflege und nicht ausschließlich der Färbung oder Verschönerung der Haut, des
Haares oder der Nägel. Daher bedarf es keiner Erörterung, ob die genannten
Ausnahmen auch dann greifen, wenn die Klage unmittelbar auf Unionsrecht
gestützt wird (oben, a), b)).
62 bb) Im Onlineshop der Beklagten, wie er dieser Entscheidung zugrunde zu legen
ist (Anlage K1), werden jeweils verschiedene Produkte der Klägerin
nebeneinander dargestellt. Hierbei werden bereits alle wesentlichen,
kaufentscheidenden Informationen gegeben, nicht hingegen der Grundpreis (pro
100ml). Diesen erfährt man erst, indem man ein Produkt anklickt, auf dessen
Artikeldetailseite.
63 Dadurch ist es dem Verbraucher nicht in einfacher Weise möglich, die
verschiedenen Produkte der Marke „A… B…“ im Hinblick auf ihren Grundpreis zu
vergleichen. Er muss vielmehr zunächst einmal klicken, um den Grundpreis eines
Produkts auf dessen Detailseite zu sehen, dann ein weiteres Mal, um zur
Übersichtsseite zurückzukehren, und ein drittes Mal, um ein anderes Produkt
aufzurufen. Hierbei den Grundpreis, meist eine Zahl mit Nachkommastellen,
überhaupt in Erinnerung zu behalten, erscheint schwierig. Gegenüber einem
Einkauf in einem Ladengeschäft ist die Vergleichbarkeit deutlich gemindert.
64 Deswegen hilft es der Beklagten auch nicht, dass sie unterhalb der Produkte auf
der Übersichtsseite einen Hinweis in kleiner Schrift platziert hat, wonach der
Grundpreis jeweils auf der Artikeldetailseite zu finden sei (vgl. BGH, GRUR 2009,
982 Rn. 13 - Dr. Clauder’s Hufpflege).
65 cc) Die Übersichtsseiten zu den jeweiligen Produktlinien stellen bereits eine
Aufforderung zum Kauf dar und unterliegen mithin den oben dargestellten
Transparenzanforderungen. Das unionsrechtlich gewollte hohe Niveau des
Verbraucherschutzes (Art. 1 UGP-RL) soll sich nach dem Willen des
Unionsgesetzgebers auf die „Aufforderung zum Kauf“ erstrecken. Dies ist nach
Art. 2 litt. i) UGP-RL „jede kommerzielle Kommunikation, die die Merkmale des
Produkts und den Preis in einer Weise angibt, die den Mitteln der verwendeten
kommerziellen Kommunikation angemessen ist und den Verbraucher dadurch in
die Lage versetzt, einen Kauf zu tätigen“. Der EuGH hat dazu entschieden, dass
eine Aufforderung zum Kauf vorliegt, wenn der Verbraucher hinreichend über das
beworbene Produkt und dessen Preis informiert ist, um eine geschäftliche
Entscheidung treffen zu können, ohne dass die kommerzielle Kommunikation
auch eine tatsächliche Möglichkeit bieten muss, das Produkt zu kaufen, oder
dass sie im Zusammenhang mit einer solchen Möglichkeit steht (Urteil vom
12.05.2011 - C-122/10 Konsumentombudsmannen/Ving Sverige AB, GRUR
2011, 930 Rn. 33). Denn die Aufforderung zum Kauf stellt eine besondere Form
der Werbung dar, die einer verstärkten Informationspflicht nach Art. 7 Abs. 4
UGP-RL unterliegt (EuGH, a.a.O., Rn. 28). In Art. 7 Abs. 4 UGP-RL ist durch Abs.
5 dieser Vorschrift i.V.m. Anhang II wiederum die Verpflichtung aus Art. 3 Abs. 4
PreisangabenRL integriert, den Grundpreis als wesentliche Information
anzugeben.
66 Dies entspricht, ohne dass es hier darauf ankommt, dem Begriff des Anbietens in
§ 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV (Köhler, a.a.O., § 1 PAngV, Rn. 5 m.w.N.). Die
Problematik einer strengeren nationalen Vorschrift wie im Fall des
Vorlagebeschlusses des Bundesgerichtshofs (GRUR 2014, 1208 Rn. 16 ff. -
Preis zuzüglich Überführung) stellt sich hier nicht.
67 dd) Für den Onlineshop der Beklagten folgt aus dem Vorgesagten, dass der
Grundpreis ohne „Zwischenklicks“ einsehbar sein muss, also auf derselben
Internetseite, mithin der Übersichtsseite der Produktlinien.
68 Es bedarf keiner Entscheidung der Kammer, ob es den gesetzlichen
Anforderungen entspricht, wenn hierfür gegebenenfalls nach unten gescrollt
werden muss. Denn die Klägerin hält ein Scrollen in der Erläuterung ihres Antrags
im Schriftsatz vom 15.10.2015, S. 5, für zumutbar. Dies dürfte nach Auffassung
der Kammer eine zutreffende Wertung darstellen. Denn es hängt von Zufällen ab
(Zahl der auf der Seite dargestellten Artikel, Größe des Bildschirms des Nutzers),
ob Einträge im unteren Bereich einer Webseite mit oder ohne Scrollen einsehbar
sind.
69 ee) Grundsätzlich derselbe Maßstab gilt auch hinsichtlich der
Internetwerbeanzeigen der Beklagten. Die Beklagte haftet insoweit nach § 8 Abs.
2 UWG für ihre Internetwerbepartner (Affiliates; vgl. BGH, GRUR 2009, 1167 Rn.
21 m.w.N. - Partnerprogramm).
70 Eine Aufforderung zum Kauf im Sinne des Unionsrechts (oben, cc)) liegt auch im
Fall der streitgegenständlichen Internetwerbung vor. Dort werden jeweils der
Händlername „…“, ein Produktfoto, ggf. der Produktname und stets der
Streichpreis, ein Rabattsatz und der Verkaufspreis angegeben. Dies versteht der
Verbraucher dahin, dass er eine geschäftliche Entscheidung treffen kann, indem
er durch Klicken auf die Werbeanzeige die Möglichkeit erhält, dieses Produkt im
Onlineshop der Beklagten zu erwerben; so ist es auch technisch realisiert.
71 Aus Platzgründen bzw. wegen der erheblichen Kosten von Internetanzeigen
muss es der Beklagten vorbehalten bleiben, den Grundpreis erst bei einem
Darüberfahren mit der Maus oder jeweils nach einem Zeitverzug von wenigen
Sekunden einzublenden. Teilweise (siehe Anlage K5 und K6) hat die Beklagte
diese Methode bereits für die Angabe der eben genannten Informationen
gewählt. Die zusätzliche Angabe des Grundpreises belastet sie nicht erheblich.
72 d) Die Spürbarkeit i.S.v. § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG ergibt sich bereits aus der
Anwendbarkeit von § 5a Abs. 2, 4 UWG (vgl. näher Bornkamm, in:
Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, § 5a, Rn. 55 ff. m.w.N.).
73 2. Die Klägerin dringt auch mit ihrem Hauptantrag Ziff. 1. b) durch. Unstreitig
liegen die von der Beklagten in der streitgegenständlichen Internetwerbung
angegebenen Rabattsätze rechnerisch zu hoch und suggerieren so dem
Verbraucher in irreführender Weise (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG) eine größere
Ersparnis. Im Hinblick auf die unstreitigen Rechenfehler kann auf die Darstellung
im Schriftsatz der Klägerin vom 22.09.2015, S. 6 f., Bezug genommen werden.
Bei solchen Verstößen gegen das Gebot der Preiswahrheit liegt ohne weiteres
wettbewerbliche Relevanz vor (vgl. Bornkamm, a.a.O., § 5, Rn. 7.2).
74 Das Vorgehen (oder Versehen) der Beklagten ist unabhängig davon unlauter,
dass die Ersparnis gegenüber dem Selbstabholerpreis ermittelt wurde (oder
werden sollte), was die Klägerin zum Gegenstand eigener Verbotsanträge macht
(Ziff. 1. c), d)).
75 3. Hauptantrag Ziff. 1. c) ist ebenfalls gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG
begründet.
76 a) Die Bezugnahme auf einen anderen Preis (Streichpreis) muss stets klar und
bestimmt sein (Bornkamm, a.a.O., § 5, Rn. 7.87). Insbesondere muss deutlich
werden, um was für einen Preis es sich bei dem durchgestrichenen Preis handelt
(BGH, GRUR 1980, 306, 307 - Preisgegenüberstellung III; GRUR 1981, 654, 655
- Testpreiswerbung; GRUR 2011, 1151 Rn. 22 - Original Kanchipur). Werbung mit
durchgestrichenen Preisen ist mehrdeutig und damit irreführend, wenn nicht
klargestellt ist, um was für einen Vergleichspreis es sich bei dem
durchgestrichenen Preis handelt, und wenn nicht alle in Betracht kommenden
Bedeutungen der Werbeaussage zutreffen (OLG Hamm, Urteil vom 24.01.2013 -
4 U 186/12, juris, Rn. 50 ff.).
77 Adressat der hier streitgegenständlichen Internetwerbung ist jeder Internetnutzer,
also das allgemeine Publikum, dessen Verkehrsauffassung die Mitglieder der
erkennenden Kammer beurteilen können, ohne dass es hierfür besonderer
Sachkunde bedarf (vgl. Bornkamm, a.a.O., § 5, Rn. 2.77, 3.12).
78 b) Angewendet auf den Streitfall kann sich der Streichpreis sowohl auf eine
unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers als auch einen früher vom
Händler geforderten als auch einen von anderen Kosmetikhändlern geforderten
Preis beziehen. Dass es sich um den Selbstabholerpreis handeln soll, erfährt der
Kunde erst beim Besuch der eigenen Internetseite der Beklagten. Dies fällt umso
mehr ins Gewicht, als kein Kunde von sich aus auf die Idee kommen wird, die
Beklagte vergleiche den Online-Verkaufspreis mit ihrem eigenen Abholpreis; dies
stellt vielmehr eine abwegige Interpretation dar. Naheliegend ist demgegenüber
gerade bei Markenware wie hier, dass ein Onlinehändler die UVP des Herstellers
unterbietet.
79 Der von der Beklagten angegebene Streichpreis entspricht schon nicht der UVP
der Klägerin, sondern weicht hiervon teilweise - wenn auch geringfügig - nach
oben ab; dies ist unstreitig. Selbst wenn er der UVP entspräche, wäre dies ohne
Bedeutung, weil die Beklagte den Streichpreis in ihrem Onlineshop abweichend
erläutert. Er entspricht auch nicht einem früheren Verkaufspreis der Beklagten
selbst. Dass er dem Preis anderer Onlinehändler entspräche, ist nicht ersichtlich
und auch nicht substantiiert vorgetragen; dass die Parfümerie D. angeblich in
Einzelfällen (?) sogar höhere Preise verlangen soll, würde hieran nichts ändern,
jedenfalls solange die Beklagte nicht in Bezug auf sämtliche mit der Klage in den
Prozess eingeführte Produkte und ihre jeweiligen Streichpreise solches
vorgetragen hat. Auch insofern gilt ohnehin, dass sich die Beklagte nicht auf
einen Vergleich berufen kann, den sie laut ihrer Internetpräsenz gar nicht
vornimmt, weil sie vielmehr mit ihrem eigenen Selbstabholerpreis vergleicht.
80 Schließlich ist die Angabe selbst dann irreführend, wenn sie auf den
Selbstabholerpreis der Beklagten bezogen wird, denn dieser erhöht sich stets
durch ein sog. Bearbeitungsentgelt von 4,- EUR, wie der Erläuterung im
Onlineshop unter „Fragen & Antworten“ Ziff. 1.5 zu entnehmen ist.
81 c) Die Irreführung ist auch wettbewerblich relevant. Die Preiswürdigkeit eines
Angebots stellt einen für die Verbraucherentscheidung zentralen Aspekt dar,
dessen rechtliche Erheblichkeit gleichsam „auf der Hand liegt“ (OLG Hamm, Urteil
vom 24.01.2013, a.a.O., Rn. 64; Bornkamm, a.a.O., § 5 Rn. 2.175).
82 4. Mit ihrem Antrag Ziff. 1. d) verlangt die Klägerin ein Unterlassen der Art und
Weise der Bewerbung im Onlineshop der Beklagten im Hinblick auf die
Preissenkung gegenüber dem Selbstabholerpreis, so wie sich dies aus den im
Antrag wiedergegebenen Screenshots ergibt. Ausweislich der
Antragsbegründung stützt sich die Klägerin dabei auch darauf, dass die Beklagte
mit Preissenkungen gegenüber Phantasiepreisen werbe, die gar nicht tatsächlich
verlangt würden.
83 Streitgegenstand ist damit nicht nur die im Klageantrag in den Vordergrund
gestellte Art und Weise der Darstellung und Erläuterung, sondern auch der
Lebenssachverhalt des gewählten Rabattsystems selbst (vgl. BGH, GRUR 2013,
401 Rn. 18 ff. - Biomineralwasser). In Fällen, in denen sich die Klage gegen die
konkrete Verletzungsform richtet, ist in dieser Verletzungsform der
Lebenssachverhalt zu sehen, durch den der Streitgegenstand bestimmt wird
(BGH, a.a.O., Rn. 24). Damit wird hier nicht nur die Darstellungsweise, sondern
auch das Dargestellte, sprich die Werbung mit einem gegenüber einem
Selbstabholerpreis reduzierten Preis an sich, zum Gegenstand des
Unterlassungsbegehrens gemacht. Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung ist
dann nicht auf die Umschreibung im Antrag beschränkt. Vielmehr ist ein Verbot
auch dann auszusprechen, wenn sich die Wettbewerbswidrigkeit aus einem
anderen in der Klagebegründung vorgetragenen Gesichtspunkt ergibt (BGH,
GRUR 2006, 164 Rn. 15 - Aktivierungskosten II; GRUR 2011, 742 Rn. 18 -
Leistungspakete im Preisvergleich).
84 Dem Antrag ist nach Auffassung der Kammer der Erfolg nicht zu versagen.
85 a) Der Unternehmer ist in seiner Preisgestaltung grundsätzlich frei. So ist denn
auch eine Werbung mit einer Preisherabsetzung im Allgemeinen
wettbewerbskonform, da es dem Interesse eines jeden Unternehmens entspricht,
eine Preisherabsetzung öffentlich bekannt zu machen. In jedem Fall muss aber
streng darauf geachtet werden, dass die potenziellen Abnehmer nicht irregeführt
werden. Die Werbung mit einer Preisherabsetzung hat nämlich ein hohes
Irreführungspotenzial, da der Eindruck vermittelt wird, es handele sich um ein
besonders günstiges Angebot (Bornkamm, a.a.O., § 5 Rn. 7.68 m.w.N. zur
Begründung des RegE). Irreführend ist es unter anderem, wenn der
gegenübergestellte Streichpreis nicht ernsthaft gefordert wurde oder - wie mit
Blick auf die Besonderheit des Streitfalls hinzuzufügen ist - wird.
86 Demjenigen, der mit einem Vergleich seiner eigenen Preise wirbt, obliegt nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum UWG a.F. die Darlegungs-
und Beweislast dafür, dass er die nicht herabgesetzten Preise früher ernsthaft
gefordert hat (BGH, GRUR 1975, 78 - Preisgegenüberstellung I). Für die häufigste
Fallgruppe ist dies heute in § 5 Abs. 4 UWG gesetzlich geregelt. Danach genügt
es, dass der Angreifer den nachvollziehbaren Verdacht äußert, dass die früher
geforderten Preise nicht ernsthaft verlangt wurden; es obliegt dann dem
Werbenden, die früher ernsthaft verlangten Preise und die Einräumung der
behaupteten „Rabatte“ in der Praxis zu beweisen (OLG Karlsruhe, Beschluss
vom 22.12.2004 - 4 W 49/04, BeckRS 2004, 16173, Rn. 26). Das Entsprechende
muss gelten, wenn es sich - wie hier - nicht um eine Preisherabsetzung
gegenüber zeitlich früher, sondern gegenüber gegenwärtig bei anderer
Liefermodalität geforderten Preisen handelt.
87 b) Unter Berücksichtigung dessen gelangt die Kammer zu dem Ergebnis, dass
die Bewerbung von Kosmetika mit einer Rabattierung gegenüber gestrichenen
Selbstabholerpreisen als solche nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG unlauter ist.
Dies geht über den eingeschränkten Antrag der Klägerin hinaus, der daher als
„Minus“ zuzusprechen ist. Mithin ist der Beklagten (lediglich) verboten, in der aus
den Screenshots ersichtlichen Darstellungsweise mit Streichpreisen zu werben,
nicht hingegen eine Werbung mit Streichpreisen, die auf dem Selbstabholerpreis
basieren, überhaupt.
88 aa) Die Beklagte wirbt nicht mit einer Herabsetzung gegenüber einem früheren
Preis, sondern mit einem Nachlass gegenüber einem aktuell nach ihren Angaben
geforderten Preis, der berechnet würde, wenn ein Kunde die Ware am Lager
abholt. Dabei ist unstreitig, dass die von der Beklagten genannten Streichpreise
allenfalls unwesentlich über der unverbindlichen Preisempfehlung der Klägerin
liegen.
89 Die Beklagte erweckt jedoch mit ihrer Eigenpreisgegenüberstellung den
unzutreffenden Eindruck, die meist erhebliche Rabattierung, die auf der
Übersichtsseite und auf den Artikeldetailseiten noch mit einem rechts am Rand
eingeblendeten, orange unterlegten Prozentzeichen betont wird, hätte einen
realen Hintergrund. Es liegt aber von vornherein überhaupt keine „Streichung“
oder Rabattierung in irgendeinem vom Internetnutzer erwarteten Sinne vor. Die
Beklagte vergleicht vielmehr einen Phantasiepreis mit dem tatsächlichen Preis.
Dies ist irreführend und wettbewerbsrelevant auch dann, wenn der tatsächlich im
Versandhandel von ihr geforderte Preis als günstig zu bewerten sein sollte.
90 Um einen Phantasiepreis handelt es sich nach der Überzeugung der Kammer
deswegen, weil kein Kunde ernsthaft auf die Idee käme, Ware am Lager der
Beklagten abzuholen. Falls dies, wie die Beklagte im Schriftsatz vom 12.11.2015
ohne Substanz behauptet, in Einzelfällen anders gewesen sein sollte („es gibt …
Kunden, die dies machen…“), so ändert dies nichts an der
wettbewerbsrelevanten Irreführung an sich. Diese bezieht sich nicht auf den
etwaigen Umfang einer tatsächlichen Nutzung der Selbstabholungsmöglichkeit,
sondern auf die Bedingungen, unter welche die Beklagte diese Möglichkeit
gestellt hat. Diese Bedingungen sind so prohibitiv, dass die Annahme berechtigt
ist, dass die Beklagte den Streichpreis nicht ernsthaft fordert und es lediglich in
Kauf nimmt, wenn doch einmal ein Kunde auf die abwegige Idee kommen sollte,
Ware selbst abzuholen.
91 Dem Vortrag der Beklagten lässt sich nichts entnehmen, was diese Annahme
entkräften würde. Dabei hatte das Gericht bereits im einstweiligen
Verfügungsverfahren zwischen den Parteien 15 O 51/15 KfH die fehlende
Ernsthaftigkeit der Forderung eines Selbstabholerpreises zum Gegenstand der
Beschlüsse vom 07.07. und 21.07.2015 gemacht; die inzwischen rechtskräftige
Teilzurückweisung des Antrags der dortigen Antragstellerin (und hiesigen
Klägerin) beruhte gerade darauf, dass kein Kunde auf die Idee kommen wird,
tatsächlich ab Lager zu kaufen. Nicht weiterführend ist es auch, wenn die
Beklagte im Schriftsatz vom 12.11.2015 die zirkuläre Auffassung vertritt, an der
Ernsthaftigkeit bestehe schon deswegen kein Zweifel, da sie dieses Angebot
mache. Auch der Vergleich mit den Ladengeschäften der Klägerin in diesem
Schriftsatz hinkt ebenso offensichtlich wie derjenige zwischen dem
Selbstabholerpreis und dem Preis bei Nachnahme-Versand.
92 Die prohibitiven Bedingungen für eine Selbstabholung (und damit die fehlende
Ernsthaftigkeit beim Fordern des gegenübergestellten Streichpreises) liegen in
folgenden Umständen begründet:
93 (1) Zum einen ist der Selbstabholerpreis unter Berücksichtigung der
Bearbeitungsgebühr höher als die UVP der Klägerin. Preisbewusste Kunden
eines Online-Discounters, als welcher sich die Beklagte darstellt, werden bereits
hiervon hinreichend abgeschreckt. Auf dem Versandwege erhält der Kunde die
Ware zum deutlich günstigeren Preis, zuzüglich Versandkosten in (fast) gleicher
Höhe wie die Bearbeitungsgebühr, denen indes der Service der Lieferung ins
Haus gegenübersteht.
94 (2) Zum zweiten gibt die Beklagte in ihrer Internetpräsenz nirgendwo an, wo und
wann die Ware abgeholt werden kann, weder im Rahmen des Online-
Bestellvorgangs noch auf ihrer „Fragen & Antworten“-Seite. Der Kunde erfährt
dies nur bei einer telefonischen Bestellung (vgl. Ziff. 3.13, 3.5 der „Fragen &
Antworten“), die - wenig kundenfreundlich und im Marktvergleich ungewöhnlich -
nur Montag bis Freitag von 12 bis 17 Uhr möglich ist. Onlinehändler, die eine
Selbstabholung ernsthaft anbieten, erlauben in aller Regel eine Auswahl dieser
Option im Rahmen des Online-Bestellvorgangs, wobei diese Option dann durch
den Erlass der ansonsten anfallenden Versandkosten attraktiv gemacht wird.
95 bb) Hierin liegt kein Widerspruch zum Beschluss des Gerichts vom 21.07.2015 im
einstweiligen Verfügungsverfahren zwischen den Parteien 15 O 51/15 KfH. Dort
wurde ausgeführt: „Wenn sich doch ein Kunde für Selbstabholung entscheiden
sollte, muss er nach dem insoweit wettbewerbsrechtlich unbedenklichen System
der Antragsgegnerin zwingend telefonisch bestellen. Dann wird er den Abholort
erfahren und kann ggf. noch während des Telefonats von einer Bestellung
absehen oder auf die Option des Postversands umschwenken.“ Diese
Ausführungen beziehen sich isoliert auf die eher theoretische Variante der
Selbstabholung. Das Gericht lässt im genannten Beschluss keinen Zweifel daran,
dass „Kunden der Antragsgegnerin die Variante der Selbstabholung in einer
solch unattraktiven Weise angeboten erhalten, dass sie sich stets für die Variante
des Postversands entscheiden werden“.
96 cc) Vor dem Hintergrund dieser eklatanten Irreführung der Verbraucher genügt
auch die Darstellungsweise des Rabattsystems der Beklagten (zweistufiger
Verweis durch winzige Sternchenfußnote unterhalb der Kundenbewertungen,
also je nach Anzahl derselben erst nach längerem Scrollen sichtbar, sowie dort
befindlicher Link auf die Erläuterungsseite) den Anforderungen an die nötige
Preisklarheit nicht. Auf diesen Aspekt beschränkt sich der Klageantrag (dazu
oben, I. 2. d)), über welchen die Kammer nicht hinausgehen darf, § 308 Abs. 1
Satz 1 ZPO.
97 Ungeachtet dessen stellt die Kammer klar, dass aus ihrer Sicht eine
rechtskonforme Darstellungsweise dieses Rabattsystems schwer vorstellbar ist.
Die Beklagte müsste letztlich über die unattraktiven Bedingungen des
Selbstabholerpreises in einer Weise aufklären, die letzteren ad absurdum führen
würde.
98 Da es Sache der Beklagten ist, Wege zu finden, die aus dem Verbot
hinausführen (BGH, GRUR 2011, 340 Rn. 24 - Irische Butter), bedarf es hierzu
keiner weiteren Ausführungen der Kammer. Ob die Beklagte dieses Urteil zum
Anlass nimmt, überschießend nicht nur die Darstellungsweise in ihrer
Internetpräsenz, sondern auch ihr Rabattsystem umzustellen (beispielsweise auf
einen im Ergebnis ähnlich hohen Rabatt gegenüber der UVP der jeweiligen
Hersteller), sei ihr anheimgestellt.
99 c) Zur wettbewerblichen Relevanz gilt das oben zu 3. c) Gesagte.
III.
100 1. Weil die Beklagte unterlegen ist, hat sie die geltend gemachten und der Höhe
nach nicht in Frage gestellten vorgerichtlichen Anwaltskosten zu bezahlen, § 12
Abs. 1 Satz 2 UWG. Die Kosten sind aus dem jeweiligen Streitwert berechnet,
den die Kammer mit Beschluss vom 01.10.2015 festgesetzt hat, und
berücksichtigen zutreffend die zwischenzeitliche Antrags-Teilzurückweisung im
einstweiligen Verfügungsverfahren 15 O 51/15 KfH (vgl. BGH, GRUR 2010, 744
Rn. 49 ff.).
101 2. Die Forderung ist unter Verzugsgesichtspunkten zu verzinsen. Die Klage ist
insoweit abzuweisen, als die Klägerin den Beginn des Zinslaufs für einen
Teilbetrag zu früh angegeben hat.
102 3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, diejenige
über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.