Urteil des LG Karlsruhe vom 26.04.2013
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LG Karlsruhe Urteil vom 26.4.2013, 13 O 104/12 KfH I
Wettbewerbswidrige Arzneimittelwerbung: Werbung für Dr. Schüßler Salze mit prominenter
Schauspielerin
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen
Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 EUR - ersatzweise Ordnungshaft - oder
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an den Geschäftsführern ihrer
Komplementärin, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr für das Arzneimittel "Dr. Schüßler Salz" mit der Aussage "Für die
Balance zwischen Beruf und Familie bin ich selbst verantwortlich - auch für meine
Gesundheit." und der Abbildung der Schauspielerin ... zu werben und/oder werben zu lassen,
wenn dies geschieht wie nachstehend eingelichtet:
BILD
und/oder
BILD
und/oder
BILD
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 219,35 EUR nebst Zinsen hieraus in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit
16.08.2012 zu zahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist in Tenor Ziffer 1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000 EUR, in Tenor
Ziffer 2 ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die
Vollstreckung durch den Kläger aus Tenor Ziffer 2 durch Sicherheitsleitung in Höhe von 120 %
des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
1 Die Klägerin wendet sich gegen eine Werbung der Beklagten für "Dr. Schüßler - Salze" mit Abbildungen der
Schauspielerin ... .
2 Die Beklagte produziert und vertreibt homöopathische Arzneimittel, wozu auch sogenannte "Schüßler-
Salze" in Form von Tabletten, Salben und Lotionen zählen. Sie betreibt dafür gegenüber dem allgemeinen
Publikum Werbung in ihrem Internetauftritt und in Printmedien wie aus der Abbildung im Urteilstenor 1
ersichtlich, wobei neben den mit jeweils unterschiedlichen Werbetext abgebildeten Schüßler-Salzen mit
einer Abbildung von Frau ... und direkt neben dieser mit folgendem Text geworben wird: "Für die Balance
zwischen Beruf und Familie bin ich selbst verantwortlich - genauso wie für meine Gesundheit". Unterhalb
dieses Ausspruchs befindet sich die eingelichtete Unterschrift der ..., unter der sich wiederum folgender Text
befindet: "..., Mutter, Schauspielerin und Unternehmerin".
3 Der Kläger, der die Beklagte wegen dieser Werbung erfolglos abgemahnt hat, sieht darin einen Verstoß
gegen § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG a F. bzw. § 11 Abs. 1 Nr. 2 HWG n. F. und trägt vor, die Werbung der
Beklagten sei sowohl zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung wie auch nach der zum 26.10.2012 in Kraft
getretene Gesetzesfassung unzulässig. Eine richtlinienkonforme Auslegung des § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG
habe sich bezüglich der hier vorliegenden Prominentenwerbung ausschließlich an Artikel 90 lit. f der
Richtlinie 2001/83/EG zu orientieren, wonach die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel keine Elemente
enthalten dürfe, die sich auf eine Empfehlung von Personen beziehe, die aufgrund ihrer Bekanntheit zum
Arzneimittelverbrauch anregen können. Einer Bezugnahme auf Genesungsbescheinigungen, die in
missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise geschehe (Artikel 90 lit. j der Richtlinie 2001/83/EG)
bedürfe es hier nicht. Die vorliegend in Betracht kommende Fallgruppe sei abschließend in Artikel 90 lit. f der
Richtlinie 2001/83/EG und nunmehr in § 11 Abs. 1 Nr. 2 HWG geregelt, so dass ausschließlich diese Normen
einschlägig seien.
4 Der angesprochene Verkehr gehe von einer eigenen Empfehlung der ..., nicht von einer Empfehlung der
Beklagten selbst aus. Die Art und Weise der Äußerung und die Unterschrift ließen keinen Zweifel daran,
dass sich ... mit ihrer Aussage voll identifiziere. Bei der streitgegenständlichen Aussage der Frau ... handle es
sich auch im "Empfehlung". Dafür genüge, dass die Aussage von ... geeignet sei, den Verbrauch von
Schüßler-Salzen durch die angesprochenen Verkehrskreise anzuregen.
5 Bei ... handle es sich, wie die Beklagte in einer Pressemitteilung selbst geäußert habe, um eine "bekannte
Schauspielerin", sie genieße eine große öffentliche Wahrnehmung und sei regelmäßig Gegenstand medialer
Berichterstattung. An ihrer "Prominenz" könne kein Zweifel bestehen. Ein Arzneimittelverbrauch, der auf
der Affinität zu einer bekannten Persönlichkeit beruhe, sei jedoch unvernünftig und geeignet die Gesundheit
zu gefährden.
6 Die Klägerin beantragt
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wie im Urteilstenor erkannt.
8 Die Beklagte beantragt
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die Klage abzuweisen.
10 Die Beklagte trägt vor,
11 Ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 HGW liege nicht vor. Das Verbot der Öffentlichkeitswerbung mit
Äußerungen Dritter sei nur dann richtlinienkonform (Artikel 90 lit. f Richtlinie 2001/83/EG), wenn sich diese
Äußerung in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise auf Genesungsbescheinigungen
bezögen. Die "Prominentenwerbung" nach Art. 90 lit. f Richtlinie 200/83/EG sei von § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr.
11 HGW nicht erfasst, sondern nur Gegenstand der erst zum 26.10.2012 in Kraft getretenen Neufassung
des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGW. Im Zeitpunkt der Begehung habe das HWG kein entsprechendes Verbot
der Prominentenwerbung enthalten. Jedenfalls handle es sich nicht um die Empfehlung eines vom
Werbenden unabhängigen Dritten. Werbeäußerungen Prominenter rechne der Verkehr dem Werbenden zu,
da dem Verkehr bekannt sei, dass Prominente Werbeaussagen zwecks der Erzielung von Einkünften tätigen.
Der Begriff der "Empfehlung" erfordere, dass produktbezogen zu einer konkreten Handlung geraten werde.
Vorliegend fehle es jedoch an jeglicher produktbezogener und auf die Behandlung einer bestimmten
Krankheit bezogenen konkreten Handlungsempfehlung, eine bloße Aussage des Inhalts, selbst Arzneimittel
zu nehmen, könne bei richtlinienkonformer Auslegung des HWG nicht als Empfehlung angesehen werden.
Auch nach der Novellierung des HWG verstoße die Werbung nicht gegen das Gesetz. Bei ... handle es sich
nicht um eine Person, die "aufgrund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch anregen" könne. Es fehle
auch an einer zumindest mittelbaren Gesundheitsgefährdung, sodass ein Werbeverbot auch mit den
Grundrechten der freien Meinungsäußerung und der freien Berufsausübung unvereinbar wäre.
12 Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen und auf die zu Protokoll genommenen Erklärungen der Parteien verwiesen.
Entscheidungsgründe
13 Die Klage ist zulässig und in vollem Umfang begründet.
I.
14 Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt.
II.
15 Dem Kläger steht gegen die Beklagte im Hinblick auf die streitgegenständlichen Werbeaussagen ein
Unterlassungsanspruch nach §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, 8 Abs. 1 Satz 1, 3, 4 Nr. 11 UWG, 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 n.F.
und 11 a.F. HWG zu.
16 Die vom Kläger beanstandete Werbung für Schüßler-Salze mit Abbildung und Empfehlung der Schauspielerin
... verstießt sowohl im Zeitpunkt der Begehung wie auch bei Schluss der mündlichen Verhandlung gegen das
geltende Recht.
17 1. Es liegt eine Werbung mit einer Person vor, die aufgrund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch
anregen kann. Dies verstößt nicht nur gegen § 11 Abs. 1 Nr. 2 HWG n. F. sondern auch gegen § 11 Nr. 11
HWG in der bis 26.10.2012 geltenden Fassung.
18 § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 HWG ist im Zuge der Harmonisierung der Arzneimittelwerbung unter
Berücksichtigung der Vorgaben der Richtlinie 2001/83/EG auszulegen. Diese sieht in Artikel 90 lit. f und g
zwei Fallgruppen vor, welche das Verbot der Arzneimittelwerbung "mit Äußerung Dritter, insbesondere mit
Dank-Anerkennungs- oder Empfehlungsschreiben oder mit Hinweisen auf solche Äußerungen betreffen,
nämlich zum einen das Verbot für missbräuchliche, abstoßende oder irreführende Bezugnahmen auf
Genesungsbescheinigungen und zum anderen das Verbot der Empfehlung von Wissenschaftlern, im
Gesundheitswesen tätigen Personen oder von Personen, die weder Wissenschaftler noch im
Gesundheitswesen tätige Personen sind, die aber aufgrund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch
anregen können (vgl. Riegger, Heilmittelwerberecht, XII, Rn. 88). Im Streitfall ist ausschließlich das Verbot
der sogenannten "Prominentenwerbung" nach lit. f betroffen. Eine Bezugnahme auf
Genesungsbescheinigungen (lit. g) ist daher weder erforderlich noch ausreichend. In der ab 26.10.2012
geltenden Fassung des § 11 HWG ist die "Prominentenwerbung" ausdrücklich von dem geänderten § 11 Abs.
1 Satz 1 Nr. 2 HWG erfasst.
19 Die somit gemeinsamen Voraussetzungen nach altem und neuem Recht liegen jeweils vor:
20 a) Bei den vom Kläger beanstandeten Werbeaussagen handelt es sich nicht um eine Werbeaussage der
Beklagten selbst, sondern um einen Hinweis auf Äußerungen einer "Dritten". Es geht hier nicht um
anpreisende Äußerungen von Schauspielern in Werbespots usw., wobei diese nur als "Sprachrohr" des
Werbenden fungieren (vgl. Doepner, HWG, 2 Auflage, § 11 Rn 13). Vielmehr werden die angesprochenen
Verkehrskreise die Werbung so verstehen, dass es sich um eine eigene Meinungsäußerung der
Schauspielerin ... handelt. Dem steht vorliegend auch nicht entgegen, dass allgemein bekannt ist, dass
bekannte Schauspieler und sonstige Prominente für einen werblichen Auftritt finanziell honoriert werden.
Vielmehr werden die Äußerungen so verstanden werden, dass sie die eigene Überzeugung von ...
wiedergeben (vgl. auch Riegger a. a. o, Rn. 82). Dies ergibt sich schon aus der Formulierung "für die Balance
zwischen Beruf und Familie bin ich selbst verantwortlich - genauso wie für meine Gesundheit", der
eigenhändigen Unterschrift und der Bezeichnung der ... als "Mutter, Schauspielerin und Unternehmerin",
was offenbar die Überzeugungskraft der Werbeaussage verstärken soll. All dies ist ebenso wie das
Fotoportrait der ..., das den äußeren Zustand hoher Gesundheit wiederspiegelt, auf die Person der
Schauspielerin zugeschnitten und stellt keine eigene Äußerung der Beklagten als Werbende dar.
21 b) Es fehlt auch nicht an einer "Empfehlung" im Sinne von Artikel 90 lit. f Rl 2001/83/EG bzw. von § 11 Abs.
1 Satz 1 Nr. 2 HWG n. F. Zu Unrecht verlangt die Beklagte insoweit eine auf ein bestimmtes Krankheitsbild
bezogene konkrete Handlungsempfehlung und stützt sich dabei auf die Entscheidung des BGH vom
18.01.2012 / I ZR 83/11 - Euminz. Denn dieser Entscheidung lässt sich gerade entnehmen, dass es für die
Bejahung einer Empfehlung im Sinne des Artikel 90 lit. f der Richtlinie 2001/83/EG wie auch des § 11 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 HWG n.F. ausreicht, "dass die in einer werblichen Anpreisung enthaltene Aussage geeignet ist,
bei ihren Adressanten eine den Arzneimittelverbrauch anregende Wirkung zu erzeugen". Damit hat der
BGH die Schwelle zur Empfehlung "äußerst niedrig" angesetzt (vgl. Vohwinkel, GRUR 2012, 1058) wobei
auch eine nicht ausdrückliche, "verdeckte" Empfehlung ausreicht.
22 Diesen Anforderungen genügt die streitgegenständliche Werbung allemal. Die Äußerungen der ... stehen
nicht allein. Sie erfolgen vielmehr mit stillschweigendem Bezug zu den in der anderen Bildhälfte bzw. unter
den Äußerungen der ... abgebildeten und beworbenen Schüßler-Salzen. Die angesprochenen Verkehrskreise
werden die Aussage der Schauspielerin mithin dahin verstehen, dass diese selbst zu Schüßler-Salzen greift,
um Gutes für ihren offenbar blendende Gesundheit zu tun, wie sie sich in ihrem makellosen Aussehen
wiederspiegelt. Auch der Verbraucher wird sich dadurch aufgefordert, ja ermahnt sehen, "selbst
verantwortlich" etwas für seine Gesundheit zu tun, indem er die Schüßler-Salze der Beklagten anwendet.
Dass diese Werbung zum Arzneimittelverbrauch anregen will und kann, bedarf keiner vertieften
Begründung.
23 c) Ohne Erfolg bezweifelt die Beklagte, dass diese Anregung zum Arzneimittelverbrauch Folge der
Bekanntheit der Schauspielerin ... und des deshalb in sie gesetzten besonderen Vertrauens ist.
24 Bei ... handelt es sich um eine vor allem aus Fernsehproduktionen bekannte Schauspielerin, die auch im
Blickpunkt verschiedener Medien steht. Zu den besonderen Merkmalen der nunmehr … gehört, dass sie sich
eines immer noch jugendlichen, attraktiven und gesunden Aussehens erfreut. Aussagen, die sie zur
eigenverantwortlichen gesundheitlichen Vorsorge gibt, werden deshalb auf ein besonderes Interesse und
Vertrauen stoßen, da ihr Aussehen ja der lebende Beweis für die Wirksamkeit der empfohlenen Schüßler-
Salze zu sein scheint.
25 Damit ist die Werbung aber auch geeignet, das Laienpublikum unsachlich zu beeinflussen. Statt sachliche
Informationen über eine geeignete Gesundheitsvorsorge zu erhalten, identifiziert sich das Publikum mit der
prominenten Schauspielerin und erwartet von den Schüßler-Salzen ähnliche Wirkungen bei sich, wie sie
offenbar ... zu teil geworden sind. Zweck des Verbots der Prominentenwerbung ist aber gerade, derartiges
zu vermeiden, das heißt zu verhindern, dass das Aussehen Prominenter ausgenutzt wird, direkt oder
indirekt die Vorstellung besonderer Wirksamkeit bestimmter Mittel hervorzurufen und deren
unkontrollierten Konsum zu fördern. Denn ein solcher Arzneimittelverbrauch beruht nicht auf sachlichen,
"vernünftigen" Erwägungen, sondern auf der Prominenz des Werbenden.
26 d) Danach fehlt es auch nicht an einer zumindest mittelbaren Gesundheitsgefährdung, wie sie das HWG
voraussetzt (vgl. BGH GRUR 2007, 809 Krankenhauswerbung; OLG München, Urteil vom 22.01.2009 - 29 U
4943/8). Darüber hinaus besteht durchaus auch die konkrete Gefahr, dass die angesprochenen
Verkehrskreise in eine falsche Sicherheit gewiegt werden, was die Eignung der beworbenen Schüßler Salze
"für ein gesundes Leben" und zur Vermeidung von "Störungen im Mineralstoffhaushalt der Zellen" zu
sorgen, betrifft. Gerade auch, dass nicht bestimmte Erkrankungen angesprochen werden, sondern allgemein
der erstrebenswerte Zustand umfassender Gesundheit, könnte manchen dazu verleiten, allzu sehr auf die
gesundheitsfördernde und vorbeugende Wirkung der Schüßler-Salze zu vertrauen und von notwendigen
Arztbesuchen, Untersuchungen und Beratungen abzusehen.
27 Die beanstandete Werbung war danach unter Androhung gesetzlicher Ordnungsmittel zu untersagen.
III.
28 Der Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG
IV.
29 Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO
30 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO