Urteil des LG Karlsruhe vom 10.05.2016

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LG Karlsruhe Urteil vom 10.5.2016, 11 S 41/15
Bestellung eines Wohnungseigentumsverwalters: Beurteilungsspielraum der
Wohnungseigentümer bei Zweifeln an der Bonität des Kandidaten; Wahl einer
haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft; rechtsmissbräuchlicher Einsatz eines
Stimmenübergewichts bei der Verwalterwahl; Regelung der Eckpunkte des Verwaltervertrages
in derselben Wohnungseigentümerversammlung
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten Ziff. 1 und 2 gegen das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 20.02.2015, Az.
45 C 109/14, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten Ziff. 1 und 2 haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Heidelberg ist ohne
Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1 (abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO)
2 Die zulässige Berufung der Beklagten Ziff. 1 und 2 ist unbegründet und war daher kostenpflichtig
zurückzuweisen.
3 1. Zutreffend hat das Amtsgericht Heidelberg den in der Eigentümerversammlung vom 02.10.2014 zu
Tagesordnungspunkt (TOP) 1 gefassten Beschluss über die Bestellung der (haftungsbeschränkt) - im
Folgenden: Beigeladene - zur Verwalterin ab dem 21.10.2014 wegen Verstoßes gegen den Grundsatz
ordnungsmäßiger Verwaltung für ungültig erklärt.
4 a) Ein Beschluss der Wohnungseigentümer über die Bestellung des Verwalters ist am Maßstab einer
ordnungsgemäßen Verwaltung zu messen. Die Wohnungseigentümer haben nach § 21 Abs. 3 und 4 WEG
nicht nur einen Anspruch darauf, dass die Tätigkeit der Verwaltung diesen Grundsätzen entspricht, sondern
auch darauf, dass der Verwalter selbst diesen Anforderungen genügt. Daran fehlt es, wenn ein wichtiger
Grund gegen die Bestellung spricht.
5 Wann ein solcher wichtiger Grund vorliegt, bestimmt sich in Anlehnung an § 26 Abs. 1 Satz 3 WEG nach
den für die Abberufung des Verwalters geltenden Grundsätzen. Das Vorliegen eines solchen wichtigen
Grundes verpflichtet die Wohnungseigentümer allerdings nicht ohne Weiteres dazu, den Verwalter
abzuberufen. Sie haben vielmehr einen Beurteilungsspielraum und dürfen von einer Abberufung absehen,
wenn dies aus objektiver Sicht vertretbar erscheint.
6 Einen entsprechenden Beurteilungsspielraum haben die Wohnungseigentümer auch bei der Bestellung des
Verwalters, bei der sie eine Prognose darüber anstellen müssen, ob er das ihm anvertraute Amt
ordnungsgemäß ausüben wird. Die Bestellung des Verwalters widerspricht den Grundsätzen
ordnungsmäßiger Verwaltung deshalb erst, wenn die Wohnungseigentümer ihren Beurteilungsspielraum
überschreiten, das heißt, wenn es objektiv nicht mehr vertretbar erscheint, dass sie den Verwalter
ungeachtet der gegen ihn sprechenden Umstände bestellen (vgl. zum Ganzen: BGH, Urt. v. 22.06.2012 - V
ZR 190/11 -, juris Rn. 7 f.).
7 b) Nach dieser Maßgabe entsprach die Bestellung der Beigeladenen nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.
8 aa) Zwar steht die Rechtsform der Beigeladenen als haftungsbeschränkter Unternehmergesellschaft ihrer
Wahl zur Verwalterin nicht generell entgegen (vgl. BGH a.a.O. juris Rn. 13 ff.).
9 bb) Die Wohnungseigentümer überschreiten jedoch den ihnen zukommenden Beurteilungsspielraum, wenn
sie ein Unternehmen zum Verwalter bestellen, das nicht über die dazu notwendigen finanziellen Mittel
verfügt und auch keine ausreichenden Sicherheiten stellen kann. Denn ein solches Unternehmen bietet,
unabhängig davon, in welcher Rechtsform es geführt wird, keine hinreichende Gewähr dafür, dass es auf
Dauer einen ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb aufrecht erhalten und seiner Aufgabe als Verwalter
gerecht werden, insbesondere die ihm anvertrauten Gelder der Gemeinschaft getreu verwalten wird. Auch
wäre nicht sichergestellt, dass die Gemeinschaft im Haftungsfall Ersatz erhält. Besteht bei objektiver
Betrachtung begründeter Anlass, die Bonität des als Verwalter vorgesehenen Unternehmens - gleich
welcher Rechtsform - zu prüfen, halten sich die Wohnungseigentümer im Rahmen ihres
Beurteilungsspielraums nur, wenn sie diese Frage klären und ihre Entscheidung über die Bestellung auf
einer Tatsachengrundlage (Unterlagen, Auskünfte, andere Erkenntnisse) treffen, die eine nachhaltig
ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung erwarten lässt (vgl. BGH a.a.O. Rn. 21).
10 Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt. Aus objektiver Sicht zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über
die Verwalterbestellung war davon auszugehen, dass die Beigeladene nach ihrer Entstehung durch
Eintragung in das Handelsregister nicht über die für die Erfüllung von Verwalteraufgaben erforderliche
finanzielle Ausstattung verfügen würde. Auch lagen weitere Tatschen, auf deren Grundlage die
Wohnungseigentümer gleichwohl mit einer beständig ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung rechnen
konnten, nicht vor.
11 (1) Aus objektiver Sicht bestand für die Wohnungseigentümer hinreichender Anlass, an der
Zahlungsfähigkeit und Kreditwürdigkeit der - durch Eintragung in das Handelsregister am 07.10.2014 zur
Entstehung gelangten (§ 11 Abs. 1 GmbHG) - Beigeladenen zu zweifeln. Deren Stammeinlage in Höhe von
800,00 EUR war für sich genommen erkennbar nicht ausreichend, um eine ordnungsgemäße Erfüllung der
oben beschriebenen Verwalteraufgaben und einen Ersatz im Haftungsfall sicherzustellen.
12 (2) Die Wohnungseigentümer konnten bei der Beschlussfassung auch nicht davon ausgehen, dass die
Beigeladene nach ihrer Entstehung über andere eigene Mittel oder Sicherheiten, etwa in Form einer
Bürgschaft, verfügen würde. Entsprechende Tatsachen sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
13 (3) Dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung für die Beigeladene bereits eine Haftpflichtversicherung
abgeschlossen war, vermochte die Kammer nicht festzustellen. Die Deckungszusage der vom 15.01.2015
(Anlage B40, AS I/749), die lediglich einen ab dem 15.09.2014 als vereinbart geltenden Versicherungsschutz
frei von bekannten Schäden bestätigt, belegt dies nicht. Sie lässt vielmehr die Möglichkeit offen, dass nach
dem 02.10.2014 ein rückwirkender Versicherungsschutz abgeschlossen wurde. Dafür sprechen auch die
Angaben der in der Berufungsverhandlung persönlich angehörten Beklagten Ziff. 2. Ein am 02.10.2014
vorliegender Versicherungsschutz ergibt sich ferner, unbeschadet der Frage eines verspäteten Vortrages (§
531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO), nicht aus dem in der Berufungsinstanz vorgelegten Versicherungsschein vom
05.02.2015 (AS II/57 ff.). Schließlich lässt auch die formularmäßige Aussage in § 4 des Verwaltervertrages
(Anlage B17, AS I/443 ff.), der Verwalter habe eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen, den Rückschluss
auf einen gültigen Versicherungsvertrag nicht zu.
14 (4) Hinreichende Tatsachen, auf deren Grundlage sich die Wohnungseigentümer zumindest über eine bei
Aufnahme der Verwaltertätigkeit zum 21.10.2014 bestehende Haftpflichtversicherung Gewissheit
verschaffen konnten, sind ebenfalls nicht zu erkennen. Die Anhörung der Beklagten Ziff. 2 in der
Berufungsverhandlung hat vielmehr ergeben, dass sie zum Zeitpunkt der Eigentümerversammlung lediglich
Angebote mehrerer Versicherer eingeholt hatte und in Verhandlungen mit der stand.
15 (5) Die Berufungsführer können sich auch nicht mit Erfolg auf eine zusätzliche Absicherung der
Wohnungseigentümer durch eine mögliche Handelndenhaftung der Beklagten Ziff. 2 nach § 11 Abs. 2
GmbHG berufen.
16 Zum einen bedarf es keiner Entscheidung, ob die ohnehin nur rechtsgeschäftliches Handeln umfassende
Norm auf ein Tätigwerden im Namen der noch nicht eingetragenen Gesellschaft (Vorgesellschaft)
anzuwenden ist (vgl. Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 11 Rn. 23 f.; Fastrich, in:
Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 11 Rn. 48 f.). Eine Haftung der Beklagten Ziff. 2 auf dieser
Grundlage kam hier schon deshalb nicht in Betracht, weil aufgrund des Bestellungsbeschlusses nicht die
Vorgesellschaft, sondern allein die „...“ ab dem 21.10.2014 vertraglich verpflichtet werden sollte. Bis dahin
haftete die Beklagte Ziff. 2 in ihrer Eigenschaft als Verwalterin der Eigentümergemeinschaft, da ihre Wahl zu
diesem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig für ungültig erklärt worden war.
17 Zum anderen wäre bei Eingehung einer rechtsgeschäftlichen Verpflichtung im Namen der noch nicht zur
Entstehung gelangten Beigeladenen die Haftung der Beklagten Ziff. 2 aus § 11 Abs. 2 GmbHG nicht im Sinne
einer ergänzenden Sicherheit neben die Haftung der später entstandenen Beigeladenen getreten. Vielmehr
wären die aus dem Handeln im Namen der Beigeladenen resultierenden Verbindlichkeiten grundsätzlich mit
der Handelsregistereintragung auf diese übergegangen und die Haftung der Beklagten Ziff. 2 erloschen (vgl.
Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 11 Rn. 33 m.w.N.; Fastrich, a.a.O. § 11 Rn. 53).
18 c) Die Bestellung der Beigeladenen entsprach darüber hinaus nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, weil die
Beklagten Ziff. 1 und 2 ihr Stimmübergewicht rechtsmissbräuchlich eingesetzt haben, um der Beklagten Ziff.
2 als alleiniger Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Beigeladenen maßgeblichen Einfluss in der
Gemeinschaft zu sichern.
19 aa) Wegen der identischen Interessenlage sind vorliegend die für Zweiergemeinschaften entwickelten
Grundsätze anzuwenden. Bei solchen Eigentümergemeinschaften liegt ein wichtiger Grund gegen die
Bestellung eines Wohnungseigentümers und damit ein Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger
Verwaltung vor, wenn bereits im Zeitpunkt der Bestellung Interessengegensätze offenkundig sind und
deshalb von vornherein nicht mit der Begründung eines unbelasteten, für die Tätigkeit des Verwalters aber
erforderlichen Vertrauensverhältnisses zu den anderen Wohnungseigentümern zu rechnen ist (OLG
Düsseldorf, B. v. 28.07.1995 - 3 Wx 210/95 -, juris Rn. 24). In der Rechtsprechung wurden daher unter
anderem solche Beschlüsse beanstandet, in denen ein Mehrheitseigentümer mit seinem Stimmengewicht
gegen den Willen der übrigen Wohnungseigentümer eine ihm nahestehende Person zur Verwalterin bestellt
hat (vgl. BayObLG, B. v. 13.12.2001 - 2Z BR 93/01 -, juris Rn. 24 m.w.N.).
20 bb) Vergleichbar liegt der Fall hier. Die im Februar 2014 mit dem aus Miteigentumsanteilen abgeleiteten
Stimmübergewicht der verheirateten Beklagten Ziff. 1 und 2 durchgesetzte Wahl der Beklagten Ziff. 2 zur
Verwalterin war von der Mehrheit der übrigen Wohnungseigentümer unter anderem wegen eines fehlenden
Vertrauensverhältnisses zwischen den Klägern und der Beklagten Ziff. 2 angefochten und durch - zum
Zeitpunkt der streitgegenständlichen Eigentümerversammlung noch nicht rechtskräftiges - Urteil des
Amtsgerichts Heidelberg vom 04.07.2014 (45 C 24/14) auch aus diesem Grunde für ungültig erklärt worden.
Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten Ziff. 1 und 2 wurde zurückgenommen, nachdem die
Kammer die erstinstanzliche Entscheidung vollumfänglich in ihrem Hinweisbeschluss vom 18.05.2015 (Az.
11 S 89/14) bestätigt hat.
21 Vor diesem Hintergrund ist - bezogen auf die Beschlussfassung am 02.10.2014 - die Annahme gerechtfertigt,
dass ein unbelastetes Vertrauensverhältnis zu der ebenfalls nur mit der Stimmenmehrheit der Beklagten
Ziff. 1 und 2 gewählten Beigeladenen, deren alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin die Beklagte
Ziff. 2 ist, von Anfang an nicht entstehen konnte. Ferner waren Zweifel berechtigt, ob die von der Beklagten
Ziff. 2 beherrschte Beigeladene als neue Verwalterin die notwendige Distanz aufbringen würde, um
unabhängiger Sachwalter der gesamten Gemeinschaft zu sein. Auf die zwischen den Parteien streitige Frage
der fachlichen Eignung der Beklagten Ziff. 2 kommt es insoweit nicht an, da es bereits an dem notwendigen
Vertrauensverhältnis fehlte.
22 d) Im Übrigen hätten die Wohnungseigentümer grundsätzlich in derselben Eigentümerversammlung, in der
die Bestellung der Beigeladenen zur Verwalterin erfolgte, auch die Eckpunkte des abzuschließenden
Verwaltervertrags (Laufzeit und Vergütung) in wesentlichen Umrissen regeln müssen (vgl. BGH, Urt. v.
27.02.2015 - V ZR 114/14 -, juris Rn. 9). Im Ergebnis kommt es auf diesen Mangel und seine rechtzeitige
Rüge nach Maßgabe des § 46 Abs. 1 WEG jedoch nicht mehr an, da der Beschluss zu TOP 1 bereits aus
anderem Grunde für ungültig zu erklären ist.
23 Ebenso kann offen bleiben, inwieweit die Wahl einer mangels Eintragung in das Handelsregister gemäß § 11
Abs. 1 GmbHG noch nicht zur Entstehung gelangten Gesellschaft die Anfechtbarkeit des
Bestellungsbeschlusses begründen kann. Zur Nichtigkeit des Beschlusses führt dieser Umstand, auch unter
Berücksichtigung der von den Klägern angeführten Rechtsprechung (OLG Frankfurt, B.v. 17.04.2008 - 20 W
13/07 -, juris), hier jedenfalls nicht. Die Wohnungseigentümer haben zum 21.10.2014 die „ “, mithin die
durch Eintragung im Handelsregister zur Entstehung gelangte juristische Person, zur Verwalterin bestellt.
Diese Regelung ist weder von vornherein undurchführbar noch verstößt sie gegen unverzichtbare
Rechtsvorschriften. Sie steht lediglich unter der - grundsätzlich zulässigen (vgl. Bassenge, in: Palandt, BGB,
75. Aufl. 2016, § 26 WEG Rn. 3 m.w.N.) - Bedingung, dass die gewählte Gesellschaft durch Eintragung in
das Handelsregister als solche entsteht und ihre interne Wahl im Außenverhältnis durch Zugang der
Bestellungserklärung und deren Annahme wirksam wird (vgl. Bassenge a.a.O; Merle/Becker, in: Bärmann,
WEG, 13. Aufl. 2015, § 26 Rn. 28).
24 2. Den auf der Verwalterbestellung aufbauenden Beschluss zu TOP 2 (Wahl des/r Bevollmächtigten) für den
Vertragsabschluss mit der Hausverwaltung) hat das Amtsgericht ebenfalls zutreffend aufgrund des
zwingenden Zusammenhanges zu TOP 1 für ungültig erklärt.
25 Die Berufung war mithin insgesamt zurückzuweisen.
26 3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für die
Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) liegen nicht vor.
27 Tauscher
Suchecki Gertler
Vorsitzender Richter
am Landgericht
Richterin
Richterin
am Landgericht