Urteil des LG Karlsruhe vom 30.09.2003

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LG Karlsruhe Urteil vom 30.9.2003, 3 O 608/02
Anspruch einer geschiedenen Ehefrau gegen die ehemalige Schwiegermutter auf Rückzahlung von Aufwendungen für einen Hausanbau
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages.
4. Der Streitwert wird auf EUR 23.593,06 festgesetzt.
Tatbestand
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Die Klägerin verlangt von der Beklagten Rückzahlung von Aufwendungen für einen Anbau an das Haus der Beklagten.
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Die Beklagte, mit deren Sohn D. K. die Klägerin vom 09.05.19…. bis zum 09.04.20.. verheiratet war, ist Eigentümerin eines Hausanwesens in P.
Während der Ehezeit errichtete die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann im Einverständnis mit der Beklagten einen Anbau an dieses
Anwesen. Es handelte sich um eine Eigentumswohnung mit ca. 90 m² Wohnfläche. Für dieses Vorhaben nahmen die Klägerin und ihr Ehemann
ein gesamtschuldnerisches Finanzierungsdarlehen in Höhe von DM 235.000,00 auf; nach dem Scheitern der Ehe erfolgte bezüglich dieses
Darlehens eine vollständige Enthaftung der Klägerin. Am 28.12.1999 schlossen die Parteien und D. K. folgende Vereinbarung:
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„Hiermit räume ich, U. K., D. und M. K. das Nutzungsrecht für den angefertigten Anbau ein.
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Somit sind die genannten Personen wirtschaftlich berechtigt und Eigentümer des bezeichneten Grundstücks.
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Dieses Recht ist vererbbar.“
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Diese Vereinbarung diente als Anlage für die steuerliche Veranlagung von D. und M. K. für das Jahr 1999. Die Klägerin erbrachte im Zeitraum
von Juni 1998 bis September 2000 von einem auf ihren Namen laufenden Konto bei der Volksbank P. Zahlungen in Höhe von insgesamt
16.905,37 EUR auf einen Bausparvertrag ihres Ehemannes bei der B.-Bank zur Vertragsnummer …… . Dieser Bausparvertrag diente zur Tilgung
des für den Anbau benötigten und auf diesen verwendeten von den Eheleuten gemeinsam aufgenommenen Hypothekendarlehen. Des Weiteren
zahlte die Klägerin am 11.10.2000 von Mitteln ihres Sparkontos DM 19.200,00 auf das Sparkonto Nr. …… ihres Ehemannes. Nach Trennung und
Scheidung der Eheleute ist die Klägerin mittlerweile aus der streitgegenständlichen Eigentumswohnung ausgezogen. Sie wohnte insgesamt 17
Monate in der Wohnung. Der marktübliche Mietzins beträgt für die Wohnung 740,00 DM pro Monat. Der geschiedene Ehemann der Klägerin, D.
K., wohnt noch in der Eigentumswohnung.
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Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin nunmehr von der Beklagten die auf den Bausparvertrag und das Sparkonto ihres Ehemannes einbezahlten
Beträge abzüglich eines Betrages von DM 6.120,00 für von ihr gezogene Nutzungen an der Eigentumswohnung.
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Die Klägerin trägt vor, ihre Zahlungen auf den Bausparvertrag sowie auf das Sparkonto ihres Ehemannes seien vollständig zur Tilgung des
gemeinsamen Darlehens für den Anbau aufgewendet worden. Sie habe diese Leistung nur mit Rücksicht auf den Bestand der Ehe und das
vereinbarte lebenslange Wohnrecht, welches durch die Trennung und Scheidung mittlerweile gegenstandslos geworden sei, erbracht. Um diese
Geldleistungen abzüglich eines Betrages in Höhe von 6.120,00 DM für aus der Wohnung gezogene Nutzungen sei die Beklagte ihrer Meinung
nach ungerechtfertigt bereichert. Das Anwesen der Beklagten habe durch den Anbau eine erhebliche Wertsteigerung erhalten, die den
Klagebetrag mindestens um das Doppelte übersteige. Im Übrigen sei durch die Trennung und Scheidung die Geschäftsgrundlage für die mit der
Beklagten bestehenden Vereinbarungen weggefallen, was ebenfalls zu einem Rückzahlungsanspruch in der geltend gemachten Höhe führe. Mit
der Erfüllung dieser Forderung befinde sich die Beklagte spätestens seit 05.07.2002 in Verzug.
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Die Klägerin beantragt,
10 die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 23.593,06 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 05.07.2002 zu bezahlen.
11 Die Beklagte beantragt,
12 die Klage abzuweisen.
13 Sie trägt vor, die Klägerin könne ihr Wohnrecht nach wie vor ausüben; sie sei aus freien Stücken aus der Wohnung ausgezogen. Die vom Konto
der Klägerin zugunsten der B.-Bausparkasse erbrachten Zahlungen seien wirtschaftlich nicht alleine der Klägerin zuzurechnen, da es sich bei
dem Konto-Nr. …. bei der Volksbank P., welches auf den Namen der Klägerin läuft, lediglich um ein Transferkonto für die an die B. zu
erbringenden Ratenzahlungen gehandelt habe. Hinsichtlich der von der Klägerin an D. K. geleisteten Zahlung in Höhe von 19.200,00 DM am
11.10.2000 bestreitet die Beklagte mit Nichtwissen, dass diese Summe zur Tilgung für den Anbau aufgewendet worden sei. Für die von der
Klägerin geforderte Zahlung gebe es im Übrigen keine Anspruchsgrundlage. So seien etwaige Zahlungen nicht ohne Rechtsgrund erbracht
worden; causa für die Zahlungen sei ein mit der Beklagten bestehendes Leihverhältnis hinsichtlich der Stellung von Wohnraum. Auf einen
Wegfall der Geschäftsgrundlage könne sich die Klägerin bereits deshalb nicht berufen, da die Beklagte das Risiko des Scheiterns der Ehe und
eine hieraus für sie resultierende Kostentragungspflicht keinesfalls habe übernehmen wollen, was für die Klägerin auch erkennbar gewesen sei.
14 Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und Urkunden Bezug
genommen.
15 Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss der Kammer vom 30.06.2003 gemäß § 348 a ZPO auf den Einzelrichter übertragen.
Entscheidungsgründe
16 Die zulässige Klage ist unbegründet.
17 Der Klägerin steht weder ein vertraglicher Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen zu, noch folgt ein solcher aus den Grundsätzen der
Geschäftsführung ohne Auftrag, einem Eigentümer-Besitzerverhältnis, dem Wegfall der Geschäftsgrundlage oder aus ungerechtfertigter
Bereicherung.
18 Da die Klägerin nicht vorgetragen hat, dass sie von Anfang an die Absicht hatte, von der Beklagten Ersatz für ihre Aufwendungen für den Anbau
am Anwesen der Beklagten zu verlangen, scheitert ein etwaiger vertraglicher Anspruch aus einem Leihverhältnis zwischen Klägerin und
Beklagter, als welches die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung der Räume qualifiziert werden könnte, bereits an § 685 BGB. Nach dieser
Norm, die gemäß § 601 Abs. 2 BGB auf eine etwaige Verpflichtung des Verleihers zum Erwerb anderer als gewöhnlicher Kosten der Erhaltung
der geliehenen Sache anwendbar wäre, steht einem Geschäftsführer ein Anspruch nicht zu, wenn er nicht die Absicht hatte, von dem
Geschäftsherrn Ersatz zu verlangen. Aus dem gleichen Grund scheitert ein Anspruch aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag im mutmaßlichen
Willen der Beklagten. Auch hierauf ist § 685 BGB anwendbar. Ob es sich für die Klägerin im Ergebnis um ein objektiv fremdes Geschäft oder um
ein „auch fremdes“ Geschäfts gehandelt hat, bedarf daher keiner Entscheidung. Ein ausdrücklicher Auftrag der Beklagten an die Klägerin zum
Ausbau ihres Hausanwesens ist dem Vortrag der Klägerin nicht zu entnehmen, so dass ein Aufwendungsersatz auch nicht aus § 670 BGB
abgeleitet werden kann.
19 Der geltend gemachte Anspruch steht der Klägerin auch nicht nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu.
20 Zwar kann im Einzelfall auch eine gemeinsame Vorstellung vom Fortbestand einer Ehe als Geschäftsgrundlage anzusehen sein (vgl. BGHZ 82,
227 (236); BGH, Urteil vom 10.10.1984 - VIII ZR 152/83 -, NJW 1985, 313). Allerdings ist hier die Besonderheit zu beachten, dass es nicht um
Zuwendungen unter Eheleuten untereinander geht, sondern um Zuwendungen an eine ehefremde Person. Solchen Außenstehenden
gegenüber können die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nur dann angewendet werden, wenn diese das Risiko für den
Wegfall der Geschäftsgrundlage ausdrücklich haben übernehmen wollen, bzw. wenn sie sich nach Treu und Glauben auf eine solche Bedingung
hätten einlassen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.1984, - VIII ZR 152/83, NJW 1985, 313). Dass die Beklagte nicht nur auf jegliche
Nutzungsentschädigung für den zur Verfügung gestellten Wohnraum verzichten wollte, sondern darüber hinaus noch das Verwendungsrisiko
des Ausbaus hätte übernehmen wollen, lässt sich weder dem Vorbringen der Klägerin, noch den Umständen des Falles entnehmen.
21 Der Klägerin steht auch weder aus §§ 946, 951, noch aus § 812 Abs. 1 S. 2 BGB ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu.
22 Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. BGB scheitert bereits daran, dass der von der Klägerin beabsichtigte Zweck, eine gemeinsame
Ehewohnung zu schaffen, erreicht wurde und auch durch ihren Auszug nicht weggefallen ist. Ihr früherer Ehemann, der Sohn der Beklagten,
wohnt nach wie vor in der streitgegenständlichen Wohnung. Da ein etwaiges Leihverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten auch nach
dem Auszug der Klägerin fortbesteht - insoweit dürfte ein unteilbares Leihverhältnis vorliegen, welches auch nicht durch eine Kündigung
erloschen ist, da kein Kündigungsgrund im Sinne von § 605 BGB und auch kein wichtiger Grund gemäß § 242 BGB vorliegt, scheidet auch die
Anwendung von § 812 Abs. 1 S. 2, 1. Alt. BGB aus. Die Verwendungen der Klägerin wurden in der Erwartung vorgenommen, mit dem Ausbau der
Wohnung auf Dauer zur Nutzung dieser in der Lage zu sein. Da es sich bei § 951 BGB um eine Rechtsgrundverweisung handelt, lässt sich ein
Anspruch der Klägerin auch nicht mit einer Entschädigung für Rechtsverlust begründen. Im Übrigen hat die Klägerin nichts zu einem Einbau von
ihr gekauften Materialien vorgetragen, so dass § 951 BGB auch von übrigen Voraussetzungen her nicht einschlägig ist.
23 Ein Anspruch aus § 996 BGB aus einem Eigentümer/Besitzerverhältnis scheitert daran, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Aufwendungen
durch einen Leihvertrag berechtigte Besitzerin war.
24 Da mithin keine Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch existiert, war die Klage bereits aus diesem Grunde
abzuweisen, ohne dass es weiterer Feststellungen bedurft hätte, ob die von der Klägerin behaupteten Aufwendungen tatsächlich von dieser
stammen und ausschließlich auf den Anbau verwendet wurden, was von der Beklagten bestritten wurde.
25 Die Klage war daher vollumfänglich abzuweisen.
26 Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen und damit verspäteten Schriftsätze des Klägervertreters vom 02.09.2003 sowie
des Beklagtenvertreters vom 10.09.2003 haben keine Veranlassung gegeben, die mündliche Verhandlung gemäß § 156 ZPO wiederzueröffnen.
Zwingende Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 156 Abs. 2 ZPO sind diesen Schriftsätzen nicht zu entnehmen; Gründe, die mündliche
Verhandlung fakultativ gemäß § 156 Abs. 1 ZPO wiederzueröffnen, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Soweit die Schriftsätze neues tatsächliches
Vorbringen enthalten, war dies nicht mehr zu berücksichtigen.
27 Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
28 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.
29 Der Streitwert war gemäß § 25 Abs. 2 GKG festzusetzen.