Urteil des LG Karlsruhe vom 04.01.2005

LG Karlsruhe: agb, ablauf der frist, anschlussberufung, cisg, gemälde, auktion, versteigerung, internet, beweiswürdigung, vertreter

LG Karlsruhe Urteil vom 4.1.2005, 5 S 161/04
Schadenersatz bei Verkehrsunfall: Mietwagenkostenersatz trotz Nichtanschaffung eines Ersatzfahrzeuges; Berechnung ersparter
Eigenkosten
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Pforzheim vom 29.07.2004 - Az. 9 C 233/03 - wird zurückgewiesen.
II. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Pforzheim vom 29.07.2004 - Az. 9 C 233/03 - im Kostenpunkt aufgehoben
und im Übrigen wie folgt neu gefasst:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.445,16 EUR nebst Zinsen in Höhe von acht Prozent über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 10.09.2003 aus 3.437,16 EUR zu bezahlen Zug um Zug gegen Herausgabe des Ölgemäldes "Drei ältere
Herren beim Kartenspiel in einer Gaststube, Wein auf dem Tisch" in den Maßen 79 cm breit und 57 cm hoch.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die weitergehende Anschlussberufung wird zurückgewiesen.
IV. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1
(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 Abs. 1 Satz 1 ZPO)
2
Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die zulässige Anschlussberufung des Beklagten ist überwiegend
begründet.
I.
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Berufung und Anschlussberufung sind zulässig. Soweit der Kläger mit der Anschlussberufung seinen erstinstanzlich geltend gemachten
Anspruch auf eine Unkostenpauschale in Höhe von 50,00 EUR weiter verfolgt, bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage.
Insoweit gilt Folgendes:
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Da das Amtsgericht versehentlich diesen Teil des Klageanspruchs übergangen hat, oblag es dem Kläger, Urteilsberichtigung gemäß § 321
ZPO zu beantragen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 321 Rn. 3). Das Amtsgericht hat zwar nach der Urteilsformel die Klage insoweit
abgewiesen, ausweislich der Entscheidungsgründe den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz der Unkostenpauschale von 50,00 EUR
jedoch nicht verschieden. Da die zweiwöchige Frist gemäß § 321 Abs. 2 ZPO abgelaufen war - das Urteil ist dem Kläger am 03.08.2004
zugestellt (I/237), die Begründung der Anschlussberufung kam ein am 12.10.2004 (II/47) - oblag es ihm grundsätzlich, den übergangenen
Anspruch in einem neuen Prozess geltend zu machen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 321 Rn. 8). Ansprüche, über die das
angefochtene Urteil nicht entschieden hat, fallen in der Berufungsinstanz grundsätzlich nicht an. Entscheidet ein Gericht über Anträge ganz
oder teilweise nicht, stellt die gefällte Entscheidung eine Teilentscheidung dar. Diese ist jedoch inhaltlich nicht falsch, so dass wegen des
übergangenen Anspruches grundsätzlich kein Rechtsmittel gegeben ist (BGH, NJW 1991, 1683, 1684; BAG, NJW 1994, 1428, 1429; OLG
Zweibrücken, OLGR Zweibrücken 2000, 156). Etwas anderes könnte sich nur dann ergeben, wenn in dem landgerichtlichen Urteil ein
prozessrechtlich unzulässiges (verdecktes) Teilurteil gesehen werden könnte. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass in derartigen Fällen
das Berufungsgericht den in erster Instanz verbliebenen Teil an sich ziehen kann (BGH, GRUR 2001, 755, 757). Das Urteil des Amtsgerichts
lässt jedoch nicht erkennen, dass bewusst nur über einen Teil des Streitstoffs entschieden und eine Entscheidung über den Hilfsantrag
zurückgestellt werden sollte. Da der übergangene prozessuale Anspruch mit Ablauf der Frist des § 321 Abs. 2 ZPO nicht mehr rechtshängig
war, kann über ihn im Berufungsrechtszug jedoch dann ausnahmsweise entschieden werden, wenn ihn der Kläger im Rahmen eines
selbstständigen Rechtsmittels oder - wie hier - einer Anschlussberufung durch Klageerweiterung in zulässiger Weise erneut in den Prozess
einführt (BGH, NJW 1991, 1683, 1684; GRUR 2001, 755, 757; OLG Braunschweig, OLGR Braunschweig 1998, 331, 332). Der Kläger hat,
nachdem die Rechtshängigkeit hinsichtlich des Anspruchs auf die Unkostenpauschale infolge Ablaufs der Frist des § 321 Abs. 2 ZPO
entfallen war, die Klage in der Berufung wieder erweitert, § 533 ZPO. Dies ist sachdienlich und kann auf Tatsachen gestützt werden, die das
Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 Zugrundezulegen hat. Die Zulassung ist
insbesondere geeignet, den Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits auszuräumen und weiteren Rechtsstreitigkeiten
vorzubeugen.
II.
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Die Klage ist überwiegend begründet.
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Auf die Rechtsbeziehungen der Parteien findet das nationale deutsche Recht Anwendung unter Ausschluss der Regelungen des UN-
Kaufrechts (CISG). Die Parteien haben die Anwendung deutschen Rechts vereinbart, Art. 27 Abs. 1 EGBGB. Im Übrigen wäre nach Artikel 28
Abs. 1, Abs. 2 nationales deutsches Recht anwendbar. Österreich und Deutschland sind zwar Vertragsstaaten des CISG (Art. 1 Abs. 1 CISG),
das Übereinkommen findet jedoch gemäß Art. 2b CISG auf den Kauf bei Versteigerungen keine Anwendung und die Parteien haben seine
Geltung im Übrigen gemäß Art. 6 CISG wirksam in der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2004 ausgeschlossen (AS 93).
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Gemäß Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB ist das BGB in der ab dem 01.01.2002 geltenden Fassung anzuwenden.
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1. Der Kläger hat gemäß §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2, 323 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises für das im Tenor näher
bezeichnete Gemälde.
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a) Der Kläger ist Käufer, der Beklagte Verkäufer des Bildes. Allerdings ist ein Auktionator, der in seinen dem Erwerber bekannten
Auktionsbedingungen darauf hinweist, dass die Versteigerung im Namen und für Rechnung des Einlieferers erfolgt, lediglich Vertreter
des Verkäufers, Verkäufer ist der Einlieferer. Der Auktionator macht in diesem Fall in einer dem Offenheitsgrundsatz der Stellvertretung
Rechnung tragenden Weise deutlich, dass er nicht als Kommissionär im eigenen Namen, sondern als Vertreter im Namen seines
Auftraggebers bei der privatrechtlichen Versteigerung mit dem jeweiligen Ersteher einen Kaufvertrag schließen will (OLG Köln, OLGR
Köln 2001, 265; vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1993, 1522, 1523; OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.11.1989, Az.: 10 O 79/89). Nach Ziff. 1
der AGB des Beklagten versteigert er die zur Versteigerung kommenden Gegenstände als Agent im Namen und für Rechnung der
Einlieferer, die in der Auktion unbenannt bleiben. Er ist als Agent tätig und macht aufgrund entsprechender Ermächtigung alle Rechte
des Einlieferers aus dem Zuschlag in dessen Namen geltend. Die AGB sind jedoch entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht
wirksam in das Vertragsverhältnis der Parteien einbezogen. Allerdings genügt für die Einbeziehung von AGB zwischen - wie hier -
Unternehmern - in dem Vertrag jede, auch stillschweigend erklärte Willensübereinstimmung. Die Erfordernisse des § 305 Abs. 2 und 3
BGB brauchen nicht erfüllt zu sein. Auch im Verkehr zwischen Unternehmern gelten AGB aber nur dann, wenn sie durch
rechtsgeschäftliche Einbeziehung Vertragsbestandteil geworden sind. Von einer Einbeziehung ist nicht bereits dann auszugehen, wenn
der Kunde vom Vorhandensein der AGB wusste oder bei Anwendung gehöriger Sorgfalt hätte wissen müssen und wenn für ihn
erkennbar war, dass der Unternehmer den Vertrag nur unter Einbeziehung seiner AGB abschließen wollte (Palandt/Heinrichs, BGB, 64.
Aufl., § 310 Rn. 4; § 305 Rn. 50, 25 m. w. N.). Die Parteien sind Unternehmer im Sinne von §§ 310 Abs. 1, 14 Abs. 1 BGB, denn sie
haben bei Abschluss des Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit gehandelt. Entscheidend ist, ob sich die
vertragliche Einigung der Parteien auch auf die Einbeziehung der AGB erstreckt. Das ist nach der maßgeblichen Auslegung nach dem
Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 157 BGB, 346 HGB im vorliegenden Einzelfall zu verneinen. Der Kläger hat sich zwar vor der
telefonischen Teilnahme an der Auktion, bei der ihm der Zuschlag erteilt wurde, den Online-Katalog des Beklagten im Internet
angeschaut und im Internet wird auf die Geltung der AGB des Beklagten ausdrücklich hingewiesen. Beim interaktiven Shopping wie
etwa im Internet bestehen grundsätzlich keine Bedenken gegen die Einbeziehung der AGB, wenn der Kunde interaktiv seine
Willenserklärung per E-Mail oder mittels vorformulierter Auftragserklärung auf einer Web-Site des Verwenders übermittelt (vgl. Koehler,
MMR 1998, 289, 291, 292; Horn, MMR 2002, 209, 210, 211). Eine solche Fallgestaltung liegt jedoch nicht vor. Der Beklagte hat erst zu
einem späteren Zeitpunkt telefonisch an der Auktion teilgenommen. In solchen Fällen ist es zwar unproblematisch, wenn dem Kunden
bei Aufgabe der Bestellung die in Prospekten, Preislisten u. a. wiedergegebenen AGB des Verwenders in gedruckter Form vorliegen
(Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, § 2 Rn. 49). Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall, vielmehr hatte der Beklagte lediglich zuvor die
Möglichkeit gehabt, Kenntnis von den AGB zu nehmen. Diese bloße Möglichkeit genügt bei einem erst später erfolgten telefonischen
Vertragsschluss nicht. Der Beklagte geht in Ziff. 6 seiner AGB selbst davon aus, dass der Bieter vor der Auktion durch seine
Unterschriftsleistung die Versteigerungsbedingungen schriftlich anzuerkennen hat. Der Beklagte konnte unter diesen Umständen ohne
weiteren Hinweis auf seine AGB nicht von einem Einverständnis des Klägers in deren Einbeziehung ausgehen. Die Stellvertretung war
danach für den Kläger nicht offenkundig. Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel
des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht, § 164 Abs. 2 BGB. Es ist danach unmittelbar zwischen den Parteien ein
Kaufvertrag über das streitige Bild gemäß § 433 BGB zustandegekommen.
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b) Das Bild weist einen Sachmangel im Sinne von §§ 437, 434 Abs. 1 BGB auf. Die Unechtheit eines Kunstwerks stellt regelmäßig - wie
auch hier - einen Sachmangel dar (OLG Hamm, NJW 1994, 1997, OLG Zweibrücken, NJW 1998, 1409, 1411 jeweils m. w. N.). Zu Recht
und mit zutreffender Begründung ist das Amtsgericht nach Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, das Bild stamme nicht von dem
Maler Kern. Die Angriffe des Beklagten gegen die amtsgerichtliche Beweiswürdigung greifen nicht durch. Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO
hat das Berufungsgericht vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellte Tatsachen seiner Verhandlungen seiner Entscheidung
zugrundezulegen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen
Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Das Berufungsgericht hat regelmäßig die tatsächlichen
Grundlagen und deren Wertung durch das zunächst tätig gewordene Gericht nur noch darauf zu überprüfen, ob die Begründung der
erstinstanzlichen Entscheidung die Denkgesetze, Erfahrungsgrundsätze und die Verfahrensvorschriften beachtet (OLG Saarbrücken,
NJW, RR 2003, 139; KG, MDR 2004, 533). Danach ist die amtsgerichtliche Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht hat
nach einer verfahrensrechtlich nicht zu beanstandenden Beweisaufnahme im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung gemäß § 286
Abs. 1 ZPO nachvollziehbar begründet, wie und warum es zu der Überzeugung gelangt ist, der Maler Hermann Kern habe das Bild nicht
gemalt. Der Sachverständige ... hat - insbesondere bei seiner Anhörung vor dem Amtsgericht - nachvollziehbar und überzeugend
ausgeführt, dass an der Unterschrift deutlich erkennbar sei, dass ein anderer Maler das Bild gemalt habe und das verkaufte Gemälde
definitiv nicht von dem Maler Kern sei. Bereits in seinem schriftlichen Gutachten vom 17.05.2004 ist der Sachverständige aufgrund der
Signatur und der Qualität der Malerei zu dem Ergebnis gelangt, dass das Gemälde dem Maler Hermann Kern nicht zuzuschreiben ist.
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist auch nicht ersichtlich, dass der Sachverständige seinen Schluss ohne ausreichendes
Vergleichsmaterial hinsichtlich der Signatur gezogen hat. Er verfügte über eine gesicherte Signatur. Der Beklagte zeigt auch in der
Berufung keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür auf, dass diese Signatur nicht hinreichend gesichert ist. Sie stimmt vielmehr mit der
in dem vom Kläger vorgelegten Nachschlagewerk (K 17, I/219) abgebildeten überein.
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c) Der Beklagte kann sich nicht auf den in Ziff. 2 und 3 seiner AGB enthaltene Haftungsausschluss berufen, denn diese sind nach dem
oben Gesagten entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht in das Schuldverhältnis der Parteien einbezogen.
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d) Der Provisionsanspruch des Beklagten bleibt nicht gemäß Ziff. 2 seiner AGB bestehen. Auf die Anschlussberufung des Klägers ist in
der vom Amtsgericht in Abzug gebrachte Betrag in Höhe von 552,16 EUR zuzusprechen. Die AGB des Beklagten sind nach dem oben
Gesagten nicht wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen.
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2. Im Übrigen folgt der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Kaufpreises aus einem Anerkenntnis des Beklagten gemäß § 781 BGB in
seinem Schreiben vom 14.10.2003 (K 12, I/45). Der Beklagte hat in diesem Schreiben selbst ausgeführt, er werde das Geld an den Kläger
zurückzahlen, wenn dieser eine qualifizierte Aussage (Gutachten) eines Sachverständigen vorlegt, in dem das Gemälde nicht als Werk von
H. Kern belegt wird. Die in diesem Anerkenntnis enthaltene Bedingung ist eingetreten, denn nach den überzeugenden und
nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. F handelt es sich nicht um ein Bild des Malers Hermann Kern.
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3. Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz pauschaler Unkosten in Höhe von 20,00 EUR, § 287 ZPO. Hinsichtlich der darüber hinaus im Wege
der zusätzlichen Klageerweiterung der Berufungsinstanz geltend gemachten 30,00 EUR war die Klage abzuweisen.
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4. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr.
10, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO liegen nicht vor.
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Beschluss
18
Der Streitwert für die Berufung wird gemäß § 63 Abs. 2 GKG auf 3.467,16 EUR festgesetzt.