Urteil des LG Karlsruhe vom 21.07.2006

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LG Karlsruhe Urteil vom 21.7.2006, 6 O 267/05
Zusatzversorgung im Öffentlichen Dienst: Erstreckung des Pensionistenprivilegs im Fall des
Versorgungsausgleichs auf die Hinterbliebenenversorgung
Leitsätze
§ 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG, nach welchem in bestimmten Ausnahmefällen beim Versorgungsausgleich eine
Kürzung der Versorgung zu unterbleiben hat (sog. Pensionistenprivileg), ist zwar auf die von der VBL gewährte
Zusatzversorgung anwendbar, erstreckt sich dagegen nicht auf die Hinterbliebenenversorgung.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110
% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen die Kürzung ihrer Hinterbliebenenrente durch die beklagte Versorgungsanstalt
nach Abänderung einer Entscheidung über den Versorgungsausgleich.
2
Die Klägerin ist die Witwe des am 11.12.1989 verstorbenen A.. Dieser war bei der beklagten
Versorgungsanstalt pflichtversichert. Seit dem 01.01.1990 bezieht die Klägerin von der Beklagten eine
Versorgungsrente für Witwen.
3
Der verstorbene Ehemann der Klägerin war zuvor mit B. verheiratet. Die Ehe wurde 1983 geschieden. Mit
Beschluss vom 10.10.1983 begründete das Amtsgericht Z. im Rahmen der Entscheidung über den
Versorgungsausgleich zu Lasten der Versorgungsanrechte des A. bei der Beklagten für B. bei der
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin monatliche Rentenanwartschaften von 10,77 DM,
bezogen auf den 31.01.1981.
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Auf Antrag der Beklagten vom Juni 1990 änderte das Amtsgericht Z. mit Beschluss vom 19.07.1991 die
Erstentscheidung über den Versorgungsausgleich zwischen dem verstorbenen Ehemann der Klägerin und
dessen geschiedener Ehefrau nach § 10a VAHRG dahingehend ab, dass zu Lasten der Versorgungsanrechte
des verstorbenen A. bei der Beklagten für B. bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin
monatliche Rentenanwartschaften von 193,06 DM, bezogen auf den 31.01.1981, begründet wurden.
5
Mit Schreiben vom 02.10.1991 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Witwenrente der Klägerin aufgrund
der Abänderung des Versorgungsausgleichs rückwirkend zum 01.06.1990 gekürzt werde, und forderte die
Klägerin gleichzeitig zur Rückzahlung überzahlter Beträge auf.
6
Die geschiedene Ehefrau des verstorbenen Ehemannes der Klägerin bezieht seit dem 01.10.2003 eine Rente
aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
7
Die Klägerin hält die Kürzung ihrer Witwenrente im Zeitraum vom 01.06.1990 bis zum 30.09.2003 für
rechtswidrig. Sie ist der Auffassung, dass eine Kürzung so lange nicht hätte erfolgen dürfen, wie die
geschiedene Ehefrau ihres verstorbenen Mannes noch keine gesetzliche Rente bezog. Dies folge insbesondere
aus § 101 Abs. 3 SGB VI.
8
Die Klägerin beantragt daher
9
1. festzustellen, dass die Beklagte die Rente der Klägerin zu Unrecht zum 01.06.1990 gekürzt hat;
10 2. festzustellen, dass die Klägerin einen Anspruch auf Nachzahlung von zu Unrecht gekürzten
Rentenzahlungen für den Zeitraum vom 01.06.1990 bis 30.09.2003 hat.
11 Die Beklagte beantragt,
12 die Klage abzuweisen.
13 Sie hält die Kürzung für rechtsmäßig. Das sogenannte Rentner- bzw. Pensionistenprivileg könne auf die
Witwenrente der Klägerin keine Anwendung finden. Dies entspreche auch der Praxis im
Beamtenversorgungsrecht.
14 Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.07.2006 Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
15 Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
16 Die Klägerin hat die Klagefristen nach § 61 Abs. 3 VBLS a.F. (3 Monate) und nach § 46 Abs. 3 VBLS n.F. (6
Monate) versäumt, wodurch die Beklagte von einer etwaigen Pflicht zur Änderung der angegriffenen
Entscheidung frei geworden ist.
17 Nach der Rechtsprechung der Kammer (vgl. zuletzt Urteil vom 16.05.2006, Az.: 6 O 234/05) hindert der Ablauf
der Klagefrist nach Zugang einer Mitteilung der Beklagten zwar lediglich die Klage gegen diese Mitteilung.
Wenn später eine andere Mitteilung ergeht, die auf der vorangegangenen aufbaut, kann somit die neue
Mitteilung grundsätzlich in allen Punkten angegriffen werden. Hierfür gilt dann aber wiederum die Klagefrist.
18 Die vorliegende Klage richtet sich gegen die Mitteilung der Beklagten vom 02.10.1991, mit der der Klägerin die
Kürzung ihrer Witwenrente bekannt gegeben wurde. Hinsichtlich dieser Mitteilung ist die Klagefrist seit langem
verstrichen. Zwar gab es sicherlich Rentenanpassungsmitteilungen, die nach der Mitteilung vom 02.10.1991
ergangen sind und auf dieser aufbauen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die geschiedene Ehefrau des
verstorbenen Ehemannes der Klägerin seit dem 01.10.2003 selbst eine Rente aus der gesetzlichen
Rentenversicherung bezieht. Von diesem Zeitpunkt an kann gegen die Kürzung der Witwenrente der Klägerin
auch nach deren eigener Auffassung nichts eingewandt werden, so dass die letzte mit der Argumentation der
Klägerin angreifbare Rentenmitteilung vor dem 01.10.2003 ergangen sein muss. Nachdem aber die Klage im
vorliegenden Verfahren erst am 07.07.2005 bei Gericht eingegangen ist, war auch insoweit die Klagefrist des §
46 Abs. 3 VBLS n.F. verstrichen.
19 Im übrigen ist das Begehren der Klägerin auch in der Sache nicht begründet. Das sogenannte Rentnerprivileg
des § 101 Abs. 3 SGB VI findet auf die von der Beklagten gewährte Versorgungsrente, bei der es sich nicht
um eine gesetzliche Rente handelt, keine Anwendung. Die auf die von der Beklagten gewährte
Zusatzversorgung anwendbare Vorschrift des § 1 Abs. 3 VAHRG verweist vielmehr unmissverständlich auf die
für die Beamtenversorgung maßgeblichen Vorschriften, zu denen § 57 Abs. 1 BeamtVG gehört (vgl. BGH,
NJW 1995, 657). Die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG, nach welchem in bestimmten
Ausnahmefällen eine Kürzung der Versorgung zu unterbleiben hat (sog. Pensionistenprivileg), sind jedoch im
vorliegenden Fall nicht erfüllt. Zwar ist § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG auf die von der Beklagten gewährte
Zusatzversorgung anwendbar. Die genannte Vorschrift bezieht sich aber nur auf das Ruhegehalt des Beamten
selbst bzw. im Fall der Anwendung auf eine öffentlich-rechtliche Zusatzversorgung auf die Versorgung des
ehemals Pflichtversicherten selbst. Auf die Hinterbliebenenversorgung erstreckt sich § 57 Abs. 1 Satz 2
BeamtVG dagegen nicht. Eine solche Erstreckung ist auch nicht kraft Verfassungsrechts geboten. Insoweit
wird auf die Ausführungen im Urteil der Kammer vom 09.02.1996, Az.: 6 S 9/95 verwiesen.
20 Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
21 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.