Urteil des LG Kaiserslautern vom 19.05.2006

LG Kaiserslautern: stationäre behandlung, unterbrechung der verjährung, schmerzensgeld, körperliche ertüchtigung, ärztliche behandlung, minderung, operation, haushalt, verkehrsunfall, behinderung

Verkehrsrecht
LG
Kaiserslautern
19.05.2006
2 O 333/01
Zur Frage der "Kenntnis" als Beginn der Verjährung nach § 852 BGB a.F.; Muss einem zum Unfallzeitpunkt
22jährigen Geschädigten etwa 7 Jahre nach dem Verkehrsunfall eine Herzklappe eingesetzt werden,
rechtfertigt dies ein Schmerzensgeld von 20.000,00 €. Eine Minderung der Fähigkeit zur Arbeit im
Haushalt (MdH) von 10 % ist entschädigungslos hinzunehmen.
Aktenzeichen: 2 O 333/01
Verkündet am: 19. Mai 2006
gez.Brechner, Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Landgericht Kaiserslautern
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
Jürgen R.
-
Kläger
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
1. Carlo F.
2. G. Versicherungs-AG,
-
Beklagte
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
wegen Schmerzensgeldes u.a. für Spätfolgen aus einem Verkehrsunfall,
- 2 -
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern durch den Richter am Landgericht Stiefenhöfer,
den Richter am Landgericht Leube und die Richterin Weingarth auf die mündliche Verhandlung vom 28.
April 2006
für Recht erkannt:
1. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger gesamt
schuldnerisch ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von
20.000',-- EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 7. Juli 1998
zu zahlen.
2. Die Beklagten werden ferner verurteilt, an den Kläger
gesamtschuldnerisch 39,81 EUR nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.
Mai 2 001 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamt
schuldner verpflichtet sind, an den Kläger ein weite
res angemessenes Schmerzensgeld für den Fall zu bezah
len, dass aufgrund des Verkehrsunfalls vom 21. Novem
ber 1991 auf der Landstraße 3 82 zwischen M.
und E. eine erneute Operation derge
stalt notwendig wird, dass dem Kläger eine neue Herz
klappe eingesetzt werden muss.
4. Die weitergehende Klage wird - soweit sie von den Par
teien nicht bereits übereinstimmend für erledigt er
klärt wurde - abgewiesen.
5. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger
42 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 58 % zu
übernehmen.
6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110 %
des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
- 3 -Tatbestand:
Nach einem Verkehrsunfall, der sich am 21. November 1991 ereignete und bei dem der Kläger als
Fußgänger von dem Beklagten zu 1) mit einem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw an-
gefahren und verletzt worden war, begehrt der Kläger materiellen Schadensersatz und weiteres
Schmerzensgeld.
Die grundsätzliche Verpflichtung der Beklagten, für das Unfallereignis einzustehen, steht zwischen den
Parteien nicht im Streit. In einem beim Landgericht Kaiserslautern - Aktenzeichen: 3. 0. 713/93 -
anhängigen Zivilverfahren begehrte der Kläger bereits Schmerzensgeld wegen unfallbedingter
Verletzungen. In einem vor Gericht abgeschlossenen Vergleich vom 12. November 1993 verpflichteten
sich die Beklagten, über die erfolgte Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 15.000,-- DM hinaus ein
weiteres Schmerzensgeld von 8.000,-- DM an den Kläger zu zahlen.
In der Folgezeit wurde bei dem Kläger ein bisher noch nicht diagnostizierter Abriss an der Herzklappe
zwischen dem rechten Vorhof und dem rechten Ventrikel festgestellt, die in einer Operation im Juli 1998
ersetzt wurde. Der Kläger musste sich deswegen in der Zeit vom 6. Juli bis 20. Juli 1998 in stationäre
Behandlung im Westpfalzklinikum Kaiserslautern begeben sowie einer Anschluss-Heilbehandlung vom
28. Juli 1998 bis 1. September 1998 unterziehen. Seit der Operation leidet der Kläger an Heiserkeit sowie
an bewegungsunabhängigen Schmerzen im Brustkorb sowie in der rechten Clavikula; er ist sein Leben
lang auf die Behandlung mit blut-gerinnungshemmenden Mitteln angewiesen und bedarf einer regel-
mäßigen Bewegungstherapie.
Der Kläger trägt vor:
Im Hinblick auf das nicht unerhebliche Komplikationspotential des schwer wiegenden Eingriffs, die Dauer
der ärztlichen und krankengymnastischen Behandlungen und die Dauerfolgen sowie die lebenslang
andauernde Thrombosegefahr nebst deren medikamentöser Behandlung sei ein weiteres
Schmerzensgeld in Höhe von mind. 50.000,--
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DM angemessen. Aufgrund der begrenzten Haltbarkeit der ihm eingesetzten Herzklappe sei aller
Voraussicht nach in 10 Jahren ein Ersatz durch eine neue Herzklappe erforderlich. Da die Verletzung der
Herzklappe im Vorprozess nicht Gegenstand der Verhandlungen gewesen sei, sei sie von dem Abschluss
des gerichtlichen Vergleichs vom 12. November 1993 auch nicht umfasst gewesen. Zum damaligen
Zeitpunkt hätten sich auch keinerlei Auffälligkeiten gezeigt, die auf Beschwerden bei der Herzklappe
hingedeutet hätten. Angesichts seiner unfallbedingten Einschränkungen könne er von den Beklagten
auch Ersatz wegen vermehrter Bedürfnisse bei der Haushaltsführung verlangen. Zudem müssten die
Beklagten die Kosten für einen zweiten Ergometer in Höhe von 1.099,-- DM und für Medikamente in Höhe
von 77,86 DM an ihn erstatten.
Nachdem der Kläger zunächst beantragt hat,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihm
über den gezahlten Betrag in Höhe von 23.000,-- DM hinaus
und vorbehaltlich des Antrags Ziffer 2) ein weiteres, der
Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmer
zensgeld mit 4 % Zinsen seit dem 7. Juli 1998 zu bezahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner ver
pflichtet sind, an ihn ein weiteres angemessenes Schmer
zensgeld für den Fall zu bezahlen, dass aufgrund des Ver
kehrsunfalls vom 21. November 1991 auf der Landstraße 382
zwischen M. und E.
a) eine erneute Operation dergestalt notwendig wird,
dass ihm eine neue Herzklappe eingesetzt werden muss,
oder
b) sich der Grad der Behinderung, letztmals festgestellt
durch Bescheid des Amtes für Soziale Angelegenheit,
76825 Landau, Aktenzeichen 61-14-623543/9, aufgrund
der anlässlich der Herzoperation vom 7. Juli 1998
festgestellten Unfallfolgen um mehr als 10 % erhöht,
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3. die Beklagten weiterhin als Gesamtschuldner zu verur
teilen, an ihn 13.200,-- DM nebst 4 % Zinsen seit Rechts-
hängigkeit aus 8.800,-- DM und 5 % Zinsen über dem Basis
zinssatz aus 4.400,-- DM seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
4. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner ver
pflichtet sind, ihm ab April 2001 eine monatliche Rente
in Höhe von 400,-- DM, zahlbar für jeweils 3 Monate im
Voraus, zu bezahlen,
5. die Beklagten weiter als Gesamtschuldner zu verurteilen,
an ihn 1.176,86 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11. Januar
1999 aus 1.099,-- DM sowie weitere 5 % Zinsen über dem Ba
siszinssatz aus 77,86 DM seit Rechtshängigkeit zu bezah
len,
hat der Kläger den Klageantrag zu Ziffer 2. b) für erledigt erklärt und die übrigen Klageanträge
aufrechterhalten.
Die Beklagten haben sich der teilweisen Erledigungserklärung angeschlossen und beantragen im
Übrigen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten machen geltend:
Der Kläger sei mit dem Abschluss des Vergleichs vom 12. November 1993 wegen seiner
Schmerzensgeldansprüche abgefunden worden. Darüber hinaus seien etwaige Ansprüche verjährt, da
spätestens seit Anfang 1993 die beklagten Beschwerden vorhersehbar gewesen seien und demnach die
Verjährungsfrist zu laufen begonnen habe.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Otto G. und Einholung von
Sachverständigengutachten. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Sitzungsniederschrift vom 8. April 2005 (Bl. 295 ff. d. A.) sowie auf die Gutachten des
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Sachverständigen Prof. Dr. H. C. M. vom 13. November 2002 (Bl. 111 ff. d. A.) nebst Ergänzung vom 1.
November 2 004 (Bl. 262 ff. d. A.) und vom 12. Juli 2005 (Bl. 312 a ff. d. A.) und auf das Gutachten des
Sachverständigen Dr. E. L. vom 5. November 2005 (Bl. 331 ff. d. A.) verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen
Bezug genommen.
Entscheidunasaründe
Die Klage ist teilweise begründet.
Die Beklagten haben aufgrund des Verkehrsunfalls vom 21. November 1991 als Gesamtschuldner ein
weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,-- EUR sowie Medikamentenkosten in Höhe von 39,81
EUR an den Kläger zu zahlen; darüber hinaus sind sie verpflichtet, für den Fall einer künftigen
Herzklappenoperation einen weiteren Schmerzensgeldbetrag an den Kläger zu leisten, §§ 847 BGB, 823
Abs. 1, 24 9 BGB a. F. Weitergehende Ersatzleistungen, die der Kläger im laufenden Verfahren geltend
gemacht hat, sind von den Beklagten hingegen nicht zu verlangen.
Hierzu im Einzelnen: 1. Schmerzensgeld
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung weiteren Schmerzensgeldes wegen der eingetretenen
Schädigung der Herzklappe zu, das mit 20.000,-- EUR zu beziffern ist, § 287 ZPO.
a) Entgegen der Ansicht der Beklagten sind Schmerzensgeldansprüche wegen der Herzbeschwerden
des Klägers auch nicht
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durch die im Verfahren 3. O. 713/93 getroffene Vereinbarung vom 12. November 1993 abgegolten
worden. Bei der vorzunehmenden Auslegung des gerichtlichen Vergleichs, die nach den Grundsätzen
einer Urteilsauslegung zu erfolgen hat, ist vorrangig auf dessen Wortlaut abzustellen. Ausgehend von der
Formulierung des Vergleichs vom 12. November 1993 wurden lediglich die klageweise geltend
gemachten Ansprüche mit einer Einmalzahlung abgegolten. In Ziffer 1) des Vergleichs heißt es dazu:
"Die Beklagten zahlen als Gesamtschuldner zur Erledigung des Rechtsstreits an den Kläger einen
weiteren Betrag in Höhe von 8.000,-- DM".
Der Vergleichsbetrag diente somit der Erledigung der im Prozess streitigen Forderungen des Klägers.
Eine Ausdehnung auf nicht geltend gemachte materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche des
Klägers widerspräche dem Wortlaut des Vergleichs und kann daher nicht unterstellt werden.
Der im hiesigen Verfahren verfolgte Schmerzensgeldanspruch war auch nicht Streitgegenstand im
Verfahren 3. O. 713/93. Zwar begehrte der Kläger ebenfalls die Zahlung von Schmerzensgeld, begründete
dies jedoch mit konkret benannten Beschwerden, die mit seinen später aufgetretenen Herzbeschwerden
nicht im Einklang standen. In der Klageschrift vom 2. August 1993 wird eine Herzerkrankung als bereits
existierende Verletzung nicht erwähnt. Als Dauerschaden ist lediglich eine schmerzhafte Verdickung des
rechten Schlüsselbeines und der Rippen sowie Schmerzen im Bereich des Rückens und im
Thoraxbereich genannt; zudem wird auf einen wahrscheinlichen Anstieg der Thrombozyten-zahl
hingewiesen und eine 3 0 cm lange Narbe auf dem Oberbauch beklagt sowie auf die wissenschaftlich
noch nicht gesicherte Erkenntnis über die erfolgte Milzentfernung Bezug genommen. Über diese
Beschwerden hinaus beklagte der Kläger im Termin vom 12. November 1993 eine Kreislauf-schwäche.
Sämtliche erwähnten Beschwerden lassen sich
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nicht zwangslos mit der jetzigen Herzerkrankung in Einklang bringen und sind danach nicht durch den
gerichtlichen Vergleich vom 12. November 1993 als abgegolten zu bewerten.
b) Der Schmerzensgeldanspruch ist auch nicht verjährt.
Gemäߧ 852 Abs. 1 BGB a. F. beginnt die dreijährige Verjährungsfrist eines deliktischen
Schadensersatzanspruchs in dem Zeitpunkt, in dem der Verletzte von dem Schaden und der Person des
Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Es ist für den Beginn der Verjährung allerdings nicht erforderlich, dass
der Geschädigte den Schaden in seinen einzelnen Elementen und Ausprägungen voll überschaut. Wer
die allgemeine Kenntnis von dem Schaden erlangt, dem gelten auch solche Folgezustände als bekannt,
die im Zeitpunkt der Erlangung jener Kenntnis überhaupt nur als möglich voraussehbar waren. Dabei
kommt es für die Beantwortung der Frage nach der möglichen Voraussehbarkeit nicht stets auf die Sicht
des Geschädigten an; für Körperschäden, wie sie hier in Rede stehen, gilt vielmehr, dass die Sicht der
medizinischen Fachkreise entscheidend ist (BGH NJW 1997, 2448) .
Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H. C. M. in seinen Gutachten
vom 13. November 2002 und 1. November 2004 (Bl. 111 ff.; 262 ff. d. A.), von denen abzuweichen das
Gericht keinen Anlass hat, waren die von dem Kläger nunmehr beklagten Verletzungsfolgen im Rahmen
der unfallbedingt erfolgten Erstuntersuchungen nicht voraussehbar. Zwar räumt der Sachverständige ein,
dass bei dem Unfall im Rahmen des Thoraxtraumas mit Herzkontusion mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit
eine Schädigung der muskelnahen Segelansätze der Trikuspidalklappe bei dem Kläger stattgefunden hat.
Mit einem kompletten Ab-riss der muskelwandnahen Segelanteile über die Hälfte des Klappenringes und
der dazugehörigen Sehnefäden konnte aus sachverständiger Sicht jedoch nicht ernstlich gerechnet
werden. Die eingetretene traumatische Trikuspidalin-
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suffizienz ist aufgrund der medizinischen Erfahrungen als Rarität einzuordnen. Der Sachverständige Prof.
M. wies in diesem Zusammenhang nachvollziehbar darauf hin, dass dieser Bewertung auch nicht die
Stellungnahme des Prof. Dr. S.-E. vom 24. November 1998 (Anlage K 2 - Bl. 15 ff. d.A.) entgegensteht.
Zwar wird in der Stellungnahme vom 24. November 1998 zusammenfassend eine Zunahme der
Herzgröße anhand von Röntgen-Thorax-Untersuchungen beschrieben, was der gerichtlich beauftragte
Sachverständige als möglichen Hinweis für die dann entstandene Belastung des rechten Herzens als
Folge der Trikuspi-dalinsuffizienz bewertete. Andererseits ist eine Trikuspi-dalinsuffizienz als Ursache
eines kompletten Abrisses der muskelwandnahen Segelanteile aufgrund deren Rarität sehr schwierig zu
diagnostizieren. Allein die körperliche Untersuchung (Beurteilung der Rechtsherzbelastung) und die Mittel
der Auskultation (Abhören von Herzgeräuschen) lassen nicht unbedingt Hinweise für eine
Schlussunfähigkeit der Trikuspidalklappe zu. Die Echokardiografie, also die Ultraschalluntersuchung des
Herzens, ist für die Diagnosesicherung am besten geeignet. Allerdings bestand aufgrund des klinischen
Bildes bis 1997 hierfür keine Notwendigkeit. Vor diesem Hintergrund scheitert auch der Einwand der
Beklagten, eine Echokardiografie hätte aufgrund ihrer Unkompliziertheit beim Kläger vorgenommen
werden können. Besteht kein Anlass für bestimmte Untersuchungen, müssen diese nicht vorgenommen
werden, mögen sie noch so unkompliziert durchzuführen sein.
Eine Verjährung des Anspruchs ist auch nicht aufgrund der Behauptung der Beklagten eingetreten, die
Herzbeschwerden des Klägers seien jedenfalls nach der Ende 1997 von seiner Hausärztin Dr. P.
vorgenommenen Untersuchung erkennbar gewesen. Zwar ist die Klageschrift erst am 21. April 2001 bei
Gericht eingegangen, mithin nach Ablauf von 3 Jahren. Allerdings wurde die Verjährung wegen Ver-
handlungen zwischen den Parteien für den Zeitraum von zumindest 02. September 1998 (Datum des
Anspruchsschreibens der damaligen Bevollmächtigten des Klägers - Bl. 69 ff.
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d.A.) bis 11. April 2000 (letztes Antwortschreiben der Beklagten zu 2), welches in einem weiteren Antwort-
schreiben der Beklagten zu 2) vom 27. Februar 2 0 01 erwähnt wird - vgl. Anlage K 7 - Bl. 3 9 d.A.)
gehemmt, § 852 Abs. 2 BGB a.F. Die Einreichung der Klageschrift erfolgte somit in unverjährter Zeit und
führte gemäߧ 2 09 Abs. 1 BGB a.F. zur Unterbrechung der Verjährung.
c) Die Höhe des zuzuerkennenden weiteren Schmerzensgeldes be-misst die Kammer mit 20.000,-- EUR
(§ 287 ZPO).
Bei der Bewertung der Schmerzensgeldhöhe sind in erster Linie die Dauer und Heftigkeit der Leiden zu
berücksichtigen. Aufgrund vorangegangener Beschwerden musste sich der Kläger in der Zeit vom 6. bis
20. Juli 1998 in stationäre Behandlung begeben und sich in der Zeit vom 28. Juli bis 1. September 1998
einer Anschlussheilbehandlung unterziehen. Seit der Operation leidet der Kläger an Heiserkeit sowie an
bewegungsunabhängigen Schmerzen im Brustkorb sowie in der rechten Clavikula; zudem ist er sein Le-
ben lang auf die Behandlung mit blutgerinnungshemmenden Mitteln angewiesen und bedarf
regelmäßiger Bewegungstherapie. Der gerichtlich beauftragte Sachverständige Prof. M. bewertete die
Minderung der Erwerbstätigkeit mit immerhin 5 0 %. Die bei dem Kläger eingetretene Minderung der
allgemeinen Leistungsfähigkeit wirkt sich nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen
Dr. E. Lu-dolph in seinem Gutachten vom 5. November 2005 zudem so aus, dass der Kläger bei seiner
Tätigkeit als Hausmann in Höhe von 10 % konkret behindert ist. Hinzu kommt, dass die "psychische
Hypothek", schon im Alter von 29 Jahren mit einem technischen Herzklappenersatz limitierter Haltbarkeit
leben zu müssen, den Kläger nachvollziehbar besonders schwer trifft. Weiterhin wird sich der Kläger re-
gelmäßig in ärztliche Behandlung begeben müssen. All
1
dies führt dazu, dass der Kläger auf Dauer in
seiner privaten Lebensgestaltung stark eingeschränkt ist. Angesichts dieser Gesamtumstände ist das
Schmerzensgeld in zuerkannter Höhe angemessen (vgl. hierzu auch OLG Saarbrük-
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ken, VersR 2000, 1241; Landgericht Augsburg, Urteil vom 2. Oktober 1989, 3. 0. 5111/87).
2. Anspruch auf zukünftiges Schmerzensgeld
Die Beklagten sind ferner verpflichtet, dem Kläger für den Fall einer künftigen Herzklappenoperation ein
weiteres Schmerzensgeld zu zahlen, § 847 BGB a. F.
Aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H. C. M. in seinem
Gutachten vom 12. Juli 2005 (Bl. 312 a ff. d. A.) ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mit der Gefahr einer
weiteren Operation, bei der dem Kläger wiederum eine neue Herzklappe (künstliche Trikuspidalklappe)
eingesetzt werden müsste, zu rechnen. Bei der beim Kläger eingesetzten Bioprothese kommt es aufgrund
einer verhältnismäßig kleinen Öffnung zu geringeren Flussgeschwindigkeiten im rechten Vorhof vor der
Herzklappe. Zu Lebzeiten ist deshalb mit einer frühzeitigen Sklerosierung und Thrombosierung einer bio-
logischen Herzklappe zu rechnen. Nach den medizinischen Erfahrungen ist davon auszugehen, dass ca.
50 % der Patienten mit biologischen Herzklappen in den ersten 8-10 Jahren aufgrund erneuter
Sklerosierung bzw. Degeneration der Klappe oder aber infolge von Herzklappenentzündungen wiederum
operiert werden müssen (vgl. S. 3 des Gutachtens vom 12. Juli 2005 - Bl. 312 cd. A.). Da eine solche
Operation auf den Verkehrsunfall vom 21. November 1991 zurückzuführen ist, kann der Kläger wegen der
damit einhergehenden Beschwerden eine weitere immaterielle Entschädigung von den Beklagten
verlangen.
3. Haushaltsführungsschaden
Dem Kläger steht der geltend gemachte Haushaltsführungsschaden in Form einer Rente nicht zu.
Wird ein den Haushalt führender Ehe- oder Lebenspartner verletzt, verliert er allerdings die Möglichkeit
einer wirtschaftlich sinnvollen Verwertung seiner Arbeitskraft, sodass
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ihm die daraus entstehenden Nachteile zu ersetzen sind. Gleiches gilt selbstverständlich für die
Verletzung einer allein lebenden Person mit der Besonderheit, dass beim 1-Personen-Haushalt die
Behinderung bei der hauswirtschaftlichen Versorgung bzw. der Befriedigung der eigenen Bedürfnisse im
Haushalt zur Schadensgruppe "vermehrte Bedürfnisse" gehört. Die Grundsätze der Bewertung der
Nachteile sind hier wie dort allerdings parallel laufend. Voraussetzung eines derartigen
Schadensersatzanspruchs ist aber stets, dass die Fähigkeit zur Haushaltsführung konkret und spürbar
beeinträchtigt wurde. Zunächst muss also festgestellt werden, ob und inwieweit tatsächlich von dem
Verletzten ausgeführte Arbeiten im Haushalt nicht mehr erbracht werden können. Dies wird allgemein mit
der konkreten haushaltsspezifischen Minderung der Fähigkeit zur Arbeit im Haushalt (MdH) umschrieben,
die sich wegen der Besonderheiten bei der Bewältigung der Haushaltstätigkeit von der im Sozial- und
Unfallversicherungsrecht anerkannten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) unterscheidet. Nach dem
Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger in der
Ausführung von Haushalts-tätigkeit zwar eingeschränkt ist, diese Behinderung sich aber in einem
zumutbaren und damit nicht entschädigungspflichtigen Rahmen bewegt, §§ 286, 287 ZPO.
Der in diesem Zusammenhang vernommene Zeuge G., der Großvater des Klägers, hat klargestellt, dass
der Kläger vor und nach dem Verkehrsunfall nur begrenzt an den Haushaltsarbeiten teilgenommen hat,
was der Kläger in seiner Anhörung im Termin vom 8. April 2005 auch bestätigte.
Die Ausführung der angesprochenen Garten- und Aufräumarbeiten sind dem Kläger aber auch nach dem
Unfall noch zum großen Teil möglich. Der gerichtlich beauftragte Sachverständige Dr. E. L. führte
nachvollziehbar aus, dass der Kläger zwar bei "Überkopfarbeiten" und beim Tragen von Lasten über 15
kg behindert ist, andere im Haushalt anfallende Tätigkeiten kann er - auch in entsprechender Zeit -
allerdings verrichten, so-dass die Minderung der Fähigkeit zum Arbeit im Haushalt mit
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10 % zu bewerten war. Diesen Wert sieht das Gericht als noch hinnehmbare Einschränkung an.
4. Ersatz von Kosten für Ergometer und Medikamente
Schließlich haben die Beklagten die Kosten für die vom Kläger erworbenen Medikamente in Höhe von
39,81 EUR (77,86 DM) zu übernehmen; eine Ersatzpflicht für Kosten des 2. Ergometers von 1.099,,-- DM
scheidet hingegen aus, §§ 823 Abs. 1, 249, 254 Abs. 2 S. 1 BGB.
Die geltend gemachten Medikamentenkosten sind von den Beklagten weder dem Grunde noch der Höhe
nach bestritten worden und somit auszugleichen.
Die Kosten für den Erwerb eines zweiten Ergometers sind mangels Erforderlichkeit jedoch nicht
ersatzpflichtig. Der Schädiger hat nur diejenigen Aufwendungen zu ersetzen, die für den Geschädigten
zum Ausgleich seiner unfallbedingt erlittenen Nachteile erforderlich waren. Darüber hinausgehende
Kosten hat der Geschädigte wegen Verstoßes gegen seine Schadensminderungspflicht regelmäßig selbst
zu tragen, § 254 Abs. 2 S. 1 BGB. Bei dem vom Kläger angeführten Ergometer handelt es sich um ein
zweites Sportgerät, das er deshalb erworben hatte, weil er zum Unfallzeitpunkt über zwei voneinander
entfernt liegende Wohnungen verfügte. Zwar war dem Kläger nicht zuzumuten, den Ergometer jeweils mit
sich zu führen. Allerdings war er wegen seiner Beschwerden auch nicht auf die Benutzung eines
Fahrradergometers angewiesen. Nach der Beurteilung des Sachverständigen Dr. E. L., die das Gericht
teilt, ist ein regelmäßiges Ergometertraining zur körperlichen Ertüchtigung sinnvoll, aber in dieser Form
nicht zwingend notwendig. Eine körperliche Ertüchtigung kann auch auf mannigfach andere, dem Kläger
zumutbare und mögliche Weise erzielt werden.
Der Zinsanspruch des Klägers resultiert aus §§ 284 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB a. F.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 a, 92 Abs. 1, 7 09 S. 1 und 2 ZPO. Die Kosten
für den übereinstimmend für erledigt erklärten Teil der Klageforderung sind den Beklagten aufzuerlegen.
Die Beklagten waren zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes verpflichtet, nachdem der gerichtlich
beauftragte Sachverständige Prof. Dr. H. C. M. eine unfallbedingt erhöhte Minderung der Erwerbsfähigkeit
des Klägers von ursprünglich 4 0 % auf 50 % festgestellt hatte.
(gez.Stiefenhöfer) (gez.Leube) (gez.Weingarth)
Richter am Richter am Richterin
Landgericht Landgericht
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Beschluss
Der Gebührenstreitwert wird wie folgt festgesetzt:
Klageantrag zu 1): Klageantrag zu 2. a) Klageantrag zu 2. b) Klageantrag zu 3): Klageantrag zu 4):
Klageantrag zu 5):
50.000,-- DM
2.500,-- DM
500,-- DM
13.200,-- DM 5.600,-- DM 1.176,86 DM
Gesamt:
72.976,86 DM/37.312,48 EUR
Kaiserslautern, den 19. Mai 2006 Landgericht - 2. Zivilkammer
(gez.Stiefenhöfer) Richter am Landgericht
(gez.Leube) Richter am Landgericht
(gez.Weingarth) Richterin
Ausgefertigt:
Amtsinspektorin