Urteil des LG Kaiserslautern vom 30.05.2006

LG Kaiserslautern: glaubhaftmachung, einkünfte, schuldbefreiung, treuhänder, restschuld, beweismittel, baum, steuerstrafverfahren, konkretisierung, pauschal

Bürgerliches Recht
LG
Kaiserslautern
30.05.2006
1 T 40/06
Zu den Voraussetzungen einer Versagung der Restschuldbefreiung durch das Insolvenzgericht
Aktenzeichen: 1 T 40/06
1IK 7/02
Amtsgericht Kaiserslautern
Landgericht Kaiserslautern
Beschluss
In dem Insolvenzverfahren
über das Vermögen des
Helmut A.
-
Schuldner und Beschwerdegegner
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte
an dem unter anderem beteiligt sind:
1.Rechtsanwalt P.W.
-
Treuhänder
2.LRP
-
Gläubiger und Beschwerdeführer
wegen Restschuldbefreiung
hier:
Antrag auf Versagung der RestSchuldbefreiung (§ 290
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hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern durch die Richterin Dr. Baum auf die am 27.
Januar 2006 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 26. Januar 2006
gegen den am 23. Januar 2006 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht -
Kaiserslautern vom 16. Januar 2006
ohne mündliche Verhandlung am 30. Mai 2006
beschlossen
1. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Gläubi
ger.
3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf bis zu
1.200,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Am 10. Januar 2002 stellte der Schuldner den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein
Vermögen sowie den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung. Mit Beschluss vom 22. April 2 002
eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren und bestellte den Beteiligten zu 1. zum Treuhänder. Im
Schlusstermin am 9. September 2004 stellte der Gläubiger den Antrag, dem Schuldner die
Restschuldbefreiung zu versagen. Zu diesem Antrag ist in der "Niederschrift über den nichtöffentlichen
Schlusstermin
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Folgendes vermerkt:
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"Die Gläubiger und der Treuhänder wurden zum RSB-Antrag des Schuldners gehört.
Versagungsantrag wurde gestellt von der Erschienenen Nr. 2 für das LRP und wie folgt begründet und
glaubhaft gemacht :
Gegen den Schuldner ist bereits ein Steuerstrafverfahren unter dem Az. : 6053 Js 566/99 anhängig, es
wird der Insolvenzgrund § 290 I Nr. 2 InsO geltend gemacht.
Es ist womöglich mit einer Verurteilung wegen einer Steuerstraftat zu rechnen."
Mit Schreiben vom 9. Februar 2005 begründete der Gläubiger den Antrag auf Versagung der
Restschuldbefreiung weiterhin damit, dass der Schuldner am 24. September 1999 eine
Einkommensteuererklärung für das Jahr 1998 beim Finanzamt Kaiserslautern abgegeben habe, in der
keine gewerblichen Einkünfte erklärt worden seien. Die Steuerfahndung habe für 1998 gewerbliche
Einkünfte in Höhe von 892.958,00 DM festgestellt. Am 24. Dezember 2000 sei unter Berücksichtigung
dieser gewerblichen Einkünfte der mittlerweile bestandskräftige Steuerbescheid, den der Gläubiger in
Kopie zu den Akten gereicht hat, ergangen.
Mit Schriftsätzen vom 27. September 2005 und vorn 14. März 2006, auf die Bezug genommen wird, ließ
der Schuldner durch seinen Verfahrensbevollmächtigten ausführen, dass der Antrag auf Versagung der
Restschuldbefreiung zurückzuweisen sei, weil der Gläubiger im Schlusstermin einen Versagungsgrund
nicht glaubhaft gemacht habe und eine nachträgliche Begründung oder Glaubhaftmachung nicht mehr
zulässig sei.
Mit Beschluss vom 16. Januar 2006 hat das Amtsgericht - Insolvenzgericht - den Antrag des Gläubigers
auf Versagung der Restschuldbefreiung zurückgewiesen und dem Schuldner die Erteilung der Rest-
schuldbefreiung nach einer Wohlverhaltensperiode angekündigt. Zur Begründung ist ausgeführt, dass
ein Versagungsgrund weder im
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Schlusstermin noch im anschließenden schriftlichen Verfahren hinreichend glaubhaft gemacht worden
sei.
Gegen diesen Beschluss hat der Gläubiger mit Schreiben vom 26. Januar 2006 sofortige Beschwerde
eingelegt. Er ist der Ansicht, dass er einen Versagungsgrund bereits im Schlusstermin, jedenfalls aber mit
Schreiben vom 9. Februar 2005 hinreichend glaubhaft gemacht habe. Ein solcher könne auch nach dem
Schlusstermin noch vorgetragen und glaubhaft gemacht werden. Vorsorglich werde der Inhalt des
Schreibens vom 9. Februar 2005 nebst beigefügtem Steuerbescheid im Beschwerdeverfahren erneut
vorgetragen. Da die sofortige Beschwerde eine neue Tatsacheninstanz eröffne, in welcher der
Amtsermittlungsgrundsatz gelte, sei dieser Vortrag jedenfalls in der Beschwerdeinstanz zu
berücksichtigen. Aufgrund des von dem Gläubiger vorgelegten Beweismaterials erscheine es über-
wiegend wahrscheinlich, dass der Schuldner seine Einkünfte für das Jahr 1998 unvollständig und zum
Nachteil des Gläubigers erklärt habe.
Mit Beschluss vom 3. Februar 2006 hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde des Gläubigers aus
den Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht - Be-
schwerdekammer - Kaiserslautern zur Entscheidung vorgelegt.
Der Treuhänder hat mit Schriftsatz vom 30. März 2006 eine Stellungnahme abgegeben, auf die Bezug
genommen wird.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäߧ 6 Abs. 1 InsO i.V.m. § 289 Abs. 2 Satz 1 InsO statthaft und auch
sonst verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden.
In der Sache ist das Rechtsmittel nicht begründet, da das Amtsgericht - Insolvenzgericht - den Antrag des
Gläubigers auf Versagung der Restschuldbefreiung zu Recht zurückgewiesen hat.
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Im Schlusstermin am 9. September 2004 hat der Gläubiger einen Ver-sagungsgrund bereits nicht
substantiiert dargelegt und erst recht nicht glaubhaft gemacht. Vorliegend kann dahinstehen, ob dies
nachträglich geschehen ist, da die Kammer der Ansicht ist, dass eine spätere - d.h. nach Beendigung des
Schlusstermins - schlüssige Behauptung und Glaubhaftmachung eines Versagungsgrundes nicht mehr
zulässig ist.
Das Insolvenzgericht hat die Restschuldbefreiung durch Beschluss gemäߧ 290 Abs. 1 InsO zu versagen,
wenn dies im Schlusstermin von einem Insolvenzgläubiger beantragt worden ist und wenn ein
Versagungsgrund im Sinne des § 290 Abs. 1 Nrn. 1-6 InsO vorliegt, den der Gläubiger glaubhaft machen
muss (§ 290 Abs. 2 InsO).
In seiner Entscheidung vom 11. September 2003 (Az.: IX ZB 37/03; BGHZ 156, 13 9; Anm. dazu: von
Mettenheim, JurisPR-BGHZivilR 9/2003 Anm. 5) hat der Bundesgerichtshof die "Aufgabenverteilung
im
Rahmen des Verfahrens betreffend die Versagung der Restschuldbefreiung klargestellt. Die Kammer
schließt sich diesen Ausführungen an. Danach ist das Verfahren um die Versagung der Rest-
schuldbefreiung zweistufig: In der
Zulässigkeit
Versagungsgründen glaubhaft machen; bei der Prüfung der
Begründetheit
Amts wegen zu ermitteln, ob die Versagungsgründe zu seiner vollen Überzeugung tatsächlich bestehen.
Für die vom Gesetzgeber in § 290 Abs. 2 InsO besonders geregelte
Zulässigkeit
Versagung der Restschuldbefreiung reicht die schlüssige Darlegung und Glaubhaftmachung eines für ei-
ne Versagung maßgeblichen Tatbestandes aus (so auch: LG Berlin ZVI 2005, 98; LG Göttingen NZI 2003,
453;). Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung richten sich aufgrund der Generalverweisung in § 4
InsO nach § 294 ZPO. Danach ist es allein Sache der Partei (hier: des antragstellenden Gläubigers), die
Beweismittel beizubringen; diese müssen in der mündlichen Verhandlung (hier: im Schlusstermin) präsent
sein. Grundsätzlich darf auf alle Beweismittel, auch auf die eidesstattliche Versicherung, zurückgegriffen
werden. Als Beweismaß genügt ein geringerer Grad der rich-
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terlichen Überzeugungsbildung als beim Vollbeweis: Eine Behauptung ist glaubhaft gemacht, wenn eine
überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft (BGH NJW 1994, 2898; VersR 1976, 928)
. Dies ist dann der Fall, wenn bei umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalles mehr für die
Erfüllung eines Versagungstatbestandes als dagegen spricht.
Erst wenn dem Gläubiger die Glaubhaftmachung eines Versagungsgrun-des gelungen und der Antrag
somit zulässig ist, tritt das Insolvenzgericht in die Prüfung der
Begründetheit
Amtsermittlungsgrundsatz (§ 5 Abs. 1 InsO) unterliegt. Im Rahmen der Begründetheitsprüfung muss das
Insolvenzgericht von Amts wegen Ermittlungen durchführen und darf die Restschuldbefrei-ung nur dann
versagen, wenn zu seiner vollen Überzeugung (§ 2 86 Abs. 1 ZPO) feststeht, dass der vom Gläubiger
behauptete Versa-gungsgrund tatsächlich vorliegt (BGH ZVI 2005, 643; BGHZ 156, 13 9, 142) . Der
Amtsermittlungsgrundsatz ändert allerdings nichts daran, dass den Gläubiger im Versagungsverfahren die
sogenannte Feststellungslast trifft, sodass sein Antrag zurückzuweisen ist, wenn nach Ausschöpfung der
gemäߧ 5 Abs. 1 InsO gebotenen Maßnahmen Zweifel am Vorliegen des geltend gemachten
Versagungstatbestandes verbleiben.
Der Gläubiger hat im Schlusstermin am 9. September 2004 die tatsächlichen Voraussetzungen eines
Versagungsgrundes nicht substan-tiiert dargelegt und erst recht nicht glaubhaft gemacht. Er hat sich zur
Begründung seines Antrages lediglich pauschal auf ein anhängiges Steuerstrafverfahren bezogen, ohne
zur Konkretisierung der Tatbestandsmerkmale des geltend gemachten Versagungsgrundes näher
vorzutragen oder wenigstens den Strafbefehl vorzulegen, auf dessen Inhalt er hätte Bezug nehmen
können. Aus den in der Niederschrift festgehaltenen Angaben ergibt sich - unabhängig von deren
Glaubhaftmachung - nicht, ob der Schuldner unrichtige oder unvollständige Angaben über seine
wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb des in § 2 90 Abs. 1 Nr. 2 InsO genannten Zeitraumes (vgl. ebenso
bei der Bezugnahme auf einen bereits rechtskräftigen Straf-befehl: LG Göttingen NZI 2003, 453) und in
Schriftform gemacht hat (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2006, Az. : IX ZB 29/04, zit. nach Juris; BGH
MDR 2003, 1138).
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Fehlt es aber bereits schon an der schlüssigen Behauptung eines Versagungsgrundes, kommt es auf
dessen Glaubhaftmachung nicht mehr an.
Es ist unerheblich, ob der Gläubiger nach Abhaltung des Schluss-termines einen Versagungsgrund
schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht hat. Denn wegen des eindeutigen Wortlauts des § 289 Abs. 1
Satz 1 InsO ("im Schlusstermin
) i.V.m. § 290 Abs. 1 und 2 InsO vertritt die Kammer vertritt die Ansicht, dass
Versagungs-gründe nur bis zum Ende des Schlusstermins geltend gemacht werden können (so auch OLG
Celle ZVI 2 002, 29; LG Kleve, Beschluss vom 29. April 2003, Az.: 4 T 104/03, zit. nach Juris; LG München,
Beschluss vom 17. Juli 2001, Az.: 14 T 12087/01, zit. nach Juris; AG Hamburg, Beschluss vom 7.
September 2005, Az. : 68g IK 46/04, zit. nach Juris; AG Kleve, Beschluss vom 21. März 2003, Az. : 38 IK
2/02, zit. nach Juris; MünchKomm-InsO/Stephan § 290 Rn 20; Uh-lenbruck/Vallender, InsO, § 290 Rdnr.
11; Kübler/Prütting/Wenzel, InsO, § 290 Rn 6; a.A. Kohte/Ahrens/Grote, Verfahrenskostenstundung , Rest
Schuldbefreiung und Verbraucherinsolvenzverfahren, 2. Aufl., § 290 Rn 59; FK-Ahrens, § 290 InsO Rn
59). Der Bundesgerichtshof hat diese Frage in seiner Entscheidung vom 22. Mai 2003 (MDR 2003, 1138)
zwar ausdrücklich offen gelassen, im Beschluss vom 11. September 2003 (BGHZ 156, 139, 142) aber
ausgeführt, dass es ausschließlich Sache des Gläubigers sei, "bis zum Schlusstermin die zur
Glaubhaftmachung notwendigen Beweismittel beizubringen". Hieraus kann geschlossen werden, dass
der Gläubiger erst recht auch nur bis zum Ende des Schlusstermins vortragen darf und ein späteres
Vorbringen vom Gericht nicht mehr zu berücksichtigen ist.
Demnach kann vorliegend dahinstehen, ob der Gläubiger mit seinem Schreiben vom 9. Februar 2005
einen Versagungsgrund hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht hat. Klarstellend sei jedoch ange-
merkt, dass die Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen Einkommensteuererklärung grundsätzlich
geeignet sein kann, den Versa-gungstatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu erfüllen (vgl. hierzu OLG
Köln NZI 2001, 205; LG Göttingen a.a.O.).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Bei der Festsetzung des Wertes des Beschwerdegegenstandes geht die Kammer mit der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs (BGH Jur-Büro 2003, 253; MDR 2003, 1138) davon aus, dass der für die Gericht
sgebühr nach § 3 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO maßgebende Wert des Beschwerdegegenstandes in einem
Verfahren über die Versagung der Restschuldbefreiung regelmäßig auf 1.200,00 EUR festzusetzen ist,
wenn - wie hier - keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Schätzung der Werthaltigkeit einer
verbleibenden Forderung bestehen.
gez. Dr. Baum