Urteil des LG Kaiserslautern vom 13.08.2004

LG Kaiserslautern: leib, gefahr, polizei, auskunftserteilung, straftat, zweigstelle, datum, baum, wahrscheinlichkeit, beendigung

Bürgerliches Recht
LG
Kaiserslautern
13.08.2004
1 T 244/04
Ruft ein Unbekannter bei mehreren kleinen Bankfilialen an, um gezielt und systematisch den
Personalbestand der Zweigstelle auszuforschen, und lassen die konkreten Umstände der Telefonate den
nahe liegenden Schluss zu, der Anrufer plane einen Banküberfall, liegt eine gegenwärtige Gefahr für Leib
und Leben einer Person i.S.d. § 31 Abs. 1 POG vor, die die Anordnung der Auskunftserteilung durch
Telekommunikationsdienstleister rechtfertigt.
Aktenzeichen:
IT 244/04
2a Gs 1484-1489/04 Amtsgericht Kaiserslautern
Landgericht Kaiserslautern
Beschluss
In dem Verfahren
betreffend die Anordnung der Auskunftserteilung durch Telekommunikationsdienstleister gem. § 31 Abs. 5
POG
an dem beteiligt ist:
-
Antragsteller und Beschwerdeführer
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern durch den Präsidenten des Landgerichts Kestel,
den Richter am Landgericht Marx und die Richterin Dr. Baum auf die am 12. August 2004 bei Gericht
eingegangene Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 10. August 2004
ohne mündliche Verhandlung
- 2 -
am 13. August 2 004
beschlossen
Der Beschluss des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 10. August 2004 wird aufgehoben und wie folgt neu
gefaßt:
1. Die Netzbetreiber
- …
werden angewiesen, im Rahmen einer Umkehrsuche festzustellen, ob und ggfls. von welchem ihrer
Kundenanschlüsse die nachbenannten Telefonanschlüsse zu den angegebenen Zeiten angerufen
wurden:
- …
1 T 244/04 Leitsatz
Ruft ein Unbekannter bei mehreren kleineren Bankfilialen an, um gezielt und systematisch den
Personalbestand der Zweigstelle auszuforschen, und lassen die konkreten Umstände der Telefonate den
nahe liegenden Schluss zu, der Anrufer plane einen Banküberfall, liegt eine gegenwärtige Gefahr für Leib
oder Leben einer Person i. S. d. § 31 Abs. 1 POG vor, die die Anordnung der Auskunftserteilung durch
Telekommunikationsdienstleister rechtfertigt.
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2. Die Namen und Anschriften der Kunden sind mit Datum und Zeitpunkt des Anrufs dem Polizeipräsidium
W. mitzuteilen.
Gründet
I.
Am 05.08.2004 (Donnerstag) und am 06.08.2004 (Freitag) gingen bei verschiedenen Zweigstellen der
Kreissparkasse K. (Martinshöhe, Katzweiler, Olsbrücken, Weilerbach, Rodenbach, Mackenbach,
Erlenbach, Reichenbach Steegen, Trippstadt) Anrufe einer männlichen Person ein, die sich mit dem
Namen "F." meldete. Der Anrufer bezog sich auf angeblich frühere Beratungsgespräche in der jeweiligen
Zweigstelle, wobei er den Namen des Beraters nicht mehr wußte. Nach den bisherigen Feststellungen der
Polizei haben die jeweiligen Beratungsgespräche, auf die der Anrufer Bezug nahm, nicht statt gefunden.
Im Verlaufe des Telefonats versuchte der Anrufer, ausfindig zu machen, mit wie vielen Angestellten die
jeweilige Geschäftsstelle besetzt war, wobei er sich auch explizit nach Namen erkundigte. Sobald von
Seiten der Bank konkret nachgefragt wurde, welches Anliegen der Anrufer eigentlich habe, wurde das
Gespräch von dessen Seite aus sofort beendet. In einem Fall (KSK Rodenbach) wollte der Anrufer einen
Termin außerhalb der Geschäftszeit vereinbaren. Dieser kam nicht zustande; in der Folgezeit meldete sich
der Anrufer nicht mehr.
Am 10. August 2004 hat das Polizeipräsidium W., Kriminaldirektion K/11, bei dem Amtsgericht
Kaiserslautern beantragt, eine richterliche Anordnung zu erlassen, wonach verschiedene Telekommu-
nikationsdienstleister angewiesen werden sollten, im Rahmen einer Umkehrsuche festzustellen, welche
ihrer Kunden die Telefonanschlüsse der Banken zu den Zeiten angerufen haben, zu denen sich der
Anrufer dort gemeldet hatte.
- 4 -
Dieser Antrag wurde vom Amtsgericht Kaiserslautern mit Beschluss vom 10. August 2004
zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass von einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder
Leben anderer Personen noch nicht ausgegangen werden könne, da völlig un-gewiss sei, was der
Anrufer beabsichtige und welche der Bankfilialen er gegebenenfalls zu überfallen gedenke.
Gegen diesen Beschluss hat das Polizeipräsidium W. mit Schriftsatz vom 10.08.2004 (Eingang beim
Landgericht am 12.08.2004) Beschwerde erhoben.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Das Landgericht ist im Falle der Ablehnung eines Antrags auf Auskunft über die Telekommunikation gem.
§ 31 POG durch das Amtsgericht das zuständige Beschwerdegericht (§§ 31 Abs. 5 Satz 1, 6; 21 Abs. 1
Satz 3 POG, 19 Abs. 1, 2 FGG) . Die Beschwerdebefugnis des Antragstellers ergibt sich aus der
Zurückweisung seines Antrags (§§ 31 Abs. 5 Satz 6, 21 Abs. 1 Satz 3 POG, 20 Abs. 2 FGG).
Der Antrag ist begründet, weil die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1-3 POG gegeben sind, so dass die
genannten Telekommunikationsdienstleister zur Erteilung der Auskunft anzuweisen sind.
Nach § 31 Abs. 1 POG kann die Polizei Auskünfte über die Telekommunikation erheben, wenn diese
Daten die in der Vorschrift genannten Personen betreffen und wenn die Datenerhebung zur Abwehr einer
gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben einer Person zwingend erforderlich ist. Insbesondere kann
sich eine Datenerhebung auf die Feststellung der Polizei nicht bekannter Telekommunikationsanschlüsse
beziehen (§ 31 Abs. 2 Nr. 4 POG).
Im vorliegenden Falle bewertet der Antragsteller - nach Überzeugung der Kammer in zutreffender Weise -
die Anrufe des Herren "F." dahingehend, dass dieser durch die Telefonanrufe versucht hat, sich
Kenntnisse über den Personalbestand der jeweiligen Bankfiliale zu verschaffen, um einen Überfall
vorzubereiten.
- 5 -
Hier für spricht das systematische, zielgerichtete Vorgehen des Anrufers. Die Gespräche mit den
Bankangestellten verliefen jeweils nach dem gleichen Muster: Der Anrufer bezog sich auf ein früheres
Beratungsgespräch, das in Wahrheit gar nicht stattgefunden hatte, und versuchte danach gezielt, die
personelle Besetzung der Bankfiliale zu ergründen. Sobald konkret von Seiten der Bank nach dem Grund
des Anrufs gefragt wurde, legte der Anrufer ohne weiteres auf. Hinzu kommt der enge zeitliche Ablauf der
insgesamt 9 Gespräche, die an 2 Tagen stattfanden. Aufgrund dieser Sachlage drängt sich der Schluss
auf, der Anrufer plane einen Banküberfall. Denn die gezielte Ausforschung des Personalbestandes der
Bank macht bei realistischer Betrachtung gerade dann Sinn, wenn ein potentieller Bankräuber das Risiko
einer Straftat abschätzen will. Für diese Annahme spricht - wie vom Antragsteller zutreffend vorgetragen -
auch die Tatsache, dass der Anrufer ausnahmslos kleinere Filialen auf dem Land angerufen hat, die
bekanntermaßen nur wenig Personal haben und daher einen Banküberfall kalkulierbarer erscheinen
lassen. Die konkrete Vorgehensweise und die Vielzahl der Anrufe lassen eine andere ernsthafte
Interpretation des Motivs des Anrufers nicht zu.
Aufgrund der Sachlage ist eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben von Personen gegeben, da - wie vom
Antragsteller zu Recht ausgeführt - Überfälle auf Banken oder Sparkassen fast immer von bewaffneten
Tätern ausgeführt werden, die dabei nicht zurückschrek-ken, zur Durchsetzung ihrer Forderungen
anwesende Kunden oder Bedienstete des Kreditinstitutes mit der Verletzung von Leib oder Leben zu
bedrohen. Hierbei kommt es nicht selten tatsächlich zum Waffengebrauch, der die Verletzung oder Tötung
eines Opfers zur Folge hat.
Diese Gefahr ist auch gegenwärtig, da aufgrund der systematischen, zeitlich engmaschigen Versuche des
Anrufers, den Personalbestand der Bankfilialen auszuforschen, davon ausgegangen werden muss, dass
ein Banküberfall zeitnah stattfinden soll. Hierfür spricht auch insbesondere die Tatsache, dass der Anrufer
in einem Fall (KSK Rodenbach) bereits einen Termin außerhalb der Geschäftszeit vereinbaren wollte.
- 6 -
Die Auskunftserteilung durch die Telekommunikationsdienstleister ist die einzige Möglichkeit, vor
Begehung der Straftat zur Gefahrenabwehr die Person des Anrufers, der Handlungsstörer im Sinne des §
5 Abs. 1 POG ist, festzustellen. Denn bisher ist nur dessen Stimme bekannt; weitere Erkenntnisse können
nur durch den Abgleich der in den jeweiligen Zeiträumen erfolgten Anrufe gewonnen werden.
Weiterhin liegen die anderen Voraussetzungen für die Feststellung der Polizei nicht bekannte
Telekommunikationsanschlüsse (§ 31 Abs. 2 Nr. 4 POG) vor, da der Telekommunikationsanschluss mit
hoher Wahrscheinlichkeit von dem Störer genutzt wird (§ 31 Abs. 2 Satz 2 POG) . Hierbei darf sich die
Maßnahme auch auf zurück liegende Zeiträume erstrecken (§ 31 Abs. 2 Satz 3 POG). Soweit perso-
nenbezogene Daten Dritter, die im fraglichen Zeitraum auch die jeweilige Bankfiliale angerufen haben,
erhoben werden, ist dies aus technischen Gründen unvermeidbar und daher gem. § 31 Abs. 3 Satz 1 POG
zulässig. Diese personenbezogenen Daten Dritter dürfen über den Datenabgleich zur Ermittlung der
gesuchten Gerätenummer hinaus nicht verwendet werden und sind nach Beendigung der Maßnahme
unverzüglich zu löschen (§ 31 Abs. 3 Satz 2 POG).
Die angeordnete Maßnahme ist auch verhältnismäßig. Sie ist geeignet und erforderlich, da einzig auf
diese Weise der Anschluss des Anrufers herausgefunden werden kann, um dessen Person identifizieren
und eine schwere Straftat verhindern zu können. Schließlich ist die Maßnahme auch verhältnismäßig im
engeren Sinne, da bei einer Rechtsgüterabwägung das gefährdete Rechtsgut (Leib und Leben der
Bankangestellten und Kunden) das durch die Anordnung beeinträchtigte Rechtsgut (Datenschutz der
Anschlüsse, Namen und Anschriften unbeteilgter Dritter) weit überwiegt.
- 7 -
Einer Anhörung und formellen Beteiligung der von dieser Entscheidung betroffenen
Telekommunikationsdienstleistungsunternehmen (Netzbetreiber) stand die hohe Eilbedürftigkeit
entgegen.
gez. Kestel gez. Marx gez. Dr. Baum
Präsident Richter Richterin
des Landgerichts am Landgericht
Ausgefertigt:
Hüther, Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle