Urteil des LG Kaiserslautern vom 24.02.2009

LG Kaiserslautern: treu und glauben, bezahlung, rückgabe, fälschung, gefahr, kreditinstitut, widerruf, auflage, vertragsverletzung, kaufvertrag

LG
Kaiserslautern
24.02.2009
1 S 52/08
Der (ungeklärte) Verlust eines erfüllungshalber hingegebenen Überweisungsträgers begründet zumindest
nicht in jedem Fall ein Recht des Schuldners, die Bezahlung der Kaufpreisforderung bis zur Rückgabe
des Überweisungsträgers zu verweigern.
Aktenzeichen:
1 S 52/08
2 C 2032/07 AG Kaiserslautern
Verkündet am 24.02.2009
Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Landgericht
Kaiserslautern
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
gegen
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigter zu 1 und 2:
wegen restlicher Kaufpreisforderung
hat die 1. Zivilkammer des LandgerichtsKaiserslautern durch den , den und die am 24.02.2009 ohne
mündliche Verhandlung mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 20.03.2008 (2 C
2032/07) abgeändert und neu gefasst wie folgt: Die Beklagte
wird verurteilt, an die Klägerin 1.714,72 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 01. Dezember 2006 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von
192,90 Euro zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits 1. und 2. Instanz zu
tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 1.714,72 Euro.
Gründe:
I.
Von Ausführungen nach Maßgabe des § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird gemäß §§ 540
Abs. 2 , 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen (vgl. hierzu auch Musielak, ZPO, 6. Auflage 2008, § 540 Rdz.
9).
II.
Die Berufung ist zulässig und auch in der Sache begründet.
Die Beklagte, die gemeinsam mit ihrem Ehemann (dem zwischenzeitlich verstorbenen und von ihr allein
beerbten vormaligen Beklagten zu 1.) den streitgegenständlichen Kaufvertrag mit der Klägerin
geschlossen hat, ist zur Bezahlung der nach Grund und Höhe unstreitigen restlichen Kaufpreisforderung
verpflichtet (§ 433 Abs. 2 BGB).
Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) ist noch nicht eingetreten. Eine Geldschuld, die (wie hier) durch eine
Banküberweisung getilgt werden soll, erlischt regelmäßig erst in dem Augenblick, in dem der geschuldete
Betrag durch die Empfängerbank dem Konto des Gläubigers gutgeschrieben wird (so schon BGH, Urteil
vom 15.05.1952, Az.: IV ZR 157/51, BGHZ 6, 121). Unstreitig ist eine abweichende Vereinbarung hier nicht
getroffen worden. Indessen ist (ebenfalls unstreitig) schon keine Abbuchung von dem Konto der Beklagten
bei deren Bank erfolgt. Vielmehr ist der streit-
gegenständliche Überweisungsträger der Bank der Beklagten bislang nicht vorgelegt worden.
Ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 Abs. 1 BGB) gegenüber der (Rest-)Forderung der Klägerin steht der
Beklagten nicht zu. Einen Anspruch darauf, von der Klägerin vor einer (aus dem "Ver-
schwundensein" des streitgegenständlichen Überweisungsträgers resultierenden) Gefährdung ihres (der
Beklagten) Vermögens geschützt zu werden, hat die Beklagte nicht. Ihre Befürchtung dass der
absprachegemäß ausgehändigte, anschließend indessen (bislang unauffindbar) "ver-
schwundene" (nach der Darstellung der Klägerin mutmaßlich auf dem Postweg zur Bank der Beklagten
verloren gegangene) Überweisungsträger trotz einer seither verstrichenen Zeitspanne von mehr als 2 1/2
Jahren wieder "auftauchen", ihrer Bank vorgelegt und zu einer Gutschrift auf dem Konto der Klägerin
führen könnte, ohne dass diese (wegen zwischenzeitlich eingetretener Insolvenz) zu einer Rückerstattung
des Betrages in der Lage sein könnte, vermag ein solches Recht nicht zu begründen. Vielmehr obliegt es
der Beklagten, selbst zu ihrem bzw. ihres Vermögens Schutz tätig zu werden.
Den eingetretenen Fall eines "Verschwindens" des erfüllungshalber überlassenen Über-
weisungsträgers hatten die Parteien bei Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrages nicht
bedacht. Dies führt dazu, dass eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen und hierbei zu fragen
ist, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als
redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn sie den eingetretenen Fall in Betracht gezogen hätten
(§ 157 BGB; Palandt, BGB, 67. Auflage, § 157 Rdz. 3 und 7). Deshalb ist davon auszugehen, dass die
Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts individual-
vertraglich ausgeschlossen und es statt dessen der Beklagten auferlegt worden wäre (und ihr deshalb
nach wie vor obliegt), zur Wahrung ihrer Vermögensinteressen gegenüber ihrer Bank
einen ohne Weiteres möglichen Widerruf des in dem Überweisungsträger verkörperten Ange-
botes auf Abschluss eines Überweisungsvertrages zu erklären (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ein solcher
Widerruf (unter Angabe der auf dem Überweisungsträger gemachten und so seine Identifizierung im Fall
einer Vorlage ohne Weiteres ermöglichenden Eintragungen) hätte (wie es auch in Fällen einer Kündigung
gemäß § 676a Abs. 4 BGB geschieht) zur Veranlassung einer (in der Regel elektronisch, sonst
anderweitig platzierbaren) "Buchungssperre" seitens der Bank der Beklagten geführt (bzw. wird zu einer
solchen führen). Durch sie wäre die Beklagte bzw. ihr Vermögen hinreichend geschützt gewesen (bzw.
wird es sein), während eine Vereinbarung des Inhalts, dass die Klägerin (im nunmehr eingetretenen Fall)
eine (restliche) Bezahlung der Stühle nur Zug um Zug gegen eine Rückgabe des Überweisungsträgers
(oder die Stellung einer Sicherheit, § 273 Abs. 3 BGB) verlangen könne, gleichbedeutend mit der
Festschreibung eines auf unabsehbare Zeit andauernden Forderungsausfalls gewesen wäre.
Die in Fällen einer Scheckzahlungsabrede ergangene Rechtsprechung des BGH (vgl. etwa Urteile vom
12. Juli 2000 und 16. April 1996, Az.: VIII ZR 99/99 und XI ZR 222/95, NJW 2000, 3344 und NJW 1996,
1961) steht dieser Sichtweise nicht entgegen. Auch dann, wenn man sie auf Fälle der Begebung eines
Überweisungsträgers für prinzipiell übertragbar erachten will, hat der BGH doch lediglich entschieden,
dass "zur Vermeidung doppelter Inanspruchnahme aus den Kaufverträgen und aus den Schecks
grundsätzlich das Recht" bestehe, "die Bezahlung der Kaufpreisforderungen bis zur Rückgabe der
unversehrten, insbesondere unbezahlten Schecks zu verweigern" (BGH, Beschluss vom16. April 1996,
Az.: XI ZR 222/95, NJW 1996, 1961). Dies schließt eine abweichende Betrachtung im Einzelfall nicht aus,
und eine solche erscheint hier unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen und des Umstandes,
dass ein Zurückbehaltungsrecht seinem Zweck nach die Durchsetzung einer Forderung grundsätzlich
nicht auf unabsehbare Zeit hindern soll, auch geboten.
Ebenso vermag die Befürchtung der Beklagten, der (Original-)Überweisungsträger könne von einem
Dritten als Vorlage zur Fertigung eines weiteren (gefälschten) Überweisungsträgers miss-
braucht werden, eine nur nach Maßgabe des § 274 Abs. 1 BGB eingeschränkte Verurteilung nicht zu
rechtfertigen. Scheidet ein Zurückbehaltungsrecht unter dem dargelegten Aspekt nicht auch aus anderen
Gründen aus, so kommt es jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte gegen das geschilderte
Risiko bereits wirksam geschützt ist. Im Überweisungsverkehr trifft grundsätzlich die Bank und nicht den
Kunden das Risiko der Fälschung eines Überweisungsträgers. Kommt es aufgrund eines gefälschten
Überweisungsträgers zu einer Belastungsbuchung, bewirkt diese keine materiellrechtliche Änderung des
Forderungsbestandes im Rahmen des Rechtsverhältnisses zwischen der Bank und ihrem Kunden;
vielmehr ist die Bank verpflichtet, die unrichtige Belastungsbuchung zu korrigieren (OLG München, Urteil
vom 09. April 2003, Az.: 21 U 5943/01, OLGR 2003, 293; BGH, Urteil vom 31. Mai 1994, Az.: VI ZR 12/94,
NJW 1994, 2357). Zwar kann sich das Fälschungsrisiko im Einzelfall verlagern, nämlich etwa dann, wenn
der Kontoinhaber die Fälschung wegen Verletzung seiner Sorgfaltspflichten gegenüber dem Kreditinstitut
selbst verschuldet hat und deshalb dem Kreditinstitut ein aufrechenbarer Schadensersatzanspruch wegen
positiver Vertragsverletzung zusteht (vgl. etwa OLG Koblenz, Urteil vom 09. Dezember 1983, Az.: 2 U
944/82, WM 1984, 206). Doch wäre die Bank im hier vorliegenden Fall nicht berechtigt, der Beklagten
einen entsprechenden Vorwurf zu machen. Denn die girovertragliche Pflicht eines Kontoinhabers, die
Gefahr der Fälschung eines Überweisungsauftrags soweit wie möglich auszuschalten, begründet
grundsätzlich keine Verpflichtung, an dritte Personen (wie hier die Klägerin bzw. ihre Erfüllungsgehilfen)
keine Anga-
ben zur Kontoverbindung weiterzugeben; von der Kenntnis Dritter von solchen Informationen geht in aller
Regel keine Gefahr für den Zahlungsverkehr aus (BGH, Urteil vom 17. Juli 2001, Az.: XI ZR 325/00, NJW
2001, 2968).
Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Weiterhin stehen der Klägerin die
eingeklagten vorgerichtlichen Anwaltskosten als Verzugsschaden zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
Der Streitwertfestsetzung liegen die §§ 47 Abs. 1 und 2, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO zugrunde. Das
Interesse am Wegfall der Einschränkung einer Verurteilung im Hinblick auf ein Zurückbehaltungsrecht ist
(nach oben durch den Wert des Klageanspruchs begrenzt) nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu
bemessen (BGH, Beschluss vom 02. Oktober 2007, Az.: III ZR 131/07) und entspricht hier dem Wert der
(restlichen) Kaufpreisforderung.
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