Urteil des LG Kaiserslautern vom 28.02.2005

LG Kaiserslautern: wiedereinsetzung in den vorigen stand, fehlende rechtsmittelbelehrung, rechtsmittelfrist, freispruch, anfechtungswille, verschulden, verfügung, umdeutung, sachbeschädigung, quelle

Strafrecht
LG
Kaiserslautern
28.02.2005
8 Qs 4/05
Ein Tenor mit dem Ausspruch "die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse" kann nicht dahingehend
ausgelegt werden, dass die notwendigen Auslagen des Angeklagten bei einem Freispruch
eingeschlossen sind. Ein Kostenfestsetzungsantrag kann in der Regel nicht in eine sofortige Beschwerde
gegen die Kostengrundentscheidung umgedeutet werden, da es am dafür erforderlichen
Anfechtungswillen fehlt. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist trotz § 44 Satz 2 StPO auch bei
unterbliebener Belehrung i.S.v. § 35 a StPO nicht zwingend als unverschuldet anzusehen, wenn die
fehlende Belehrung für die Fristversäumung nicht ursächlich gewesen ist.
8 Qs 4/05
6810 Js 20067/04.jug 20 Cs
Landgericht Kaiserslautern
Beschluss
In dem Strafverfahren gegen
Verteidiger: Rechtsanwalt …
wegen Sachbeschädigung,
hier: sofortige Beschwerde gegen Kostengrundentscheidung,
hat die 8. Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht
Rutz, die Richterin am Landgericht Mengele und den Richter Cichon
am 28. Februar 2005
beschlossen:
1. Die sofortige Beschwerde vom 21. Februar 2005 des früheren Angeklagten gegen den Beschluss des
Amtsgerichts - Jugendrichter - Kaiserslautern vom 11. Januar 2005 wird als unzulässig verworfen.
2. Von der Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird abgesehen; seine notwendigen
Auslagen insoweit hat der Beschwerdeführer selbst zu tragen.
Gründe:
I.
Am 11. Januar 2005 hat das Amtsgericht - Jugendrichter - Kaiserslautern den Beschwerdeführer vom
Vorwurf der Sachbeschädigung freigesprochen. Ziffer 2 des Urteilstenors lautet:
„Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.“
Noch am selben Tag ist bei Gericht der Kostenfestsetzungsantrag des Verteidigers eingegangen, in dem
er zu erstattende Kosten in Höhe von 301,02 € geltend macht.
Mit Verfügung vom 16. Februar 2005 hat das Tatgericht den Verteidiger um Stellungnahme gebeten, ob
der Kostenantrag als Beschwerde gegen die Kostenentscheidung gewertet werden solle.
Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2005 (bei Gericht eingegangen am 22. Februar 2005) hat der Verteidiger
schließlich darum gebeten, seinen „Kostenfestsetzungsantrag vom 11.01.2005 als sofortige Beschwerde
gemäß § 464 Abs. 2 Satz 1 ZPO gegen die Entscheidung über die notwendigen Auslagen zu behandeln“.
Mit Verfügung vom 25. Februar 2005 hat das Tatgericht der Kammer die Sache zur Entscheidung
zugeleitet.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig, da sie verspätet eingelegt wurde.
1.
Hierzu ist zunächst auszuführen, dass der Kostenfestsetzungsantrag vom 11. Januar 2005 nicht als
sofortige Beschwerde ausgelegt werden kann.
Zwar wird in der Rechtsprechung (vgl. z.B. OLG Stuttgart StV 1993, 651; OLG Düsseldorf GA 1990, 267)
teilweise vertreten, dass die Umdeutung eines Kostenfestsetzungsantrages in eine sofortige Beschwerde
gegen die Kostengrundentscheidung entsprechend § 300 StPO unter Umständen möglich sein soll. § 300
StPO setzt jedoch voraus, dass in der auszulegenden Erklärung des Rechtsmittelführers ein
Anfechtungswille (also der Wille, überhaupt ein Rechtsmittel einzulegen) zum Ausdruck kommt. Aus
diesem Grund kann ein Kostenfestsetzungsantrag in der Regel nicht in eine sofortige Beschwerde gegen
die Kostengrundentscheidung umgedeutet werden (vgl. KG NStZ-RR 2004, 190; OLG Düsseldorf NStE Nr.
4 zu § 300 StPO; Meyer-Goßner, 47. Aufl., § 300 Rn. 2; KK-Ruß, 5. Aufl., § 300 Rn. 2; SK-Frisch, 15.
Aufbau-Lfg., § 300 Rn. 8).
Eine Ausnahme von dieser Regel ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Ein irgendwie gearteter
Anfechtungswille ist in dem Kostenfestsetzungsantrag des Beschwerdeführers vom 11. Januar 2005 nicht
erkennbar. Vielmehr zeigt noch der Schriftsatz vom 21. Februar 2005, dass der Beschwerdeführer oder
jedenfalls dessen Verteidiger die Reichweite der Kostengrundentscheidung verkennt. Dort wird auf eine
Entscheidung des OLG Köln (StraFo 1997, 285) verwiesen, nach der eine Kostengrundentscheidung in
der vorliegenden Art dahingehend auslegungsfähig sei, dass die notwendigen Auslagen bei einem
Freispruch eingeschlossen sind. Nach dieser Auffassung wäre eine Änderung und damit eine Anfechtung
der Kostengrundentscheidung gar nicht notwendig. Die Kammer hat jedoch schon im Beschluss vom 10.
Januar 2005, Az. 8 Qs 1/05, zum Ausdruck gebracht, dass sie dieser Rechtsprechung nicht folgt. Die
Auslegung des Kostenfestsetzungsantrages vom 11. Januar 2005 kann somit nur ergeben, dass damit
(ursprünglich) keine Anfechtung der Kostengrundentscheidung gewollt war, sondern vielmehr irrtümlich
davon ausgegangen wurde, dass von der vorliegenden Kostengrundentscheidung die notwendigen
Auslagen des Beschwerdeführers schon mit umfasst werden. Eine Umdeutung in eine sofortige
Beschwerde ist nach dem oben Ausgeführten daher nicht möglich.
2.
Somit käme allenfalls in Betracht, den Schriftsatz vom 21. Februar 2005 als sofortige Beschwerde
auszulegen.
Dieser Schriftsatz ist indes nicht innerhalb der einwöchigen Frist ab Bekanntmachung der angefochtenen
Entscheidung (§§ 464 Abs. 3 Satz 1, 311 Abs. 2 StPO) - mithin verspätet - bei Gericht eingegangen.
Auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 44 StPO ist nicht möglich, da die Versäumung
der Frist nicht unverschuldet erfolgte.
Dies gilt selbst dann, wenn bei der Urteilsverkündung keine Belehrung über die Rechtsmittelfrist im Sinne
des § 35a StPO erfolgt sein sollte. Zwar ist gemäß § 44 Satz 2 StPO die Versäumung einer Rechtsmittelfrist
als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach § 35a StPO unterblieben ist. Dies gilt jedoch nur
dann, wenn die unterbliebene Belehrung für die verspätete Einlegung des Rechtsmittels ursächlich war
(vgl. BGH NStZ 2001, 45). Im vorliegenden Fall war der Grund für die verspätete Einlegung des
Rechtsmittels ersichtlich nicht die fehlende Rechtsmittelbelehrung sondern die irrtümliche Verkennung der
Reichweite der Kostengrundentscheidung (s.o.).
Diese Verkennung der Rechtslage begründet ein Verschulden im Sinne des § 44 StPO, welches sich der
Beschwerdeführer, auch wenn es auf seinen Verteidiger zurückgeht, zurechnen lassen muss. Zwar hat ein
Angeklagter für das Verschulden seines Verteidigers in der Regel nicht einzustehen. Dieser Grundsatz gilt
aber im Strafverfahrensrecht nicht ausnahmslos. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gilt er jedenfalls
nicht bei Fristversäumnissen anlässlich der Anfechtung von Kostenentscheidungen (vgl. BGHSt 26, 126).
3.
Von der Auferlegung der Kosten für das
Beschwerdeverfahren hat die Kammer
entsprechend § 74 JGG abgesehen (wegen der
notwendigen Auslagen vgl. BGH NStZ 1989,
239).
gez. Rutz gez. Mengele
gez. Cichon
Orientierungssätze:
1. Ein Tenor mit dem Ausspruch „die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse“ kann nicht
dahingehend ausgelegt werden, dass die notwendigen Auslagen des Angeklagten bei einem
Freispruch eingeschlossen sind.
2. Ein Kostenfestsetzungsantrag kann in der Regel nicht in eine sofortige Beschwerde gegen die
Kostengrundentscheidung umgedeutet werden, da es am dafür erforderlichen Anfechtungswillen
fehlt.
3. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist trotz § 44 Satz 2 StPO auch bei unterbliebener
Belehrung i.S.v. § 35a StPO nicht zwingend als unverschuldet anzusehen, wenn die fehlende
Belehrung für die Fristversäumung nicht ursächlich gewesen ist.