Urteil des LG Kaiserslautern vom 08.09.2005

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Privatversicherungsrecht
LG
Kaiserslautern
08.09.2005
3 O 577/05
1. Prozesskostenhilfe kann auch bei schlüssiger Klage und erforderlicher Beweisaufnahme verweigert
werden, wenn die Beweisaufnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Lasten des Antragstellers ausgehen
wird. 2. Diese Voraussetzungen können auch bei einer beabsichtigten Klage auf Leistungen aus einer
Berufsunfähigkeitsversicherung, bei der der Versicherer wegen Verletzung vorvertraglicher
Anzeigepflichten vom Vertrag zurückgetreten ist bzw. diesen angefochten hat, trotz der überwiegend den
Versicherer treffenden Beweislast erfüllt sein.
3 O 577/05
In dem Prozesskostenhilfeverfahren
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
wegen: Leistungen aus Berufsunfähigkeitsversicherung
hier: Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht
Goldstein und die Richter am Landgericht Sachs und Pees am 08.09.2005
b e s c h l o s s e n :
Dem Antragsteller wird die nachgesuchte Prozessko
stenhilfe verweigert.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der er beabsichtigt, die Antragsgegnerin
auf Leistungen aus einer bei dieser abgeschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherung in Anspruch zu
nehmen. Dem liegt -zusammengefasst- folgender Sachverhalt zu Grunde:
Ende 2001 beantragte der Antragsteller, der zumindest seit 1993 bei den amerikanischen Streitkräften als
KfZ-Mechaniker im LKW-Bereich tätig war, bei der Antragsgegnerin den Abschluss einer Be-
rufsunfähigkeitsversicherung; die Antragsgegnerin nahm den Antrag an und stellte den entsprechenden
Versicherungsschein aus (Bl. 33-42 d.A.). Für den Eintritt des Versicherungsfalles ist die Erbringung einer
monatlichen Berufsunfähigkeitsrente bis einschließlich Oktober 2016 vorgesehen, die zunächst 1.022,59
EUR monatlich betrug und aufgrund mehrerer Nachträge zum Versicherungsschein auf zuletzt 1.157,05
EUR anwuchs (im Einzelnen wird auf die Nachträge Bl. 43-51 d.A. Bezug genommen).
In dem vom Antragsteller unterschriebenen Antrag, den der Versicherungsagent der Antragsgegnerin K.
einschließlich der Gesundheitsfragen im Beisein des Antragstellers ausfüllte, sind sämtliche Fragen nach
Erkrankungen und Beschwerden jeweils mit "nein" beantwortet, darunter auch die Frage nach
"Beschwerden, Störungen, Krankheiten oder Vergiftungen in den letzten 5 Jahren" und die Frage
"Bestehen oder bestanden in den letzten 10 Jahren Krankheitssymptome an Wirbelsäule, Bandscheiben
pp." (im Einzelnen wird auf den Antrag Bl. 52 d.A. Bezug genommen). Der (unstreitige) Aufenthalt des
Antragstellers in einer Rehaklinik in Bad M. im Jahr 1994 wegen Rückenbeschwerden ist nicht angeführt.
Nachdem der Antragsteller im September 2003 zwei Bandscheibenvorfälle erlitt und seitdem dauerhaft
krankgeschrieben ist, beantragte er am 15.07.2004 bei der Antragsgegnerin die Erbringung von
Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung.
Im Zuge der vorgenommenen Leistungsprüfung erhielt die Antragsgegnerin mehrere Arztberichte.
Im Bericht der Rheumaklinik Bad Säckingen vom 21.06.2004, in der sich der Antragsteller nach dem
Bandscheibenvorfall vom September 2003 aufhielt (Bl. 53 ff. d.A.) ist u.a. ausgeführt, der Antragsteller
habe bei Aufnahme Schmerzen im Rückenbereich seit September 2003 beschrieben, "wobei schon seit
vielen Jahren Rückenbeschwerden bestanden hätten" (Bl. 54 d.A.).
Im an die LVA Rheinland-Pfalz adressierten Abschlussbericht der Reha-Klinik Bad M. aus dem Jahr 1994
ist u.a. ausgeführt:
"... ist festzustellen, dass Herr H. aufgrund seiner chro-
nischen Beschwerdesymptomatik, der Fehlstatik
bei nachgewie-
senem Bandscheibenvorfall
der bereits für sein Alter fortgeschrittenen degenerativen
Veränderungen
seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als KfZ-Me-
chaniker im LKW-Reparaturdienst nicht ausüben kann
hebung durch die Kammer) ... Herr H. denkt, dass eine in-
nerbetriebliche Arbeitsplatzumstellung möglich ist.
...
Herr H. klagt über Wirbelsäulenbeschwerden, die seit ca.
15 Jahren bestünden, die teils vermehrt, mit Ausstrahlung
in beide Beine, besonders nach Überlastung auftreten würden.
Im April 1994 habe er eine akute Lumbalgie gehabt, von der
er sich bisher nicht erholt habe. Immer wieder käme es zu
Schmerzattacken mit brennendem Charakter und Ausstrahlung
in beide Beine ..."
(Bl. 61/63 d.A.).
Im Zeitraum zwischen 1991 und 1994/5 wurde der Antragsteller nach der Auskunft der
Gemeinschaftspraxis Dr. M. wegen Wirbelsäulenbeschwerden "mit mehr oder weniger Dauerschmerzen"
behandelt und war u.a. auch deshalb mehrfach in diesem Zeitraum krankgeschrieben (Bl. 66/68 ff. d.A.).
Von Ende 1994 bis 2003 fanden keine Behandlungen mehr statt.
Mit Schreiben vom 07.02.2005 erklärte die Antragsgegnerin wegen Verschweigens der vorgenannten
Behandlungen und Erkrankungen den Rücktritt vom Vertrag und dessen Anfechtung.
Der Antragsteller beabsichtigt, Klage gegen die Antragsgegnerin zu erheben, mit der er die Leistung der
monatlichen Berufsunfähigkeitsrente seit August 2004 bis Oktober 2016 sowie die Feststellung der
Beitragsfreiheit der Berufunfähigkeitsversicherung verlangen will (zu den Anträgen Bl. 73 d.A.).
Er bringt hierzu vor,
der Rücktritt und die Anfechtung seien unberechtigt. Er habe bei Antragstellung keine Erkrankungen
verschwiegen.
Er habe dem den Antrag ausfüllenden Versicherungsagenten K. auf dessen Frage sämtliche
Vorerkrankungen mitgeteilt, auch, dass er 1994 eine Bandscheibenvorwölbung gehabt habe und sich
deshalb in Behandlung in Bad M. befunden habe. Dort sei ihm auch lediglich eine solche Vorwölbung,
nicht aber ein Bandscheibenvorfall, mitgeteilt worden. Seitdem sei er beschwerdefrei gewesen. Daraufhin
habe ihn der Agent gefragt, wie er behandelt worden sei. Auf seine, des Antragstellers Antwort, dass es
sich um eine konventionelle Behandlung gehandelt habe und dass er seitdem beschwerdefrei sei, habe
ihm der Agent mitgeteilt, dass nur aktuelle Erkrankungen mitgeteilt werden müssten, und habe dies beim
Ausfüllen des Antrages weggelassen. Dies müsse sich die Antragsgegnerin zurechnen lassen.
Bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit liege vor.
Die Antragsgegnerin bringt vor,
der Antragsteller habe die Behandlungen 1994 und davor verschwiegen, was angesichts von deren
Schwere nur mit Arglist zu erklären sei. Es treffe nicht zu, dass er den Versicherungsagenten in der
behaupteten Weise mündlich zutreffend informiert habe. Dieser habe vielmehr das Ausfüllen des Antrages
nach ausdrücklichem Befragen und den entsprechenden Antworten des Antragstellers vorgenommen.
II.
Dem Kläger konnte die nachgesuchte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, da es der beabsichtigten
Klage an der hinreichenden Erfolgsaussicht fehlt (§ 114 ZPO).
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung
hinreichende Aussicht auf Erfolg hat; das bedeutet nicht Erfolgsgewissheit, erfordert allerdings, dass der
vom Antragsteller eingenommene Standpunkt zumindest vertretbar erscheint (vgl. BGH NJW 1994, 1160,
1161; OVG Greifswald MDR 1996, 98). Diese Erfolgsprognose bezieht sich nicht nur auf die Frage, ob
eine schlüssige Klage vorliegt; sie bezieht sich vielmehr auch auf die Beweislage. Zwar dürfen die
Anforderungen an die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch aus Verfassungsgründen nicht
überspannt werden (vgl. BVerfG NJW 1997, 2745, 2746; NJW-RR 2002, 1069; NJW-RR 2003, 1216 f.);
denn das Verfahren der Prozesskostenhilfe soll die minder bemittelte Partei der bemittelten weitgehend
gleich stellen und soll zudem den Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern ihn ermöglichen. Daher ist bei
einer erforderlichen Beweisaufnahme grundsätzlich Prozesskostenhilfe zu gewähren. Das gilt aber nicht
ausnahmslos. Gerade im Prozesskostenhilfeverfahren ist eine vorweggenommene Beweiswürdigung in
Grenzen zulässig; denn Sinn der Prozesskostenhilfe ist es umgekehrt nicht, einer minder bemittelten
Partei durch das bloße Behaupten eines schlüssigen Vorganges und das Benennen von Beweismitteln
hierzu die Führung kostenträchtiger Prozesse auf Kosten der Allgemeinheit zu gestatten, die eine
ausreichend bemittelte Partei, die den Prozess selbst finanzieren müsste, wegen ausgesprochener
Unwahrscheinlichkeit eines positiven Ergebnisses nicht oder nicht in dieser Weise führen würde. Es ist
deshalb auch anerkannt, dass selbst bei erforderlicher Beweisaufnahme Prozesskostenhilfe verweigert
werden kann, wenn die Beweisaufnahme mit hoher Wahrscheinlickeit zu Lasten der Prozesskostenhilfe
beantragenden Partei ausgehen wird (OLG Köln OLGR 2004, 27 f.; Musielak/Fischer, ZPO, 4. Auflage, §
114 Rdnr. 21) und wenn konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Be-
weisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei
ausgehen würde (BVerfG NJW-RR 2003, 1216/17; OLG Koblenz NJW-RR 1992, 706, 707).
So liegt es hier. Die Antragsgegnerin hat den Rücktritt vom Versicherungsvertrag gem. §§ 16, 17 VVG und
dessen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt. Selbst wenn hierzu -was, worauf noch
einzugehen sein wird, nicht einmal feststeht- eine Beweisaufnahme erforderlich wäre, wird diese mit
allergrößter Wahrscheinlichkeit zu Lasten des Antragstellers ausgehen mit der Folge, dass der Rücktritt
und die Anfechtung zu Recht erfolgt sind.
Gemäß § 16 VVG kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten, wenn der Versicherungsnehmer
gefahrerhebliche Umstände, nach denen gefragt wurde, bei Antragstellung nicht angegeben hat.
Diese Voraussetzungen sind hier mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit gegeben. Im Antrag sind alle
Gesundheitsfragen, auch diejenige nach Krankheitssymptomen an der Wirbelsäule in den letzten 10
Jahren, mit "nein" beantwortet, obwohl sich der Antragsteller, was aus dem Entlassungsbericht der
Rehaklinik Bad M. ebenso wie aus der Auskunft des behandelnden Arztes Dr. M. eindeutig folgt und was
von ihm auch nicht bestritten wird, über Jahre wegen Rückenschmerzen in ärztlicher Behandlung befand,
nach eigenen Angaben gegenüber den Ärzten in Bad M. sogar seit damals bereits 15 (!) Jahren unter
Rückenschmerzen, teils "mit brennendem Charakter" litt. Dass es sich dabei um gefahrerhebliche
Umstände handelt, liegt auf der Hand, zumal nach Wirbelsäulenbeschwerden auch ausdrücklich gefragt
war. Hieran ändert auch die danach behauptete Besserung für die folgenden Jahre angesichts der langen
und gravierenden Vorgeschichte nichts.
Soweit der Antragsteller behauptet, ihm sei 1994 in Bad M. kein Bandscheibenvorfall, sondern lediglich
eine -vorwölbung bekannt gegeben worden, und diese ihm bekannten Vorerkrankungen habe er sämtlich
dem Agenten der Antragsgegnerin angegeben, erscheint das schon als solches wenig glaubhaft. Im
Bericht der Klinik Bad M. ist ein "festgestellter Bandscheibenvorfall" angeführt. Dass dem Antragsteller von
denselben Ärzten, die den Bericht verfassten, stattdessen eine bloße Vorwölbung, die zu dem
augenscheinlich gravierenden Beschwerdebild auch kaum gepasst hätte, mitgeteilt wurde, ist schon nach
der Lebenserfahrung als fernliegend zu bezeichnen. Zwar ist dem Antragsteller darin beizupflichten, dass
allein der Antrag ein Verschweigen nicht beweist, wenn der Antragsteller substantiiert behauptet, den
Agenten zutreffend informiert zu haben, und dieser dann erklärt habe, darauf komme es nicht an (BGH r+s
2005, 10, 11; VersR 2001, 1541, 1542; BGHZ 107, 322, 325; OLG Zweibrücken VersR 2004, 630; VersR
2002, 1017, 1018); denn dann muss der Versicherer beweisen, dass dies nicht zutrifft. Dem genügt aller-
dings schon der Vortrag des Antragstellers kaum; denn er behauptet pauschal, den Agenten "über alle
Vorerkrankungen" informiert zu haben, nennt konkret aber nur die "Vorwölbung". Dass er den Agenten
über die zuvor bereits bestandene Beschwerdesymptomatik über 15 Jahre hinweg mit langjähriger
Behandlung und "Schmerzattacken mit brennendem Charakter" informiert habe, behauptet er im Detail
nicht.
Das kann aber letztlich hier auf sich beruhen. Denn entscheidend ist, dass der Antragsteller eine
vollständige (mündliche) Information des Agenten der Antragsgegnerin selbst nicht behauptet.
Entscheidend ist nämlich, dass bereits während der Behandlung in der Reha-Klinik Bad M. 1994 von den
Ärzten festgestellt wurde, dass der Antragsteller aufgrund der Erkrankungen und fortgeschrittenen
degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule seinen Beruf als KfZ-Mechaniker im LKW-Reparaturdienst
nicht mehr ausüben kann, mit anderen Worten bereits damals von den Ärzten in dem Beruf, den er auch
bei Antragstellung noch ausübte, als faktisch berufsunfähig angesehen wurde. Über die
Gefahrerheblichkeit dieses Umstandes zu reden, erübrigt sich. Kein Versicherer wäre bei einer 15-
jährigen Beschwerdesymptomatik, dieser Feststellung und einem unveränderten Berufsbild bereit
gewesen, den Kläger (einschließlich Wirbelsäulenerkrankungen) gegen Berufsunfähigkeit zu versichern.
Hieran ändert auch die nach 1994/95 behauptete Beschwerdefreiheit nichts. Dass er diesen Umstand
dem Agenten mitgeteilt hätte, behauptet der Antragsteller selbst nicht. Schon aus diesem Grund ist der
Rücktritt ebenso berechtigt wie die Anfechtung.
Den (absehbaren) Einwendungen des Antragstellers hiergegen kann die Kammer sogleich begegnen.
Soweit der Antragsteller behaupten sollte, ihm sei in Bad M. von einer solchen Berufsunfähigkeit nichts
mitgeteilt worden, folgt schon aus dem dortigen Bericht selbst, dass dies nicht zutrifft. Denn dort ist
ausgeführt, dass er selbst erklärt habe, er halte eine innerbetriebliche Umsetzung für möglich. Diese
Äußerung macht nur einen Sinn, wenn er auf die Unfähigkeit, seinen Beruf weiter auszuüben, zuvor
angesprochen wurde. Selbst der Antritt von Zeugenbeweisen wäre bei dieser Sachlage nicht geeignet,
zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu führen; ganz abgesehen davon, dass die Mitteilung derartiger
Befunde geradezu zu den Kardinalpflichten behandelnder Ärzte gehört, bestand für die behandelnden
Ärzte kein Grund, etwas Falsches aufzunehmen, zumal dem Antragsteller dann nicht nur der
Bandscheibenvorfall, sondern auch die faktische Berufsunfähigkeit nicht mitgeteilt worden wäre. Somit
bestünden in diesem Punkt begründete Anhaltspunkte dafür, dass diese Beweisaufnahme mit hoher
Wahrscheinlichkeit zu Lasten des Antragstellers ausginge, sodass dafür keine Prozesskostenhilfe
bewilligt werden braucht (s.o.).
Sollte der Antragsteller behaupten, den Agenten auch hierüber (mit dem gleichen Ergebnis) informiert zu
haben, so wäre dies schon aus Rechtsgründen nicht geeignet, der Klage zum Erfolg zu verhelfen, sodass
es einer Beweisaufnahme über dieses Gespräch nicht bedürfte. Denn die Zurechnung von mündlichen
Erklärungen gegenüber Agenten an den Versicherer ist nicht grenzenlos; verhält sich der Agent auf eine
Weise, die eine evidente Überschreitung der ihm eingeräumten Vollmacht darstellt, so kann sich der Ver-
sicherungsnehmer nicht mehr auf die mündliche Erklärung berufen. Eine solche evidente Überschreitung
der dem Agenten eingeräumten Befugnisse liegt dann vor, wenn der Vertreter von seiner Ver-
tretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch macht, sodass beim Versicherungsnehmer
begründete Zweifel aufkommen müssen, ob es sich nicht um einen Treueverstoß handelt (BGH VersR
2002, 425, 426; OLG Zweibrücken VersR 2002, 1017, 1018; VersR 2004, 630, 631; OLG Saarbrücken
VersR 2005, 675, 676; je mwN). Das wäre hier offensichtlich der Fall gewesen. Sollte der Agent auf die
Mitteilung von über 15 Jahre anhaltenden Beschwerden, die über 4 Jahre hinweg ärztlich behandelt
wurden, mit "Schmerzattakken mit brennendem Charakter" einhergingen, und zudem der ärztlichen
Feststellung, der Antragsteller könne aus gesundheitlichen Gründen seinen Beruf nicht mehr ausüben,
erklärt haben, auf all das käme es nicht an, sondern nur auf aktuelle Beschwerden, so läge der
Vollmachtsmissbrauch derart deutlich auf der Hand, dass er auch für einen Laien nicht mehr zu
übersehen wäre. Daran würde der beschwerdefreie Zeitraum nichts mehr ändern.
Somit lässt sich festhalten, dass der Antragsteller im Rahmen eines Antrages auf Abschluss einer
Berufsunfähigkeitsversicherung (!) eine bereits ärztlich festgestellte faktische Berufsunfähigkeit wegen
Wirbelsäulenerkrankungen bei unverändertem Berufsbild nicht angab. Dass er von dieser Feststellung
nichts wusste, ist aus den dargestellten Gründen derart unwahrscheinlich, dass es die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe selbst bei entsprechenden Beweisangeboten nicht rechtfertigen würde. Die (mögliche)
Behauptung, er habe dies mitgeteilt, kann aus den dargestellten Rechtsgründen ebenfalls nicht zum
Erfolg führen.
Kaiserslautern, den 08.09.2005
Landgericht, 3. Zivilkammer
gez. Goldstein Sachs Pees
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