Urteil des LG Itzehoe vom 14.03.2017

LG Itzehoe: treu und glauben, vermieter, form, energie, beendigung, vertragsschluss, verbrauch, elektrizität, vertragsabschluss, arbeitsrecht

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Gericht:
LG Itzehoe 1.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 S 179/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 2 Abs 2 StromGVV
Stromlieferungsvertrag: Vertragspartner bei einem
konkludenten Vertragsabschluss durch tatsächlichen
Bezug nach Leerstand einer Mietwohnung
Leitsatz
Bei einer Mietwohnung, für deren Energiebezug der Mieter aufgrund der
mietvertraglichen Regelungen eigenverantwortlich zu sorgen hat, kommt ein Vertrag
durch tatsächliche Inanspruchnahme der mittels Realofferte angebotenen Leistung
jedenfalls dann mit dem Mieter zustande, wenn dem Versorgungsunternehmen diese
mietvertragliche Regelung aufgrund der bisherigen Handhabung bekannt ist. Der
Vermieter tritt auch dann nicht als Vertragspartner ein, wenn der Mieter entgegen
seiner Verpflichtung aus § 2 Abs. 2 StromGVV den Strombezug gegenüber dem
Versorgungsunternehmer nicht mitteilt.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Meldorf vom 08.
Oktober 2008 - Az.: 84 C 848/08 - wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert des Berufungsrechtszuges wird festgesetzt auf 1.109,85 €.
Tatbestand
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO auf
das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Ergänzend hat der Beklagte zu 1. in der mündlichen Verhandlung vom 10.02.2009
ausgeführt, dass in dem Mietvertrag, welchen er mit den eigentlich vorgesehenen
Mietern ... und ... geschlossen habe, wie bei den übrigen und vorhergehenden
Mietverträgen auch, keine Umlage der Stromkosten sondern eine eigenständige
Anmeldung der Mieter bei einem Stromversorgungsunternehmen vorgesehen war.
In diesen Vertrag sei ..., die zum 01.07.2006 in die hier fragliche Wohnung
eingezogen ist, eingetreten.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.
Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts sind die Beklagten als Vermieter /
Eigentümer nicht Vertragspartner der Klägerin hinsichtlich des in der Wohnung ...
in ...-... bezogenen Stroms geworden, so dass ein Zahlungsanspruch für den
Verbrauch gem. § 433 Abs. 2 BGB, welchen die Kläger unter dem 31.12.2007 mit
einem Gesamtbetrag von 1.109,85 € in Rechnung gestellt hat, nicht besteht.
Da entgegen § 2 Abs. 1 StromGVV, nach dem Grundversorgungsverträge über die
Lieferung von Elektrizität grundsätzlich in Textform geschlossen werden sollen, ein
Vertrag in der dort vorgeschriebenen Form weder mit den Beklagten als
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Vertrag in der dort vorgeschriebenen Form weder mit den Beklagten als
Vermietern, noch der in dem Zeitraum die Wohnung bewohnenden Mieterin ...
geschlossen wurde, kommt ein Vertragsschluss nur in der Form des § 2 Abs. 2
StromGVV in Betracht. Dort ist der allgemein anerkannte Rechtsgrundsatz
normiert, wonach in dem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens ein
Vertragsangebot in Form einer sogenannten Realofferte zum Abschluss eines
Versorgungsvertrages zu sehen ist, das von demjenigen konkludent angenommen
wird, der aus dem Leitungsnetz des Versorgungsunternehmens Elektrizität
entnimmt (vgl. u.a. BGH NJW 2003, 3131). Dadurch wird der Tatsache Rechnung
getragen, dass in der öffentlichen leitungsgebundenen Versorgung die
angebotenen Leistungen vielfach ohne ausdrücklich schriftlichen oder mündlichen
Vertragsschluss in Anspruch genommen werden; dabei soll ein vertragsloser
Zustand bei Energielieferungen vermieden werden.
Unstreitig hat die Klägerin auch nach Auszug der ... und ... Ende Februar 2006 ihre
Leistung angeboten. Die Stromversorgung wurde nicht gekappt oder ähnliches,
auch während des Leerstandes der Wohnung zwischen März und Juni 2006 konnte
Strom entnommen werden. Ob oder in welchem Umfang auch während des
Leerstandes Strom bezogen wurde, ist weder vorgetragen noch im vorliegenden
Fall erheblich, da es allein um den im Zeitraum 01.01.-31.12.2007 abgerechneten
Verbrauch geht.
Für die Frage, wem die tatsächliche Entnahme als eine auf den Abschluss eines
Versorgungsvertrags gerichtete Willenserklärung zuzurechnen ist, kommt es
darauf an, an wen aus der Sicht des Entnehmenden das
Versorgungsunternehmen die Realofferte in Form der Bereitstellung von Energie
richtet und wer aus Sicht des Versorgungsunternehmens unter Berücksichtigung
von Treu und Glauben und der Verkehrssitte dieses Angebot durch die Entnahme
von Energie angenommen hat und dadurch erklärt hat, Vertragspartner werden zu
wollen. Die Orientierung nach Treu und Glauben bedeutet, dass im Zweifel ein
Auslegungsergebnis anzustreben ist, das die berechtigten Belange beider Parteien
angemessen berücksichtigt und mit den Anforderungen des redlichen
Geschäftsverkehrs im Einklang steht (OLG Sachsen-Anhalt, RdE 2006, 319 f.;OLG
Koblenz, NJW-RR 2006, 1065 f.).
Bei der Auslegung ist zu berücksichtigen, wer die nach außen sichtbare
tatsächliche und rechtliche Verfügungsgewalt über den Anschluss hat, wobei es
nicht darauf ankommt, dass dieser die Energie persönlich entnimmt. Es genügt
vielmehr, wenn er die Entnahme durch Dritte gestattet, was im Verhältnis des
Vermieters zum Mieter grundsätzlich möglich sein kann. Aus der Anmietung von
Räumen folgt daher zwar regelmäßig, aber nicht zwangsläufig, dass der Mieter
Vertragspartner des Versorgungsunternehmens wird und deshalb grundsätzlich für
die Bezahlung der in den gemieteten Räumen verbrauchten Energie haftet (OLG
Sachsen-Anhalt, RdE 2006, 319 f.).
Im vorliegenden Fall sollten die Beklagten als Vermieter aufgrund der
mietvertraglichen Regelungen mit den jeweiligen Mietern weder für die laufenden
Stromkosten aufkommen, noch für das Versorgungsverhältnis dergestalt
zuständig sein, dass sie Verträge mit einem Versorgungsunternehmen schließen
und die anfallenden Kosten als umlagefähige Betriebskosten im Rahmen von
Betriebskostenvorauszahlungen pp. von der Mieterin erstattet verlangen.
Entsprechend der üblichen Handhabung in der Praxis sollte der jeweilige Mieter
selbst Vertragspartner des Leistungserbringers werden und auch die insoweit
anfallenden Kosten außerhalb der Miete unmittelbar tragen. Aus Sicht des
jeweiligen Mieters, hier konkret der Mieterin ..., war die Realofferte der Klägerin
deshalb an sie als diejenige gerichtet, die auch nach den Vereinbarungen mit den
Vermietern dafür zuständig war, den Strombezug zu regeln.
Auch aus Sicht des Versorgungsunternehmens sollte sich das Angebot an den
jeweiligen Mieter der Wohnung richten. Denn auch in der Vergangenheit hatte die
Klägerin nur mit den Mietern der Wohnung - wie auch bei den Mietern ... / ...,
welche die Wohnung bis Ende Februar 2006 bewohnt haben - Versorgungsverträge
geschlossen und mit ihnen den Verbrauch direkt abgerechnet. Gegenüber den
Beklagten rechnete sie ab dem Eintritt des Leerstandes lediglich Grundgebühren
ab, die sie auch den Abschlägen zugrunde legte. Sie rechnete folglich nicht damit,
dass die Beklagten aufgrund eigenen Verbrauchs selber Vertragspartner werden
sollten oder wollten. Die berechneten Grundgebühren, die auch den - ohne
wirksame Ermächtigung - vorgenommenen Bankeinzügen zugrunde lagen,
betrafen lediglich mögliche Leerstandskosten, für die ein Vermieter einzustehen
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betrafen lediglich mögliche Leerstandskosten, für die ein Vermieter einzustehen
hat (LG Kiel, RdE 1990, 229; so auch BGH in NJW 2003, 2902 zu Fernwärme).
Derartige Kosten wurden jedoch durch die geleisteten Abschläge von monatlich
3,00 € erfüllt.
Ein konkludenter Vertragsschluss mit den Beklagten hinsichtlich des
Stromverbrauchs der Mieterin ... kann vor dem Hintergrund der vorgenannten
Maßstäbe nicht angenommen werden. Dementsprechend ist die Mieterin mit der
erstmaligen Stromentnahme Vertragspartnerin der Klägerin geworden und
vertragliche Entgeltansprüche sind allein ihr gegenüber geltend zu machen.
Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass die Mieterin ihrer Pflicht, die
Abnahme von Strom der Klägerin unverzüglich mitzuteilen (§ 2 Abs. 2 S.1
StromGVV) nicht nachgekommen ist (LG Duisburg vom 23.09.2005, zit. nach juris:
Rn 7). Die StromGVV sieht eine irgendwie geartete Ausfallhaftung des Vermieters
für derartige Fälle nicht vor. Auch soll die Möglichkeit eines konkludenten
Vertragsschlusses dem Versorgungsunternehmen nicht dazu dienen, einen
weiteren Vertragspartner zu erhalten. Wenn sich das
Stromversorgungsunternehmen diesem Risiko nicht aussetzen will, kann es mit
dem Vermieter ab dem Zeitpunkt des Leerstandes einen Vertrag (in Textform, § 2
Abs. 1 StromGVV) schließen, so dass die Beendigung des Leerstandes bzw. die
Neuvermietung nur dann zu einer Beendigung des von ihm geschlossenen
Versorgungsvertrages führt, wenn der Vermieter dies gegenüber dem
Versorgungsunternehmen entsprechend anzeigt bzw. seinen Vertrag kündigt.
Ob im vorliegenden Fall eine mögliche Nichtanzeige der Beendigung des
Leerstandes durch die Beklagten zu einem Schadensersatzanspruch der Klägerin
führen kann, war im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu klären, da ein derartiger
Anspruch jedenfalls auch von der Durchsetzbarkeit der vertraglichen Ansprüche
gegenüber der Mieterin abhängen würden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.