Urteil des LG Itzehoe vom 14.03.2017
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Gericht:
LG Itzehoe 1.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 S 145/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 55 Abs 1 SGB 1, § 803 ZPO
Anspruch auf Auszahlung des auf dem gemeinsamen
Konto der Eheleute befindlichen Kontoguthabens im Falle
der Pfändung
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Itzehoe vom 7. Juli
2009 mit der Maßgabe abgeändert, dass der Antrag der Klägerin auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung zurückgewiesen wird.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 I
Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
In der Sache geht es kurz zusammengefasst um Folgendes:
Die Klägerin und ihr Ehemann unterhalten bei der Beklagten ein sog. Oder-Konto.
Die Klägerin bezieht Arbeitslosengeld I in Höhe von monatlich 1.184,70 Euro, das
am 28. November 2008 auf dem Konto gutgeschrieben wurde. Am 11. Dezember
2008 wurde der Beklagten ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der xxx
gegen den Ehemann der Klägerin zugestellt. Als die Klägerin einen Tag später am
12. Dezember 2008 das Guthaben vom Konto abheben wollte, verweigerte die
Beklagte im Hinblick auf den Pfändung- und Überweisungsbeschluss die
Auszahlung. Das Amtsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die auf
Antrag der Klägerin ergangene einstweilige Verfügung aufrecht erhalten, wonach
der Beklagten aufgegeben worden ist, das vorhandene Guthaben auszuzahlen und
Verfügungen der Klägerin über das monatlich eingehende Arbeitslosengeld I
zuzulassen.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch sachlich gerechtfertigt.
Nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses am 11. Dezember
2008 stand der Klägerin ein Anspruch auf Auszahlung des Kontoguthabens auf
dem gemeinsam mit ihrem Ehemann unterhaltenen Oder-Konto nicht mehr zu.
Das Oder-Konto ist ein gemeinschaftliches Konto, bei dem kraft Abrede aller
Beteiligten jeder Inhaber für sich über das gesamte Guthaben verfügen kann. Eine
Folge dieser Gesamtberechtigung ist, dass eine Pfändung des Anspruches eines
der Oder-Konto-Inhaber den gesamten Auszahlungsanspruch erfasst. Bei dem
Oder-Konto besteht dabei die Besonderheit, dass die Bank nach dem
Prioritätsgrundsatz an den leisten muss, der ihr dies gegenüber zuerst verlangt.
Die Pfändung und Überweisung zur Einziehung stellt grundsätzlich ein derartiges
Leistungsverlangen dar (Münchener Kommentar, BGB, 5. Aufl., § 428 Rdnr. 4;
Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., 1. Kap. Rdnr. 339 ).
Im vorliegenden Fall durfte die Beklagte deshalb am 12. Dezember 2008, einen
Tag nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, dem
Auszahlungsverlangen der von der Pfändung nicht betroffenen Klägerin nicht mehr
entsprechen.
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Da es sich bei dem überwiesenen Arbeitslosengeld I um eine Sozialgeldleistung
handelt, hätte die Klägerin nur die Möglichkeit gehabt, innerhalb von 7 Tagen nach
der Überweisung über den gutgeschriebenen Betrag zu verfügen. Gem. § 55 I SGB
I ist die Forderung gegen das Geldinstitut, die durch die Gutschrift einer
Sozialgeldleistung entsteht, innerhalb von 7 Tagen seit der Lastschrift unpfändbar.
Diese siebentägige Frist war jedoch zum Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses bereits abgelaufen.
Nach Ablauf der siebentägigen Schonfrist erfasst der Pfändungsbeschluss das
Kontoguthaben des Schuldners in vollem Umfang. Daher ist es dem Geldinstitut
gem. § 829 I 1 ZPO ab diesem Zeitpunkt verboten, an den Schuldner zu leisten.
Nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses darf zudem
aufgrund des Prioritätsgrundsatzes nicht an den von der Pfändung nicht
betroffenen Kontoinhaber geleistet werden.
Durch die Regelung des § 55 IV SGB I, der einen verlängerten Kontenschutz
gewährt, erweitert sich der Pfändungsschutz zugunsten der Klägerin ebenfalls
nicht.
Anders als § 55 I SGB I, der die Reichweite des Pfändungsbeschlusses während der
7 Tage seit Gutschrift der Überweisung eingeschränkt, ermöglicht es § 55 IV SGB I
dem Kreditinstitut nicht, den pfändungsfreien Betrag ohne eine gerichtliche
Entscheidung freizugeben. Erforderlich ist vielmehr, dass der
Vollstreckungsschuldner nach Ende der Schonfrist nach § 55 I SGB I beim
Vollstreckungsgericht im Wege der Vollstreckungserinnerung gem. § 766 ZPO eine
Abänderung des Pfändungsbeschlusses dahingehend erwirkt, dass ihm der in § 55
IV SGB I genannte Betrag bis zum nächsten Zahlungstermin pfandfrei belassen
wird (BGH NJW 2004, 3262, 3263). Diese Möglichkeit ist der Klägerin jedoch
verwehrt, da sich die Zwangsvollstreckung nicht gegen sie, sondern ihren
Ehemann richtet.
Will sich die Klägerin davor schützen, dass Gläubiger ihres Ehemannes auf ihre
Sozialgeldleistungen Zugriff nehmen, muss sie entweder innerhalb von 7 Tagen
nach Gutschrift über das Arbeitslosengeld I verfügen oder sich ein eigenes Konto
einrichten und auf dieses das Arbeitslosengeld I überweisen lassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.