Urteil des LG Itzehoe vom 13.03.2017

LG Itzehoe: abrechnung, betriebskosten, entwässerung, vermieter, hauswart, grundsteuer, mietvertrag, vollstreckung, nachbesserung, bestandteil

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Gericht:
LG Itzehoe 9.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 S 39/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 259 BGB
Nebenkostenabrechnung: Anforderungen an eine formell
ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnung; Abrechnung
bei getrennter Vorschusszahlung für Heiz- und
Betriebskosten
Tenor
Das Urteil des Amtsgerichts Pinneberg vom 21.03.2005 - Az. 69 C 184/04 - wird
geändert:
Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin als Gesamtschuldner 220,25 €
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
p.a. seit dem 27.01.2005 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 62 % und die
Beklagten als Gesamtschuldner 38 %. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter
Instanz tragen die Klägerin 57 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 43 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die jeweils gegen sie gerichtete Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils gegen sie zu vollstreckenden
Betrages abwenden, wenn nicht die andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit
in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des
angefochtenen Urteils verwiesen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Die Beklagten beantragen,
unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Pinneberg vom 21.03.2005
- 69 C 184/04 - die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung ist zulässig.
In der Sache hat sie teilweise Erfolg.
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Der Klägerin steht gegen die Beklagten kein fälliger Nachzahlungsanspruch aus
den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2001 und 2002 zu. Sie hat
allerdings einen Nachzahlungsanspruch aus den Heizkostenabrechnungen für die
Jahre 2001 und 2002 gegenüber den Beklagten in Höhe von insgesamt 220,25 €.
1.
Eine Betriebskostenabrechnung entspricht den Anforderungen des § 259 BGB und
ist formell ordnungsgemäß, wenn sie eine Zusammenstellung der Gesamtkosten,
die Angabe und Erläuterung der zugrunde gelegten Verteilerschlüssel, die
Berechnung des Anteils des Mieters und den Abzug der Vorauszahlungen des
Mieters enthält (BGH NJW 1982, 573). Diesen formellen Anforderungen genügt die
Betriebskostenabrechnung der Klägerin nicht in allen Punkten.
Die Betriebskostenabrechnung weist bezüglich der Positionen Grundsteuer,
Wassergeld/Entwässerung sowie Hauswart als Gesamtbeträge lediglich
Betriebskosten aus, die im Wege eines Vorwegabzugs bereits um die nicht
umlagefähigen Anteile bereinigt worden sind. Hinsichtlich dieser
Nebenkostenansätze ist die Betriebskostenabrechnung aufgrund einer nicht
erfolgten Ausweisung der Gesamtkosten formell unwirksam.
Die Kammer vertritt die Auffassung, dass der Begriff der Gesamtkosten sämtliche
Kosten erfasst, die der Vermieterseite in Bezug auf den jeweiligen
Nebenkostenansatz entstanden sind. Der Vermieter darf die ihm entstandenen
Gesamtkosten nicht im Vorwege um die nicht umlagefähigen Kosten bereinigen,
ohne dass diese Tatsache dem Mieter offen gelegt würde.
Zur Nachvollziehbarkeit einer Rechnung i.S.v. § 259 BGB gehört die
Rechnungslegung in Gestalt einer Zusammenstellung der Einnahmen und
Ausgaben, die in verständlicher Form der Nachprüfbarkeit auf ihre Richtigkeit und
Vollständigkeit zugänglich ist. Die Vorschrift des § 259 BGB trägt dem Interesse
des Gläubigers an einer umfassenden und übersichtlichen Information Rechnung,
die ihn in den Stand setzt, die Ordnungsgemäßheit der Verwaltung, über die
Rechenschaft abzulegen ist, zu überprüfen und - bei Missständen - Ansprüche
geltend zu machen (MüKo-Krüger, BGB, § 259 Rn. 1). Das bedeutet, dass der
Anspruch des Mieters auf Erteilung einer Betriebskostenabrechnung auch dann
erfüllt ist, wenn die Abrechnung möglicherweise ungerechtfertigte Kostenansätze
enthält, der Mieter aber durch die genaue Aufgliederung der einzelnen Positionen
in die Lage versetzt wird, die zu beanstandenden Positionen zu erkennen und
herauszurechnen („falsch aber vollständig“, vgl. MüKo-Krüger, BGB, § 259 Rn. 27).
Für den Mieter ist aber nicht lediglich die Nachvollziehbarkeit der umlagefähigen
Gesamtkosten von entscheidender Bedeutung. Denn wenn die
Betriebskostenabrechnung nicht die dem Vermieter insgesamt entstandenen
Kosten ausweist, kann der Mieter die Abrechnung nicht korrekt in sämtlichen
Rechenschritten nachvollziehen, da aus der Sicht des Mieters aufgrund der nicht
ausgewiesenen Bereinigung um nicht umlagefähige Betriebskosten ein
Rechenschritt fehlt. Der Mieter weiß nicht, ob überhaupt und gegebenenfalls in
welcher Höhe die aufgeführten Gesamtkosten bereits im Vorwege um die nicht
umlagefähigen Anteile bereinigt worden sind. Ein vollständiger Rechenschritt ist
damit jeglicher unmittelbaren Nachprüfung durch den Mieter entzogen. Der Mieter
kann die Korrektheit der ihm in Rechnung gestellten Betriebskosten nicht in ihrer
Gesamtheit nachvollziehen und überprüfen. Dies aber ist ein derartig elementarer
Bestandteil der Prüffähigkeit der Rechnung, dass insoweit nicht nur ein inhaltlicher
Fehler der Rechnung vorliegt, der durch spätere Nachbesserung heilbar ist,
sondern ein formeller Fehler, der hinsichtlich der betroffenen Einzelpositionen zur
Unwirksamkeit der Abrechnung führt.
Es ist zwar inzwischen anerkannt, dass die Verwendung eines falschen
Umlageschlüssels lediglich einen inhaltlichen und damit heilbaren Fehler darstellt,
nicht jedoch die formelle Unwirksamkeit der Abrechnung zur Folge hat (BGH WuM
2005, 448). Die Problematik der Gesamtkosten ist aber anders gelagert. Der
Mieter kann im Fall eines falschen, aber erläuterten Umlageschlüssels den Fehler
bei sorgfältiger Nachvollziehung der Abrechnung selbst erkennen. Diese
Möglichkeit bleibt ihm für den Fall nicht ausgewiesener Gesamtkosten verwehrt, da
ihm nicht alle für eine Prüfung der Abrechnung notwendigen
Berechnungsgrundlagen offen gelegt werden.
Es ist Aufgabe des Vermieters, darzulegen, durch welche Rechenschritte und unter
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Es ist Aufgabe des Vermieters, darzulegen, durch welche Rechenschritte und unter
Verwendung welchen Umlageschlüssels er die in die Nebenkostenabrechnung
eingestellten Beträge ermittelt hat. Dem Vermieter ist eine solche
Aufschlüsselung auch zumutbar, zumal er im Zweifel lediglich die Kosten
zusätzlich ausweisen muss, die er ohnehin im Rahmen der Erstellung der
Abrechnung seiner internen Kalkulation zugrunde legt.
Vorliegend hat die Klägerin zwar in Bezug auf die betroffenen Nebenkostenansätze
Grundsteuer, Wassergeld/Entwässerung und Hauswart nach Stellung der
Betriebskostenabrechnung durch weitere Erläuterungen nachgebessert. Die
genannten Fehler waren aber nicht im Wege der Nachbesserung zu korrigieren, da
die betroffenen Nebenkostenansätze infolge der nicht ausgewiesenen
Gesamtkosten formell unwirksam waren, und die Ausschlussfrist des § 556 Abs. 3
S. 3 BGB bereits abgelaufen war.
Zwar ist die Betriebskostenabrechnung lediglich hinsichtlich der aufgeführten
Einzelpositionen nicht fällig. Es kann aber dahinstehen, inwieweit die sonstigen
beanstandeten Abrechnungspositionen korrekt sind, da sich nach Abzug der
entsprechenden Nebenkostenansätze aus der Betriebskostenabrechnung kein
Saldo zugunsten der Klägerin ergibt. Die im Rahmen der
Betriebskostenabrechnung für Grundsteuer, Wassergeld/Entwässerung sowie für
den Hauswart angesetzten Beträge übersteigen mit einer Gesamtsumme von
746,41 € für das Jahr 2001 respektive von 795,87 € für das Jahr 2002 die jeweils
geltend gemachten Nachzahlungsbeträge von 161,26 € für das Jahr 2001
respektive von 195,97 € für das Jahr 2002.
2.
Die Ansprüche der Klägerin auf Nachzahlung aus den Heizkostenabrechnungen für
die Jahre 2001 und 2002 bleiben allerdings in Höhe der zugunsten der Klägerin
ausgewiesenen Salden von 138,72 € und 81,53 € unberührt.
In § 4 des Mietvertrages sind nach Betriebskosten und Heizkosten getrennte
Vorschüsse in Höhe von jeweils 215,- DM und 50,- DM vereinbart. Zum Teil wird
vertreten, dass für den Fall einer Vereinbarung getrennter Vorschusszahlungen
auch verschiedene Abrechnungskreise vereinbart worden seien, die
unterschiedlich behandelt werden müssten (vgl. Schmidt-Futterer-Langenberg,
MietR, 8. A., § 556 Rn. 478). Nach anderer Ansicht (MüKo-Schmid, BGB, 4. A., §
556 Rn. 46) ist im Zweifel von einer einheitlichen Abrechnung auszugehen. Allein
die Tatsache, dass im Mietvertrag einzelnen Kostenpositionen bestimmte Beträge
zugeordnet seien, spräche weder für die eine noch für die andere Variante, so
dass ohne ausdrückliche Regelung eine Auslegung erforderlich sei.
Hier sprechen die Tatsachen, dass nach Betriebs- und Heizkosten getrennte
Vorschusszahlungen vereinbart worden sind, die Vorschüsse sodann getrennt
nach Betriebskosten und Heizkosten verrechnet und damit auch nach
Betriebskosten und Heizkosten getrennte Salden gebildet worden sind, dafür, zwei
verschiedene Abrechnungskreise anzunehmen. Die Tatsache, dass aus den
verschiedenen Abrechnungen über die Betriebskosten einerseits und die
Heizkosten andererseits ein einheitlicher Gesamtsaldo gebildet worden ist, muss
unberücksichtigt bleiben. Denn die Forderung des Gesamtsaldos lässt den
Umstand unberührt, dass sich der Gesamtsaldo aus zwei Einzelsalden, die
wiederum aus unterschiedlichen Abrechnungen resultieren, zusammensetzt. Die
Aufschlüsselung in die Einzelsalden ist aufgrund der getrennten Abrechnungen
auch ohne weiteres möglich. Wenn aber zwei getrennte Abrechnungskreise
vereinbart worden sind, können die gegen einen der Abrechnungskreise
erhobenen Einwände auch nur diesen einen Abrechnungskreislauf betreffen, ohne
aber Auswirkungen auf den anderen Abrechnungskreislauf entfalten zu können.
Dies entspricht gerade auch dem Sinn und Zweck der Vereinbarung getrennter
Abrechnungskreise.
3.
Die Aufrechnung der Beklagten mit einem „Guthaben“ aus der
Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2001 i.H. v. 1.144,45 gegen die
Nachforderungen aus den Heizkostenabrechnungen für die Jahre 2001 und 2002
greift nicht durch.
Die sachdienliche Aufrechnungserklärung war zulässig, § 533 Nr. 1 ZPO. Sie ist
aber unbegründet. Den Beklagten steht kein Anspruch aus ungerechtfertigter
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aber unbegründet. Den Beklagten steht kein Anspruch aus ungerechtfertigter
Bereicherung zu. Zwar sind die genannten Positionen der
Betriebskostenabrechnung formell unwirksam und damit nicht fällig. Die
Vorauszahlungen auf diese Nebenkostenpositionen sind aber nicht ohne
rechtlichen Grund erfolgt, da die Leistungsverpflichtung der Beklagten auf dem -
wirksamen - Mietvertrag beruhte, § 812 Abs. 1 S. 1 BGB. Dieser Rechtsgrund ist
weder i.S.v. § 812 Abs. 2 Alt. 1 BGB weggefallen noch ist der mit der Leistung
bezweckte Erfolg nicht eingetreten, § 812 Abs. 2 Alt. 2 BGB. Der mit der Leistung
von Vorauszahlungen bezweckte Erfolg besteht regelmäßig darin, die
entsprechenden Leistungen in Anspruch nehmen zu können. Insofern
unterscheiden sich die Vorauszahlungen nicht von der Zahlung einer
Betriebskostenpauschale. Die Anwendung dieser Rechtsauffassung führt auch
nicht zu einem unbilligen Ergebnis. Bei fortdauerndem Mietverhältnis ist der Mieter
zum einen dadurch geschützt, dass er hinsichtlich der weiterlaufenden
Vorauszahlungen bis zur Vorlage der Abrechnung über den vergangenen Zeitraum
ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB ausüben kann (BGH WuM 1991, 150).
Zum anderen kann der Mieter seinen Anspruch auf Erteilung einer Abrechnung
einklagen (vgl. zu den vorstehenden Ausführungen Langenberg,
Betriebskostenrecht, 4. A., G Rn. 52 ff. m.w.N., u.a. OLG Hamm ZMR 1998, 624).
4.
Die Revision war gem. § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da eine exakte Definition der
Gesamtkosten im Rahmen einer Betriebskostenabrechnung bislang nicht
Gegenstand höchstgerichtlicher Rechtsprechung war.
Die Kostenentscheidung beruht für beide Instanzen auf § 92 ZPO; die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.