Urteil des LG Heilbronn vom 10.05.2006

LG Heilbronn (vergütung, höhe, zpo, tätigkeit, rechnung, beschwerde, aug, stadt, pauschale, abrechnung)

LG Heilbronn Beschluß vom 10.5.2006, 1 T 133/06
Zwangsverwaltervergütung: Voraussetzungen für eine einheitliche Abrechnung nach Zeitaufwand
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Zwangsverwalters wird der Beschluss des Amtsgerichts Heilbronn vom
10.3.2006 – 1 L 7/05 – abgeändert.
Die Vergütung des Zwangsverwalters für das Kalenderjahr 2005 wird auf insgesamt 933,08 Euro
(einschließlich Auslagen und Mehrwertsteuer) festgesetzt. Der Zwangsverwalter wird ermächtigt, den
Betrag der Zwangsverwaltungsmasse zu entnehmen.
2. Die weitergehende sofortige Beschwerde des Zwangsverwalters wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Zwangsverwalter selbst 42 %, 58 % dieser Kosten werden
der Zwangsverwaltungsmasse belastet.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 393,92 Euro
Gründe
I.
1
Mit Beschluss des Amtsgerichts Heilbronn vom 14.1.2005 wurde auf Antrag der Gläubigerin die
Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung in o. g. Grundbesitz angeordnet und der Beschwerdeführer für
das Zwangsverwaltungsverfahren als Zwangsverwalter bestellt.
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Mit Schreiben vom 6.2.2006 erstattete der Zwangsverwalter die Jahresabrechnung 2005 und reichte
zugleich Rechnung hinsichtlich seiner Zwangsverwaltervergütung ein. Er ist der Auffassung, dass seine
Vergütung gemäß § 19 Abs. 2 Zwangsverwalterverordnung (ZwVwV) nach dem konkreten Zeitaufwand
abzurechnen sei, da die pauschale Vergütung nach § 18 ZwVwV offensichtlich unangemessen sei.
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Mit Beschluss vom 10.3.2006 hat das Amtsgericht Heilbronn die Gesamtvergütung des Zwangsverwalters
auf einen Betrag in Höhe von 704,60 Euro festgesetzt, wobei sich die Berechnung an der Regelvergütung
des § 18 ZwVwV orientiert. Hierzu führt das Amtsgericht aus, dass eine Abrechnung nach Zeitaufwand
gemäß § 19 Abs. 1 ZwVwV nicht möglich sei, da das betreffende Zwangsverwaltungsobjekt innerhalb des
Zeitraums der Zwangsverwaltung durchgehend durch Vermietung genutzt worden sei; der vom
Zwangsverwalter vorgebrachten umfangreichen Tätigkeit im Rahmen des Verfahrens werde durch
Erhöhung des Prozentsatzes gemäß § 19 Abs. 2 ZwVwV (gemeint war offensichtlich § 18 Abs. 2 ZwVwV)
Rechnung getragen.
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Hiergegen richtet sich die am 23.3.2006 beim Amtsgericht Heilbronn eingegangene sofortige Beschwerde
des Zwangsverwalters. Auf Hinweis der Beschwerdekammer hat der Zwangsverwalter den von ihm geltend
gemachten Zeitaufwand näher dargestellt und erläutert (vgl. im Einzelnen Bl. 37 ff. und Bl. 42 ff. d. A.). Er
macht geltend, dass der in eine gerichtliche Auseinandersetzung mit der früheren Hausverwalterin des
Objektes mündende Schriftverkehr, die Anberaumung einer außerordentlichen Eigentümerversammlung zur
fristlosen Kündigung gegenüber der früheren Hausverwalterin sowie die Korrespondenz mit der
neubestellten Hausverwalterin Tätigkeiten dargestellt hätten, die ihrem Umfang nach weit über die in einem
durchschnittlichen Zwangsverwaltungsverfahren zu erwartenden Tätigkeiten hinausgegangen seien.
Gleiches gelte für Schriftverkehr mit der Stadt H im Zusammenhang mit der Grundsteuererhebung. Dies
rechtfertige die Anwendung des § 19 Abs. 2 ZwVwV.
II.
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Die sofortige Beschwerde des Zwangsverwalters ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 11 Abs. 1
Rechtspflegergesetz, 869 ZPO, 152 a ZVG, § 567 ff. ZPO statthaft und wurde auch innerhalb der Frist des
§ 569 ZPO rechtzeitig erhoben.
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Das Rechtsmittel ist in der Sache teilweise begründet.
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1. Die Vergütung des Beschwerdeführers richtet sich nach der ZwVwV in der seit 1.1.2004 in Kraft
getretenen Fassung. Hiernach hat der Zwangsverwalter Anspruch auf angemessene Vergütung und
Auslagenersatz (§ 152 a ZVG, § 17 Abs. 1 Satz 1 ZwVwV).
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Im Regelfall ist bei einem vermieteten Grundstück gemäß § 18 Abs. 1 ZwVwV von einer
pauschalierten Vergütung in Höhe von 10 % der tatsächlich eingezogenen Mieten auszugehen. Gemäß
§ 18 Abs. 2 ZwVwV kann bei einem Missverhältnis zwischen der Tätigkeit des Zwangsverwalters und
der starren Regelvergütung eine Erhöhung der Pauschale auf bis zu 15 % der erzielten Einnahmen
vorgenommen werden. Darüber hinaus regelt § 19 Abs. 2 ZwVwV, dass der Verwalter für den
Abrechnungszeitraum einheitlich nach § 19 Abs. 1 ZwVwV, also nach konkretem Zeitaufwand,
abrechnen kann, wenn die pauschalisierte Vergütung nach § 18 ZwVwV "offensichtlich
unangemessen" ist.
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Es liegt auf der Hand, dass der Begriff "offensichtlich unangemessen" enger zu definieren ist als der
des "Missverhältnisses" im Sinne des § 18 Abs. 2 ZwVwV. Vielmehr soll nach § 19 Abs. 2 ZwVwV in
einer weiteren Vergütungsstufe besonderen Einzelfällen Rechnung getragen werden, in denen eine
angemessene Vergütung auch nicht mit der abweichenden Bemessung nach § 18 Abs. 2 ZwVwV
erreicht werden kann (vgl. Stöber, ZVG, 18. Auflage, § 152 a Rn. 5.1).
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Wann von einer offensichtlichen Unangemessenheit im Sinne dieser Vorschrift gesprochen werden
kann, ist bislang – soweit ersichtlich – höchstrichterlich bzw. obergerichtlich noch nicht grundsätzlich
geklärt worden. Entsprechend der Rechtsprechungspraxis zu vergleichbaren generalklauselartigen
Formulierungen wird auch hier auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen sein. Gleichwohl
erscheint es erforderlich, gewisse grundsätzliche Maßstäbe für die einheitliche Handhabung der
Eingangsgerichte festzulegen.
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Hiernach erscheint es der Kammer angebracht, im Regelfalle von einer "offensichtlich
unangemessenen" Vergütung im Sinne des § 19 Abs. 2 ZwVwV auszugehen, wenn
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– die Tätigkeit des Zwangsverwalters Handlungen umfasst hat, die in einem durchschnittlichen
Zwangsverwaltungsverfahren nicht, nicht in dem Umfang oder nicht in der Art zu erwarten sind und
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– die nach § 19 Abs. 1 ZwVwV zu berechnende Vergütung die pauschalisierte Vergütung nach § 18
ZwVwV wesentlich übersteigen würde, wobei die Wesentlichkeitsgrenze bei ca. 30 % anzusetzen ist.
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2. Hiernach ergibt sich im konkreten Fall folgendes:
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a) Der vom Zwangsverwalter dargestellte Aufwand im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit
der früheren Hausverwalterin, der einberufenen Eigentümerversammlung und dem Schriftverkehr mit
der neuen Hausverwalterin von insgesamt 4,5 Stunden betrifft auch nach Auffassung der Kammer
Tätigkeiten, die in einem durchschnittlichen Zwangsverwaltungsverfahren des vorliegenden Zuschnitts
nicht gerechnet werden kann bzw. muss. Die hierbei entwickelten Tätigkeiten des Zwangsverwalters,
die allesamt notwendig gewesen sein dürften, betrafen einen nicht unerheblichen Teil seiner
Gesamttätigkeit (ca. 40 %). Die Handlungen waren daher nicht nur ihrer Art nach, sondern auch ihrem
Umfange nach nicht zu erwarten gewesen.
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b) Die nach § 19 Abs. 1 ZwVwV zu berechnende Vergütung übersteigt die pauschalisierte Vergütung
nach § 18 ZwVwV auch wesentlich:
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aa) Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die tatsächlich erzielten Einnahmen im Jahr 2005
nicht – wie vom Amtsgericht zugrunde gelegt – 3.681,36 Euro betragen haben, sondern 3.067,80 Euro
(vgl. Seite 2 des Schreibens des Zwangsverwalters vom 6.2.2006, Bl. 23 d. A.). Die erhöhte
pauschalisierte Vergütung hieraus gemäß § 18 Abs. 2 ZwVwV hätte mithin 460,17 Euro netto betragen.
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bb) Dem gegenüber ergibt sich bei einer Abrechnung der Zwangsverwaltertätigkeit nach Zeitaufwand
gemäß § 19 Abs. 2 ZwVwV folgende Vergütung:
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(1) Von dem dargestellten, zeitlich gegliederten Tätigkeitsaufwand des Zwangsverwalters von
insgesamt 11,75 Stunden sind nach Auffassung der Kammer 0,5 Stunden im Zusammenhang mit dem
ausführlichen Schriftverkehr des Zwangsverwalters mit der Stadt Heilbronn in Abzug zu bringen. Auf
Nachfrage hat der Zwangsverwalter erklärt, dass es hierbei ausschließlich um Mahn- und
Bankgebühren bis zu 13,00 Euro gegangen sei. Hier muss sich der Zwangsverwalter kurz fassen und
kann nicht eine Tätigkeit entwickeln, die letztlich zur Kostenbelastung für die
Zwangsverwaltungsmasse in Höhe von über 40,00 Euro führt. Anzuerkennen ist daher nur der Aufwand
für das Erstschreiben an die Stadt sowie ein Widerspruchsschreiben (2 x 0,125 Stunden). Der
notwendige Gesamtaufwand des Zwangsverwalters belief sich mithin auf 11,25 Stunden.
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(2) Anzusetzen ist ein mittlerer Vergütungssatz im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 ZwVwV in Höhe von
65,00 Euro. Dieser Stundensatz trägt nach Auffassung der Kammer der vom Zwangsverwalter
ausgeübten Tätigkeit mittleren Schwierigkeitsgrades hinreichend Rechnung. Durch das
vorübergehende Fehlen einer Hausverwaltung ist dem Zwangsverwalter – wie dargestellt – ein
Tätigkeitsmehraufwand entstanden, der durch die anerkannten Mehrstunden bei der Vergütung
hinreichende Berücksichtigung findet. Eine zusätzliche Erhöhung des Stundensatzes rechtfertigt sich
hierdurch jedoch nicht.
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(3) Die Vergütung des Zwangsverwalters nach § 19 Abs. 2 ZwVwV beträgt mithin 11,25 Stunden x
65,00 Euro/Stunde = 731,25 Euro netto.
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Die Vergütung liegt mithin ca. 60 % über der nach § 18 Abs. 2 pauschalierten Vergütung, so dass
letztere offensichtlich unangemessen ist.
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3. Hinzu kommt der pauschalierte Auslagensatz von 10 % der Zwangsverwaltervergütung gemäß § 21
Abs. 2 Satz 2 ZwVwV, mithin in Höhe von 73,13 Euro. Zwar hat der Zwangsverwalter in der eingangs
eingereichten Rechnung nur die ihm tatsächlich entstandenen Auslagen in Höhe von 7,00 Euro geltend
gemacht. Jedoch hat das Amtsgericht Heilbronn in der angefochtenen Entscheidung den pauschalierten
10%igen Auslagensatz zuerkannt. Insoweit ist davon auszugehen, dass sich der Zwangsverwalter die
pauschale Berechnungsweise zumindest stillschweigend zu eigen gemacht hat.
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Zuzüglich der Mehrwertsteuer in Höhe von 128,70 Euro ergibt sich die mit der
Beschwerdeentscheidung zuerkannte Gesamtvergütung in Höhe von 933,08 Euro.
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4. Die Kostenentscheidung beruht teilweise auf § 91 ZPO, teilweise auf § 97 Abs. 1 ZPO. Nachdem sich
andere Verfahrensbeteiligte nicht am Beschwerdeverfahren beteiligt haben, waren die Kosten des
Beschwerdeverfahrens, soweit sie nicht dem teilweise unterliegenden Zwangsverwalter aufzuerlegen
waren, der Zwangsverwaltungsmasse zu belasten.
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Aufgrund der zur Anwendung des § 19 Abs. 2 ZwVwV grundsätzlich aufgeworfenen Rechtsfragen ist
die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
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Der Beschwerdewert ergibt sich aus der Differenz zwischen dem vom Zwangsverwalter geltend
gemachten Gesamtvergütungsbetrag und dem vom Amtsgericht zuerkannten Betrag.